Maria, Königin aller Heiligen
31. Mai
Die Rose nennen wir die Königin unter allen Blumen. Jeder weiß, damit soll gesagt werden: Keine Blume könne an Pracht mit der Rose wetteifern. Gleiches wollen wir sagen, wenn wir Maria als die Königin aller Heiligen bezeichnen. An Heiligkeit kommt ihr demnach keiner der seligen Himmelsbewohner gleich. Alle überstrahlt sie durch die Fülle der Gnaden, durch die Fülle ihrer Tugenden, durch die Fülle ihrer Seligkeit. Bewundernd schauen alle Heiligen des Himmels zu ihr auf als zur Herrlichsten, zur Reichsten, zur Vornehmsten unter ihnen. Aber nicht nur alle seligen Mitmenschen dort oben, sondern selbst die heiligen und mächtigen Engelgeister.
Unzählige Male haben die christlichen Lobredner Mariens Erhabenheit über alle Himmelsbewohner geschildert. So besingt sie Johannes von Damaskus: „Sei gegrüßt, Gnadenvolle, sei gegrüßt, da du heiliger bist als die Engel, würdiger als die Erzengel. Sei gegrüßt, Gnadenvolle, da erhabener als die Throne, herrschgewaltiger als die Herrschaften, mächtiger als die Kräfte. Sei gegrüßt, Gnadenvolle, die Fürstentümer überragt und Gewalten übersteigt. Sei gegrüßt, Gnadenvolle, kostbarer als die Cherubim, erhabener als die Seraphim!“ Für die seligen Menschen führt es Petrus Damiani weiter: „Weder der Patriarchen ehrwürdige Versammlung, noch der Propheten vorausschauende Schar, noch der Apostel Richtersenat, noch der Märtyrer siegreiche Reihen, noch einer der älteren, noch einer der jüngeren Väter kann mit der seligsten Jungfrau verglichen werden!“ Haben nicht ebenso gerne die Maler Maria als die Himmelskönigin im Kranz zahlreicher Heiligen dargestellt?
Königin der Heiligen kann aber noch etwas anderes, etwas mehr besagen. Denn einer echten Königin kommt nicht nur der Vorantritt zu, sondern auch das Herrschen und Befehlen. Einer echten Königin zollt man nicht nur Bewunderung und leistet freiwillig Gefolgschaft, sie verlangt vielmehr Gehorchen und Dienen. Steht das auch der Jungfrau als Himmelskönigin zu, so wie wir es bei ihrem Sohn, dem König des Alls, bejahen müssen?
Bisher hat unsere Kirche darüber noch kein letztes, unfehlbares Urteil gesprochen. Aber es liegt ganz in der Linie ihres Glaubens und Betens. Wir fühlen in unserem Herzen, dass es so sein müsse. Ja, wir verlangen danach, dass der Tag nicht mehr fern sei, an dem die unfehlbare Kirche die mit Leib und Seele zum Himmel aufgenommene Gottesmutter auch zur herrschgewaltigen Königin des Himmels und der Erde erklärt. Mit der Einsetzung des Festes vom Königtum Mariens hat sie einen verheißungsvollen Anfang gelegt.
Kirchengebet
Gott, Du willst, dass wir die allerseligste Jungfrau Maria als Königin aller Heiligen und Mutter der schönen Liebe verehren. Gewähre uns gnädig, dass wir unter ihrem Schutz Dich hier auf Erden und in allem und über alles lieben und im Himmel die selige Gemeinschaft Deiner Heiligen genießen. Amen.
