Herz Mariä - Mariä Königin

 

22. August

 

Der heilige Johannes Eudes verbreitete eifrig neben der Verehrung des heiligsten Herzens Jesu auch die Verehrung des reinsten Herzens Mariä, aber erst zweihundertfünfzig Jahre später, am 4. Mai 1944, hat Papst Pius XII. das heutige Herz-Mariä-Fest für die Gesamtkirche angeordnet. Diesbezüglich heißt es: „Inmitten der großen Not des zweiten Weltkrieges weihte Papst Pius XII. am Fest der Unbefleckten Empfängnis die heilige Kirche und die gesamte Menschheit feierlich dem Unbefleckten Herzen der allerseligsten Jungfrau und Mutter Maria. Um diese Weihe lebendig zu erhalten, schrieb er zwei Jahre später das Fest des Unbefleckten Herzens Mariä für die gesamte Kirche vor.“

 

Groß war allerdings die Not im zweiten Weltkrieg, da Feuer und Schwefel vom Himmel regneten und bei Tag und Nacht Bomben fielen, da Städte und Dörfer in Asche und Trümmer sanken, da sich ganze Völker auf der Flucht befanden und Millionen Menschen hingemordet wurden. Es war eine gnadenlose Zeit ohne Erbarmen, eine Zeit ohne Liebe und ohne Herz, und in dieser herzlosen Zeit hat Pius XII. durch das neue Fest die armen Menschen gleichsam der Himmelsmutter ans Herz gedrückt, damit sie an Mariens mütterlichen Herzen wieder ein wenig Wärme in der Kälte des Hasses fänden, in der sie vereisten und erstarrten.

 

So treten wir denn am heutigen Marienfest voll Vertrauen zum Thron der Gnade, damit wir Barmherzigkeit erlangen und Gnade finden als Hilfe zur rechten Zeit. Mariens Herz ist dieser Thron der Gnade, ein Mutterherz, das gut ist zu allen und das Raum genug bietet, die ganze Welt in sich einzuschließen. Wie groß die Liebe einer Mutter sein kann, erfährt jeder Mensch an sich selbst. Wenn man die Liebe aller Mütter aller Zeiten zusammentäte, so zeigte sich vor unserem Blick ein Meer voll Liebe, aber dieses Meer hat immer noch Ufer und Grenzen. Mariens Liebe dagegen ist so groß, dass wir ihre Ufer überhaupt nicht sehen können. An ihrem Herzen ist die Welt und sind alle Menschen wohlgeborgen. Diese Mutterliebe wird uns auch von den gegenwärtigen Gefahren befreien, bis wir die Freuden des ewigen Lebens erlangen.

 

Um so mehr wird das der Fall sein, je eifriger wir uns Mariens mütterlichem Herzen im Gebet anempfehlen, selbst dann, wenn unsere Anempfehlung auch nur im stets gleichen Ave Maria besteht, denn die Mutter Gottes schaut uns nicht auf den Mund, sondern ins Herz hinein, und wenn unser Herz sie liebt, so ist sie zufrieden. Damit man das recht versteht, soll ein Gleichnis erzählt werden. Da sitzt auf einer Bank im Stadtpark eine junge Mutter. Neben ihr spielt ein dreijähriges Kind im Sand und singt dabei, und das Lied, das es singt, hat nur ein einziges Wort, und das eine Wort heißt: „Mutter!“ Nur dieses eine Wort singt das Kind in allen Tonarten. Ob der eintönige Singsang der Mutter wohl langweilig ist? Nein, gar nicht, sie lächelt selig vor sich hin. Geradeso ist es bei der lieben Mutter Gottes. Auch wenn wir stets nur das Ave Maria beten, einfach und schlicht, man glaube nur, dass sie uns versteht, und mit jedem Ave Maria, aus liebendem Herzen gesprochen, umhegt und umsorgt uns die Himmelsmutter um so herzlicher und um so inniger in den gegenwärtigen Gefahren, bis auch wir bei ihr im Himmel sind.

 

Von der "Mutter der schönen Liebe"

 

Maria wird auch die Mutter der schönen Liebe genannt. Zärtlicher kann die Liebe zu uns Menschen gar nicht beschrieben werden. An jedem Leid und an jeder Freude in unserem Leben will Maria teilnehmen und immer will sie uns beistehen, und zwar sofort wenn sie davon hört. Maria hörte die seltsame Nachricht von der Schwangerschaft ihrer unfruchtbaren Freundin, und ihr gefühlvolles Herz empfand das ganze Glück Elisabets. Es war als wäre ihr selbst ein Stein von der Brust gehoben, da die Freundin sich bereits an die Unfruchtbarkeit gewöhnt hatte. Es ist so, als wenn in Maria der Kummer, der so lange Zeit das Herz Elisabets zernagt hatte, der größten Freude Platz gemacht hätte. So sehr freute sich das liebreiche Herz Mariä mit denen, die sich freuten.

 

Unterdessen wurde doch Elisabet von einer zweifachen Last gedrückt. Einmal war es ihr hohes Alter und zum anderen die Schwangerschaft selbst. Auch das hat sich Maria mit ihrem guten Herzen vorgestellt. Und davon wurde sie so nachdrücklich gerührt, dass sie sich in diesem Augenblick dazu entschloss, von Nazareth abzureisen, das Gebirge zu übersteigen, die Cousine zu besuchen und ihr all die Mühseligkeiten zu erleichtern. Weder die Beschwerlichkeit und Länge der Reise, noch die Gefahren des Weges, weder der Hang zur Einsamkeit in ihrem Heim, vermochten sie von dem gefassten Entschluss abzuhalten. Gesagt, war bei Maria getan.

 

Ist aber nun Maria mit solcher Eile der Hilfsbedürftigkeit einer älteren Cousine beigesprungen, war es ihr ebenso eine Freude, ihr alle häuslichen Verrichtungen zu erleichtern, auch die geringsten Dienste zu übernehmen. Ist das Herz Mariä von den Bedürfnissen ihrer älteren Verwandten so zärtlich berührt, wie leicht wird dieses Herz von unseren geistlichen Anliegen gerührt werden? Mit welcher Geschwindigkeit wird uns diese allerzärtlichste Mutter beispringen, da ja an einer einzigen Seele nach Christi Wort ganz viel gelegen ist. Wenn unser Geist und Leben von den Wolken der Traurigkeit verfinstert werden, so wird Maria, auserwählt wie die Sonne, eilen, um diese Wolken zu vertreiben. Wenn ängstliche Zweifel unser Herz beunruhigen, so wird Maria, schön wie die Morgenröte, eilen, um uns durch ein himmlisches Licht zu erleuchten. Und wenn die angeborenen Schwachheiten in uns stark gegen uns werden, so wird Maria eilen, um uns beizustehen und wir werden als Sieger aus dem Streit zurückkehren. Wir mögen Anfechtungen erleiden müssen, egal welche, Maria wird eilen und uns noch eher beistehen, als wir sie um Beistand bitten. Und noch ehe wir den Mund zum Gebet geöffnet haben, werden wir heimgesucht und erhört und mit Elisabet ausrufen: „Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt?

 

Maria hat für jeden von uns ein Mutterherz! Sie liebt uns, sie sehnt sich nach unserer Bekehrung, sie brennt vor Begierde uns durch die Macht ihrer Fürbitte dem Untergang zu entreißen.

 

