Mariä Schnee

 

5. August

 

Das Fest Mariä Schnee ist eins von jenen kleinen Marienfesten, die das ganze Jahr über fast in jedem Monat und nicht selten auch an festfreien Samstagen wie Rosen am Wegrand des Werktags blühen.

 

Das Mutter-Gottes-Fest vom Schnee? Schnee mitten im Hochsommer?

 

Ja, das ist es ja gerade, Schnee im Hochsommer und dazu auch noch Schnee in Rom, wo selbst im Winter selten Schnee fällt und wo es im August am heißesten ist.

 

Der Ursprung des Mutter-Gottes-Festes vom Schnee ist in einer Legende zu suchen.

 

Vor vielen hundert Jahren lebte in der Hauptstadt der Christenheit ein frommes Ehepaar. Da die guten Leute keine Kinder hatten, setzten sie die Mutter Gottes als Erbin ihres großen Vermögens ein.

 

Kann man denn auch die Mutter Gottes zur Erbin einsetzen? Ja, das kann man dadurch, dass man Hab und Gut zur Ehre der Mutter Gottes entweder der Kirche oder den Armen schenkt. Wer es tut, tut ein doppeltes gutes Werk, indem er nämlich die liebe Mutter Gottes ehrt und zugleich der Kirche oder den Armen hilft.

 

Jene frommen Eheleute in Rom waren, wie verständlich, ein wenig neugierig und hätten gern gewusst, ob sie ihr Vermögen der Kirche oder den Armen schenken sollten. Da erschien den beiden und zugleich dem damaligen Papst Liberius die Mutter Gottes im Traum und sagte, dass sie die Erbschaft annehme und dass ihr zur Ehre auf jenem Platz in Rom eine Kirche gebaut werden solle, wo man in der Frühe Schnee finden werde. Tatsächlich war am anderen Morgen auf einem der sieben Hügel Roms Schnee zu sehen. Sogleich fing man an, die Kirche zu erbauen, die heute noch steht und unter dem Namen Groß-St.-Marien eine der vier Hauptkirchen der Christenheit ist. Seitdem feiern wir mitten im Hochsommer das Mutter-Gottes-Fest vom Schnee.

 

Schön ist es, dass das Fest gerade neun Tage vor dem Himmelfahrtsfest Mariens stattfindet, denn heute erinnert uns Maria vom Schnee daran, dass es an der Zeit ist, sich durch eine neuntägige Andacht auf das kommende Hochfest vorzubereiten. Es ist von alters her so Brauch, dass man bei den hohen Kirchenfesten schon neun Tage vorher täglich daran denkt, sich darauf freut und sich durch Gebet und Opfer der Festgnaden würdig zu machen sucht.

 

Wie wir diese Vorbereitung anstellen sollen, zeigt eine andere Marienlegende, die erzählt, dass die liebe Mutter Gottes am 5. August krank wurde, sich hinlegte und nicht mehr aufstand, sondern gestorben ist. Auf Grund dieser Legende sahen sich fromme Ordensfrauen im Mittelalter veranlasst, ihrer Klosterregel gemäß die Mutter Gottes geistiger Weise in ihrer letzten Krankheit neun Tage lang täglich zu besuchen und ihr mit besonderen Gebeten und Liedern Freude zu machen.

 

So ähnlich können auch wir es in den kommenden neun Tagen tun. Weil die Mutter Gottes von heute an nur noch kurze Zeit auf Erden weilte, wollen wir ihr in diesen letzten neun Tagen täglich einen Abschiedsbesuch machen und ihr mit einem Gebet oder mit einem Lied Freude machen.

 

Vom Geschenk an Maria

 

Was Gottes Geist im Alten Testament von der himmlischen Weisheit spricht, dasselbe spricht er in der Kirche des Neuen Testamentes von Maria der Hochgebenedeiten. Wie ehemals in Jerusalem, der Stadt Gottes, so verherrlicht sich in Rom, der Stadt Gottes, die himmlische Weisheit durch Maria, die Mutter der ewigen Weisheit und göttlichen Liebe.

 

Schon in den ersten Zeiten des Christentums erinnerte die Kirche alle Gläubigen, sie sollen sich unter den Schutz Mariens stellen. Aus ihr wollte ja Jesus geboren werden; und wie viele besondere Gnaden hat er ihr geschenkt! Sie ist die Mutter der Gnaden. Setzen wir ein großes Vertrauen auf ihre Fürsprache, und wir werden dadurch von Jesus die uns notwendigen Gnaden erlangen.

 

Fassen wir zur Feier dieses schon im 4. Jahrhundert eingesetzten Festes den Entschluss, zu Maria jederzeit allergrößte Andacht zu haben und diese Andacht auch bei anderen zu fördern. Empfehlen wir uns in den Schutz Marias! Und können wir ihr auch keine Güter und Reichtümer zum Erbteil vermachen, so schenken wir ihr doch voller Freude unsere guten Werke und unsere Seele!

 

Matthias Hergert

 

Der Name des heutigen Festes ist nur verständlich aus einer frommen Erzählung aus alter Zeit, die unten berichtet wird. Auf dem in dieser Legende genannten Platz erhebt sich die größte und vornehmste der römischen Marienkirchen: Maria Maggiore, Groß Sankt Marien.