Zur Geschichte des Festes: Das Fest „Maria, Königin aller Heiligen“ wurde zuerst in der Hafenstadt Ancona (Italien) gefeiert. In der dortigen Kathedrale wird ein Gnadenbild unter diesem Titel verehrt. 1550 hat es ein Schiffskapitän der dortigen Kirche geschenkt, und zwar als Dankgabe für die Errettung seines Sohnes aus einem furchtbaren Seeunwetter, die er seinem inständigen Gebet vor diesem Bild zuschrieb. Sogleich setzte eine eifrige Verehrung dieses Bildes seitens des Volkes ein. – Während der argen Bedrängnis der Kirche im Jahr 1796 beobachtete man am 25. und 26. Juni jenes Jahres an dem Bild eine Bewegung der Augen, die mehrmals von vielen wahrgenommen wurde. Das löste natürlich eine starke Volksbewegung aus, denn die gleichen Erscheinungen wiederholten sich öfters bis zum 23. Januar 1797. Die Verehrung wuchs immer mehr. Viele Ungläubige Bekehrten sich. Dadurch veranlasst, beschloss der Stadtmagistrat die Abhaltung eines eigenen Festes zu Ehren der „Königin aller Heiligen“. Gregor XVI. gab dem Fest 1845 die kirchliche Bestätigung und gab ihm ein eigenes Stundengebet, nachdem Pius VII. bereits im Jahr 1814 das Gnadenbild feierlich krönen ließ. Natürlich blieb dieses Fest nicht auf die Kathedrale von Ancona beschränkt. Es wurde bald von vielen Diözesen Italiens und anderer Länder übernommen. Liegt doch seine eigentliche Begründung in der einzigartigen Auserwählung Mariens. Ob dieses Fest nach der Einführung des Festes vom Königtum Mariens weiter bestehen bleibt, wird erst die Zukunft lehren.
(„So feiert dich die Kirche“, Prof. Dr. Carl Feckes, Maria im Kranz ihrer Feste, Steyler Verlagsbuchhandlung, 1957)
Maria, die Königin der Martyrer
Eines der auffallendsten Wunder der heiligen Jungfrau zu Gunsten der Unterdrückten ist dasjenige, das sie an den Gläubigen von Typasa in Mauritanien gewirkt hat. Cyrola, der arianische Patriarch, verfolgte sie aufs heftigste, um sie zu seiner Ketzerei herüber zu ziehen. Da er aber ihren Widerstand nicht zu brechen vermochte, so kam ihm der Tyrann Hunnerich zu Hilfe, und auf seinen Befehl schnitt man mit unerhörter Grausamkeit allen jenen Unglücklichen die Zunge bis an die Wurzel aus. Da sie nicht aufgehört hatten, die Namen Jesu und Mariens anzurufen, so wurden sie erhört, denn ungeachtet dieser so grässlichen Verstümmelung hörte man sie alle ohne Zunge mit der gleichen Leichtigkeit sprechen. Wenn in der Folge zwei von ihnen wieder stumm wurden, so lag die Schuld an ihrer Unlauterkeit, denn jene bewunderungswürdigen Bekenner erfreuten sich alle, mit Ausnahme der beiden. für ihre ganze Lebenszeit der Wohltat der Sprache. Ein um so größeres Wunder, als die Natur dazu nichts beigetragen haben konnte.
Gregor der Große erzählt uns dieses Wunder und versichert, dass es zu seiner Zeit überall, besonders in Konstantinopel verbreitet war, wo man mit mehreren dieser von Gott geliebten Christen sich habe mündlich unterhalten können. Ein afrikanischer Bischof, Viktor von Utica, der zwei Jahre später eine Geschichte der Verfolgung herausgab, lud alle, die noch Zweifel haben sollten, ein, die Reise nach Konstantinopel zu unternehmen, um sich selbst von der Wahrheit des Wunders zu überzeugen. Der Hof des Kaisers Zeno hat alle diese Wunder gesehen und einer der Bekenner, der Diakon Restitutus, für den die Kaiserin Adriana eine beinahe religiöse Verehrung hatte, lebte an diesem Hof. Der nachmalige Kaiser Justinian, der damals noch ein junger Mann war, sagt, er habe sie mit seinen Händen berührt, er habe mit ihnen sich unterhalten, und obgleich sie keine Zunge hatten, hätten sie dennoch artikuliert gesprochen. Später hat er dieses Wunder durch eine besondere Verordnung verewigt. Der wahrheitsliebende Geschichtsschreiber Procopius, der unter diesem Kaiser diente, sagt in seinem Werk, es hätten zu seiner Zeit noch mehrere von ihnen gelebt, die ganz geläufig hätten sprechen können. Endlich sagt Aeneas von Gaza, der ebenfalls in jener Zeit lebte, er habe sie den Mund aufmachen lassen, sie hätten keine Zungen gehabt, sie seien ihnen bis an den Luftröhrendeckel abgeschnitten gewesen. Und doch hätten sie ihm zu seiner großen Verwunderung ihre Leidensgeschichte erzählt. Es würde nicht leicht sein, eine wunderbare Tatsache aufzufinden, die so bedeutend und so unumstößlich bewiesen wäre.
