Die Mariensäule zu München

 

(Aus: Das Salve Regina von Simon Knoll, Regensburg 1868)

 

Seit unvordenklichen Zeiten ist das liebe Bayern-Land unter den Schutz der gnadenreichen Himmelskönigin gestellt. Die Fürsten und das Volk wetteiferten von jeher miteinander in der Liebe und Verehrung der allerseligsten Jungfrau Maria. In allen persönlichen, häuslichen wie öffentlichen Drangsalen und Nöten nahm man die kindlich vertrauende Zuflucht zu ihr, der "Hilfe der Christen", und flehte, dass sie ihre barmherzigen Augen auf die Bedrängten hernieder wenden, und Schutz und Hilfe ihnen bereiten möchte.

 

Seitdem aber der große Kurfürst Maximilian I., zum Andenken an seinen Sieg in der Schlacht am weißen Berg bei Prag (7. November 1630) und zum Dank für die empfangene Kur-Würde, hauptsächlich aber wegen Abwendung aller Kriegsgefahr, im Jahr 1638 an dem Hauptplatz zu München die Mariensäule errichtet hatte, knüpft sich die Verehrung, die die Bayern und insbesondere die Münchner, zu der Mutter des Herrn in ihrem Herzen tragen, an diese Mariensäule. Alle waren sich wohl bewusst, dass der fromme Kurfürst, wie auch die Inschrift an der Säule sich ausspricht, sich und sein Land, seine Familie und alle seine Landeskinder der heiligen Landes-Patronin geschenkt und ihrem huldvollen Schutz empfohlen habe. Und noch niemals zweifelten die Münchner daran, dass Maria, die unbefleckt empfangene Gottesmutter, mit barmherzigen Augen über die Stadt und das ganze Land herabschaue von der Mariensäule; denn gar viele Beweise bezeugen dies als volle Wahrheit.

 

Als, zum Beispiel, im Jahr 1680 die ansteckende Pest viele tausend Menschen in Münchens Nachbarschaft dahinraffte, da eilten alle Einwohner zur Mariensäule, öffentliche Andachten wurden an ihr gehalten, zugleich gründete man eine marianische Bruderschaft zur Förderung der Andacht zur heiligen Muttergottes, und das Übel wurde glücklich von der Stadt abgewendet.

 

Als im Jahr 1683 der Kurfürst Max Emanuel mit seinem Kriegsheer nach Wien ziehen wollte, um diese Stadt aus der Gewalt der Türken zu befreien, warf er sich mit seinen Streitern vor der Mariensäule auf die Knie nieder, und flehte zu derjenigen, die, nach dem Zeugnis der Heiligen Schrift, schrecklich ist wie ein bewaffnetes Kriegsheer, um Hilfe; viele Siege über den seither so gewaltigen Erbfeind des Christentums waren die Frucht seines Gebetes.

 

Im Jahr 1704, als viele Ortschaften um München herum durch die Flammen des Krieges verzehrt wurden, da nahm die Stadt wieder ihre Zuflucht zur Mariensäule. Das ganze kurfürstliche Regentenhaus beteiligte sich an den feierlichen Bittgängen, die zu diesem Muttergottesbild unternommen wurden, und die Stadt blieb von dem angedrohten Übel befreit.

 

Im Jahr 1738 beging ganz München mit größter Pracht und Feierlichkeit das hundertjährige Bestehen der Mariensäule und wurde zugleich sorgsamst restauriert. (Eine Restaurierung wurde auch im Jahr 1820 wiederholt.)

 

Am 23. Oktober 1744 zog der bayerische Kurfürst und deutsche Kaiser Albrecht VII. durch das Neuhauser-Tor in München ein und begab sich zur Mariensäule, stieg mit seiner Generalität vom Pferd, und wohnte, auf den Knien liegend, einem feierlichen "Te Deum" bei, das er an der Mariensäule singen ließ, weil sein tapferes Heer mit der Hilfe der Patronin des Landes es von der Besetzung durch die Österreicher befreit hatte. 

 

Durch solche einleuchtenden Beweise der Huld und Gnade Gottes, erfleht durch Marias mütterliche Fürbitten, wuchs denn auch die Verehrung der heiligen Mutter Gottes so, dass jährlich oft über hundert Kreuzzüge von Landleuten nach München kamen, die an der Mariensäule ihre Andachten verrichteten. 

 

Und so war es denn ganz natürlich, dass Münchens Bewohner, als im Jahr 1854 die Cholera in der Stadt zu wüten begann, der Sitte ihrer Väter eingedenk, zur Mariensäule eilten, und zur "Patrona Bavariae" um Hilfe flehten. Das plötzliche Nachlassen der verheerenden Seuche - nach dem am 28. August an der Bildsäule abgehaltenen Bittamt - gab eine neue Kunde und Bürgschaft, dass Maria mit barmherzigen Augen ihre pflegebefohlenen Bayern und insbesondere die Münchner ansehe. 

 

In demselben Jahr 1854 bildete sich ein permanenter Verein unter dem Titel "Bürgerbund zur Schutzpatronin Bayerns", der im folgenden Jahr, vom 27. Juni bis 28. August, auf seine Kosten die Säule renovieren und im Jahr 1857 mit einer Blumenanlage und einem zierlichen auf einer Steinstufe ruhenden eisernen Gitter umgeben ließ. 