Und wenn du wirklich ein Sünder bist, der die ungeheuersten Lasten nachschleppt, der in seinem Leben nichts getan hat, als gesündigt, der durch gottesräuberischen Empfang der Sakramente mit dem Blut des Erlösers nur gespielt hat, der vor den Einsprechungen Gottes das Ohr, vor den Erleuchtungen Gottes die Augen, vor den Gnaden Gottes sein Herz verschloss, der sich die Bekehrung gleichsam unmöglich gemacht hat, und wenn du dich dann doch hinwirfst vor ein Bild Mariä, vor der Mutter der Barmherzigkeit, der Zuflucht der Sünder, dann beobachte ihre Augen, ob sie nicht von der Begierde nach deiner Bekehrung schmachten. Sie wird sich nicht von dir abwenden, sie wird dir vielmehr ihre Fürbitte zusichern. Beobachte ihre Ohren, ob diese nicht genau anhören, um mit Geschwindigkeit sofort zu erhören. Beobachte ihr ganzes Gesicht, ob es nicht das freundlichste Gesicht ist. Sieh hinein in das Herz dieser Mutter, wie es vor Freude über deine Rückkehr schlägt und sich erweitert dich aufzunehmen. Siehe wie dieses Herz von deiner Reue gerührt sich erhebt und für dich um Gnade bittet. Schau an die Arme Marias, auf diesen Armen trägt sie ihr göttliches Kind und bietet es dir an zum Unterpfand der Seligkeit. Und höre schließlich, wie Maria dir zuruft: "Fürchte dich nicht, ich habe den Sündern das Leben geboren, und ich, die Mutter des Lebens, sollte den Tod der Sünder verlangen? Ich sollte dich verstoßen, ich, bei der Hoffnung und Zuversicht wohnen? Ich sollte dich abweisen? So viele Sünder würde der Abgrund verschlungen haben, und doch hat sie meine Fürbitte errettet. Und auch dich wird sie retten, wenn du nicht selbst deinen Untergang liebst. Vergieße nur eine Träne aus wahrer Reue, und sogleich wirst du erfahren, wie leicht mein Herz zu rühren ist, wie tätig meine Liebe ist, wie mächtig meine Fürbitte sei. Umsonst lasse ich mich nicht Mutter der Barmherzigkeit nennen. Nur die Sünde sollst du verabscheuen, verfluchen – mehr verlange ich nicht. Oder sollte ich den Sündern umsonst den Erlöser geboren haben?"

 

Matthias Hergert

 

Wir sind leicht geneigt, wenn im Frömmigkeitsleben das Wort „Herz“ aufsteigt, an Süßliches, Gefühlsbetontes, Sentimentales zu denken. Dann sperrt sich bei vielen etwas, besonders bei der Männerwelt. Nicht zu Unrecht, denn das Religiöse liegt auf einer zu hohen Ebene und ist von zu heiligem Ernst, als dass es in die Sphäre des Verschwommenen, Unverbindlichen oder gar Kitschigen herabsinken dürfte. Wer aber solche Vorstellungen mit der Herz-Mariä-Verehrung verbinden sollte, hätte damit weit vorbeigesehen an der Einstellung unserer Kirche. Niemals hätte sie sich dazu verstanden, das Herz Mariä zum Gegenstand eines liturgischen Festgeheimnisses zu machen, wenn das nicht der Würde eines eigentlichen Gottesdienstes entspräche. Wenn unsere Kirche vom „Herzen“ spricht, dann meint sie damit die Wesensmitte und den Quellgrund einer Persönlichkeit, die im leiblichen Herzen nur ihr Symbol besitzen. Es schwebt dann vor ihren Augen jener personale Kern, der die Triebfeder aller Handlungen und Einstellungen eines Menschen ist. So gesehen, bedeutet also Herz-Jesu- und Herz-Mariä-Verehrung etwas ganz anderes, als viele vermeinen.

 

Herz-Mariä-Verehrung beugt sich vor der Wesensmitte und vor dem Kern der Persönlichkeit jenes Wesens, das nach den Worten Pius` IX. dem gleichen göttlichen Dekret seine Existenz verdankt wie der Gottmensch Jesus Christus selbst. Wer könnte jedoch eines solchen Wesens Urgrund ausschöpfen? All das, was Jahrtausende über das heiligste aller Geschöpfe, über das begnadetste aller Menschenkinder, über die schönste aller Frauen je gesungen haben, will Herz-Mariä-Verehrung wie in einem einzigen Strahlenbündel zusammenfassen. Jene Person ist die Mutter unseres Herrn, die Gottesgebärerin. Maria ist die Meisterschülerin des Herzens Jesu vor allen Aposteln. Sie ist das Urbild eines erlösten Gotteskindes. Maria ist die Gehilfin Christi im Erlösungswerk. Sie ist die Himmelskönigin und die Vermittlerin aller Gnaden. Herz-Mariä-Verehrung wird, so gesehen, eine Andacht von ungeahnter Tiefe und übersprudelndem Reichtum.