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Maria ist die Königin aller Heiligen, denn
1. sie überragt durch ihre Gnadenfülle und durch den Glanz ihrer Tugenden alle Heiligen des alten und neuen Bundes. Es ist gewiss, dass Gott seine Gaben und Gnaden keinem Heiligen in so reichlichem Maß mitgeteilt hat, als der seligsten Jungfrau. Es geziemte sich ja, dass er sich gegenüber der Mutter seines Sohnes freigiebiger erwies, als gegenüber allen übrigen Heiligen. Wie die berühmtesten Gottesgelehrten versichern, war Maria schon gleich im ersten Augenblick ihres Lebens so voll der Gnaden, dass sie alle Heiligen, ja sogar die himmlischen Geister weit übertraf. „Maria,“ sagt der heilige Gregor, „hat von ihrer Empfängnis an mehr Gnaden von Gott erhalten, als alle Engel, Heiligen und Menschen zusammen.“ „Die seligste Jungfrau,“ sagt der heilige Vincenz Ferrer, „war schon im Mutterschoß mehr geheiligt, als alle Engel und Heiligen.“
Maria hat aber auch diesen überreichen Gnadenschatz sehr eifrig benützt. In ihr blieb keine einzige Gabe der Natur, kein einziges übernatürliches Geschenk unwirksam. Ihr Verstand war unablässig beschäftigt, Gott zu erkennen und zu loben. Ihr Herz liebte Gott über alles. Jede innere Erleuchtung, jeden Antrieb zum Guten gebrauchte sie, um irgendeine Tugend oder ein gutes Werk zu üben und in der Liebe Gottes zu wachsen. Die Gottesgelehrten sagen daher, Maria habe niemals, wie das doch bei den größten Heiligen der Fall war, eine unfruchtbare Gnade erhalten, d.h. eine solche, mit der sie nicht sogleich getreulich mitgewirkt hätte. So geschah es, dass sie die heiligmachende Gnade auf eine uns unbegreifliche Weise in ihrer Seele vermehrte.
Weil Maria voll der Gnaden war, so ist sie auch in einer jeden Tugend weit erhabener, als jeder andere Heilige. Sie war ein Apostel für die Apostel. Sie war die Königin der Martyrer, weil sie mehr zu leiden hatte, als alle Martyrer zusammen. Sie stand an der Spitze der Jungfrauen. Sie war ein Beispiel für die Verheirateten. Sie vereinigte die vollkommenste Unschuld mit der vollkommensten Abtötung. In ihrem Herzen fand man vereinigt die heldenhaftesten Tugenden, die je ein Heiliger auf Erden geübt hat. Deshalb heißt es von ihr in der Heiligen Schrift: „Die Königin steht zu deiner Rechten im goldenen Kleid, im bunten Gewand“ (Psalm 45,10), „weil alle Gnaden, alle Vorzüge, alle Verdienste der übrigen Heiligen“ - nach dem Ausspruch des heiligen Jordan - „in ihr vereinigt sind.“
Maria ist die Königin der Heiligen, denn
2. unter allen, die im Himmel mit der Krone der ewigen Herrlichkeit geschmückt sind, ragt sie hervor, sitzend auf dem Thron überschwänglicher Glorie und erwählt aus dem Menschengeschlecht, auf dass „sie bewundert werde in der vollen Versammlung der Heiligen, gepriesen von der Schar der Auserwählten, gesegnet von den Gesegneten.“ Es ist eine Wahrheit unseres heiligen Glaubens, dass die Herrlichkeit der Auserwählten im Himmelreich mit ihren Tugenden und Verdiensten auf Erden im genauen Verhältnis steht, denn „wer spärlich sät,“ sagt der Apostel, „der wird auch spärlich ernten.“ (2. Korinther 9,6) Da nun die seligste Jungfrau an Verdiensten alle Heiligen weit übertrifft, so folgt von selbst, dass sie sie auch an Glorie weit überstrahlt und als ihre Königin triumphiert. Daher schreibt der heilige Bonaventura: „Gleichwie die seligste Jungfrau alle Heiligen an Gnade des Tugendwandels und der Verdienste übertrifft, so steht sie auch höher, als die Auserwählten alle, in der Gnade der Herrlichkeit und der Belohnung.