 

Der Bau dieser so ausgezeichneten Kirche führt uns in jene Zeit zurück, da in der Frömmigkeitsgeschichte zum ersten Mal die Marienverehrung zu großer Blüte emporstieg. Damals wurde der katholische Erdkreis mit Marienkirchen übersät. Damals entstanden fast alle die älteren Marienfeste unseres Kirchenjahres.

 

Es bleibt für uns immer lehrreich zu wissen, weshalb die Marienverehrung damals zu dieser Blüte kam. Es drehte sich da eigentlich nicht um die seligste Jungfrau, sondern um ihren Sohn, unseren Herrn. Sie entstand als Ausfluss der siegreich überstandenen Kämpfe um den wahren und echten Christusglauben. Irrlehrer wollten damals bestreiten, dass Jesus, der Sohn Mariens, wahrhaft Sohn des ewigen Gottes sei. Als gewöhnlicher Mensch habe er den Mutterschoß Mariens verlassen, und erst bei seiner Taufe im Jordan habe die Kraft Gottes sich auf ihn niedergelassen, um unsere Erlösung bewirken zu können. Maria dürfe daher gar nicht als Gottesgebärerin begrüßt werden, sie sei nur Christusgebärerin. Es war also nichts Geringeres als die Herzmitte unseres heiligen Glaubens, die tödlich getroffen werden sollte. Damit schwand Sicherheit und Wahrheit unseres Erlöstseins dahin. So kristallisierte sich dieser Abwehrkampf naturgemäß um den Schlachtruf: Gottesgebärerin.

 

Damals ward zum ersten Mal der Marienglaube Stütze des wahren Christusglaubens. Darum wurde Maria so stark herausgestellt und von den großen Predigern in unnachahmbar schöner Weise gepriesen. Alle Ehre, die ihr geschenkt wurde, sollte letzthin ihrem göttlichen Sohn gelten.

 

Dieser Tatbestand ist in zweifacher Hinsicht lehrreich für uns. Wenn Mariens Ehre geschmälert wird, so ist letzthin immer Christus es, der den Schaden davonträgt. Wo das Lob Mariens verstummt, geht auch, wenigstens nach und nach, die Liebe zu Christus zurück. Die Geschichte des Christentums hat es mehrfach bewiesen. Darum lassen wir in keiner Weise irgendwie Marienverehrung antasten, damit uns niemals Christus als der Sohn Gottes verlorengehe.

 

Aber er belehrt uns auch: Unsere Marienverehrung darf auch nie den Anschein erhalten, als wolle sie bei Maria stehenbleiben. So lieb uns Maria auch immer sein mag, wie hoch wir sie auch immer preisen mögen, sie ist und bleibt doch immer als die Magd des Herrn der Durchgangspunkt zu Christus dem Herrn hin. Nicht Maria, sondern Christus muss im Mittelpunkt unseres Glaubens und Betens stehen. Wir können sogar der demütigen Magd des Herrn keinen größeren Schimpf antun, wir können dieses Mutterherz nicht empfindlicher treffen, als wenn wir versäumten, von ihr aus und gerade durch sie zu einer stärkeren und tieferen Liebe zu Christus, ihrem Sohn, emporzusteigen.

 

Kirchengebet

 

Wir bitten Dich, Herr, unser Gott: gib, dass wir, Deine Diener, uns ständiger Gesundheit des Leibes und der Seele erfreuen und dass wir durch die glorreiche Fürsprache der seligen allzeit reinen Jungfrau Maria von der Trübsal dieser Zeit befreit werden und die ewige Freude genießen dürfen. Amen.

 

Zur Geschichte des Festes: Die Legende, die erst im Mittelalter nachweisbar ist, erzählt folgendes: Ein reiches, kinderloses Ehepaar wollte die Gottesmutter zur Erbin ihres Vermögens machen. Um den besonderen Wunsch Mariens zu erfahren, beteten beide Gatten inständig. In der Nacht vom 4. auf den 5. August gab die allerseligste dem frommen Paar und zugleich auch dem Papst Liberius (352-366) ihren besonderen Wunsch kund. Man möge ihr auf dem Esquilin (einem der sieben Hügel Roms) ein Heiligtum bauen, und zwar dort, wo am frühen Morgen frischer Schnee die Erde bedecke. Von Klerus und Volk begleitet, zog der Papst in feierlicher Prozession dorthin und fand – trotz der großen Hitze, die gerade in den Tagen des August in Rom herrschte – eine schneebedeckte Stelle. Der Papst ordnete sofort den Bau einer Marienkirche auf diesem Platz an. Soweit die Legende. – Diese sogenannte Liberianische Kirche ließ Sixtus III. (431-440) abbrechen und durch eine neue in weit größerem Ausmaß ersetzen. Anlass gab ihm dazu die Verkündigung des Dogmas von der Gottesmutterschaft Mariens durch das Konzil zu Ephesus (431). Im Jahr 432 wurde diese größte Marienkirche Roms (daher Maria Maggiore) eingeweiht. Der Jahrestag dieser Kirchweihe wurde bereits 435 als Marienfest daselbst gefeiert. Im 14. Jahrhundert dehnte man diesen Festtag auf ganz Rom aus, bis dann Pius V. dieses Fest für die ganze Kirche bestimmte. In einer Seitenkapelle von Maria Maggiore befindet sich schon seit Ende des 4. Jahrhunderts eine Nachbildung der Krippe von Bethlehem.

 

(Prof. Dr. Carl Feckes, "So feiert dich die Kirche", Maria im Kranz ihrer Feste, 1957, Steyler Verlagsbuchhandlung)