Mariä Demut

 

17. Juli

 

In der Stunde ihres jungen Mutterglückes hat Maria das Wort gesprochen: „Von nun an werden mich seligpreisen alle Geschlechter.“ Gewiss haben die zweitausend Jahre Christentum diese Weissagung wahrer gemacht, als Maria es sich damals selbst in kühnsten Träumen hätte ausmalen können. Schauen wir aber in das weitere Erdenleben dieser kühnen Prophetin hinein, dann ist man versucht zu sagen: Gott scheint es förmlich darauf angelegt zu haben, diese Seligsprechung zuschanden zu machen, denn er führte die Auserwählte in ein Leben irdischen Kleinseins und Unbeachtetwerdens.

 

Schon die Geburt des Kindes, dessen Ankunft die Größten ihres Volkes in den prachtvollsten Farben geschildert hatten, war, menschlich gesehen, etwas Klägliches: Auf der Reise, in einem Stall, von den Mitmenschen verlassen.

 

Es kommen die Weisen aus dem Morgenland. Eine aufsehenerregende Angelegenheit, so recht geeignet, eine junge Mutter stolz zu machen. Gleich folgt die schmähliche Flucht nach Ägypten. Die Heilige Familie ist so klein und ohnmächtig, dass sie vor dem kleinsten Fürsten der damaligen Zeit fliehen muss. Verborgen im Ausland muss sie leben. Wo bleibt der Himmel, um ungerecht Verfolgten Recht zu schaffen?

 

Bei ihrer Rückkehr wollte die Heilige Familie sich in Bethlehem niederlassen. War diese Davidstadt ein zu vornehmer Sitz? Denn sie muss aus Vorsicht weiter nach Nazareth ziehen, in dieses elende Bergdorf, fast an der Grenze des Gelobten Landes, weitab vom Heiligtum in Jerusalem. „Was kann aus Nazareth Gutes kommen?“ sagt später ein Kenner. In all dem ist für eine Seligsprechung wahrlich kein Platz.

 

In seinem öffentlichen Auftreten hat es der Heiland – so könnte man es allzu menschlich einmal ausdrücken – anscheinend darauf angelegt, seine Mutter in den Hintergrund zu drücken. Als man ihm einmal meldete, seine Mutter und seine Brüder weilten draußen, wendet er sich geradezu brüsk mit den Worten ab: „Wer ist mir Mutter?“ Als eine Frau aus dem Volk die Brust seligpries, die ein solcher Wundersohn gesogen habe, weist er sie zurecht: „Selig vielmehr, die das Wort Gottes hören und es befolgen.“ Am Triumph ihres Sohnes erhält die Mutter keinen Anteil.

 

Aber als er als der Verachtetste aller am Holz der Schmach hing, als er als Gebannter und rechtmäßig verurteilter Volksaufwiegler galt, da darf und soll seine Mutter dicht unter dem Kreuz stehen. Mutter eines elend sterbenden Verbrechers!

 

Warum war das so im Leben der von Gott am meisten Geliebten? Weil nach der Liebe als seiner Wesensform die Demut als die unerlässliche Grundlage eines christlichen Lebens angesehen werden muss. „Lernt von mir, denn ich bin demütig von Herzen!“ Keiner kann in der Nachfolge des demütigen Jesus stehen, dem nicht das Kleinsein ein Herzensbedürfnis ist. Gegenüber der unendlichen Majestät eines sich an uns verschenkenden Gottes geziemt sich nur das Gefühl völliger Unwürdigkeit, und handelte es sich auch um einen Menschen ohne Sünde, wie Maria es war. Das gilt auch, wenn ein Mensch so stark in die Heilspläne Gottes einbezogen worden ist wie Maria, denn Gott konnte ohne sie nicht sein Heil an uns wirken. Nur die Demütigen, die Kleinen, die Niedrigen können nach den Worten Christi Diener Gottes sein. Darum musste Maria durch die Schule der Demut gehen. Sie, die so Emporgehobene, musste ernster und gründlicher in diese Schule genommen werden, damit sie das große Vorbild christlicher Demut werde.

 

Kirchengebet

 

Gott, du neigst Dich nieder zu den Demütigen und ziehst dich zurück von den Stolzen. Lass Deine Diener der Demut der seligen allzeit reinen Jungfrau Maria mit reinem Herzen nacheifern. Ihre Jungfräulichkeit machte sie Gott wohlgefällig, ihre Demut aber ließ sie empfangen unseren Herrn Jesus Christus, Deinen Sohn. Amen.

 

Zur Geschichte des Festes: Durch ihre Demut ist Maria die Mutter des Herrn geworden. Durch ihre Demut wurde Maria so hoch erhoben. Sie selbst bezeugt es in ihrem Hochgesang, dem Magnifikat: So ist es begreiflich, dass die Marienliebe des christlichen Volkes einen eigenen Festtag schuf, um in besonderer Weise die Demut der allerseligsten Jungfrau zu feiern. Ein historisches Ereignis, das die Feier dieses Festes veranlasst hätte, ist nicht bekannt, ebenso wenig auch eine kirchenamtliche Genehmigung. Darum wird dieses Fest auch nicht in allen Teilen der Kirche und auch nicht einheitlich an dem gleichen Tag gefeiert. Am weitesten ist der Brauch der Festfeier am 17. Juli. 

 

(Prof. Dr. Carl Feckes, "So feiert dich die Kirche", Maria im Kranz ihrer Feste, 1957, Steyler Verlagsbuchhandlung)