“ Dasselbe lehren auch die übrigen Kirchenväter und Geisteslehrer. Der heilige Basilius sagt: „“Gleichwie der Glanz der Sonne den Glanz aller anderen Sterne zusammen übertrifft, so übertrifft die Glorie der göttlichen Mutter die Herrlichkeit aller übrigen Heiligen.“ Der heilige Petrus Damianus fügt hinzu: „Gleichwie das Licht der Sterne und des Mondes beim Aufgang der Sonne gänzlich verschwindet, so verdunkelt auch Maria den Glanz der Heiligen und Engel im Himmel so sehr, dass sie kaum mehr zum Vorschein kommen.“ Der heilige Bernardin von Siena und der heilige Bernhard behaupten, dass die Seligen im Himmel nur einigen Anteil an der göttlichen Glorie haben, dass aber Maria so sehr davon erfüllt sei, dass es scheine, ein bloßes Geschöpf könne zu keiner innigeren Verbindung mit Gott gelangen, als die ist, deren Maria teilhaftig wurde. Dieses wird auch durch den Ausspruch des seligen Albert des Großen bestätigt, der sagt, dass unsere Königin Maria Gott weit näher und unbegreiflich vollkommener betrachte, als alle anderen himmlischen Geister. Ja, der heilige Bernhardin sagt noch, dass, gleichwie alle übrigen Planeten ihr Licht von der Sonne empfangen, so auch alle Heiligen im Himmel durch den Anblick Mariens einen höheren Glanz und eine größere Seligkeit erhalten. An einer anderen Stelle sagt derselbe Heilige, dass die göttliche Mutter, als sie in den Himmel aufgefahren ist, die Freude aller Bewohner des Himmels aufs Höchste vermehrt habe. Nach Gott, lehrt uns der heilige Petrus Damianus, gibt es für die Seligen im Himmel keine größere Herrlichkeit, als den Anblick dieser glorreichen Königin. Sehen wir also auf die Glorie, die Maria im Himmel genießt, so müssen wir sagen, dass sie alle Auserwählten weit übertrifft und daher mit Recht als die Königin der Heiligen gepriesen wird.
Maria ist die Königin der Heiligen, denn
3. sie besitzt im Himmel nach Gott die höchste Macht. Wenn nach dem Wort der Schrift die Heiligen im Himmel mit Christus herrschen, um wie viel mehr gilt dies von Maria, da sie nicht bloß wie die übrigen Heiligen eine Dienerin Christi, sondern seine Mutter ist? „Das Ansehen der Mütter über ihre Söhne,“ sagt der heilige Liguorius, „ist so groß, dass, wenn sie selbst regierende Fürsten sind, und über alle Untertanen ihres Reiches unumschränkte Gewalt besitzen, dennoch die Mütter nie wahrhafte Untertanen ihrer Söhne werden können.“ Wenn also auch Maria im Himmel ihrem göttlichen Sohn nicht mehr befehlen kann, wie ehedem auf Erden, so ist sie gleichwohl noch seine Mutter und erhält alles, was sie verlangt. Darum sagt der heilige Petrus Damianus: „Dir, o Jungfrau und Königin, ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden, nichts ist dir unmöglich. Oder wie könnte deiner Macht der widerstehen, der aus deinem Fleisch Fleisch angenommen hat? Du trittst vor den goldenen Altar der Versöhnung nicht bloß bittend, sondern befehlend, als Frau, nicht als Magd.“ Diese wunderbare Macht, die Maria im Himmel besitzt, gebraucht sie zum Besten der Gläubigen, besonders derjenigen, die eine zärtliche Liebe zu ihr tragen und sie als ihre Herrin und Mutter andächtig verehren. Denen ist sie die liebevollste Mutter und erweist ihnen Wohltaten aller Art.