Selig sind, die Verfolgung leiden um der Gerechtigkeit willen, denn ihrer ist das Himmelreich.
Mit einer Wolke am Himmel vergleicht der Apostel im Hebräerbrief unsere lieben Heiligen.
"So wollen denn auch wir," schreibt er, "die eine so große Wolke von Zeugen umgibt, aufblicken zu Christus als dem Urbild und Vollender unseres Glaubens." (Hebräer 12,1f)
Eine Wolke von Zeugen! Wir alle haben gewiss schon emporgeschaut zu den herrlichen Wolkengebilden, die etwa an einem schönen Abend um die Sonne sich lagern, leuchtend wie flüssiges Gold oder wie glühender Purpur.
Was sind eigentlich diese Wolken? Nichts als Wasserdünste, von der Erde aufgestiegen, von der Sonne angezogen, zunächst ohne Gestalt und Farbe. Aber die Sonne, um die sie sich lagern, beleuchtet sie und durchleuchtet sie und verklärt die grauen Wolkenmassen zu solch herrlichen Gestalten und Gebilden. So ist es auch mit der Wolke von Zeugen um den Strahlenthron Jesu Christi. An und für sich besteht sie nur aus armen sterblichen Menschen, der Erde entstiegen, die sich himmelwärts ziehen ließen von der "Sonne der Gerechtigkeit, Jesus Christus". Aber durchleuchtet von dem Glanz des Himmels schweben sie nun nach vollendetem Erdenlauf als eine leuchtende Wolke, purpurrot glühend, hoch über unseren Häuptern und geben Zeugnis von Christi Herrlichkeit.
Ohne Bild gesprochen zählt der Apostel die Zeugen auf, die zu dieser Wolke gehören, jene Heiligen der Vorzeit alle, die "gesteinigt, zersägt, gefoltert wurden und dem Mordstrahl zum Opfer fielen" (Hebräer 11,37), die um der Gerechtigkeit willen Verfolgung gelitten und mit ihrem Blut ihr Glaubensbekenntnis besiegelt haben.
So lasst auch uns an jedem Tag aufschauen zu dieser Wolke von Zeugen. In der Reihe der Heiligengestalten, die wir betrachten, dürfen gerade sie, die Blutzeugen, am wenigsten fehlen. Fast keine Woche vergeht, ohne dass der eine oder die andere von ihnen im Kalender steht. Auch ist die Betrachtung dieser Seligpreisung ausgezeichnet durch das Gedächtnis eines der vornehmsten heiligen Martyrer, des heiligen Diakon Laurentius.
Der heilige Laurentius lebte um die Mitte des dritten Jahrhunderts, als Sixtus II. Papst und Valerian Kaiser in Rom war.
In des Lebens Frühling entschloss er sich, in den Dienst der Kirche zu treten und der Martyrerpapst Sixtus wurde selber der Lehrer und Erzieher des jungen Klerikers. Vom Papst unter die sieben Diakonen der römischen Kirche aufgenommen, ja zum ersten von ihnen, zum Erzdiakon, erhoben, wurde er der Haushalter der Kirche, dem die Armen in der Gemeinde zur besonderen Fürsorge anvertraut waren. Die Schatzkammern der christlichen Liebe in Rom standen unter seiner Verwaltung. Auch die Austeilung der heiligen Kommunion und der Dienst am Altar war seines Amtes.
Da brach im Jahr 258 wieder eine jener großen Verfolgungen aus, die in zehnfachem Ansturm über die junge Kirche dahinfuhren und ihr den Untergang zu bringen schienen.
Unter den ersten Opfern der Blutbefehle ist das Oberhaupt der Kirche, der heilige Papst Sixtus. Zum Tode verurteilt geht er seinen letzten Gang zur Richtstätte. Da wartet seiner am Weg sein heiliger Diakon Laurentius. "Vater", ruft er ihm zu, "wohin so eilig ohne deinen Sohn; wohin, o Priester, ohne deinen Diakon? Du warst doch sonst nicht gewohnt, ohne deinen Diakon das Opfer zu feiern. Warum verlässt du mich? Was missfällt dir an mir? Hast du mich als untauglich befunden? Nimm mich mit und erprobe, ob du einen tüchtigen Gehilfen in mir erwählt hast."
O heilige Sehnsucht zu sterben! O rührendes Heimweh nach dem Himmel!
