Maria, Hilfe der Christen

 

24. Mai

 

Heute begeht man in Rom unter dem Namen „Maria, die Hilfe der Christen“ eine zusätzliche Muttergottesfeier.

 

Im Jahre 1798 ließ Kaiser Napoleon die Ewige Stadt besetzen, schaffte die weltliche Herrschaft des Papstes ab und schleppte das damalige Oberhaupt der Kirche, Papst Pius VI., einen achtzigjährigen Greis, in die Gefangenschaft, in der dieser im folgenden Jahr sein kummervolles Leben beschloss. Als der Schreiner, ein glaubensloser Mensch, den Sarg des Verblichenen zunagelte, sagte er: „Nun ist der letzte Papst gestorben, einen weiteren wird es nicht mehr geben.“

 

So sprach der Schwätzer, und ein halbes Jahr später erstand der Kirche ein neues Oberhaupt in Papst Pius VII., der zunächst mehr oder weniger schiedlich, friedlich mit dem mächtigen Franzosenkaiser auszukommen suchte. Darüber vergingen einige Jahre, bis Napoleon am 17. Mai 1809 auch diesen Papst seiner weltlichen Herrschaft beraubte. Darauf sprach Pius VII. über den unverschämten Räuber den Bann aus. Als die Nachricht davon nach Paris gelangte und Napoleon zu Ohren kam, sagte er: „Der Papst irrt sich, wenn er meint, sein Bannstrahl risse meinen Soldaten das Gewehr aus der Hand.“ So äußerte sich spöttisch der mächtige Kaiser, nach Rom aber schickte er den Befehl, Pius VII. zu verhaften und nach Frankreich in die Gefangenschaft zu bringen.

 

In der Nacht auf den 6. Juli 1809 wurde Napoleons Befehl in wenig höflicher Weise ausgeführt. Man bemächtigte sich mit Gewalt des Papstes, setzte ihn in einen Wagen und brachte den Siebzigjährigen nach Frankreich und von dort zurück in die Stadt Savona in Norditalien, wo sein Vorgänger Pius VI. bereits geweilt hatte, gestorben war und begraben lag. Um den Stellvertreter Christi nachgiebig zu machen, hielt ihn Napoleon in strenger Einzelhaft. Auch ließ er dem hohen Gefangenen alle Bücher wegnehmen und setzte ihn auf Schmalkost, drei Jahre lang. In den Zeitungen aber nannten die Kirchenfeinde damals den Papst höhnisch stets nur Pius den Letzten. Schwer litt und duldete der sichtbare Stellvertreter Christi auf Erden, er betete viel und vertraute kindlich und ergeben auf die Fürbitte der allerseligsten Jungfrau, unter deren Schutz er sich gestellt hatte.

 

Bevor dann Napoleon im Jahre 1812 zu dem bekannten Feldzug gegen Russland aufbrach, ließ er Pius VII. von Savona auf ein Schloss in der Umgegend von Paris bringen und belästigte ihn mit Schmeicheleien und Drohungen, aber Pius blieb fest, und obwohl er ein alter müder Mann war, widerstand er allen Forderungen des starken jugendlichen Kaisers, der sich gerade zu der Zeit auf dem Gipfelpunkt seiner großen Macht befand. Wer mochte wohl Sieger bleiben in dem scheinbar aussichtslosen Ringen? Auf der einen Seite stand Napoleon, vor dem die Könige der Erde sich beugten und halb Europa im Staub lag, und auf der anderen Seite stand ein schwacher Greis ohne alle Hilfsmittel. Wer also mochte in diesem Ringen wohl Sieger bleiben?

 

Natürlich blieb Pius VII. Sieger, denn alle Gewalten der Erde können die Kirche nicht zugrunde richten. Nach der Verheißung des Heilandes werden sie nicht einmal die Pforten der Hölle überwältigen. So war es auch damals. Napoleon zog siegesgewiss gegen Russland zu Feld und wurde restlos besiegt, und Schlag auf Schlag erhielt er in der Folgezeit den Lohn für seine Schandtaten. Die Kälte auf den Schneefeldern Russlands riss seinen Soldaten die Gewehre förmlich aus der Hand. Zwei Päpste hatte Napoleon verhaften lassen, zweimal, 1814 und 1815, wurde er selbst gefangengenommen. An zwei Orten schmachteten die beiden Päpste in der Haft, und auch Napoleon verbrachte die Zeit seiner Gefangenschaft an zwei Orten, auf der Insel Elba und auf der Insel Sankt Helena. Zwei Millionen Franken hatte Napoleon dem Papst für den Verzicht auf den Kirchenstaat geboten, zwei Millionen Franken erhielt Napoleon für den Verzicht auf sein Kaiserreich. Fast sieben Jahre verbrachte Pius VII. in der Verbannung, fast sieben Jahre lebte auch Napoleon in der Verbannung, und während der letztere als Gefangener starb, kehrte Pius VII. am 24. Mai 1815 im Triumph nach Rom zurück.

