Maria, Trösterin der Betrübten

 

15. Mai

 

Wer Betrübte finden will, braucht nicht lange zu suchen. Die Erde ist damit übersät. Darum heißt sie auch das Tränental. Betrübte aller Art: betrübt aus leiblicher Not, betrübt aus seelischer Not, betrübt aus leiblich-seelischer Not. Gibt es überhaupt einen Erdenwurm, dem keine Betrübnis den Himmel verdüstert? Man könnte darob fast verzweifeln am Sinn des Menschenlebens, wenn es in der Betrübnis nicht wenigstens eins gäbe: Trost.

Gott, der Schöpfer, ließ sein leidgeprüftes, wenn auch aus eigener Schuld dem Leid verfallenes Geschöpf nicht ohne den Trost. Er schenkte uns vielfachen Trost. Wie stark erleichtert das schon des Menschen Los, dass er in den Stunden des Schlafes all seine Last vergessen kann, um neugestärkt sie ihrem Ende entgegenzutragen. Zwar nur ein geringer Trost, darum auch nicht unser einziger Trost. Doch lassen wir die Aufzählung, weil heute unsere Aufmerksamkeit jene Gestalt fesselt, der fromme Glaube und reichlich erfahrene Hilfe den unvergleichlich schönen Namen gab: Trösterin der Betrübten. Warum erhielt ihn Maria?

Deswegen vielleicht, weil das Sprichwort sagt: Geteiltes Leid ist halbes Leid.

 

Wenn die Bilder der Schmerzensmutter in unseren Kirchen, auf unseren Wegen, an den Wänden unserer Wohnungen sprechen könnten, wie würden sie es bestätigen können, dass die Schmerzensmutter getröstet hat. Ihr unvergleichbarer Schmerz! „Ihr alle, die ihr vorübergeht, gebt acht, ob ein Schmerz gleich sei meinem Schmerz!“ Dies unerreichbare Leid hat viel eigenes Leid verstummen lassen. Ihr völlig unverdientes Leid ließ still sich beugen unter das Kreuz, das oft unsere Sünden gezimmert haben.

 

Aber der süßesten Mutter Leid senkt noch stärkeren Trost ins tief getroffene Menschenherz. Denn es flüstert ihm zu: Dein Leid hat tiefen Sinn, dein Kreuz trägt goldene Frucht. Denn wäre dem nicht so, niemals hätte Gott Maria in solch tiefes Leid geführt. Gottes ausgesuchteste Liebe bestimmte Jesu und Mariens Weg. Aus Liebe zimmerte Gott seinem Sohn das Kreuz. Liebe durchbohrte durchs Schwert der Schmerzen der edelsten Mutter Herz. Hat ihre Betrübnis einen Sinn gehabt? Waren ihre Seelen vergebens betrübt bis in den Tod? Keineswegs! Der ewige Lobgesang von Millionen und Milliarden erlöster Menschen bezeugt es uns. So hat auch meine Betrübnis einen Sinn. So wächst auch aus meinem Kreuz eine kostbare Frucht. Noch sieht mein tränenumflortes Auge sie nicht. Noch greift meine Hand sie nicht. Aber das darf auch nicht sein! Denn das wäre keine echte Betrübnis mehr, die nicht mehr auf noch verborgene Hoffnung hingeordnet wäre.

 

So spricht die betrübte Mutter uns ins betrübte Herz. Könnte es dann anders von ihr scheiden als neu getröstet und wohl gestärkt? Trösterin der Betrübten, bitte für uns!

 

Kirchengebet

 

Gott allen Trostes, nach Deinem Willen sollte die leibliche Mutter Deines Sohnes auch uns Mutter sein aus Liebe; lass uns, gnädig ihres Schutzes froh, durch ihre Fürbitte aufgerichtet und gestärkt werden. Amen.

 

Zur Geschichte des Festes: In der Kirche der Verklärung, in Moskau, wurde schon lange Zeit hindurch Maria in einem Bild als „Trösterin der Betrübten“ verehrt. Seitdem aber im Jahr 1688 Euthemia, die Schwester des damaligen Patriarchen, nach inständigem Gebet vor diesem Bild geheilt worden war, feierte man ein eigenes Fest zu Ehren der „Trösterin der Betrübten“. Im Jahr 1711 fand die feierliche Übertragung nach Petersburg statt, wo Königin Elisabeth eine eigene Kirche erbauen ließ, die Maria unter diesem Titel geweiht ist. Das Fest wird in der ganzen orthodoxen Kirche gefeiert.

 

Im Abendland ist die Verehrung Mariens als Trösterin der Betrübten auch schon jahrhundertealt. Viele Kirchen feiern sie als ihre Patronin. In Luxemburg ist es ein Hauptfest, an dem sich durch 2 Wochen das ganze Land beteiligt. Dort wurde ihr zu Ehren für eine kleine Statue aus Holz gegen Ende des 16. Jahrhunderts eine Kapelle gebaut und später eine herrliche Kirche, die heutige Kathedrale. 1642 kam ein Bild dieser Luxemburger Statue nach Kevelaer, das heutige Gnadenbild, zu dem seit mehr als 400 Jahren große Scharen von Gläubigen wallfahrten (im Jahr 1953 wurden über 600.000 Pilger gezählt). Für wie viele ist sie dort die wirkliche Trösterin in leiblichem und vor allem in seelischem Leid geworden. – 1875 wurde eine Kopie der Luxemburger Statue nach Carey (Ohio, USA) gebracht. Mehrere Wunder führten immer zahlreichere Gruppen als Pilger nach dort. Auch Afrika besitzt sein Kevelaer.

 

(Prof. Dr. Carl Feckes, So feiert dich die Kirche, Steyler Verlagsbuchhandlung, 1957)