"Ich verlasse dich nicht, mein Sohn", so gibt ihm der dem Tod geweihte Papst zurück, "sondern größere Kämpfe noch stehen dir bevor. Wir Alten haben nur den leichteren Teil des Kampfes zu bestehen; deiner aber, der du noch jung bist, wartet ein herrlicherer Sieg über den Tyrannen. Noch drei Tage, mein Sohn, dann wirst du mir folgen."
Drei Tage noch. Zeit genug, sich vollends zu rüsten. Was er noch besitzt und verwaltet an irdischen Gütern, geht aus seinen Händen den Weg unter die Armen. Nun mag er kommen, der grausame Tyrann, nicht weniger lüstern nach den Schätzen der Kirche als lechzend nach dem Blut ihrer Bekenner.
Laurentius wird dem Richter vorgeführt und soll die Truhen öffnen, in denen das Geld und die Reichtümer der Kirche verborgen sind., Da lässt der heilige Diakon sie alle auftreten, die Armen, Witwen und Waisen, die Lahmen und Blinden. An den Händen geführt, auf Krücken gestützt, kommen sie daher aus allen Gassen und Winkeln der Stadt. "Siehe", so ruft er dem Richter zu, "das sind die Schätze der Kirche!"
Warte nur, das sollst du büßen, du junger Held!
Der Schwerttod ist zu schnell und zu gut für ihn. Zum Feuertod wird er verurteilt, aber nicht auf hohem Holzstoß, wo rasch die Flamme emporzüngelt und ihr Opfer verzehrt, sondern auf dem Rost über glühenden Kohlen, der nach den Worten des heiligen Augustinus "ihm erlaubte, länger zu leben und ihn zwang, langsamer zu sterben".
Mit dem vorher schon gemarterten, zerschlagenen Leib legt er sich nieder auf das heiße Bett.
Die menschliche Sprache hat keinen Ausdruck, diesen Heldenmut gebührend zu bezeichnen. Heißer als die Flamme um ihn her brannte das Feuer der Gottesliebe in seiner Brust. Mancher liegt auf weichem Bett und seidenem Kissen nicht so gut als dieser jugendliche Martyrer auf seinen harten, heißen Stäben. Auf seinem Angesicht ruht Freude und Seligkeit. Nicht einmal das Scherzen vergeht ihm. "Wende mich jetzt um", sagt er zu dem Richter, "damit auch die andere Seite gebraten werde."
Nach seines Herrn und Meisters Vorbild betet er auf seinem Schmerzenslager noch für seine Feinde und sein letztes Wort heißt: "Ich danke dir, o Herr, weil ich zu deiner Tür einzugehen verdiene."
Ja schon öffnet sich ihm die Tür seines Herrn und während noch die Christen damit beschäftigt sind, seinen verbrannten Leib vom Rost abzunehmen, um ihn zu bestatten, hat seine Seele schon den Flug gemacht himmelwärts.
"Beatus Laurentius triumphat coronatus in coelis", betet die Kirche in ihren Tagzeiten, "der heilige Laurentius triumphiert im Himmel, geschmückt mit der Siegeskrone". Er hat es verstanden, über den glühenden Kohlen, die man gegen ihn angefacht, ehe sie verglühten, eine glänzende Krone sich zu schmieden. Er hat es verstanden, den Rost im Feuer zu einer wunderbaren Leiter umzuschaffen, auf deren Sprossen er emporstieg in die selige Freiheit der Kinder Gottes.
Jubelnd empfangen ihn bei seinem Einzug die himmlischen Chöre und das Lied, das sie singen, hebt also an: "Selig sind, die Verfolgung leiden um der Gerechtigkeit willen, denn ihrer ist das Himmelreich."
Das ist des Herrn achte und letzte Seligpreisung. Aber wenn sie bei ihm auch an letzter Stelle steht, der Weg, den sie weist, ist nicht der einfachste und leichteste. Laurentius ist vor ihm nicht zurückgeschreckt; mutig hat er ihn betreten, siegreich hat er ihn vollendet. "Selig sind, die Verfolgung leiden um der Gerechtigkeit willen, denn ihrer ist das Himmelreich."
Ein mysterium iniquitatis, ein Geheimnis der Hölle, das uns aus diesem Heiligenleben entgegenschaut: die Bosheit und Ungerechtigkeit sitzt richtend und triumphierend auf dem Thron; das Gute aber und die Guten, die nach Tugend und Heiligkeit ringen, werden verfolgt und getötet. Ja, es ist etwas Grauenvolles, dass Menschen von Menschen verfolgt werden aus keinem anderen Grund, als weil all ihr Sinnen und Trachten nur auf das Gute gerichtet ist. Es ist etwas Entsetzliches, dass man sich Feinde macht nur dadurch, dass man dem Heiland nachfolgt und will, was er will.