 

Wer hat also in dem scheinbar aussichtslosen Ringen gesiegt? Es war nicht der jugendstarke Kaiser, sondern der altersschwache Papst, der zum Dank für die Rückkehr nach Rom das heutige Fest zu Ehren Mariens, der Hilfe der Christen, einsetzte.

Die katholische Kirche kann wohl bekämpft und scheinbar auch besiegt, nie aber ausgerottet werden. Nicht einmal die Pforten der Hölle werden sie überwältigen.

 

 

Gebet zu Maria, der Hilfe der Christen

 

Heilige Maria, die Gegner meines Heils umgeben mich.

Sie wollen mir die Gnade und Freundschaft Gottes rauben.

Beschütze mich gegen ihre Angriffe. Bewahre mir den Sieg.

 

Tochter unseres mächtigen Gottes,

wenn du meinen Feinden deine Macht spüren lässt,

so werden sie fliehen.

 

Mutter des Sohnes, der dem Sturm befiehlt,

sag zu ihm etwas zu meinem Heil,

und ich werde ganz ruhig werden.

 

Braut des Heiligen Geistes, der Licht und Stärke ist,

lass mich erfassen und begreifen,

wie ich die furchtbaren Gegner besiegen kann.

 

In der Hilflosigkeit und Unruhe meiner Seele,

eile ich mit kindlichem Vertrauen in deine Arme,

flüchte ich unter deinen Mantel.

 

So belastet und hilflos ich auch bin,

Jesus will, dass du mich als dein Kind ansiehst.

Es ist höchste Zeit, zeige mir, dass du meine Mutter sein willst.

 

Hilf mir aber nicht aus Liebe zu mir,

denn ich verdiene keine Rücksicht,

hilf mir aus der Liebe, die du zu deinem Sohn hast.

 

Arme betteln vor Hunger bei den Reichen. Sie bitten und erhalten.

Königin zur Rechten Gottes,

würdest du einen Bittsteller zurückweisen?

 

Und wenn du Jesus für mich bittest wegen meiner Feinde,

so bitte auch, heilige Maria, dass ich meine Sünden erkenne,

dass ich sie beweine und Vergebung erhalte.

 

Erhalte mir die Treue zum Herrn, damit ich nie einem anderen diene,

und schenke mir lebhafte Reue,

wenn ich doch einmal der Welt gedient habe.

 

Sieh mich nicht danach an, was ich aus mir und durch meine Sünden bin,

sondern welchen Wert ich habe durch das kostbare Blut,

das Jesus für mich vergossen hat.

 

Du, Maria, bist doch Zeugin unterm Kreuz gewesen,

du hast gesehen das Leiden für die Sünder,

das Sterben deines Sohnes auch für mich.

 

Dein Herz hat so gelitten beim Anblick der Beschimpfungen,

beim Mitleiden mit Jesu Schmerz.

So gab Jesus dich mir zur Mutter, damit du mit mir Mitleid hast.

 

Es wurde nie gehört und nie erzählt,

dass du die aufrichtige Bitte eines Sünders verworfen hast,

der die Größe seiner Schuld erkannt hat.

 

Wie wunderbar ist das doch auch für dich, meine Mutter,

dass Gott die Vergebung für so viel Schuld

auch von dir abhängen lassen will.

 

Ich würde dir gerne, meine himmlische Mutter,

meine Treue in der Ehrfurcht und in der Liebe schenken.

Nimm sie bitte entgegen.

 

Dein Name, der wunderbare Name Maria,

ist ein Name, durch dessen Kraft

ich auf die göttliche Freundschaft hoffen kann.

 

Ich bitte dich, liebe Gottesmutter,

dass ich in der Liebe deines Sohnes sterben kann

und ihn im Himmel dann mit dir zusammen loben und lieben kann. Amen.

 

Matthias Hergert

 