 

Auf der schlanken, mit Schwellung versehenen Säule über einem reich vergoldeten Capitäle erhebt sich unmittelbar, aus Erz gegossen und ebenfalls vergoldet, zwischen den Hörnern des Halbmondes das Standbild der Mutter des göttlichen Heilandes, mit dem Jesuskind in der einen und dem Scepter in der anderen Hand. Das Haupt schmückt eine Krone. Unter dieser befindet sich eine kleine silberne Kapsel, die Kurfürst Maximilian I. dem hochwürdigsten Bischof Vitus Adam bei der Einweihung der Säule zur Hinterlegung oberhalb des Hauptes der Gebenedeiten des Herrn übergeben hatte. Diese Kapsel enthält einen Dorn aus der Dornenkrone Jesu Christi, dann Reliquien von den Heiligen: Johannes dem Täufer, St. Jakobus dem Älteren, St. Bartholomäus, St. Simon und St. Arsacius und St. Quirinus, welchen bei der letzten Restauration (1855) noch Reliquien, vom Kreuz des Welterlösers, den heiligen Aposteln, den heiligen Corbinian, Benno und Sebastian beigefügt wurden.

 

Doch nicht allein in Nöten des Leibes, sondern namentlich auch in den Gefahren der Seele ist uns Maria eine mächtige Schutzfrau, wie man dies auch sehr sinnreich ausgedrückt hat durch die in Erz gegossenen vier geharnischten Engel, die, auf dem Piedestal der Säule an den vier Ecken aufgestellt, gegen eine Schlange, einen Basilisken, einen Löwen und einen Drachen ankämpfen. Durch diese Ungeheuer sind nämlich nicht nur die größten Gefahren des Leibes: Pest, Hunger und Krieg, sondern auch die Feinde unserer Seele, insbesondere die Schlange, angedeutet, die von Anbeginn auf das Verderben des Menschen sann. Da die Worte des königlichen Psalmisten: "Du wirst über Nattern und Basilisken wandeln, du wirst Löwen und Drachen zertreten!" Psalm 91,13 in eigenster Weise von der jungfräulichen Gottesmutter gelten, von der Gott selbst im Paradies vorausverkündete, "dass sie der Schlange den Kopf zertreten werde"; so nehmen wir mit kindlichem Vertrauen auch in allen geistigen Nöten und Versuchungen, in allen Gefahren der Seele unsere Zuflucht zu Maria: auf dass sie uns mit ihrem mütterlichen Schutz zur Seite stehe, und mit ihrem mächtigen Arm die Feinde unseres Seelenheils abwehre!

 

Im "Münchner Sonntagsblatt" für das Jahr 1864 befindet sich von dem rühmlichst bekannten deutschen Dichter Dr. J. B. Rousseau ein gemütliches Gedicht auf die Mariensäule. Es lautet:

 

Auf jenes Platzes Mitte,

Der nach Maria benannt,

Ward ihr nach heiliger Sitte

Ein Denkmal durch fürstliche Hand.

Als Himmelsköniginne,

Den Heiland uns bringend, thront

Das Urbild der göttlichen Minne

Ob dem sie verklärenden Mond.

 

In wilden Kriegszeiten,

Die Jammer und Elend gebracht,

Erhob der Hochbenedeiten

Ein Kurfürst dies Erzbild voll Pracht;

Und in der Gegenwart Tagen

Sollt es verherrlicht und neu

Als Schutzgeist des Vaterlands ragen

Durch Münchener Bürgertreu.

 

Ein König, dem's beschieden,

Nach des Herzens Wunsch: "sich zu sehn

Mit seinem Volk im Frieden,"

Hieß dieser Säule Entstehn

Verew`gen in edlem Metalle,

Dass Ihrer, die himmlisch-hehr,

Gedächten die Gläubigen alle

Auch im lärmenden Tagesverkehr.

 

Ob linde Weste kosen,

Ob's stürmt und schneit und reift:

Du findest täglich Rosen

An dieser Stätte gehäuft.

Durch sinnige Blumenkränze

Ist sie zum Gartenbeet,

Zu einem beständigen Lenze

Geweiht durch Pietät.

 

Der wankende Greis und der Knabe,

Die Jungfrau hold wie der Mai,

Das Mütterchen an dem Stabe,

Sie treten stündlich herbei:

Und heben zum heiligen Bilde

Die Blicke, die Herzen, den Geist,

Das ihnen voll himmlischer Milde

Der Bitte Gewährung verheißt.

 

Die Frommsinn im Herzen tragen,

Und die der Reinsten der Frau'n

In guten und schlimmen Tagen

Ihr Inneres gläubig vertraun;

Und Alle, die grambeladen

Ausschütten das brechende Herz

Vor Ihr, der Mutter der Gnaden, 

Der Trösterin in Trübsal und Schmerz:

 

Sieh, wie sie zwischen den Kränzen,

Wenn kaum das Frühlicht graut,

Bis Abends die Lämplein erglänzen,

Hier flehn zu der himmlischen Braut;

Wie barhaupt sie und kniend,

Emporgehoben den Arm,

In seliger Andacht erglühend,

Aufweinen in Kummer und Harm!

 

Wer hier in Weihestunden

Das Nichtige hat durchblickt,

Der Wahrheit Macht empfunden,

Wen heilige Schönheit entzückt;

Der wird sein Lebtag ringen,

Hoch über Wahn und Spott,

In allen sich wirrenden Dingen

Den Frieden zu finden in Gott.

 

O blick aus Himmelsbläue,

Maria, segnend herab

Aufs Volk, das kernige, treue,

Das Dir sich fromm ergab;

Beschütze das Haus der Speyern,

Und deine hilfreiche Näh

Verbleibe dem ganzen Bayern,

Patrona Bavariae!