Warum ist das so? Warum darf das so sein? Warum kann jemand verfolgt werden "um der Gerechtigkeit willen?"
Der Grund liegt in dem tiefen Gegensatz, der besteht zwischen dem Geist Christi und dem Geist der Welt.
Der Geist Christi ist Wahrheit, Keuschheit, Demut, Gerechtigkeit. Der Geist der Welt ist Lüge, Genusssucht, Mammonsdienst, Augenlust, Fleischeslust, Hoffart des Lebens.
Die Welt hasst den Geist Christi und will ihn nicht aufkommen lassen, weil dieser Geist sie richtet und verurteilt. Die Welt muss sich schämen vor der Gerechtigkeit und darum ist sie deren Feind und verfolgt sie und "hält sie, wie der Apostel sagt, zurück in Ungerechtigkeit" (Römer 1,18).
Kaum ist der Heiland in die Welt eingetreten und die Gerechtigkeit ihr aufgegangen, da beginnt die Welt schon ihn zu verfolgen. Als Kind schon muss er nach Ägypten fliehen, und da er herangewachsen ist, wird er gehasst, geschmäht, verleumdet, verfolgt. Die Ungerechtigkeit ruht nicht, bis er zum Tod verurteilt ist und am Kreuz hängend sein Leben ausgehaucht hat.
Und dieser Widerspruch, den Christus erfahren, der heftet sich allem an, was christlich ist. Als ein heiliges Vermächtnis hat der Heiland die Verfolgung "um der Gerechtigkeit willen" seinen Jüngern hinterlassen: "Haben sie mich verfolgt, so werden sie auch euch verfolgen" (Johannes 15,20); "denn der Jünger ist nicht über dem Meister und der Knecht ist nicht über seinem Herrn" (Matthäus 10,24). "Wenn euch die Welt hasst, so wisst, dass sie mich zuerst gehasst hat. Wenn ihr von der Welt wäret, so würde die Welt das Ihrige lieben; weil ihr aber nicht von der Welt seid, darum hasst euch die Welt" (Johannes 15,18f). "Sie werden euch aus den Synagogen ausstoßen; ja es kommt die Stunde, wo jeder, der euch tötet, Gott einen Dienst zu erweisen glaubt. Das werden sie euch antun, weil sie weder den Vater noch mich kennen. Solches habe ich zu euch gesagt, auf dass, wenn die Zeit kommen wird, ihr euch daran erinnert, dass ich es euch gesagt habe" (Johannes 16,2 ff).
So löst sich das Rätsel von dem glühenden Rost, von Schwert und Rad, von Folter und Scheiterhaufen, von allen Marterwerkzeugen und Verfolgungen der Jünger Christi: "Die Welt hasst euch, weil ihr nicht von der Welt seid."
So lichtet sich das Geheimnis im Leben eines heiligen Laurentius, eines heiligen Paulus und Stephanus, einer heiligen Cäcilia und Katharina und aller heiligen Martyrer: "Haben sie mich verfolgt, so werden sie auch euch verfolgen."
Ein Jahrhundert um das andere hat seinen Anteil bekommen an diesem Leidenstestament des Herrn. Sein Wort gilt für immer; es macht auch nicht Halt an der Schwelle des einundzwanzigsten Jahrhunderts. Es macht auch nicht halt vor dir.
Wohl sind die Zeiten heute für dich nicht mehr so schlimm wie damals, als Laurentius auf dem glühenden Rost lag, als die treuen Schäflein Christi keinen Augenblick vor den heidnischen Wölfen sicher waren, als man noch auf dem Weg blutiger Verfolgung sich den Himmel verdienen musste.
Wohl hat des Heilands Wort für uns seinen tiefsten Unterton verloren: "Selig sind, die Verfolgung leiden."
Wohl hat man den schwersten Preis, Blut und Leben, um der Sache Christi willen bis jetzt noch von keinem aus uns gefordert. Wer weiß, wie viele von uns imstande wären, in solchen Verfolgungen auszuhalten und solche Proben zu bestehen.
Aber erspart bleiben äußere Verfolgungen oder innere Anfechtungen keinem ganz.
Wenn andere über dich spotten wegen deines Glaubens; wenn du während der Woche im Geschäft, im Büro oder der Fabrik so bittere Worte hören musst, die deinem katholischen Herzen wehe tun und dich tief verletzen; wenn am Sonntag andere so spitze Bemerkungen machen über dein Laufen in die Kirche, so sind auch das schwere Proben, auf die dein Glaubensmut gestellt wird.