Kein Marienfest führt uns so tief in die Geschichte unserer Kirche hinein als das heutige Fest mit dem vielversprechenden Titel: Hilfe der Christen. Ob Mariens Hilfe in der das christliche Europa mit dem Untergang bedrohenden Türkengefahr wurde dieser Ehrentitel der Lauretanischen Litanei eingefügt. Ob der triumphalen Rückkehr Pius VII., den der Gewaltherrscher Napoleon fortgeschleppt hatte, um die Kirche seinem despotischen Willen untertan zu machen, wurde dieser Festtag eingeführt. Somit können wir ihn nicht begehen, ohne vor Augen zu haben, wie das Schifflein des heiligen Petrus, von haushohen Wogen bedrängt, dem sicheren Untergang zuzueilen scheint. Das ist in der Tat das richtigste Bild für den Weg unserer Kirche durch die Jahrhunderte. Dann war es der Machthaber Hand, die verbotenerweise nach dem Steuer greifen wollte, damit die Kirche nicht den Weg Christi, sondern den ihrigen gehe. Dann war es der Ungläubigen Wut, die das Kreuz Christi vernichten wollten. Dann war es der eigenen Kinder verdrehter Sinn, die das Licht der Wahrheit zum Irrlicht verkehren wollten. Dann war es das Gesetz des Fleisches in ihren Gliedern, das die heilige Braut Christi mit Makeln verunreinigen wollte. „Herr, hilf uns! Wir gehen zugrunde“, musste die Kirche noch in jedem Jahrhundert rufen.

 

Der Herr blieb auch nie fern seiner Kirche. Der himmlische Bräutigam ließ niemals seine Braut zugrunde gehen. Er prüft sie wohl. Er reinigt sie wohl. Er stellt sie wohl auf seinen Kreuzweg. Dann aber sendet er stets Hilfe, Hilfe in vielfacher Art: erleuchtete Lehrer, betende Seelen, befreiende Heere, Seelen, eifernd nach der Nachfolge des Herrn. Zu seinen Helfern gehört auch seine Mutter. Wie könnte es anders sein! Mit des Sohnes Herz wacht ja der Mutter Herz. Des Sohnes Sorgen sind auch ihre Sorgen. Des Sohnes Bitten zum Vater auch ihr Gebet. Helfen möchte sie. Helfen durfte sie. Geholfen hat Maria.

 

Unsere Kirche hat ihre Hilfe anerkannt. Sie tat es in dem uralten Spruch, den wir auch heute noch jubelnd singen: „Alle Irrlehren hast du überwunden.“ Die Schlangenzertreterin duldet es nicht, dass des höllischen Drachen Irrlicht die Kirche vom wahren Licht abbringe, dem Licht zur Erleuchtung der Heiden. Auf Mariens Armen wird es hineinleuchten in jede Finsternis und auf allen unsern Wegen Leuchte sein. Das Licht, das Maria der Welt gebracht, wird fortbrennen wie die Lampe der klugen Jungfrauen, bis der Bräutigam zum Hochzeitstag erscheint.

 

Die Kirche hat Mariens Hilfe anerkannt, indem sie ihr den Titel verlieh: Hilfe der Christenheit. Immer wieder berichtet die Geschichte unserer Kirche von auffallender, greifbarer Hilfe, die Maria ihr gebracht. Oder können wir uns etwas anderes denken unter ihren Erscheinungen in unseren Tagen, zu Lourdes und zu Fatima? Dringende Hilfe, letzte Hilfe soll es sein, da der Sturm des Antichristen begonnen hat. Vertrauen wir: Mag auch der Gottlosen Macht erschreckend weit und schnell den Erdkreis erobert haben, die Hilfe der Christen versagt auch heute nicht.

 

Kirchengebet

 

Allmächtiger und barmherziger Gott, nach Deiner wunderbaren Anordnung soll die allerseligste Jungfrau Maria das christliche Volk allzeit verteidigen helfen. Verleihe uns, die wir mit solchem Schutz gewappnet im Leben kämpfen, gnädig die Kraft, den Sieg über den bösen Feind zu erringen. Amen.

 

Zur Geschichte des Festes: In der Bedrohung durch die herannahenden Türken bestürmten die Christen die Gottesmutter um Hilfe und Rettung. Die Schlacht bei Lepanto, am 7. Oktober 1571, bannte die Gefahr und vernichtete das Heer der Türken. Pius V. fügte daraufhin aus Dankbarkeit in die Lauretanische Litanei die Anrufung „Maria, Hilfe der Christen“ ein.

 

Das Fest selber aber wurde erst viel später, und zwar von Pius VII. eingeführt. Von Kaiser Napoleon nach Frankreich (Savona) verbannt, konnte der Papst nach sechs Jahren wieder feierlich in Rom einziehen, und zwar am 24. Mai 1814. In der Gnade der Rückkehr sah der Heilige Vater den besonderen Schutz und die Hilfe der Gottesmutter. Aus diesem Grunde setzte er bereits ein Jahr später auf den Tag seiner Rückkehr, also den 24. Mai, das Fest „Maria, Hilfe der Christen“ ein, das zunächst nur in romanischen Ländern gefeiert wurde. Gar bald erlangten auch andere Länder der katholischen Welt die Möglichkeit dieser Festfeier, so dass sie heute vielerorts gehalten wird.

 

(„So feiert dich die Kirche“, Prof. Dr. Carl Feckes, Maria im Kranz ihrer Feste, Steyler Verlagsbuchhandlung, 1957)