Unsere Liebe Frau von der Wundertätigen Medaille

 

27. November

 

Zeigt man einem modern eingestellten Menschen eine Wundertätige Medaille, dann wird er sich höchstwahrscheinlich mitleidig lächelnd abwenden und die Rückständigkeit bedauern, auch wenn er selbst sein Maskottchen im Auto baumeln lässt und das Horoskop ihm Lebensweiser ist. In solchen Gebräuchen muss doch eine Ursehnsucht des Menschen zu Ausdruck kommen, sonst wären sie nicht bei Alt und Jung, bei reich und arm, bei Gläubigen wie Ungläubigen im Schwange.

 

Es wird wohl Ausdruck dafür sein, dass des Menschen Lebensweg durch Wagnis und Ungewissheit gezeichnet ist. Ungewissheit aber erzeugt Angst und Furcht, beklemmt das Herz, macht zage den Schritt. Wie wir bei unsicherem Schritt uns des Stockes bedienen, wie wir in den Wagnissen des menschlichen Lebens durch vielerlei Versicherungen uns zu schützen suchen, so möchten wir auch bei den Gefahren, gegen die wir keine Hilfe wissen, durch den Schutz höherer Mächte uns versichern, denn dass unser wagnisreiches Leben auch von solchen mitbestimmt ist, das fühlen wir mit sicherem Instinkt.

 

Wer kann es da dem Gläubigen verargen, wenn er seine Sicherungen dorther holt, wo er die Mächte seines Lebens lebendig weiß, aus der himmlischen Welt. Gewiss gibt er sich gläubig hin in Gottes heilige Vorsehung, aber menschlich ist es doch, wenn er Greifbareres spüren möchte. Wohl beginnt er nichts ohne den Namen des Herrn, aber echt menschlich ist es doch, ein sichtbares Unterpfand dieses Segens bei sich zu tragen.

 

Gott wäre fürwahr nicht der liebevolle Schöpfer seines geliebten Menschengeschöpfes, wenn er diesem Zug des menschlichen Herzens nicht entgegenkäme, den er doch hineinlegt. Unsere Kirche wäre nicht mehr die weise Erzieherin, wenn sie unserem Bangen keinen Ausweg schaffte. Darum verband Gott seinen Segen mit sichtbaren Zeichen. Darum schuf unsere Mutter, die Kirche, die Menge der geweihten Dinge, mittels deren Gottes heilige Macht und die Fürsprache der Kirche den bösen Gewalten Halt gebieten will, wenn man sie gläubig fromm gebraucht.

 

Sollte die himmlische Mutter es anders halten? Sollte nicht ihr mütterliches Herz mehr als alle Gewalten und Kräfte des Himmels darauf bedacht sein, den zagenden und bangenden Kindern zu helfen, so zu helfen, wie es unserem Empfinden entspricht? Verstehen wir nun, was die Wundertätige Medaille will? Verstehen wir nun, warum mit so manchen geheiligten Versicherungen Mariens Name so eng verknüpft ist? Gebrauchen wir sie demnach getrost! Aber lasst sie uns nicht so gebrauchen wie der ungläubige Abergläubische seinen Popanz, sondern in heilig-festem Glauben an Gottes Macht, in heilig-sicherem Vertrauen auf Mariens Schutz und in ehrlichem Streben um ein echt christliches Leben.

 

Kirchengebet

 

Herr Jesus Christus, Du hast durch zahllose Wunder kundtun wollen, dass die allerseligste Jungfrau Maria, Deine Mutter, von ihrem Ursprung an unbefleckt ist. Lass uns, die wir ständig ihren Schutz erflehen, die ewigen Freuden erlangen. Amen.

 

Zur Geschichte des Festes: Ein Fest zu Ehren Unserer Lieben Frau von der Wundertätigen Medaille wurde erstmals im Jahr 1880 gefeiert. 50 Jahre zuvor war nämlich die Mutter Gottes der Schwester Katharina Labouré in Paris erschienen, und zwar in einer Art wie sie die Wundertätige Medaille auf ihre Anweisung hin zeigt. Unter dem 9. Juli 1880 beantwortete Papst Leo XIII. ein Bittgesuch des Generalsuperiors der Lazaristen, Antoine Fiat, durch Gewährung eines vollkommenen Ablasses für jeden, der am 27. November eine Kirche oder Kapelle der Lazaristen oder Barmherzigen Schwestern besuche, sowie einen Teilablass für jeden Besuch der genannten Kirchen und Kapellen in der Zeit zwischen dem 28. November und dem 28. Dezember. Außerdem gestattete er für den 27. November, dass jeder Priester in diesen Gotteshäusern die Heilige Messe von der Unbefleckten Empfängnis feiere.

 

Durch diesen Erfolg ermutigt, wagte der Generalsuperior es, bei der Ritenkongregation um die Gewährung einer jährlichen Festfeier vorstellig zu werden. An der Spitze der Ritenkongregation stand damals Kardinal Aloisi Masella. Dieser, ein großer Verehrer Unserer Lieben Frau von der Medaille, fand es schon lange unverständlich, dass man ein solches Gnadenmittel nicht mehr ins Licht rücke. Er tat darum seinerseits alles, dem Gesuch des Generalsuperiors zum Erfolg zu verhelfen. Am 10. Juli 1894 gab die heilige Ritenkongregation eine günstige Antwort und beauftragte ihren eigenen Präfekten mit der Redaktion von Offizium und Messe. Schon am 23. Juli 1894 approbierte Leo XIII. diese und gestattete die Feier eines Festes Unserer Lieben Frau von der Wundertätigen Medaille, und zwar für die Lazaristen als Doppelfest zweiter Klasse und als Doppelfest dritter Klasse für alle Diözesen und religiösen Gemeinschaften, die das Fest übernehmen wollten.

 

(Prof. Dr. Carl Feckes, So feiert dich die Kirche, Steyler Verlagsbuchhandlung, 1957)