Oder wenn es gilt, auf der inneren Wahlstatt des Menschenherzens dem Bösen bis aufs Blut zu widerstehen, wenn das Gesetz in den Gliedern sich empört gegen des Geist, wenn der Engel des Satans dir Faustschläge versetzt, dann sind auch das Kämpfe und Verfolgungen "um der Gerechtigkeit willen".
Sie alle haben ihren Teil an der Seligpreisung: "Selig der Mann, der die Anfechtung aushält; denn wenn er sich bewährt hat, wird er die Krone des Lebens empfangen" (Jakobus 1,12); "selig sind, die Verfolgung leiden um der Gerechtigkeit willen, denn ihrer ist das Himmelreich."
Lass dich darum nicht verwirren, wenn du um der Gerechtigkeit willen etwas leiden musst.
Es ist gut so.
In den Verfolgungszeiten hat die Kirche ihre schönsten Triumphe gefeiert. Aus den trüben Zeiten der Verfolgung heraus sind dem Himmel die meisten Heiligen geboren worden.
Die Verfolgungen zeigen auch uns, dass wir Christi Geist in uns tragen und geben uns Zeugnis, dass wir auf dem rechten Weg zur Seligkeit sind.
Nur wenn der Pflug mit seinem scharfen Eisen das harte Erdreich aufreißt, wird es ein guter Ackerboden.
Nur wenn der Meißel spitz und scharf in den rohen Steinklotz hineinfährt, wird ein schönes Bild aus ihm.
Nur wenn das Rebmesser fest in die zarte Rebe einschneidet, gibt sie ihre süße Frucht.
Nur wenn die Jünger Christi durch die Verfolgung und Trübsal hindurchgehen wie das Gold durchs Feuer, werden sie, von allen Schlacken gereinigt und geläutert, würdige Erben des ewigen Lebens.
Selig sind, die Verfolgung leiden um der Gerechtigkeit willen; denn ihrer ist das Himmelreich.
Das war des Heilands königlicher Himmelsweg: durch Kreuz zur Krone.
Das war des heiligen Laurentius Himmelsweg. Vom glühenden Rost weg ist seine Seele hinaufgeflogen wie ein Vöglein zum ewigen Lobpreis Gottes.
Das ist des Christen Himmelsweg. Im Himmel soll er entschädigt werden für alle Verfolgungen der Welt. Den Frieden und die Liebe, die ihm die Menschen nicht gönnen wollten, soll er überschwänglich genießen in der seligen Gemeinschaft der Heiligen im Himmel.
"Dort werden die Gerechten einmal mit großer Standhaftigkeit denen gegenüberstehen, von denen sie einst geängstigt und verfolgt worden sind. Die Gottlosen werden es sehen und von schrecklicher Furcht verwirrt werden und vor Angst des Geistes seufzen: Diese sind es, die wir einst verlachten und mit schimpflichen Reden verhöhnten. Wir Toren hielten ihr Leben für Unsinn und ihr Ende für ehrlos. Siehe, wie sie unter die Kinder Gottes gezählt sind und ihr Los unter den Heiligen ist" (Weisheit 5,1ff).
Ja "selig sind, die Verfolgung leiden um der Gerechtigkeit willen, denn ihrer ist das Himmelreich."
Zu den ehrwürdigsten Heiligtümern der Stadt Rom gehört die uralte Kirche San Lorenzo, die das Grab des heiligen Stephanus und des heiligen Laurentius birgt. Rings um sie her dehnt sich der große Friedhof der ewigen Stadt aus mit seinen Tausenden von Gräbern. Drinnen in der Kirche aber hat sich, nicht weit weg vom Grab des heiligen Laurentius, ein Papst seinen letzten Ruheort ausgewählt, Pius IX., der wie wenige andere den Hass und die Verfolgung der Welt erfahren und sich den Beinamen verdient hat: crux de cruce, Kreuz vom Kreuze.
O, welch schönes Ruheplätzchen dort für alle Kreuzträger und alle Verfolgten, die den Lauf vollendet haben, unter dem Dach oder wenigstens im Schatten von San Lorenzo! Da ist es in stillen Nächten, als kämen die Engel vom Himmel und stimmten um das Grab des heiligen Laurentius das Lied an: "Selig sind, die Verfolgung leiden." Und die Zypressen des Friedhofs tragen es mit ihrem Rauschen weiter, über die Gräberreihen hin: "denn ihrer ist das Himmelreich; denn ihrer ist das Himmelreich." Amen.
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