 

Wie fein passt aber gerade für Maria das Symbol des Herzens, da es das Symbol der Liebe ist. Wie sie selbst eines Gottes unergründlicher Liebe ihr Dasein und ihre Gaben verdankt, so kennzeichnet hinwiederum nichts so gut wie Mariens Wesenskern wie die Liebe. Nennen wir sie doch die Mutter der schönen Liebe, die Königin der Barmherzigkeit. Unerschöpflich ist die Liebe ihres Mutterherzens, unerschöpflich ihr Erbarmen.

 

Mariens Wesenskern ist uns aber auch nicht denkbar, ohne das vor Augen zu haben, wodurch sie in einer sündenbeladenen Welt eine Sonderstellung einnimmt: die spiegelklare Reinheit ihres Innern. Darum drängt sich beim Nennen ihres Namens immer die Beifügung „die Jungfrau“ auf, bei der Nennung ihres Herzens die Beifügung „das reinste, das unbefleckte Herz“. Das ist gut so, denn damit leuchtet vor den Augen des Beters jenes hehre Ideal auf, dem er als Gotteskind zuzustreben verpflichtet ist, wonach überhaupt jedes Menschenherz, das noch nicht schlechthin dem Bösen verfallen ist, mit Urgewalt sich sehnt: das Ideal der Reinheit. Wer möchte sich angesichts des unbefleckten Herzens Mariens nicht darum mühen, um mit ihm, gereinigt im Blut ihres Sohnes, dem Schöpfer und Gnadenspender den ewigen Lobgesang zu singen.

 

Kirchengebet

 

Allmächtiger, ewiger Gott, Du hast im Herzen der seligen Jungfrau Maria eine würdige Wohnstatt des Heiligen Geistes bereitet, verleihe uns, die wir die Feier dieses reinsten Herzens fromm begehen, die Gnade, nach Deinem Herzen zu leben. Amen.

 

Zur Geschichte des Festes: Dieses Fest verdankt seine Einführung dem glühenden Eifer des heiligen Johannes Eudes, des Gründers der Gesellschaft Jesu und Mariä. Schon seit 1646 feierte er in seiner Genossenschaft das Fest des Reinsten Herzens Mariä. Von einem päpstlichen Legaten erwirkte er die Gutheißung desselben. Nach und nach wurde es auch mit Zustimmung der Bischöfe in verschiedene Diözesen eingeführt, vor allem in Frankreich, wo es bereits 1688 bekannt ist. Auch die Franziskaner und Jesuiten eiferten für die weitere Verbreitung dieses Festes. Pius VII. gab dann endlich die ausdrückliche päpstliche Genehmigung. In der Folge nahm die Verbreitung des Festes einen raschen Lauf. 1855 schenkte ihm Pius IX. ein eigenes Messformular und auch ein eigenes Stundengebet. Der Termin des Festtages war allerdings in den einzelnen Ländern verschieden. Durch die aufblühende Herz-Jesu-Verehrung wurde zumeist der Samstag nach dem Herz-Jesu-Fest dafür genommen, bis dann von Pius XII. im Jahr 1942 der Oktavtag von Mariä Himmelfahrt, der 22. August, für die ganze Kirche einheitlich festgelegt wurde.

 

Durch die Fatima Botschaft hat die Herz-Mariä-Verehrung einen sehr starken Auftrieb erfahren. Spricht doch darin die Gottesmutter das tröstliche Wort: „Am Ende wird mein unbeflecktes Herz triumphieren.“

 

(Prof. Dr. Carl Feckes, "So feiert dich die Kirche", Maria im Kranz ihrer Feste, 1957, Steyler Verlagsbuchhandlung)