9. Mai - Anbeter im Hirtenkleid und Königspurpur
"Kommt, lasst uns nach Bethlehem eilen und das Kind suchen!" so riefen die Hirten voller Freude aus, als sie die lichtvolle Erscheinung der Engel gesehen und ihren Gloriagesang gehört hatten. Sie haben für nichts anderes Interesse mehr als für das wunderbare Kind. Sie lassen die Herden auf der Weide zurück, sie verzichten auf die Nachtruhe, in der Nacht noch brechen sie auf und gelangen schließlich zur Felsengrotte, von der alles Heil der Welt ausging. Sie finden das Kind. Sie sehen an ihm nichts Ungewöhnliches, es ist ein Kind wie alle, klein, schwach und zart. Und doch wissen sie: Das ist das wunderbare Kind, wir sehen die Zeichen, die uns der Engel angegeben: ein Kind, in Windeln eingewickelt und in einer Krippe liegend. Was werden jetzt wohl die Hirten getan haben? Voll gläubiger Ehrfurcht sind sie sicher auf die Knie niedergefallen und haben das schwache Kind als den starken Gott angebetet. Das waren einfache, schlichte Leute aus dem Volk. Wie werden sich nun die Großen der Welt, die hochgebildeten Kreise verhalten haben? Die Vertreter dieser Menschenklasse waren die Weisen aus dem Morgenland. So wie die Hirten durch die wunderbare Lichterscheinung der Engel zur Krippe geführt wurden, so wurden auch die Weisen aus dem Morgenland durch das Aufleuchten eines wunderbaren Lichtes, eines wunderbaren Sternes zum Heiland geführt. Gewiss vermuteten sie, dieses wunderbare Kind, das durch solche Zeichen angekündigt wurde, werde auch von aller Pracht und allem Glanz der Welt umgeben ein. Daher ziehen sie selber in einem prächtigen Aufzug daher, ein reicher Tross von Dienern begleitet sie, sie führen reiche Schätze mit, wie der Orient sie bietet, würdig als Geschenke für einen Königssohn. Sie gelangen in die prächtige Hauptstadt des Landes, nach Jerusalem, und ihr Weg führt sie direkt in die Königsburg. Wo anders könnte denn das Wunderkind geboren sein? Ihre Erwartung wird getäuscht, weder in Jerusalem, noch in der Königsburg ist das Kind zu finden. Aber sie verlieren den Mut nicht. Wieder überlassen sie sich der Leitung des wunderbaren Sternes und dieser führt sie in das kleine, unansehnliche Bethlehem. Und wie sie zu dem Kind kommen, sehen sie nichts von Glanz und Reichtum und Pracht, im Gegenteil, die äußerste Armut tritt ihnen entgegen, entgegen in der armen Mutter, entgegen i dem schlichten Zimmermann. Sind sie nun enttäuscht und zornig sofort weggegangen?
Die Antwort gibt uns die Heilige Schrift, die sagt: Et procidentes adoraverunt eum - sie fielen nieder und beteten ihn an. Der wunderbare Stern hatte sie so bestärkt, dass ihr Glaube auch durch die Armut, von der das Gotteskind umgeben war, nicht wankend wurde. Sie wissen: hier ist Gott auf Erden erschienen! Und sie lassen sich in tiefster Ehrfurcht nieder auf die Knie und beten an und tun ihre Schätze auf: Gold, Weihrauch und Myrrhe.
Liebe Marienverehrer! Wenn sich im "Haus des Brotes", in unserem katholischen Gotteshaus, die eucharistische Geburt des Heilandes abspielt, während das heilige Opfer des Neuen Bundes gefeiert wird, da ergeht auch an uns Katholiken eine himmlische Botschaft. Keine lichtvolle Engelsgestalt bringt sie uns wohl, kein wunderbarer Stern führt uns wohl und doch ist diese Botschaft nicht minder zwingend. Der Engel, der Stern, der uns die wunderbare Geburt ansagt, ist unser heiliger Glaube. Und dieser sagt uns mit unfehlbarer Gewissheit: Auf dem Altar wird Christus gegenwärtig, derselbe Christus, der in Bethlehems Stall in Windeln eingewickelt in einer Krippe lag, angebetet von Hirten und Königen. Venite adoremus! Kommt, lasset uns anbeten! Wohl hören wir nicht die Engel singen, aber hoch von den Türmen klingt es noch in vollen Tönen wie eine Himmelsbotschaft: Venite adoremus! Leisten wir dieser Botschaft nun auch gerne Folge? Folgen wir wenigstens diesem Ruf der Glocken (solange sie in Deutschland noch läuten), wenn es heilige Christenpflicht ist, an Sonn- und gebotenen Feiertagen?
Erinnern wir uns, wie schnell und ohne Zögern die Hirten kamen. Sie ließen ihre Herden im Stich, sie gingen nicht gemächlichen Schrittes, die Heilige Schrift sagt uns ausdrücklich, dass sie eilten. Und die Weisen aus dem Morgenland! Welche Schwierigkeiten, welche Gefahren hatten sie zu überwinden! Sie verließen ihre reichen Wohnungen, ihre Bequemlichkeit und setzten sich den Strapazen einer langen, unsicheren und ungewissen Reise aus. Ihr Weg führte sie durch weite, öde Wüsteneien, wo grinsend der Tod hinter jedem Stein lauerte, am Weg waren Räuber verborgen, lüstern nach den Schätzen der Karawane. Und all das schreckte sie nicht ab. Ihren Blick auf den Stern gerichtet, streben sie vorwärts, immer vorwärts.
Wie beschämt dieses Beispiel der Hirten und Könige so manchen lauen Katholiken, der alle möglichen Entschuldigungsgründe vorbringt, wenn er seine Christenpflicht erfüllen und am Sonntag seinem Sonntagsgottesdienst beiwohnen soll. Der Weg in die Kirche ist kurz und ganz entschieden nicht zu vergleichen mit der Reise der Könige, das Wetter günstig, der Gesundheitszustand gut, keine dringenden Rücksichten halten ihn ab und er findet doch nicht den Weg zu seinem Heiland.
Wie viele Christen, die wochenlang, ja manche, die jahrelang keine Heilige Messe anhören. O würden sie wissen, was die Heilige Messe ist, sie würden es den Hirten und den Königen nachmachen und all ihren Arbeiten, ihren Geschäften und Verrichtungen die Heilige Messe als erste und wichtigste Pflicht voransetzen. Der ehrwürdige Kapuzinerpater Martin Kochem schreibt von der Heiligen Messe: Wisse, andächtige Seele, dass unter allen Schätzen, welche die Welt besitzt, keiner köstlicher ist als das Opfer der Heiligen Messe und dass unter den Schäden, die es auf Erden gibt, meines Erachtens keiner größer ist, als die Unkenntnis dieses heiligsten Opfers. Und das Konzil von Trient nennt es ein schauererregendes Geheimnis, die heiligste und göttlichste unter allen gottesdienstlichen Verrichtungen. Und lesen wir die Schriften und Traktate der Gottesgelehrten, so müssen wir staunen über die Ausdrücke der Bewunderung und Ehrfurcht, mit denen sie von der Heiligen Messe sprechen. Ihnen ist die Heilige Messe die Sonne der gottesdienstlichen Verrichtungen, Lichtspenderin und Wegweiser, sie ist ihnen für die Kirche und das Gnadenleben des einzelnen, was das Herz für den Organismus ist, Quelle und Erhalterin des übernatürlichen Lebens, sie ist ihnen die diamantenbesetzte Schatzkammer der Erlösungsverdienste Jesu Christi und zugleich der Schlüssel, um diese Schatzkammer zu öffnen und fortwährende Segensströme hinauszuleiten in die heilsdurstige Menschheit, sie ist ihnen die Himmelsleiter, die sich aufbaut aus diesem Jammertal in die lichten Höhen der Ewigkeit und auf der heruntersteigt der Emanuel zu der an Leib und Seele kranken Menschheit.
O dass die Menschen erkennen möchten, was sie an der Heiligen Messe haben, dann würde ihnen der Besuch der Heiligen Messe eine der liebsten Verrichtungen sein, dann würde ihr Herz sie mächtig hinziehen zum Opferaltar, und wenn sie einmal nicht kommen könnten, so würde das für sie einen großen Schmerz bedeuten.
Das Verhalten der Hirten und Weisen bei der Krippe des Heilandes zeigt uns aber auch, mit welcher Gesinnung wir zu der eucharistischen Krippe eilen sollen. Die Hirten haben ihre schlichten Gaben gebracht. Ein altes Weihnachtslied sagt uns:
Manch Hirtenkind trägt wohl mit freudigem Sinn
Milch, Butter und Honig nach Bethlehem hin,
Ein Körblein voll Früchte, das purpurrot glänzt,
Ein schneeweißes Lämmchen, mit Blumen bekränzt.
Und die Weisen taten die Schätze des Orients auf. Was bringst du mit zum heiligen Opfer? In der alten Kirche bestand auf Grund der im altkirchlichen Recht begründete Vorschrift: "Du sollst nicht mit leeren Händen vor dem Angesicht deines Gottes erscheinen", der Brauch, dass die dem heiligen Opfer beiwohnenden Gläubigen selbst die Opfergaben brachten. Nach der Verlesung von Epistel und Evangelium brachten zuerst die Männer, dann die Frauen ihre Opfergaben in Form von Brot und Wein zum Altargitter. Sie trugen sie in weißen Tüchern zum Speisegitter, wo der Priester sie in Empfang nahm und auf einen Seitentisch niederlegte. Später hörte dieser Brauch auf, ein spärlicher Rest ist noch erhalten in dem Brauch, während der heiligen Messe Geldspenden zu geben. Diese persönliche Abgabe von Opfergaben geschah nicht bloß in der Absicht, zur Erhaltung der Kirche und Priester beizutragen, sondern in dem Bewusstsein, dass das gläubige Volk teilnimmt an dem Priestertum und gleichsam mit dem Priester mitopfert. Daher ruft auch der heilige Paulus den Christen in Rom zu: "Wisst ihr nicht, dass ihr Glieder des Leibes Christi seid?" Und der heilige Petrus nennt die zum Gottesdienst versammelte Christengemeinde "ein königliches Priestertum Christi".
Wir können heute die alte kirchliche Vorschrift so deuten: