Maiandachten II

 

Inhalt:

 

I. Maiandacht -

Maiglöckchen

II. Maiandacht -

Sonnenblume

III. Maiandacht -

Efeu

IV. Maiandacht -

Brennende Liebe

V. Maiandacht -

Lilie

VI. Maiandacht -

Rosmarin

VII. Maiandacht -

Tulpe

VIII. Maiandacht -

Reseda

IX. Maiandacht -

Passionsblume

X. Maiandacht -

Balsamine

XI. Maiandacht -

Kornblume

XII. Maiandacht -

Feuerlilie

XIII. Maiandacht -

Immergrün

XIV. Maiandacht -

Nelke

XV. Maiandacht -

Rote Rosen

XVI. Maiandacht -

Rittersporn

XVII. Maiandacht -

Alpenrose

XVIII. Maiandacht -

Aster

XIX. Maiandacht -

Myrte

XX. Maiandacht -

Kaiserkrone

XXI. Maiandacht -

Moos

XXII. Maiandacht -

Totenblume

XXIII. Maiandacht -

Gelbe Rose

XXIV. Maiandacht -

Narzisse

XXV. Maiandacht -

Veilchen

XXVI. Maiandacht -

Colocasia

XXVII. Maiandacht -

Geranium

XXVIII. Maiandacht -

Immortelle

XXIX. Maiandacht -

Weiße Rosen

XXX. Maiandacht -

Lonicera

XXXI. Maiandacht -

Vergissmeinnicht

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Widmung

 

Es wand, Dich Himmelskönigin zu Ehren,

Zum Kranz Dein Diener diese Blumen hier,

O möchten sie doch deinen Ruhm vermehren,

Zu Dir die Andacht, aller Blumen Zier!

 

Die Liebe rief die Blumen aus der Erde,

Und tausend Herzen haben sie begrüßt;

Damit ihr blühn noch segensreicher werde,

All diese Blumen ein dies Beten schließt!

 

O blühet fort, betaut von Lieb und Glaube,

Jetzt, wo uns Stürme drohn und naht der Krieg,

Seid mit dem Ölzweig uns die Friedenstaube,

Verherrlichend die Königin vom Sieg!

 

Um tausend Herzen schlinget euch zu Kränzen

Der Andacht zu Maria fromm geweiht,

Denn wer sie liebt hienieden, wird einst glänzen

Im Glorienlicht der Himmelsseligkeit!

 

Nun lass die Blumen schüchtern niederlegen,

O Himmelskönigin vor deinem Thron,

Gib meinem Wirken ferner Deinen Segen,

Ich will, Maria, keinen andern Lohn!

 

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I. Maiandacht - Maiglöckchen

 

Eine der ersten Blumen des Frühlings ist das Maiglöckchen, das gleichsam der Welt das Scheiden des Winters verkündet und alle Blumen aus der Erde ruft. Es ist eine schöne Blüte mit großen länglichen Blättern und trägt an ihren Stängeln eine Menge kleiner, schneeweißer Glöckchen, die überaus wohlriechend sind.

 

Keine unter allen Blumen passt besser auf den ersten Tag des Mai, als diese, weil das Maiglöckchen das Sinnbild der neu erwachten Andacht, der frischaufblühenden Liebe ist. Der Monat Mai ist aber der Liebe zu Maria, ihrer Andacht, ihrer Verehrung geweiht und obwohl nach den Worten des heiligen Bernhard unser ganzes Leben der Gottesmutter gehören soll, soll doch im schönsten Monat des Jahres unsere Liebe zu Maria am glühendsten und unsere Andacht am lebendigsten sich zeigen! –

 

Darum sollen wir am heutigen Tag anfangen zu rufen mit dem Priester am Altar: Sursum corda! Hinauf die Herzen! Und diesen Ruf alle Tage dieses Monats öfters wiederholen, um unseren Blick hinauf zu richten zu Jesus, der auf dem Schoß seiner Mutter ruht; unser Herz mit all seiner Liebe hinauf zu wenden zu Maria, die in diesem Monat, wie in keinem anderen, Gnaden spendet und verbreitet. Rufen wir ihr zu mit dem Engel: Sei gegrüßt, Du Gnadenvolle! Denn wenn die Menschen dieser Erde jenen Gruß erwidern, wird wohl die allerseligste Jungfrau unsere Grüße unerwidert lassen? – Nein, sie wird uns danken und ihr Dank, sagt der heilige Epiphanius, ist eine Gnade! – Je öfter wir dies tun, desto mehr wird dieser Monat ein wahrer Frühlingsmonat für uns werden, in welchem die schönsten Blumen heiliger Tugenden unserem Herzen entblühen.

 

Das Maiglöckchen läutet und so ruft die heilige Kirche die Gläubigen auf, im Monat Mai Maria auf besondere Weise zu verehren und zu lieben. Diese fromme Andacht ist am Ende des 18. Jahrhunderts in Rom entstanden und hat sich seitdem in der ganzen katholischen Welt verbreitet, besonders weil die Päpste, angefangen mit Papst Pius VII. am 21. März 1815, sie jeweils gebilligt und großzügig mit Ablässen begnadigt haben. Alle Christgläubigen, welche während des Monats Mai allein oder gemeinsam mit anderen ein Werk der Gottseligkeit zur Ehre der göttlichen Mutter verrichten, gewinnen für jeden Tag einen Teilablass und einmal, wenn sie nach würdigem Empfang der heiligen Sakramente für die Angelegenheiten der Kirche beten, einen vollkommenen Ablass. Der kann als Gnadenschatz auch den armen Seelen im Fegfeuer zugewendet werden. – Werden wir diesen Gnadenruf der heiligen Kirche überhören?

 

Das Maiglöckchen läutet und so ruft uns das Beispiel so vieler Verehrer Mariens zur Maiandacht. Beim Beginn dieses Monats knien Tausende in ihren Häusern im Kreis ihrer Familien vor dem mit Blumen geschmückten Bild Mariens und verehren mit inniger Liebe die Muttergottes, wetteifern Tausende in Ausschmückung ihrer Altäre und ziehen täglich in großen Scharen den Ihr geweihten Kirchen zu. In Spanien und Frankreich, in Italien und Deutschland vereinen sich die Gläubigen, um ihre Mutter zu loben. Ja, über das Meer hinüber in jenen Ländern, wo man erst seit einigen Jahren den Namen Maria kennt, bei jenen Völkern, die sich früher vom Fleisch ihrer besiegten Feinde nährten, erschallen in diesem Monat Lobgesänge zu Ehren Mariens und vermischen sich mit dem Brausen der Meereswogen, die jene Ufer bespülen! – Werden wir den Ruf so vieler Beispiele überhören? –

 

Das Maiglöckchen läutet und so ruft uns unser eigenes Herz zur Feier der Maiandacht. Mein Herz, sagt die heilige Katharina von Genua, ist ein verfluchtes Erdreich, das nur Dornen und Disteln trägt. Wir alle müssen ebenso sprechen, wenn wir unsere Lauigkeit, unsere geistige Schwäche, unsere so oft gebrochenen Vorsätze betrachten. Wer aber nimmt diesen Fluch hinweg? Wer anders, als Die, welche der Schlange den Kopf zertreten hat, als Die, in der alle Geschlechter gesegnet werden, Maria! Darum vergessen wir nie das Wort des heiligen Alphons: Willst du in der Vollkommenheit zunehmen und im Guten fest werden, geh zu Maria! Werden wir den Ruf unseres armseligen Herzens überhören? –

 

Nein, auch wenn diese drei Gründe uns nicht gegeben wären, aus freier Liebe, aus freiem Verlangen, weihen wir dir, o allerseligste Jungfrau, diese 31 Tage in besonderer Liebe und Verehrung. Mache durch dein Gebet unser Herz zu einem Maiglöckchen, weiß und licht durch eine reine Meinung bei dieser Andacht, klingend und läutend und selbst aus dem Schlummer der Trägheit und des Alltagslebens zu einer frischeren, glühenderen Liebe zu dir, klingend und läutend anderen durch unser Gebet und gutes Beispiel aus der Nacht der Sünde empor zu einem besseren Leben! – Gib, dass wir in Wahrheit ausrufen können mit der Braut im Hohenlied: Die Regenzeit ist vorbei, der Winter ist vorüber, der Frühling naht, und die Blumen fangen schon an zu blühen, der Frühling deiner Liebe und die Blumen aller Tugenden. Amen.

 

Maiglöckchen schon beginnen

Zu läuten weit und breit,

Dass wir Maria dienen

Jetzt in der Frühlingszeit!

Drum lasst auch ohne Weilen

Zur Mutter hin uns eilen,

Maria, Maria, o Maria!

 

Lass unser Herz im Maie

Ein Maienglöcklein sein,

Das selbst in Lieb erneue,

Sie andern läute ein! –

Dass alle Herzen klingen,

Dir jubilierend singen:

Maria, Maria, o Maria!

 

Der Monat Mai gehöre

Dir, Mutter, ganz allein,

Lad aller Engel Chöre

Und Menschen dazu ein!

Die ein und dreißig Tage

Für Dich das Herz nur schlage:

Maria, Maria, o Maria! –

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II. Maiandacht - Sonnenblume

 

Weil die Sonnenblume mit ihrem großen schwarzen Kern, umrungen von gelben Blättern, das Eigentümliche hat, dass sie ihr Haupt stets der Sonne zuwendet und mit ihr sich erhebt und sich senkt, so nennt man sie nicht mit Unrecht das Bild des Glaubens.

 

Auch der Glaube wendet beständig seinen Blick der Sonne der göttlichen Liebe zu. Der Himmel ist es, der ihm Lebenskraft gibt und je mehr sich ihm dieses Licht entzieht, desto schwächer und matter wird er. Abraham wird in der Heiligen Schrift seines Glaubens wegen gerühmt. Größer aber noch ist Maria. Von ihr sagen die Väter, die allerseligste Jungfrau hatte mehr Glauben, als alle Menschen und Engel. Wie also Elisabeth die göttliche Mutter mit den Worten begrüßte: Selig bist Du, weil Du geglaubt hast, so können auch wir sie um ihres Glaubens wegen selig preisen, sie nennen die himmlische Sonnenblume, das schönste Vorbild des heiligen Glaubens! –

 

Die Sonnenblume richtet ihr Haupt beständig nach der Sonne und Maria wandte ihren gläubigen Blick in keiner Lage ihres Lebens ab von dem Anfänger und Vollender unseres Glaubens, von Jesus Christus. Von der Wiege bis zum Grab schaute sie auf ihn. Sie erblickte ihn im Stall zu Bethlehem und glaubte dennoch, dass er der Schöpfer Himmels und der Erde sei. Sie sah ihn verachtet am Kreuz sterben und blieb stehen, was nach den Worten des heiligen Antonin, ihr Glauben an die Gottheit Jesu bewirkte, der nie in ihrem Herzen wankte. Blicken auch wir mit Maria beständig auf Jesus, betrachten wir recht oft mit gläubigem Blick das Kruzifix, dann wird unser Glaube immer fester und unser Leben ein Leben des Glaubens werden. „Mein Gerechter aber lebt aus dem Glauben.“

 

Die Sonnenblume erhebt mit Freude ihr Haupt, sobald die Sonne am Himmel erscheint. Auch Maria findet im Glauben ihre Freude. Kaum hat Elisabeth sie seliggepriesen um ihres Glaubens willen, als sie im heiligen Entzücken anstimmt den Freudengesang: „Hoch preise meine Seele den Herrn!“ – So sollen auch wir uns freuen bei dem Gedanken, Kinder der wahren Kirche zu sein, ein Gedanke, der die Heiligen selbst am Sterbebett noch mit unaussprechlichem Trost erfüllte. In Kreuz und Leiden, sagt der heilige Franz von Sales, gibt es keinen freudigeren Trost, als die Erinnerung, ein Sohn jener Mutter zu sein, in deren Schoß gut leben und gut sterben ist. –

 

Die Sonnenblume folgt dankbar jenem Licht nach, das ihr Wärme und Lebenskraft gibt und neigt traurig ihr Haupt, wenn die Sonne verschwindet. So folgte Maria, nachdem sie nach dem Zeugnis des Euthymius von Jesus selbst im Jordan getauft worden war, ihrem Sohn dankbar überall nach. Sie hatte ihm dreißig Jahre lang fromm gedient im Land des Fremdlings und im Vaterland. Sie hatte für ihn gearbeitet, über ihn geweint, für ihn gelitten. Sie hatte ihn ohne jemals auszusetzen am Morgen und am Abend angebetet. Es ist natürlich, dass sie ihr friedliches Dach verließ, um in dankbarer Liebe den gesegneten Fußstapfen ihres Sohnes zu folgen, wie er auch den Völkern das Glaubenslicht brachte. Und als er am Kreuz starb, da sehnte sie sich, aus diesem Tränental zu scheiden. So sollen auch wir Gott danken für den heiligen Glauben, der nach den Worten der Väter die Größte aller Gnaden ist. Wir sollen mit der heiligen Theresia in unserem Morgen- und Abendgebet den Dank für die Gnade des Glaubens niemals vergessen. Wir sollen öfters nach dem Beispiel des heiligen Philipp Neri den Glauben an Gott mit Andacht beten und besonders wie Maria unseren Dank für die Gnade des Glaubens dadurch beweisen, dass wir in dankbarer Liebe dem Geber dieser Gnade überallhin nachfolgen. Der Glaube lehrt uns, Jesus Christus ist im allerheiligsten Sakrament zugegen. Dorthin also sollen wir uns, wie die Sonnenblume zum Licht der Sonne, beständig wenden und mögen wir schlafen oder wachen, zu Hause oder bei der Arbeit sein, soll unser Herz und unser Auge immerwährend dorthin gerichtet sein, wo wir eine Kirche mit dem Allerheiligsten wissen.

 

Lass, o allerseligste Jungfrau, unseren Glauben dem deinigen ähnlich werden, dann wird auch unser Herz der Sonnenblume gleichen. Erbitte uns die Gnade, dass wir in allen Lagen unseres Lebens auf Jesus schauen und unseren Glauben durch sein Beispiel stärken, dass wir in der Erinnerung an unseren Glauben von heiliger Freude erfüllt uns gedrängt fühlen, hinzueilen zu Jesus, um ihm für dies unaussprechliche Glück zu danken. Amen.

 

Sei mir im Heiligtume

Des Herzens Hochaltar;

Du Bild der Sonnenblume,

Mein Glaube wunderbar!

Maria, mir ihn stärke,

Dass ich ihn zeig im Werke,

Maria, Maria, o Maria Hilf!

 

Und gleich der Blume kehre

Mein Auge sonnenwärts,

Dass sich mein Glauben mehre

In Freude wie in Schmerz.

Mein Herz auf Jesus richte,

Dann bringt mein Glauben Früchte

Maria, Maria, o Maria hilf!

 

Am öftesten doch wende

Dort meinen Glauben hin,

Wo Gott im Sakramente

Selbst will begeistern ihn!

Bewahr dem Herrn zum Ruhme

In mir die Sonnenblume!

Maria, Maria, o Maria hilf!

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III. Maiandacht - Efeu

 

Der Efeu ist jenes Gewächs, das sich mit seinen dunkelgrünen spitzigen Blättern an Mauern emporrankt, alte Eichen umschlingt und fest umklammert. Eben dieses Emporragen aber und dieses innige Anschließen an seine Stütze hat es zum Sinnbild der Hoffnung gemacht.

 

Die allerseligste Jungfrau Maria nennt sich selbst eine Mutter der heiligen Hoffnung: „Ich bin eine Mutter der heiligen Hoffnung“, und darum kann man mit Recht sie mit dem Efeu vergleichen.

 

Der Efeu sucht sich immer eine Stütze, wächst an Bäumen oder Mauern empor und hält sich daran fest. So sehen wir auch Maria nie allein, immer ist sie bei ihrem Gott, der zugleich ihr Sohn ist. Ihre Stütze und ihre Hilfe, ihr Rat und Trost ist nur allein Jesus, auf ihn vertraut und hofft sie in jeder Lage, denn sie weiß, dass die, die auf den Herrn vertrauen, niemals zu Schanden werden. Als sie Jesus im Tempel verloren hatte, sucht sie keinen Trost bei den Menschen, sondern mit zuversichtlichem Vertrauen hofft sie das Wiederfinden. Sie wurde auch nicht getäuscht. Sie fand ihr geliebtes Kind, das sie suchte. –

 

Als Jesus am Kreuz gestorben war, ließ sie sich nicht hinreißen vom Schmerz und trösten von den Menschen; nein, ruhig und gottergeben hoffte sie auf den Herrn, der bald darauf ihr Vertrauen durch seine wunderbare Erscheinung belohnte. – So sollen auch wir nach dem Beispiel Mariens nur auf Gott vertrauen und nicht auf die Menschen. – Wer auf Menschen sein Vertrauen setzt, sagt die heilige Theresia, stützt sich auf einen gebrochenen Stab. Ranken wir uns auf am göttlichen Herzen Jesu, umklammern wir es fest mit den Armen heiliger Hoffnung und kindlichen Vertrauens und graben wir uns das göttliche Wort als einen Grundsatz unseres Lebens tief ins Herz: Wer auf Gott vertraut, wird in Ewigkeit nicht zu Schanden!

 

Der Efeu behält seine Farbe im Sommer und im Winter; so unveränderlich war auch die Hoffnung der allerseligsten Jungfrau Maria; nichts konnte sie erschüttern; ja gerade in jenen Augenblicken, wo alles dazu beitrug, ihr Vertrauen wankend zu machen, hoffte sie standhaft. Als sie Jesus arm und verlassen wie einen Missetäter am Kreuz sterben sah, stand sie mit zuversichtlichem Vertrauen nah bei ihm, denn sie hoffte fest und unerschütterlich, wie der heilige Ambrosius sagt, die Rettung der Welt und die Erlösung der Menschheit, die, wie sie wusste, mittels seines Todes bewirkt werden musste. So sollen auch wir hierin der Muttergottes nachahmen und desto mehr hoffen, je weniger menschlicher Weise zu hoffen ist. Die Hoffnung, sagt der selige Egydius, ist ein Kind der Nacht, das will sagen, dass die Hoffnung nur dann eine heilige, verdienstliche und belohnungswürdige Tugend sei, je düsterer, dunkler und aussichtsloser die Lage ist, in der wir uns befinden und dennoch auf Gott vertrauen. –

 

Der Efeu ist grün, und wie die grüne Farbe die Farbe der Hoffnung ist, so ist Maria unsere Hoffnung. Von ihr aus verbreiten sich die Strahlen der Hoffnung über die ganze Welt. Soweit der glorreiche Name ihres Sohnes den Völkern bekannt ist, ebenso weit wird sie verehrt als die Mutter der Hoffnung, indem all ihre Kinder in allen Lagen des Lebens sich an sie wenden, sie um ihre Fürbitte anrufen und sofort von ihr und durch sie von Gott Hilfe erwarten. Nur der soll, sagt der heilige Bernhard, von den Herrlichkeiten Mariens schweigen, den sie, wenn es einen gibt, in seinen Nöten verlassen hat. Nehmen wir daher unsere Zuflucht stets zu Maria, die nach Jesus unsere einzige Hoffnung ist; vertrauen wir im Unglück auf sie und nicht auf das Ansehen und Verwenden, auf die Würden und den Reichtum der Menschen, denn sie allein kann uns helfen und will uns helfen! –

 

Ein treuer Sohn Mariens, der heilige Eduard, König von England, schlug nichts ab, wenn man ihn im Namen der Muttergottes bat. Ebenso schlägt auch der beste Sohn der besten Mutter, Jesus, nichts ab, um was immer man ihn im Namen Mariens bittet. Darum sollst auch du, o allerseligste Jungfrau, meine Zuflucht in allen Nöten sein, dir will ich vertrauen in jeder Not und auf dich hoffen alle Tage meines Lebens. Amen.

 

Wollt ihr schauen

Das Vertrauen,

Auf Maria blicket hin!

All ihr Streben,

All ihr Leben

Hofft auf Jesus, nur auf ihn!

 

Blieb ich offen

Diesem Hoffen,

Ohne dass mein Herz je wankt,

Würd ich gleichen

Jenen Eichen,

Die von Efeu sind umrankt!

 

Lasse bauen

Mein Vertrauen

Nur auf Gott mit frommen Sinn!

Dann wird schnelle

Meine Seele

Sein ein Efeu immer grün!

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IV. Maiandacht - Brennende Liebe

 

An einem festen hellgrünen Stängel befinden sich kleine Sternblumen, die sich stets in einer gewissen Anzahl zu einer Blume vereinigen. Wegen ihrer brennend roten Farbe, wird die ganze Blume die Brennende Liebe genannt und für das Sinnbild der Liebe genommen.

 

Wenn es je eine Liebe auf Erden gab, die ebenso wahr und echt, als heiß und glühend gewesen ist, so war es keine andere, als diejenige, die im unbefleckten Herzen Mariens brannte. Von ihr sagen die Heiligen, dass sie an Liebe zu Gott alle Seraphim übertroffen habe und dass die Liebe aller erschaffenen Wesen, mit der ihrigen verglichen, verbleichen müsse, wie die Sterne, wenn die Nacht verschwindet und die Sonne am Himmel erscheint. Daher bezieht die heilige Kirche mit Recht die Worte auf Maria: Ich bin die Mutter der schönen Liebe, und stellt sie uns als Muster und herrlichstes Vorbild der Gottesliebe zur Nachahmung vor. Wie Maria in allen Tugenden glänzt, so ganz besonders in der, die der heilige Apostel die höchste nennt, „von diesen dreien aber ist die größte die Liebe“; weshalb sie auch der heilige Bonaventura auf treffliche Weise als Königin der Liebe begrüßt.

 

Die Brennende Liebe hat eine hochrote Farbe und sinnbildet dadurch das Feurige, das Flammende der Liebe. Jene Lebendigkeit, die sich von keinem Hindernis abschrecken lässt, jene Begeisterung, der nichts zu schwer und zu hart fällt, jene Glut der Liebe, die der Sturm am meisten anfacht, die im Unglück am glänzendsten sich zeigt. Und wo ist diese Liebe mehr zu finden, als in dem heiligsten Herzen Mariens? – Betrachten wir nur die Mutter, wie sie im Stall zu Bethlehem ihr neugeborenes Kindlein liebt, es zärtlich umfängt, sorgfältig beschützt und in die Windeln hüllt, indem sie nach den Worten des heiligen Bernhard all ihre Mutterliebe hineinwindet! – Und betrachten wir sie unter dem Kreuz, wie sie von ihrem Kind nicht weicht, sondern liebend bei ihm bleibt, damit wenigstens dies, dass sie ihn nicht verlässt, ihn tröste in seinen namenlosen Qualen! So müssen wir gestehen, dass eine Liebe, die in ihrem Anfang schon so glühend und feurig gewesen und im Tod noch so heiß und flammend war, Wahrhaft eine Brennende Liebe genannt werden und jene Blume nur mit dem Mutterherzen Mariens verglichen werden kann. So sollen auch wir Gott lieben oder wenigstens, da wir dies erhabene Vorbild nie erreichen können, danach streben es nachzuahmen. Nicht bloß mit Worten, die wir aus einem Gebetbuch lesen, oder schönen Gefühlen, die wir bisweilen, aber nur vorübergehend empfinden, sollen wir den Herrn lieben, nein, unsere Liebe soll heiß sein, uns ganz durchglühen, vor keinem Hindernis zurückbeben und uns gleichsam drängen, für den Herrn Großes zu tun. Die Liebe Christi drängt uns. –

 

Die Brennende Liebe hat Blüten in Gestalt von kleinen Sternen und kann auch in dieser Beziehung mit der heiligen Gottesliebe verglichen werden, die einem Stern gleich ins Dunkel des Lebens hereinglänzt. So war für die allerseligste Jungfrau Maria die Liebe jener Stern, nach dem sie ihr ganzes Leben richtete und nach dem sie schaute in jedem Unglück. Wie einst die Heiligen Drei Könige ein Stern zu Jesus Christus hinführte, so führte auch sie die Liebe gleich einem Stern immer wieder hin zu ihrem göttlichen Kind. Auch uns wird die Liebe zu Gott ein Stern sein, der uns nicht vom rechten Weg abirren lässt, uns in der Nacht des Unglücks tröstet und den Weg zu Jesus in den Himmel finden lässt. Die Nachfolge Christi sagt: Wer Gott von ganzem Herzen liebt, wird im Glück nicht übermütig und im Unglück nicht verzagt werden.

 

Die Brennende Liebe hat immer viele Blüten zu einer Blume vereinigt und ebenso enthält die Liebe zu Gott vielerlei Arten, verschiedene Weisen, die Liebe zu zeigen. Wir sehen die heiligste Jungfrau ihre Liebe zu Jesus äußern, wie sie für seine Nahrung und Kleidung sorgt, wie sie ihn auf allen Reisen begleitet, wie sie diejenigen mit Liebe umfängt, die auch dem göttlichen Heiland lieb und teuer waren. So sollen auch wir auf verschiedene Weise zeigen, dass in unserem Herzen die Liebe zu Gott brennt und glüht. In den Armen sollen wir Jesus speisen und kleiden, in seinen Kirchen und Altären sollen wir ihn schmücken und zieren; in jenen Menschen, die er besonders liebt, in den Priestern und allen tugendhaften Christen sollen wir ihn lieben, indem wir ihnen unsere ganze Liebe und Verehrung schenken! –

 

Mit diesem Wunsch wenden wir uns an dich, o allerseligste Jungfrau Maria, denn dein Herz glich ja in Wahrheit der Brennenden Liebe; nur einen Funken dieser Liebesglut teile uns mit und auch unsere kalten, liebeleeren Herzen werden jener Blume gleichen und von Liebe Gottes brennen. Was könnte uns dann noch fehlen in diesem Tränental, wenn wir durch deine mächtige Fürbitte bei Gott in Liebe zu Ihm entbrennen, jeder Schmerz würde entfliehen, jeder Zweifel schwinden und dies Leben nach den Worten des heiligen Antonius ein Himmel auf Erden sein.

 

Lasse uns nicht umsonst bitten, du himmlische brennende Liebe und erhöre unser Flehen! Amen.

 

Wenn immerfort mir bliebe

Die Liebe glühend heiß,

Glich ich der Brennenden Liebe,

Der Zier im Blumenkreis.

 

Durchglühe meine Triebe

Durch Deine Liebesglut,

O Königin der Liebe,

Erfrische meinen Mut!

 

Dass ich in allen Weisen,

Wie es nur möglich ist,

Gott kann die Lieb beweisen,

Die meine Brust umschließt.

 

Dass ich entbrenn in Liebe

Für meinen Gott und Herrn,

Dass ich ihn nie betrübe,

Ihn immer habe gern!

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V. Maiandacht - Lilie

 

Groß ist die Schönheit der Lilie, die ihren blendend weißen Kelch dem Himmel öffnet. Sie ist von vielen kleinen Blättern, die ihrem aufrecht stehenden Stängel entwachsen, rings umgeben und duftet einen überaus feinen und herrlichen Wohlgeruch aus. Selbst der göttliche Heiland Jesus Christus spricht von ihrer Pracht: Betrachtet die Lilien, wie sie wachsen: sie arbeiten nicht, sie spinnen nicht. Ich sage euch aber, auch Salomo in seiner ganzen Herrlichkeit war nicht angetan, wie deren eine. –

 

Fast bei allen Völkern und zu allen Zeiten wurde diese Blume als Sinnbild der Unschuld und Reinigkeit genommen und wirklich hat auch die Lilie so viele Beziehungen und Ähnlichkeiten mit dieser Tugend, dass sie mit Recht das Bild der Keuschheit genannt werden kann. Der heilige Ambrosius sagt in einer seiner Predigten: Wer wird nicht beim Anblick einer Lilie unwillkürlich an die Tugend der Reinigkeit erinnert, die in Maria am Herrlichsten erscheint und das vollendetste Abbild gefunden hat. Deshalb lässt man den Erzengel Gabriel mit einer Lilie in der Hand der allerseligsten Jungfrau erscheinen, um ihre jungfräuliche Reinigkeit anzudeuten, deshalb wird auch Maria stets mit einer Lilie in ihren Händen abgebildet, weil sie die allzeit reine, unbefleckt empfangene Jungfrau ist. Deshalb lässt eine fromme Legende selbst ihrem Grab Lilien entsprossen, die allein und sonst nichts die Apostel und Jünger in ihrem Grab finden.

 

Die Lilie ist weiß und ihr lichtes fleckenloses Kleid deutet auf die Reinigkeit jener Seele, die im Stand der Unschuld sich befindet. Maria, sagt der heilige Epiphanius, ist die schönste Lilie im Garten Gottes, denn ihr Herz war nie von einer Sünde befleckt. Sie hat niemals eine wirkliche Sünde begangen und wie unser heiliger Glaube lehrt, war sie auch frei von der Makel der Erbsünde, da sie unbefleckt empfangen wurde. – Wir arme Menschenkinder sind weder unbefleckt empfangen, noch haben wir unser Leben ohne Sünde zugebracht. Ach in wie vielen Herzen ist die Lilie der Unschuld und Taufgnade, der Reinigkeit beschmutzt, zerknickt und verblüht! – Fassen wir doch wenigstens jetzt den festen Vorsatz, ein reines Leben zu führen, die Sünde der Unreinigkeit recht zu hassen, an Maria und allen unschuldigen Seelen auf Erden die Tugend der Keuschheit hoch zu verehren und nach allen Kräften dahin zu trachten, dass wieder der Sinn für ein reines und keusches Geschlecht in allen Gemütern lebendig erwache.

 

Die Lilie erhebt sich hoch über der Erde und will uns gleichsam damit sagen, dass die Tugend der Reinigkeit nur fern den Menschen, fern dem Getümmel, Freuden und Lüsten der Welt gedeihe. So sehen wir auch die allerseligste Jungfrau von Jugend auf, außer in ihrem elterlichen Haus, nur im Tempel bei Gott oder an der Seite ihres göttlichen Sohnes; sie flieht die Welt, nur mit wenigen gleichgesinnten Seelen hat sie Umgang, gleichwie die Lilie nur von den Blättern umgeben ist, die ihrem eigenen Stamm entwachsen, so hat auch Maria nur ihren Jesus und den heiligen Joseph, Johannes, die heilige Magdalena, die Apostel und Jünger um sich, lauter Seelen, die mit ihr eines Herzens und eines Sinnes waren. Wenn wir dies Beispiel betrachten, so müssen auch wir die Welt und besonders ihre gefährlichen Freuden und Vergnügungen meiden, die so oft der Unschuld Fallstricke legen und sie allmählich mit dem Gift der Unreinigkeit vertraut machen. Nur die seien unsere Freunde und Vertrauten, durch deren Umgang wir in der Tugend erstarken und in der Liebe zur heiligen Reinigkeit mehr und mehr befestigt werden.

 

Die Lilie duftet einen herrlichen Wohlgeruch aus; und auch hierin ist sie ein Bild der Keuschheit, denn diese Tugend steigt wie ein lieblicher Wohlgeruch zum Himmel empor und erquickt das göttliche Vaterherz so, dass er den reinen Seelen einen ganz besonderen Lohn verheißt mit den Worten, sie werden dem Lamm folgen, wohin es immer geht, sie werden ein neues Lied singen, das niemand singen kann als sie; selig sind die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott anschauen. Aber auch auf Erden wurde der göttliche Heiland angezogen von dem Wohlgeruch dieser schönsten Tugend, indem er sich die reinste Jungfrau zur Mutter, den keuschen Joseph zum Pflegevater, den engelreinen Johannes zum Freund und unschuldige Kinder zu seinen liebsten Geschöpfen erkor. Von der allerseligsten Jungfrau Maria erzählen die heiligen Väter, dass man sie nur betrachten und anschauen durfte, um zur Liebe zu der heiligen Reinigkeit entflammt zu werden und wenn wir sie jetzt in der Ewigkeit als Königin des Himmels und der Erde erblicken, so müssen wir gestehen, dass ihre unbefleckte Reinigkeit ebenso unaussprechlich groß gewesen sein muss, als groß ihr Lohn und ihre Herrlichkeit nun ist. – Ein neuer Beweggrund, die Reinigkeit zu lieben, weil sie uns liebenswürdig vor Gott und den Menschen macht und auf unsere Mitmenschen den segensreichsten Einfluss übt und weil sie uns im Himmel den höchsten und den größten Lohn erwirbt. –

 

Von der unaussprechlichen Liebenswürdigkeit deiner heiligen Reinigkeit angezogen und entflammt, sind wir entschlossen, o allerseligste Jungfrau, von nun an dir mit keuschem Leib und reinem Herzen zu dienen. Keine Tugend aber ist schwerer zu bewahren, als die Keuschheit und nirgends sind die Versuchungen heftiger, die Gelegenheiten vielfacher, die Fallstricke mehr, als in dem Kampf um die Reinigkeit. O himmlische Lilie, mache durch deine mächtige Fürbitte bei Gott unsere Herzen zu Lilienbeeten, die mitten unter Dornen unversehrt sich erhalten und dein Mutterherz licht und fleckenlos umblühen. Vermehre in unseren Herzen täglich mehr den Hass und Abscheu gegen die Unkeuschheit und entzünde uns von Tag zu Tag glühender mit heiliger Liebe und großer Wertschätzung der Reinigkeit; denn nur was man liebt, sucht man zu erhalten und fürchtet man zu verlieren. Amen.

 

O Jungfrau, lilienreine,

Gib mir den keuschen Sinn,

Dass ich im Tugendscheine

Stets eine Lilie bin! –

Du reinstes Herz verleihe

Auch mir die Reinigkeit,

Dass keine Sünd entweihe,

Was ich Dir hab geweiht!

 

Du Jungfrau, ohne Fehle,

Ganz ohne Makel schön,

O blick auf meine Seele

Herab von Deinen Höhn!

Lass keinen Eingang finden

Das Laster in mein Herz,

Die Liebe nur solls zünden,

Die brennet himmelwärts! –

 

O lass mich alles fliehen,

Wo diese Tugend stirbt,

Und immer nur nachziehen,

Dem, was sie mir erwirbt!

Lass mich in Freud und Schmerzen

Nur für die Keuschheit glühn,

Und einst an Deinem Herzen

Als Lilie mich blühn!

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VI. Maiandacht - Rosmarin

 

Wer kennt nicht den lieblichen Rosmarin mit seinen vielen kleinen, saftigen Blättchen in dunkelgrüner Farbe und blauer Blüte, mit seinem durchdringenden Geruch und bitteren Geschmack? Er ziert den neugeweihten Priester beim ersten Opfer der heiligen Messe und die Braut am Hochzeitstag; er ist der letzte Schmuck, den man dem toten Jüngling, der verstorbenen Jungfrau mitgibt in den Sarg. In der Blumensprache bedeutet der Rosmarin den bußfertigen Sinn, die Abtötung, jene Tugend, die uns der göttliche Heiland mit den Worten empfiehlt: Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz täglich auf sich und folge mir nach! –

 

Wir sind in Sünden empfangen und leben mehr oder minder beständig in Sünden und Beleidigungen Gottes dahin. Wir müssen also durch bußfertige Gesinnung und Abtötung den Himmel zu erringen suchen, der uns sonst nach dem Ausspruch des göttlichen Heilandes nicht zu Teil wird: Wenn ihr nicht Buße tut, werdet ihr alle zu Grunde gehen. – Die unbefleckt empfangene Jungfrau Maria, die während ihres Lebens nie, auch nur den Schatten einer Sünde, beging, übte sich dennoch in dieser Tugend. Hingerissen von ihrer Schönheit wollte sie auch hierin uns zum Muster dienen und uns diese Tugend, die für uns zum Seligwerden notwendig ist, durch ihr Beispiel lieb und angenehm machen. In ihrem Herzen, in dem alle Blumen der Tugenden sprossten, blühte auch der Rosmarin lieblich empor, die Tugend der Abtötung.

 

Der Rosmarin hat eine dunkelblaue Blüte. Diese Farbe sinnbildet das Zeichen der Trauer und der Buße. So erzählt uns die fromme Sage von der heiligsten Jungfrau, dass man sie nie habe lachen gesehen; immer seien ihre Züge ernst gewesen und ihr Antlitz von wehmutsvoller Trauer erfüllt. Sie lebte stets zurückgezogen, fern jeder geräuschvollen Freude und öffentlichen Lustbarkeit. Nur ein einziges Mal wohnte sie nach den Worten der Heiligen Schrift einer Hochzeit bei, aber da nur an der Seite ihres göttlichen Sohnes und um eine Gelegenheit zur Ausübung der Nächstenliebe zu haben. O wie müssen wir uns schämen, wenn wir uns mit Maria vergleichen, die ohne Schuld und Sünde dennoch so sehr sich abgetötet und bußfertig gelebt hat? Wir, die wir Sünden auf Sünden gehäuft haben, können uns nichts versagen, in nichts abtöten und schaudern bei jedem auch dem geringsten Opfer, das der Herr von uns fordert, zurück! – Bitten wir die Muttergottes, dass wir durch ihre Fürbitte bei Gott, von nun an nicht mehr vergessen, dass wir ohne Buße nicht selig werden und enthalten wir uns nicht bloß von sündhaften Freuden, sondern versagen wir uns auch manchmal ein erlaubtes Vergnügen, einen unschuldigen Genuss Maria zu Liebe und zur Buße für unsere Sünden! –

 

Der Rosmarin hat an seinen Stängeln viele kleine Blättchen und so hat auch die Tugend der Abtötung verschiedene Weisen, vielfache Arten sie zu üben. Im Leben der allerseligsten Jungfrau Maria finden wir so viele Züge der Entsagung und Selbstüberwindung, dass wir ihr heiligstes Herz auch in dieser Beziehung mit dem Rosmarin vergleichen können. Um nur einiges anzuführen, so sehen wir hin auf Maria, wie gerne wäre sie mit Jesus gegangen, als er lehrend auftrat, sie aber blieb zurück, bis er sie rief. – Wie gerne hätte Maria nach dem Tod Jesu sich zurückgezogen und in gänzlicher Einsamkeit ihre Vereinigung mit Gott durch den Tod erwartet, sie aber tat es nicht und opferte ihr Verlangen dem Herrn, der sie an die Spitze seiner Jünger und Apostel zum Schutz seiner jung aufblühenden Kirche stellen wollte. Der heilige Franz von Sales sagt: Wie die Liebe erfinderisch ist, auf verschiedene Art dem geliebten Gegenstand die Liebe zu beweisen, so ist es auch der wahre Geist der Buße, der alle möglichen Weisen ersinnt, Opfer zu bringen und für die Sünden Genugtuung zu leisten. – O wären wir recht durchdrungen von unserer Sündhaftigkeit, auch wir würden auf vielfache Art die Abtötung üben, umso mehr, da sich täglich, ja stündlich Gelegenheiten dazu genug bieten. Wie oft könnten wir im Reden und Sehen, im Essen und Trinken, im Schlafen und Wachen uns überwinden! – Wenden wir uns an die allerseligste Jungfrau, dass wir durch ihre Hilfe die Kraft erhalten solche Opfer zu bringen und die Abtötung auf verschiedene Weisen zu üben. –

 

Der Rosmarin schmeckt bitter, hat aber für die Gesundheit heilsame Kraft in sich, weshalb er auch zu Arzneien verwendet wird. Wie reich ist jetzt das Mutterherz Mariens, das auf Erden die Bitterkeit der Buße und Abtötung so sehr verkostete, im Himmel belohnt! – Deshalb soll uns ihr Beispiel antreiben, diese Tugend fleißig zu üben und den Rosmarin der Abtötung in den Garten unseres Herzens zu pflanzen. Die Abtötung und Überwindung fällt zwar der menschlichen Natur beschwerlich und hart, ist bitter beim Genuss wie der Rosmarin, aber segensreich in ihren Folgen wie dieser. Durch die Bußfertigkeit löschen wir unsere Sünden aus und bereiten uns eine Herrlichkeit im Himmel, die an Größe und Wonne der Seligkeit der Unschuld gleichkommt. O selige Abtötung, rief der heilige Johannes vom Kreuz, die mir eine solche Herrlichkeit erwarb!

 

Wenn wir dein heiligstes, unbeflecktes Herz, o Maria, vom Rosmarin der Abtötung und Bußfertigkeit umblüht erblicken, so erwacht in uns die Sehnsucht, dir auch in dieser Hinsicht zu gleichen. Nimm daher, wir bitten dich, von unseren Augen die Binde, dass wir sehen das ganze Elend unserer Sündhaftigkeit. Lass uns hören immerfort das Donnerwort deines göttlichen Sohnes, dass wir ohne Buße nicht selig werden können. Durchdringe uns recht lebendig mit dem Gefühl, wie sehr auch die geringste Beleidigung Gottes das göttliche Herz Jesu verwundet und schmerzt. Dann werden wir wahrhaft bußfertig leben, auf verschiedene Art und Weise die Abtötung üben und im Hinblick auf den großen Lohn dieser Tugend, ihre Bitterkeit nicht fürchten! Amen.

 

Rosmarin, du willst uns lehren,

Dass wir abgetötet sind;

Nur durch Buße wiederkehren

Kann zu Gott das arme Kind!

 

In Maria selbst wir sehen

Der Abtötung frommen Sinn,

Die ohn jegliches Vergehen

Wandelte auf Erden hin!

 

Lasst nach ihrem Beispiel lieben

Diese Tugend immerhin,

Dass wir durch das Bußeüben

Blühen gleich dem Rosmarin.

 

Schon erkennen hier auf Erden

Dieser Tugend großen Lohn,

Bis wir durch die Buße werden

Seraphim an Gottes Thron!

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VII. Maiandacht - Tulpe

 

In herrlicher Farbenpracht erhebt sich die Tulpe auf einem festen geraden Stängel, umgeben von länglichen Blättern. Sie schließt sich zur Nacht und öffnet wenn die Sonne kommt ihren Kelch. Das einzige, was ihr fehlt, ist der Duft; doch wenn sie auch nicht den Geruchssinn ergötzt, erfreut sie doch das Auge durch ihr verschiedenfarbiges Kleid. Die Tulpe lässt sich in geistiger Beziehung mit dem Gebet vergleichen und wird daher für das Sinnbild dieser Tugend genommen.

 

Als der heilige Erzengel Gabriel der allerseligsten Jungfrau Maria die frohe Botschaft brachte, dass sie Mutter des Allerhöchsten werden sollte, fand er sie im Gebet begriffen; und so oft wir von Maria in der Heiligen Schrift lesen, finden wir, dass sie das Gebet geliebt habe. Schon als Kind übte sie sich in dieser Tugend, und als sie in den Tempel gebracht wurde, teilte sie ihr ganzes Tagewerk zwischen Gebet und Handarbeit; im häuslichen Kreis und in jener furchtbaren Leidenszeit Jesu Christi betete sie und holte sich im Gebet jene Kraft, die bewirkte, dass sie selbst unter dem Kreuz ihres Sohnes nicht wankte. – Unter Gebet empfing sie mit den Aposteln am Pfingstfest den Heiligen Geist und betend erwartete sie ihr Lebensende. Der göttliche Heiland liebte diese Tugend ungemein und schärfte sie uns ein mit folgenden Worten: Wachet und betet! – Man muss immerfort beten und nicht nachlassen. Betet ohne Unterlass. –

 

Niemand unter allen Geschöpfen aber folgte Jesus treuer nach als Maria. Mit Recht konnte daher der heilige Epiphanius den Ausspruch tun: das Leben Mariens war ein beständiges Gebet. – Auch wir sind verpflichtet zum Gebet, ja, es hängt unsere Seligkeit davon ab, die wir nur durch beharrliches Gebet erlangen. Wie sollen wir uns daher freuen, dass wir an Maria ein solches Beispiel haben, in deren Herzen die Tulpe blühte, die Tugend der Liebe zum Gebet und wie oft sollen wir es betrachten, um es nachzuahmen! –

 

Die Tulpe hat ihr Haupt nach oben gerichtet. Dies sinnbildet das Gebet, das nichts anderes ist, als eine Unterredung der Seele mit Gott; Gott aber ist der Seele das, was die Sonne der Natur ist, ihr Licht und ihre Wärme, ihr Leben. Darum wendet sich der Christ, wenn er betet, aufwärts zum Himmel, wo Gott weilt. Gott ist der König der Könige, der Herr der Heerscharen, darum betet der Christ mit Ehrfurcht und Andacht; Gott ist die ewige Liebe, der Vater der Güte, darum betet der Christ mit Liebe und Vertrauen. Und wäre unser Gebet immer von diesen zwei Flügeln der Ehrfurcht und Liebe, wie sie der heilige Bernhard nennt, umgeben, würde es stets sein Ziel erreichen und nie unerhört bleiben. Mit welcher Ehrfurcht bittet Maria ihren göttlichen Sohn bei der Hochzeit zu Kana und mit welch unerschütterlichem Vertrauen setzt sie ihr Gebet fort, als Jesus ihre Bitte nicht erhören zu wollen schien. Wie den Bäumen, Blumen und allen Gewächsen, sagt der heilige Chrysostomus, das Element des Wassers notwendig ist, ebenso notwendig ist uns das Gebet – denn wie jene sonst saftlos werden und verdorren, so wird auch unsere Seele ohne Gebet trocken und neigt sich, wie eine lange nicht befeuchtete Blume, abwärts, der Erde zu.

 

Die Tulpe öffnet sich, wenn die Sonne kommt, während sie sich zur Nachtzeit schließt; so öffnet sich die Seele, die das Gebet liebt, nur Gott und den himmlischen Dingen, legt nur auf sie Wert, hat nur für sie Empfindung und schließt sich sorgfältig vor der Nacht der Sünde und der Welt, die sie nur vom Gebet abhalten oder durch Zerstreuungen es ihr verleiden. So sehen wir Jesus Christus zum Gebet die Einsamkeit aufsuchen, ja er verließ selbst den Kreis seiner Apostel, wenn er beten wollte. Auch die allerseligste Jungfrau Maria finden wir allein im Tempel und zu Hause im Gebet und nur wenn die Pflicht des guten Beispiels oder der Nächstenliebe sie dazu aufforderte, verlässt sie die heilige Stille ihres Hauses. Willst du recht gut beten, sagt der heilige Franz von Sales, dann ziehe dich so viel als möglich von der Welt zurück, und mische dich besonders nicht in Dinge, die deinem Beruf fremd sind, denn je mehr du dich vor dem Gebet in unnützen Reden und Gedanken ausgießt, desto leerer und kraftloser wird dein Gebet und desto mehr hast du dabei von Zerstreuungen zu leiden. –

 

Die Tulpe prangt in den verschiedensten Farben und sagt uns dadurch, dass das Gebet zwar eins, aber die Gebetsarten verschiedene sein können. Die Geisteslehrer sprechen von verschiedenen Weisen des Gebetes und teilen es in mündliches und betrachtendes Gebet ein. Unter den mündlichen Gebeten nimmt den vornehmsten Rang das Vaterunser ein, das uns Jesus Christus selbst gelehrt hat, und der heilige Rosenkranz, den die Kirche mit so vielen Ablässen und Gnadenschätzen bereichert hat und den die Heiligen so gerne gebetet haben. Unter den betrachtenden Gebeten ist weitaus das nützlichste und verdienstlichste der heilige Kreuzweg, den wir umso mehr lieben sollen, als die allerseligste Jungfrau Maria selbst diesen Weg durch die Straßen Jerusalems betend und betrachtend gegangen ist. Dann gibt es noch Schuss- oder Pfeilgebetlein, die kurze Erhebungen und Aufblicke der Seele zu Gott sind; und das Gebet der guten Meinung, wodurch wir all unsere Werke, Arbeiten und Beschäftigungen heiligen und gleichsam in Gebet umwandeln können.

 

Besonders sollen wir uns aber merken die Ermahnungen zweier großer Heiligen unserer Kirche. Der heilige Franz von Sales nämlich sagt: In Trübsalen und Widerwärtigkeiten ist das allerbeste Gebet: Herr Dein Wille geschehe! – Der heilige Alphonsus empfiehlt vor allem das Bittgebet und sagt: Nach der heiligen Kommunion sollen wir um Demütigungen und alle Tage abends um die Beharrlichkeit im Guten beten.

 

O himmlische Tulpe, meine geliebteste Mutter Maria, in deinem Herzen glühte die Liebe zum Gebet und du übtest diese Tugend auf herrliche Weise in allen Lagen deines Lebens! Verleihe auch uns die Gnade, dass wir alle Tage besser erkennen die Hoheit des Gebetes, da es für einen Menschen keine größere Ehre geben kann, als mit seinem Gott reden zu dürfen. Lehre uns du selbst, o allerseligste Jungfrau, die rechte Art und Weise zu beten, denn du bist ja nach den Worten des heiligen Bonaventura die Lehrmeisterin des Gebetes; o könnten wir recht beten, dann würden wir auch die Wege der Tugend gehen, denn wer recht zu beten weiß, sagt der heilige Augustin, weiß auch recht zu leben. – Flöße uns eine recht große Liebe zur Einsamkeit und eine recht große Verachtung der Welt ein, damit uns keine Zerstreuungen mehr beunruhigen beim Gebet und es uns verleiden; und wenn du dann in unserem Herzen durch deine mächtige Fürbitte bei Gott eine große Freude am Gebet erweckt hast, dann werden wir gerne beten, jede freie Zeit dazu benützen, all unsere Handlungen durch Gebet heiligen und im Gebet unsere Ruhe und unseren Trost suchen und finden, wir werden dann mit der heiligen Dienstmagd Zitta sagen können: Jeder Mensch muss eine Freude haben und ich habe die meinige am Gebet. Amen.

 

Einer Tulpe gleicht die Seele

Jener Jungfrau ohne Fehle,

Die am Throne Gottes steht,

Weil sie liebte das Gebet.

Ein Gebet nur war ihr Leben,

Dahin ging ihr ganzes Streben,

Wo sie ging und was sie tat,

Immer sie gebetet hat. –

 

In verschiednen Liebesweisen

Pflegte sie den Herrn zu preisen,

Gleich der Tulpe himmelwärts

Hob sich stets ihr frommes Herz.

Niemals hörte man sie klagen,

Betend nur ihr Leid ertragen,

Bethlehem und Golgatha

Im Gebet Maria sah! –

 

O Maria uns erhöre,

Und uns recht zu beten lehre,

Bist die Meisterin im Gebet,

Drum das Herz zu Deinem fleht!

Lasse im Gebet uns üben,

Täglich mehr dasselbe lieben,

Mach zur Tulpe unser Herz,

Wend, wie sie, es himmelwärts! –

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VIII. Maiandacht - Reseda

 

Karl IX., König von Frankreich, fragte einst den Dichter Torquato Tasso, wen er nach seinem Ermessen für den Glückseligsten halte? Tasso besann sich nicht lange, er erwiderte: Gott. Das weiß ein jeder, sagte der König, und dahin ging auch meine Frage nicht, sondern wer außer und nach Gott der Glückseligste sei? Da antwortete Tasso: Wer Gott am ähnlichsten geworden ist! – Die äußere Ähnlichkeit bewirken die gleichen Gesichtszüge; die innere Ähnlichkeit aber, die wir, liebe Christen, meinen, die Gleichheit des Willens. Wer daher will, was Gott will, wer seinen eigenen Willen mit dem göttlichen Willen ganz vereinigt, ist Gott am ähnlichsten. Das Sinnbild dieser Tugend der Ergebung in den göttlichen Willen ist die Blume Reseda, deren Name so viel wie: Lass dich nieder, gib dich zur Ruh, ausdrückt. Diese Blume ist ebenso bekannt, wie beliebt im Garten, wie im Zimmer, und haucht den süßesten, feinsten Wohlgeruch aus. O möchte auch ihre Tugend ebenso bekannt und von allen Christen geliebt und geübt werden! Zu diesem Zweck lasst uns sie näher betrachten; vor allem an Maria, die durch ihr Beispiel auch hier sich glorreich uns wieder zeigt.

 

Als der Erzengel Gabriel niederstieg vom Himmel, um ihr die Botschaft zu bringen, dass sie Mutter des Allerhöchsten werden sollte, in diesem Augenblick, wo Erde und Himmel sehnsuchtsvoll auf ihre Entscheidung harrten, sprach sie das Wort, wodurch sie das Menschengeschlecht mit erlöste: Mir geschehe, wie Du gesagt! – Und als sie unter dem Kreuz stand und ihr sterbender Sohn sie in Johannes der ganzen Menschheit zur Mutter gegeben hatte, sprach ihr siebenfach durchbohrtes Herz, wie der heilige Bonaventura so schön sagt: Mir geschehe, wie Du gesagt. Betrachtet das ganze Leben Mariens, ruft der heilige Bernhard, ihr werdet ihren Willen stets mit dem ihres Sohnes vereinigt finden.

 

Die Reseda ist unscheinbar, sie trägt ein unansehnliches, schlichtes Kleid; ebenso ist auch ihre Tugend mehr verborgen und weniger auffallend, denn sie ist im Innern des Menschen, hat im Herzen des Christen ihren Sitz, im Willen, der sich mit dem göttlichen Willen so vereinigt, dass aus zwei Willen nur einer wird. – Zur Ergebung gehört ein Kreuz. Alle Kreuze aber, die wir entweder abgebildet, oder in Wirklichkeit sehen, bestehen aus einem langen Balken und einem kleineren, kürzeren, der quer über den Hauptbalken gelegt ist. Will man aber z.B. aus einem hölzernen Kreuz, dass es kein Kreuz mehr sei, so darf man nur ganz einfach den Querbalken nehmen und ihn entweder auf oder neben den Hauptbalken in gerader Richtung legen, so bilden die Balken kein Kreuz mehr. Das Hauptholz stellt den Willen Gottes, das Querholz unseren Willen vor. So lange unser Wille schräg über den Willen Gottes liegt, also ihm entgegen ist, so haben auch wir ein Kreuz, das wir uns selbst gebildet haben, wenn wir aber kein Kreuz mehr wollen, so dürfen wir nur ganz einfach unseren Willen mit dem Willen Gottes vereinigen und unser Kreuz hört auf, ein Kreuz zu sein, da jedes Kreuz nur aus dem Nichtergebensein in Gottes Willen stammt. Daraus geht klar und deutlich die Notwendigkeit der Tugend der Gottergebung hervor, denn ohne Kreuz kann kein Mensch selig werden und wenn selbst Jesus Christus, als er die menschliche Natur angenommen hatte, diese Tugend uns zum Beispiel üben wollte, als er im Ölgarten Blut schwitzte und rief: Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch vorüber, doch nicht mein, sondern Dein Wille geschehe! Können wir seine Schüler und Jünger uns davon ausschließen? – Ja, wir müssen sogar ein Kreuz haben, denn ohne Kreuz gibt es gar keine Tugend. Nimm der Liebe das Kreuz und sie wird natürlich und menschlich; nimm der Hoffnung das Kreuz und sie erhebt sich nicht über die Erde; nimm der Demut das Kreuz und sie ist nichts als Eitelkeit; nimm der Stärke das Kreuz und sie ist nichts mehr als Schwachheit! – Eine Münze ist nicht gangbar, wenn sie nicht den Stempel eines Fürsten trägt; diese Gepräge sind so zu sagen die Wunden, die man ihr schlägt und die ihr den Wert geben. Hast du keine Wunden, so werden deine Tugenden ohne Verdienst sein, dein Geld wird nicht gangbar sein im Himmel, wenn es nicht den Stempel seines Fürsten, das Kreuz, trägt.

 

Die Reseda atmet einen herrlichen Wohlgeruch und wie der Duft gleichsam das Geschenk ist, das die Blumen für ihre Pflege dem Menschen verehren, so verleiht auch die Tugend der Gottergebung dem Christen viele Gaben, Gnaden und Geschenke.

 

Herzensfrieden; denkt an den Meeressturm. Wir gehen zu Grunde, riefen voll Angst die Apostel, Herr, hilf uns! Der Meister erhob sich und winkte mit seiner Hand – und die Wogen fielen und sanken und glätteten sich, die Regenströme versiegten, der Himmel wurde blau und die Sonne schien wieder. Dieser göttlichen Hand gleicht die Tugend der Gottergebung. Wie Du aus ganzem Herzen mit Mut im Kreuz sprichst: Herr, Dein Wille geschehe!, versiegt die Quelle der Tränen, verstummt der Mund der Klagen, hört auf das Pochen des Herzens – Frieden und selige Ruhe kehren wieder!

 

Gebetserhörung; der heilige Franz von Sales sagt: Ein einziges „Herr Dein Wille geschehe“ im Unglück gebetet, hat mehr Verdienst und Kraft und Wert als tausend Vaterunser zur Zeit des Glücks und der Ruhe.

 

Himmlischer Trost: kommt alle zu mir, die ihr mühselig seid und beladen, spricht der Herr, ich will euch erquicken, erquicken mit Trost, der alle Leiden versüßt. Welcher Trost mit Jesus dem Gekreuzigten auf einem Kreuz ruhen! Überall wo du Kreuze findest, wirst du Jesus daran geheftet sehen. Er wird mit dir vereint durch das Leiden und du wirst mit ihm vereint durch die Geduld. In dieser Vereinigung besteht die Glückseligkeit des Lebens. Er vereinigt sich mit den Heiligen durch die Freude, er vereinigt sich mit den Menschen durch den Schmerz.

 

Segen Gottes; in einem Haus, in einer Familie, in der ein Kreuz ist, da ist der Herr, der Spender alles Segens selbst; eine leidende Seele braucht nicht mehr um den Segen Gottes zu bitten, sie hat ihn im Kreuz. O möchten doch alle Christen den unendlichen Wert erkennen, der in einem geduldig ertragenen Kreuz ruht. Ein solcher Mensch, spricht der selige Egydius, gleicht einem Tabernakel, vor dem ich mich niederknien möchte, weil er den lebendigen Gott in sich verschließt. Ein Kreuz ist nichts anderes, als ein Brief des Herrn an die Seele, worin geschrieben steht: Ich liebe dich, ich segne dich!

 

Die Reseda ist grün; grün ist die Farbe der Hoffnung, des Vertrauens, des Mutes, nur der verliert alles, der den Mut verliert! – Was gibt uns aber Mut zur Gottergebung in Kreuz und Widerwärtigkeiten? – Die Art und Weise, wie wir unser Kreuz tragen sollen.

 

Die erste Weise lehrt uns eine Heilige. Die heilige Theresia sagt: Willst du dein Kreuz leicht tragen, so darfst du es nicht schleppen, sondern mit aller Kraft es emporhebend, musst du im Fluge damit dahineilen.

 

Die zweite Art lehrt uns ein Heide; jener hochgefeierte Weltweise Solon führte einen von Kummer niedergebeugten Freund auf den höchsten Turm der Stadt Athen und zeigte auf alle die herrlichen Paläste, Gebäude und Vorratshäuser der Kaufleute hinab und sprach: O wie viele Drangsale und Unruhen, wie viele Sorgen und Kümmernisse sind unter diesen Dächern verborgen!

 

Die dritte Weise lehrt uns die Erfahrung. Du wirst kein Haus finden, das so unglücklich wäre, dass es nicht an einem andern noch unglücklicheren sich trösten könnte.

 

Die vierte Art lehrt uns die Vernunft, die sagt: Warum betrübst du dich? Dein Übel ist nicht zu fürchten. Ist es klein, so ist es leicht zu ertragen; ist es groß, so kann es nicht andauern. Ein Übel, das heftig ist, kann nicht lange währen; wird es sonst nicht vertrieben, so muss es sich selbst unterliegen, es raubt entweder das Leben oder die Empfindung. Nur in der Hölle währt das Übel ewig. Die Zeit bringt alles zu Ende, ohne dass du daran denkst. Dein Schmerz kann nicht länger dauern, als dein Leben; ei, was ist das Leben gegen die Ewigkeit.

 

Die fünfte Weise lehrt uns die ewige Wahrheit Jesus Christus. Er spricht: Wer mir nachfolgen will, der nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Wunderbar, das Kreuz, das uns Leiden macht, ist gerade unser größter Trost. Seht Maria an, unter dem Kreuz schwiegen all ihre Klagen, verstummte all ihr Jammer, versiegten all ihre Tränen; sie war ja beim Kreuz. Dort suche auch du deinen Trost, beim Gekreuzigten, der dir vom Kreuz herab zuruft:

 

Wer mir nachfolgen will – wohin? – In die ewige Herrlichkeit, in das Paradies, in den Himmel, der trage mit Geduld sein Kreuz! Wer selig werden will, sei ergeben in Gottes Willen! Amen.

 

Mach mein Leben

Gott ergeben

O Maria, Mutter mein!

Lass mich tragen

Ohne Klagen

Und wie Du geduldig sein!

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IX. Maiandacht - Passionsblume

 

Der Name und die Gestalt der Passionsblume deuten auf das, was sie sinnbildet, auf das Leiden Christi. Ihr weißes und violettes Kleid zeigt die Trauer und den Schmerz an; die fünf Finger in ihrer Mitte, das fünffache Blatt erinnern an die fünf Wunden Jesu Christi. – Das Herz Mariä gleicht der Passionsblume. Seitdem Simeon die prophetischen Worte zu ihr im Tempel gesagt: Und ein Schwert wird deine Seele durchdringen, konnte sie in Wahrheit sprechen: Und mein Schmerz ist immerdar vor meinem Angesicht. Wenn sie ihr göttliches Kind in die Arme schloss, dachte sie, wie einst die Henker ihr es nehmen werden; wenn sie es küsste, durchzuckte wie ein Schwert der Gedanke an den Kuss des Verräters ihre Seele; wenn sie das Kind einhüllte in die Windeln, war es ihr als ob sie die Bande, Stricke und Ketten sähe, womit einst die Juden ihren Heiland fangen und binden werden; wenn sie seinen Schlaf bewachte, sah sie im Geist das Kreuz, die letzte aber blutige Ruhestätte ihres Sohnes. So war das Mutterherz Mariens einer Passionsblume gleich. Sie fühlte das Leiden Jesu, als er noch nicht wirklich litt; aber als er es angetreten hat, ging sie mit ihm und als er es vollendet, betrachtete sie es.

 

Es gibt einen zweifachen Kreuzweg. Den einen müssen wir gehen, liebe Christen, den anderen sollen wir gehen.

 

Als Jesus sein Lehramt angetreten hatte, entsagte auch Maria ihren still häuslichen Gewohnheiten und folgte ihrem Sohn auf seinen Reisen nach. Sie verließ ihr friedliches Heim, um des Verfolgten Geschick zu teilen, um seinen gesegneten Fußspuren zu folgen, während er den Juden das Evangelium verkündete. Nach vielen Leiden und Schrecken zog die heilige Jungfrau schließlich mit ihm in die Unglücksstadt, um dort die letzten Ostern zu feiern. Sie hörte den Jubelruf des Volkes bei seinem Einzug: Hosanna dem Sohn Davids! Aber über die Palmen, die sie ihm streuten, blickte Maria hinweg tränenden Blickes nach Nordwesten in die Richtung des Kalvarienberges. Dem Dornengekrönten, blutig gegeißelten, mit dem Kreuz beladenen Sohn folgte die Mutter durch die Straßen Jerusalems nach und begegnete ihm. Welch ein Begegnen! – Johannes und Magdalena hatten gewiss alles getan, um die Mutter von Golgatha zurückzuhalten, aber ihre Bitten waren vergeblich. Maria raffte sich zusammen und begann den steilsten Abhang des Kalvarienberges zu erklimmen, nun hatte sie erreicht das Schmerzensziel ihrer traurigen Wallfahrt. Dort hörte sie ihren Sohn, wie er ans Kreuz genagelt wurde, und kalter Schweiß bedeckte ihre Stirn. Dort sah sie ihren Sohn am Kreuz sterben und wie versteinert vor Schmerz stand sie regungslos darunter. Vom Kreuz herabgenommen begleitete sie seine Leiche bis zur Grabeshöhle, in die man ihn versenkte und der letzte Blick, der hinabfiel, ehe der Stein das Grab bedeckte, war der Mutterblick Mariens.

 

Unser Weg durch dieses Leben, was ist er anderes als ein Kreuzweg? – Unsere erste Stimme, das Weinen, zeigt deutlich, dass wir ein Tränental betreten und unser letzter Kampf am Sterbebett beweist, dass wir ein Jammertal verlassen. Ein Kreuzweg ist unser Leben mit unendlich mehr Stationen, als vierzehn, Armut, Krankheit, Verachtung, Zurücksetzung, Undank, Hauskreuz, innere Leiden, körperliche Schmerzen und wie das ganze Heer von Elend heißt, das uns das Leben verbittert! – O selig, wenn du auf deinem Kreuzweg, sagt der heilige Bernhard, Jesus nachgehst, wie Maria ihrem göttlichen Sohn nachgegangen ist; selig, wenn Maria dich durch dieses Leben begleitet. In Jesus wirst du Kraft, in Maria Trost finden.

 

Nur ein einziges Wort von Jesus reichte hin, um der heiligen Magdalena, die am Auferstehungsmorgen traurig und tiefbetrübt den Garten durcheilte, allen Schmerz und Kummer zu nehmen. Maria, sprach der Meister in Gestalt des Gärtners zu ihr. Sie sah empor, erkannte ihn und Jubel, Wonne, Seligkeit und Lust in ihrer Seele, eilte sie zu den Aposteln und Jüngern, die frohe Botschaft ihnen zu bringen. Pilger auf dem Kreuzweg, christliche Seele, schlag auf die Heilige Schrift, ein einziges Wort aus Jesu Mund wird Kraft zum Leiden dir geben. Kommt zu mir alle, die ihr mühselig seid und beladen, ich will euch erquicken.

Der Umgang mit einer schwer geprüften Seele gibt uns im eigenen Leiden wunderbaren Trost. Darum sollst du oft auf deinem Leidensweg, sagt der heilige Bernhardin von Siena, bei Maria einkehren, an ihrem siebenfach durchbohrten Herzen anklopfen, denn da wirst du einen Trost finden, den du bei allen Menschen auf Erden vergeblich suchst! –

 

Als Maria fühlte, dass der Herr sie bald abrufen werde von dieser Welt, wollte sie noch einmal das Land der Heimat, die Stätte der Erlösung, begrüßen. Sie reiste mit Johannes von Griechenland wieder nach Palästina und in Jerusalem angelangt, durchwandelte sie seine Straßen, das Richthaus des Kaiphas, den Weg nach Golgatha, alle Plätze, durch das Leiden ihres Sohnes geheiligt, erstieg noch einmal den Kalvarienberg, wo ihr Sohn uns bis zum Tod geliebt hat und betrachtete im Geist die ganze Leidenszeit Jesu Christi!

 

Der heilige Franz von Assisi begehrte von Gott zu wissen, was er von ihm am liebsten hätte. In diesem Eifer schlug er das Messbuch auf und das aufgeschlagene Blatt zeigte die Worte an „Passio domini nostri Jesu Christi – das Leiden unseres Herrn Jesus Christus“, woraus sein liebeglühendes Herz verstand, dass Gott nichts lieber ist, als die Betrachtung des Leidens Christi.

 

O so gehen auch wir, liebe Christen, den zweiten Kreuzweg recht oft und gerne, den Kreuzweg, dessen Betrachtung in vierzehn Stationen die heilige Kirche mit so vielen Gnadenschätzen, Ablässen und Segnungen bereichert hat; den Kreuzweg, den unsere gute Mutter Maria zuerst betend und betrachtend gegangen ist. Glaubt nicht, dass dies nur eine Übung für die Fastenzeit sei, nein, wie das ganze Leben Christi auf Erden ein Leidensleben war, so sollen auch wir oft im Leben den Weg seiner Leiden im Geist gehen. Die Erinnerung an das bittere Leiden und Sterben Jesu Christi soll unser erster Gedanke am Morgen, unser letzter am Abend sein, jeden Tag sollen wir uns eine Station, irgendein Leiden des Herrn, sein Gebet am Ölberg, oder seine Dornenkrönung oder seine Geißelung herauswählen und öfter am Tag daran denken. Ein Kuss auf das Kruzifix bei unserem Bett soll unser Morgensegen, eine Empfehlung in die heiligen fünf Wunden unser Nachtgebet sein.

 

Wenn wir es so machen, so wird unser Herz einer Passionsblume gleichen und wenn diese Blume auch keinen Geruch hat, so atmet doch ihre Tugend die Betrachtung des Leidens Christi einen himmlischen Duft aus und bereichert unsere Seele mit ewigen Schätzen. Der heilige Bonaventura sagt: Man kann Gott kein angenehmeres Opfer, noch den Engeln größere Freude, der heiligen Dreifaltigkeit größere Ehre bringen, als sich täglich in der Betrachtung des Leidens Christi üben. Albertus Magnus spricht: Ein Christ, der auch nur eine kurze Zeit mit herzlicher Anteilnahme an das Leiden Christi denkt, hat mehr Verdienst, als ein anderer, der ohne diesen Gedanken sich bis aufs Blut geißelt, bei Wasser und Brot fastet, oder den ganzen Psalter betet. – Diese Leiden betrachten, sagt der heilige Bernhard, nenne ich Weisheit, in ihnen finde ich die Reichtümer des Heils und die Fülle der Verdienste, aus ihnen schöpfe ich bald heilsame Bitterkeit, bald den süßesten Trost. –

 

O darum, himmlische Passionsblume, allerseligste Jungfrau Maria, lass uns wie du den Kreuzweg unseres Lebens mit Jesus geduldig gehen und den Kreuzweg des bitteren Leidens und Sterbens Jesu Christi oft und gerne beten und betrachten. Wie einst der gottselige Venturino von Bergamo sich in seinen Ring alle Leidenswerkzeuge Christi stechen ließ und die Worte: Mein Wappen und mein Zeichen soll sein das Kreuz des Herrn, so lass uns mit unauslöschlichen Zügen ins tiefste Herz eingraben: Jesus Christus, für uns gelitten, für uns gekreuzigt, für uns gestorben! Amen.

 

Drücke deines Sohnes Wunden,

Seine namenlose Pein,

So wie Du sie hast empfunden

Tief in meine Seele ein!

Lass sie immer vor mir schweben,

Daran denken stets mein Herz,

Christi Leid wird meinem Leben

Mildern auch den größten Schmerz.

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X. Maiandacht - Balsamine

 

Der heilige Ephräm besuchte einst den Einsiedler Julian in der Wüste und fand zufällig in seinem Buch den Namen Jesus und Gott überall ganz verdorben und ausgelöscht. Und als er um die Ursache fragte, antwortete ihm Julian: Die große Büßerin Magdalena hat die Füße Jesu Christi mit Tränen benetzt, und ich großer Sünder befleiße mich den Namen Jesus mit Tränen zu benetzen! – O Reueträne, ruft der heilige Laurentius Justiniani aus, dein ist die Macht, dein ist die Herrschaft! – Und der heilige Chrysostomus spricht: Deine Sünden sind im Buch aufgeschrieben; weine, und sie werden ausgelöscht, vergieße Tränen, und die Schrift verschwindet, so groß ist die Gewalt der Träne! Die Träne der Reue! Das Sinnbild der Reue ist die Blume Balsamine, ein liebliches, schönes Gewächs von verschiedenen Farben; - in den verschiedenen Ständen, in allen Gemütern soll die Reue herrschen; eine Blüte ohne Geruch – da, wo Reue über die Sünden, ist der Duft der ersten Gnade hinweg; eine Blume, die immer begossen werden will, es stets feucht und nass haben muss – der Quell der Tränen ist das Leben der echten und wahren Reue.

 

O wie hat David geweint über seine Sünden, wie er selbst sagt: Waschen will ich mein Lager jede Nacht mit meinen Tränen! – Wie hat Petrus geweint, von dem es heißt: Und er ging hinaus, und weinte bitterlich. Wie hat Pachomius geweint, dessen Tränen noch die ersten Strahlen der Morgensonne schauten! Wie hat Margarita von Cortona geweint, die blind zu werden drohte wegen der Menge der Bußtränen! – Und ihr, liebe Christen? – „Ja, wir sind keine Sünder!“ – Wie, dann müsst ihr nicht wissen, was eine Sünde für eine Beleidigung Gottes ist! Sie ist der größte Undank, der größte Ungehorsam, das größte Unglück! – Wenn wir durch eine Lüge die ganze Welt bekehren könnten, wir dürften es nicht tun. Rursum crucifigentes, spricht der Apostel, eine neue Kreuzigung Christi ist die Sünde! – Der heilige Augustin klagt sich an, dass er bei Speise und Trank eine gewisse Lust nicht unterdrückte; er klagte sich mit nassen Augen an, dass er manchmal beim Psalmengesang größere Freude an der Melodie als an der Bedeutung der Worte fand; er klagte sich an, dass er einst einem Hund, der einen Hasen verfolgte, und ein anderes Mal einer Spinne, die Mücken fing, mit einer gewissen Freude zugesehen hatte; er klagte sich an, dass er sich eines Tages wegen des schönen Wetters zu viel gefreut habe – und wir? – Wir bereuen die Todsünden unseres Lebens nicht, nicht die lässlichen Sünden, die durch den Leichtsinn, womit wir sie begehen, durch die geringe Mühe, mit der wir sie zu meiden suchen, durch ihre zahllose Menge zur großen Schuld erwachsen; denn wo ist unsere Reue, wo unsere Tränen!

 

„Ja, wir können nicht weinen!“ – Du musst darum bitten, denn Reuetränen sind eine Gnade Gottes, eine Gabe des Himmels, weshalb die heilige Kirche ein eigenes Gebet um die Gabe der Tränen verfasste, eine Litanei, und wenn der heilige Ludwig beim Beten dieser Litanei zu den Worten kam: O Gott, verleihe uns den Quell der Tränen, hat er andächtig gebetet: O mein Herr, ich wage nicht um einen Quell der Tränen zu bitten, verleihe mir nur einige Tropfen, dass ich die Dürre meines Herzens erquicke! – Und wenn dir auch Gott die Gabe der Tränen versagt, die vom Herzen den Kummer nehmen und von der Seele den Schmerz; wenn auch dein Auge nicht weinen kann, so lass doch wenigstens dein Herz weinen durch einen tiefen Reueschmerz dein Leben lang, denn die Beleidigung eines ewigen Gottes sühnt nur eine lebenslange Reue; sie soll dein Leben durchschimmern wie ein roter Faden in ein weißes Linnengewebe gewirkt; sie soll sich äußern durch beständiges Gebet um Verzeihung der Sünden, durch rastloses Bestreben die Sünden durch Abtötung und gute Werke zu tilgen, durch ein fortwährendes Gefühl des Schmerzes und der Trauer, durch Bußtränen; dann wird dein Herz der Balsamine gleichen und das Mutterherz Mariens erfreuen. Aber wie, liebe Christen, dürfen wir denn die Blume Balsamine, das Sinnbild der Reue, Maria weihen, ihr, die nie eine Sünde begangen, also auch nichts zu bereuen hatte? – Dennoch, weil sowohl ihr göttlicher Sohn, als sie, die Tugend der Reue überaus geliebt haben und sie hoch belohnen! –

 

Dreimal verleugnete Petrus den Herrn: Ich kenne ihn nicht, und er bestätigte es noch mit einem Schwur. Da sah ihn der göttliche Heiland mit einem Blick an, der wie ein Blitz, aber wie ein Blitz des Erbarmens, das Herz des Apostels durchdrang. Er ging hinaus, und weinte bitterlich, und beweinte, wie die heiligen Väter sagen, sein ganzes Leben diese Sünde, so dass sich in seinen Wangen Furchen zogen vor Bitterkeit seiner Bußtränen. Hat ihn der Herr nun nicht mehr geliebt? – Noch viel mehr; seine Reue, die eben so groß war wie seine Sünde, war der Magnet, der das göttliche Herz in Liebe anzog und fesselte. Er machte ihn zum Haupt der Kirche, zum ersten Apostel, er übergab ihm die Schlüssel des Himmelreiches, er erhob ihn zum Felsenmann, an dem alle Wogen sich brechen, und den die Pforten der Hölle nicht überwältigen sollten.

 

Groß war die Sünde Magdalenas, aber von jenem Augenblick an, wo sie mit Bußtränen die Füße des Herrn benetzt und er ihr selbst gesagt: Deine Sünden sind dir vergeben, wie zärtlich liebte sie der Herr, wie durfte sie stets an seiner Seite sein, und wie erschien er ihr selbst noch nach seinem Tod! – Und nach dem Tod Christi nahm Maria sie auf in die Arme ihrer Mutterliebe, und Magdalena ergoss in ihr reines und erbarmendes Herz ihre Tränen und ihre Reue. Die unbefleckte Jungfrau hatte in ihre Arme, in ihr Herz die große Sünderin aufgenommen und pflegte auf dem fruchtbaren Boden, der so lange brach gelegen hat, die Blumen, die ihre Kelche dem Himmel erschließen. Magdalena, die Maria übers Meer nach Griechenland gefolgt war, durfte sterben in ihren Armen, und Maria beweinte sie, wie Jesus den Lazarus beweint hatte.

 

So wird die Tugend der Reue von Jesus und Maria geliebt, sollen wir sie deshalb nicht zur Tugend unseres Lebens machen, umso mehr, als ihr Lohn ebenso groß ist? –

 

Wenn der Sünder Buße tut über all seine Sünden und sie bereut, so werde ich all seiner Sünden nicht mehr gedenken, spricht der Herr. Größere Freude ist im Himmel über einen Sünder, der sich bekehrt, als über 99 Gerechte, die der Buße nicht bedürfen. Was überwindet den Unüberwindlichen, was besiegt den Alles-Besieger, ruft der heilige Chrysostomus aus, es ist die Träne der Buße, es ist der Schmerz der Reue! Sieht diese der Herr, so kann er nur verzeihen! –

 

Der heilige Franz von Sales erzählt, dass zu seiner Zeit unter den Studenten zu Padua die böse Sitte geherrscht habe, dass sie bei Nacht bewaffnet durch die Straßen zogen und die Vorübergehenden mit einem „Wer da?“ anriefen. Wer ihnen nicht antwortete nach ihrem Sinn, war ihren Angriffen ausgesetzt. Ein Student, der über die Straße ging und diesen Zuruf unerwidert ließ, wurde getötet. Der Mörder flüchtete sich in das Haus einer Witwe, deren Sohn sein Mitschüler und Freund war, und bat die Frau, der er seine böse Tat bekannte, auf das Dringendste, dass sie ihn doch in irgendeinem Winkel ihres Hauses verbergen möchte. Die mitleidige Witwe verschloss ihn in ein verstecktes Kabinett. Nicht lange darauf brachte man ihren Sohn ermordet zu ihr. Wer sein Mörder war, dies war ihr gleich klar. Laut aufschluchzend ging sie zu ihm und sagte: Ach, was hat dir mein Sohn getan, dass du ihn so grausam ermordet hast? Als aber dieser hörte, es sei sein geliebter Freund gewesen, da brach er in lautes Weinen aus und statt diese gute Mutter um Verzeihung zu bitten, warf er sich ihr zu Füßen und beschwor sie, ihn den Händen der Gerechtigkeit auszuliefern, damit er eine so große Schuld öffentlich büßen könne. Die betrübte Mutter, eine wahre Christin, wurde von der Reue des jungen Mannes so ergriffen, dass sie sprach: Wofern er Gott um Verzeihung bitten und sein Leben bessern wolle, so würde sie ihn frei entlassen, was sie auch auf sein Versprechen hin tat.

 

Wenn das, liebe Christen, eine irdische Mutter getan hat, um wieviel mehr die himmlische, Maria, sobald wir als Beleidiger und Mörder ihres einzigen Sohnes durch die Sünde, reuevoll und zerknirscht zu ihrem milden und erbarmenden Herzen uns flüchten; sie verzeiht uns, zeigt uns aber an beim Gericht. Wie, beim Gericht? – Ja, beim Gericht der Barmherzigkeit! Sie tritt hin zum Thron des ewigen Richters, der zugleich ihr Sohn ist, und spricht: Um der Reue, um des Schmerzes, um der Tränen dieses Sünders willen, hab Erbarmen mit ihm und sei ihm gnädig – und der Herr verzeiht und belohnt auf die Fürbitte seiner Mutter diese Reue mit dem Himmel, und der reumütige Sünder wird in der Ewigkeit mit David singen: Die da säen in Tränen, sie werden in Frohlocken ernten, du hast mir verwandelt mein Weinen in Freude, zerrissen mein Trauerkleid und mich umgeben mit ewiger Wonne! –

 

O darum, geliebteste Mutter Maria, bewirke, dass unsere Herzen Balsaminen werden, Herzen, benetzt und befeuchtet von Tränen der Buße, erfüllt von einer Reue, die das ganze Leben dauert, so wahr und echt und tief, dass sie dein Mutterherz und das Herz deines göttlichen Sohnes zur Liebe und zur Belohnung bewegt. Amen.

 

O wie kostbar ist die Zähre,

Die aus Reu‘ entsteht,

Besser als die Engelsheere,

Kräftiger sie fleht!

Denn es hat die wahre Reue

Wunderbare Kraft,

Unserm Herzen sie aufs neue

Gottes Lieb‘ verschafft!

Öffne uns die Tränenquelle,

Himmelskönigin,

Zu des Paradieses Schwelle

Führt die Reue hin!

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XI. Maiandacht - Kornblume

 

Der tapfere Kurfürst Max Emanuel rief bei der Eroberung von Belgrad, indem er als der erste voranstürmte: Mir nach, Bayern, mir nach! – Dies war ein irdischer Fürst, aber auch ein himmlischer Herr, der König aller Könige, Jesus Christus, ruft den Seinigen zu: Folgt mir nach! – Werden wir, liebe Christen, diesem Ruf folgen, so schnell, so gehorsam, so pünktlich wie Matthäus, von dem es heißt: Christus sprach zu ihm: Folge mir nach! Da stand er auf und folgte ihm nach. – Um es zu können, lasst uns die Nachfolge Christi näher betrachten, und zwar in ihrem Sinnbild der Kornblume.

 

Die Kornblume hat einen ganz rauen Kelch, und dies zeigt auf die Schwierigkeit, die die Nachfolge Christi dem sinnlichen Menschen, dem fleischlich gesinnten Christen macht und die in den Worten ausgedrückt ist: Rau ist der Weg und eng die Pforte, die zum Heil führt. Die Gesetze Gottes, die Gebote der Kirche, die evangelischen Räte, dieses scheinbare Joch hält viele von der Nachfolge Christi zurück, obwohl der Herr selbst sagt: Mein Joch ist süß und meine Bürde ist leicht. Wie kann aber eine Last süß sein? – Weil Gott selbst sie erleichtert, wie er durch den Propheten verheißen hat: Ich will ihnen sein, als einer, der ihnen das Joch über die Schultern emporhebt. – Wenn der Dornbusch in Flammen stand und doch nicht verbrannte, weil der Herr sich in ihm befand, so ist es auch nicht verwunderlich, dass eine Bürde leicht ist, da sich ebenfalls der Herr in ihr befindet und sie uns tragen hilft. – O ihr Simon von Cyrene, die ihr nur gezwungen dem Herrn nachfolgt, gerade die Vernunft, womit ihr die strengen, christlichen Grundsätze zu eurer Entschuldigung zu lockern sucht, ist eure Anklägerin. – Ist es nicht vernünftig, dass, wenn der Meister die dornenvolle Bahn gegangen ist, auch die Schüler sie gehen müssen? Oder sollen die Knechte sich mir Rosen kränzen, während der Herr eine Dornenkrone trägt? – Ist es nicht vernünftig, dass etwas so Großes und Erhabenes wie die Tugend, dass ein so herrlicher und ewiger Lohn wie der Himmel nur mit Mühe und viel Kampf errungen werden kann? – Was lässt sich der irdische Liebhaber nicht alles gefallen, welche Lasten und Beschwerden nimmt er freiwillig und gerne auf sich? – Welchem fürstlichem Joch von Etikette, Anstandsregeln, Höflichkeitsvorschriften, Gesetzen des guten Tones, Humanitätsrücksichten unterwirft sich der Weltmensch willig, um sich die Gunst elender Menschen zu erbetteln, und die kurze Zeit seines Daseins dem Phantom einer falschen Aufklärung zu huldigen! – Für Jesus ist aber jeder Schritt zu viel, ist jeder Dienst zu anstrengend! – Wir aber, liebe Christen, wollen unserer gesunden Vernunft folgen und unseren Geist freudig unter das Gesetz Christi beugen, das allein den Menschen frei macht, und nachfolgen Jesus Christus auf dem rauen und dornenvollen Weg, der zum Licht führt, denn wer mir nachfolgt, wandelt nicht im Finstern, spricht der Herr.

 

Die Kornblume blüht nicht auf offenen Straßen, auf Wiesen, im Garten, sie blüht in Getreidefeldern verborgen, gleichsam versteckt. Christus lebte dreißig Jahre zurückgezogen, und nur drei Jahre trat er öffentlich auf. Wenn wir also dem Herrn nachfolgen wollen, müssen wir auch das stille, zurückgezogene, einsame Leben lieben. – Ja, wie kann ich das bei meiner umfangreichen Arbeit, sagst du, bei meiner Familie tun? – Darauf gebe ich dir die Antwort, die der heilige Thomas von Aquin seiner Schwester gegeben hat, die ihn fragte: Wie man sicher selig werden könne? Volendo, wenn du nur willst, dann kannst du! – Kannst du nicht nach dem Rat der heiligen Magdalena von Pazzi in deinem Herzen dir ein stilles Kämmerlein vorbehalten, wohin du dich im Gewühl deiner Geschäfte hie und da, wenn auch nur auf kurze Zeit, in die Einsamkeit zurückziehst und vor der Welt verbirgst? – Kannst du nicht die vielen Besuche, Zusammenkünfte und Unterhaltungen, wenn auch nicht ganz meiden, doch wenigstens mindern und abkürzen, die unnützen, unnotwendigen, zeitraubenden und geisttötenden Gespräche aufgeben? – Wo viele Worte, ist wenig Geist, sagt der heilige Ignatius. Im Stillschweigen und in der Hoffnung wirst du deine Seele bewahren, spricht der Heilige Geist. – In den Niederlanden lebte einst ein großer Diener Gottes mit Namen Rudolphus, der sechszehn ganze Jahre das strengste Stillschweigen hielt. Als einst in der Stadt, die er bewohnte, Feuer ausbrach und auf furchtbare Weise um sich griff, da liefen die verzweifelnden Einwohner zu dem Mann, der im großen Ruf der Heiligkeit stand, und beschworen ihn auf die rührendste Weise, doch ihnen zu Liebe sein Schweigen zu brechen und dem Feuer Einhalt zu befehlen. Der Mann Gottes ließ sich bewegen, ging zum Feuer hin und sprach die zwei Worte: Halt Feuer! – Und das Feuer erlosch, und die Stadt war gerettet! – Je zurückgezogener du lebst, allein nur für Gott und deine Pflicht, jedes sündhafte und unnütze Wort durch strenges Stillschweigen meidend, - desto mehr Kraft hat deine Ermahnung, o Vater, desto mehr Segen hat dein Wort, o Mutter, desto mehr Wirkung hat dein Gebet, o Christ! Gleich jenem einzigen Wort: Es werde! – und Himmel und Erde erstanden, gleich jenem einzigen Wort: Ich bin es! – und alle Gegner des Herrn fielen wie tot zur Erde nieder.

 

Die Kornblume wächst in Getreidefeldern, in Korn- und Weizenäckern. Aus dem Weizen wird das Gnadenbrot bereitet, das durch die göttlichen Worte: Das ist mein Leib, zum Leib des Herrn, zur Seelenspeise uns wird, zum allerheiligsten Sakrament. – Soll ich euch, liebe Christen, noch ermahnen, dass ihr eurem Eifer im Besuch der Maiandacht dadurch die Krone aufsetzt, dass ihr nach der Vorschrift der heiligen Kirche, um den Ablass der Maiandacht zu gewinnen, mit Andacht den in der heiligen Kommunion empfangen sollt, den Maria unter ihrem Herzen getragen und an ihrem Herzen genährt hat? Ihr könnt Maria keine größere Freude bereiten. Und wie es keine innigere Vereinigung mit Jesus Christus gibt, als in der heiligen Kommunion, so auch keine unauflöslichere Verbindung mit Maria, denn Jesus, den ihr empfangt, ist Fleisch von ihrem Fleisch, Blut von ihrem Blut, Gebein von ihrem Gebein! –

 

Die Kornblume kommt, ohne gesät zu werden. Der Landmann streut nur den Samen zum Korn oder Weizen aus, und doch erfreut alle Jahre eine große Menge Kornblumen sein Auge, und schmückt seinen Hut und seine Hütte. – Das bedeutet: Folge du nur Jesus nach durch treue und gewissenhafte Erfüllung deiner Standes- und Berufspflichten. Die Freuden kommen dann von selbst. Den Trost und Frieden schenkt dir der Herr dann obendrein! – Die Hand des Herrn ist ein fruchtbarer Acker; was man hineingibt, gibt er hundertfältig zurück, sagt der heilige Ignatius. – Die Welt ist ein Dornenstrauch, an dem nur eine einzige Rose blüht – der treuen Pflichterfüllung Trost – alle anderen Freuden schwinden schnell dahin, nur diese Freude dauert, nur dieser Trost bleibt bis zum Grab, bis über das Grab hinüber, wo er sich in einen ewigen Trost des Himmels verwandelt! –

 

Die Kornblume ist blau. Blau ist die Farbe des Mantels Mariens, es erinnert uns an die Mutter Gottes. Nennt mir eine Zeit, wo die Mutter Gottes ihrem göttlichen Sohn nicht nachgefolgt ist! Heißt es nicht in der Heiligen Schrift von ihr: Und sie bewahrte all diese Worte in ihrem Herzen, und sagt nicht der heilige Anselm: Wie Maria unter allen erschaffenen Wesen das erhabenste ist, so ist sie auch die getreueste Nachfolgerin Jesu Christi gewesen und sein vollendetstes Abbild! – Lieben wir also Maria, so müssen wir, gleich ihr, Jesus Christus nachfolgen! – Blau ist die Farbe der Treue. Erinnert euch an den Schwur, den ihr abgelegt habt beim heiligen Sakrament der Firmung: Jesus treu zu bleiben bis in den Tod, was ist er anders gewesen als das öffentliche Bekenntnis der Nachfolge Christi? – Das Leben des Erlösers sei daher der Spiegel für unser Leben. Bei allem, was wir reden, tun und unternehmen, wollen wir uns zuerst fragen: Wie würde hier Jesus gesprochen, gehandelt und sich entschieden haben. Christus soll gehört werden auf deiner Zunge, Christus soll gesehen werden in deinem Leben, Christus im Herzen, Christus im Mund, wie der heilige Petrus Damiani sagt, damit man auch einst von uns sagen könne, was man von dem heiligen Thomas von Villanova sagte: Man konnte das Evangelium besser an dem Heiligen lesen, als aus einem Buch. – Blau ist die Farbe des Himmels, des Lohnes der treuen Nachfolge Jesu, und weil wir alle in den Himmel kommen und selig werden wollen, so lasst uns die himmlische Kornblume, die allerseligste Jungfrau Maria bitten, dass sie uns die Gnade erflehen wolle, nicht zu ermüden in der Nachfolge Christi, bis wir einst an Jesus und ihrem Mutterherzen ausruhen können auf ewig. Amen.

 

Dem Herrn zu folgen, welch ein edles Streben,

O lasst erringen uns dies höchste Ziel!

Dem Heiland nach durch unser ganzes Leben,

Wenn es auch Mühe kostet noch so viel! –

O selig dann, wenn wir am Lebensende

Den Herrn erreicht, im Himmel bei Ihm sind! –

Um diese Gnade hebt empor die Hände

Zu Dir, Maria, inniglich Dein Kind!

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XII. Maiandacht - Feuerlilie

 

Eine Blume von demselben Namen und derselben Gestalt, wie wir sie schon einmal betrachtet haben, nur von anderer Farbe wollen wir heute der Muttergottes weihen. Eine Lilie, aber wegen ihrer feuerroten Farbe, Feuerlilie genannt. Ihr Sinnbild liegt in ihrem Namen, es heißt: Willst du eine Lilie sein, d.h. rein und unversehrt, so musst du durch das Feuer geprüft werden. Die Prüfungen des Lebens sind das Bild der Feuerlilie. Gibt es wohl ein Geschöpf auf Erden, das mehr und schwerer geprüft wurde, als Maria? – Sie deren innere Leiden, wie die heiligen Väter sagen, alle Peinen der Martyrer zusammen übertroffen haben! – Wie einst die heilige Kunigunde unversehrt über glühende Kohlen ging, so ging Maria glorreich durch das Feuer aller Prüfungen hindurch und blüht nun als schönste Lilie am Thron Gottes im Garten des himmlischen Paradieses! – Liebe Christen, wie die Prüfungen des Lebens verschieden sind, so sind auch die Versucher verschieden, diejenigen, die die Prüfungen uns bereiten.

 

Es versucht uns Gott. Ihr staunt! – Und ich wiederhole, Gott versucht uns, denn es heißt von ihm im Buch Mose: Gott versucht euch, damit es offenbar werde, ob ihr ihn liebt oder nicht! – War nicht der Baum im Paradies eine Versuchung Gottes für die ersten Menschen, um ihren Gehorsam zu prüfen. Und prüfte der göttliche Heiland nicht selbst seine liebe Mutter auf der Hochzeit zu Kana: Frau, was habe ich mit dir zu schaffen, meine Stunde ist noch nicht gekommen! – So versucht Gott den Menschen, aber zu seinem Heil. So schickt er dem Leichtsinnigen eine Krankheit, dass er ernster werde und in sich gehe. So lässt er dem Stolzen eine Demütigung zu, dass er seinen Hochmut erkenne. So nimmt er dem Reichen seine Habe durch Brand, um ihn von der Anhänglichkeit an das Irdische loszureißen. So nimmt er dem Glücklichen ein Glied seiner Familie, dass er im Glück auf sein ewiges Heil nicht vergesse und an den Tod denke. – Aber ach, die wenigsten Menschen halten diese Prüfungen aus, diese Versuchungen des barmherzigen Gottes, um unsere Tugend zu bewähren. Und über die meisten Christen könnte der Herr weinend rufen, wie einst über die Stadt Jerusalem: Ach, wenn du doch erkannt hättest, was dir zum Frieden dient, nun aber werden böse Tage über dich kommen, weil du die Zeit deiner Heimsuchung nicht erkannt hast! –

 

Der zweite Versucher des Menschen ist der, den die Heilige Schrift den Verführer und den Lügner von Anbeginn, die listige Schlange, den giftigen Drachen, den gefallenen Engel, Satan oder Teufel nennt. Denkt, liebe Christen, wie der göttliche Heiland in der Wüste vierzig Tage durch Gebet und Fasten sich auf sein Lehramt vorbereitete und der böse Feind zu ihm trat und ihn durch Versuchungen der Sinnlichkeit und des Hochmutes zum Fall bringen wollte, daran denkt und dann wird es euch nicht mehr wundern, dass der heilige Paulus die Epheser ermahnt: Zieht an die Rüstung Gottes, dass ihr stehen könnt gegen die Listen des Feindes! – dass der heilige Petrus sagt: Seid nüchtern und wachet, denn euer Widersacher, der Teufel, geht herum wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlingen könne. – Gott prüft uns zum Heil, der Teufel aber versucht uns immer zum Verderben, reizt uns zur Übertretung der göttlichen Gebote, zur Unterlassung unserer Pflicht. Da heißt es fest stehen und die Mittel gewissenhaft anwenden, die uns die Geisteslehrer in diesem Kampf anempfehlen.

 

Gott sieht dich in dieser Versuchung und Legionen Engel sind bereit dir beizustehen. Du kämpfst zur Ehre Gottes. Gott wird dich nicht verlassen, gewiss nicht! – Dieser Gedanke wird dir Mut machen.

 

Gott wird dich nie über deine Kräfte versuchen lassen. Keine Versuchung des Teufels ist so groß, dass sie nicht überwunden werden könnte. Mit der Versuchung wächst die Gnade, und wenn Gott für uns ist, wer kann dann wider uns sein?

 

Die Tugend ist etwas Hohes, Erhabenes, darum muss sie teuer erkauft werden.

Sei immer beschäftigt, dann hörst du die Stimme des Versuchers nicht. Einen arbeitenden Menschen versucht ein Teufel, einen Müßiggänger tausend. – Suche dich selbst recht kennen zu lernen. Wenn man aus zwei Steinen Feuer schlagen will, sieht man genau, wo die schärfste und spitzeste Seite ist, weil man da am ehesten Feuer bekommt. So macht es der schlaue Feind. Er spioniert die sogenannte schwache Seite eines Menschen aus und da packt er ihn, da greift er ihn an und versucht ihn. Es kommt daher alles darauf an, dich dort recht verteidigen und festmachen zu können.

 

Das Universal-Mittel aber gegen die Versuchungen des Teufels ist das Gebet, weil wir uns dadurch mit Gott vereinigen, der unüberwindlich ist. Wacht und betet, dass ihr nicht in Versuchung fallt!

 

Auch die Welt versucht den Menschen ihrer Bestimmung nach, denn sie ist ja nichts anderes als ein Prüfungsort für uns (!) und ihrer Lage nach, denn sie ist ja von Gott verflucht uns soll uns nur Disteln und Dornen tragen. Diese Disteln und Dornen sind ihre Versuchungen, Reize und Fallstricke, in die sie den Menschen zu seinem Untergang verwickelt! – Ihr feinstes Gift ist die Anhänglichkeit an sie! Ach wie viele edle christliche Seelen gehen durch diese Liebe unter, bezaubert von den Reizen ihrer Natur, verblendet von dem Gold und Silber der Erde, berauscht von ihren Freuden, vergessen sie über der Welt die Ewigkeit, ihr ewiges Heil und gehen verloren! – Und wie viele Menschen sendet sie aus, die ihre Mitmenschen zum Bösen versuchen durch schlechte Grundsätze, durch eigenes böses Beispiel, durch Verführungen in den verschiedensten Formen und Gestalten! – Gefiele es Gott, uns die Augen zu öffnen, wie er sie einst dem heiligen Antonius geöffnet hat, so würden wir die ganze Welt voll ineinander verschlungener Fallstricke erblicken und mit jenem Heiligen ausrufen: Wer wird, o Herr, all diesen Schlingen entgehen? – Deshalb gehen auch so viele Seelen verloren, denn von zehn Schiffen, die auf dem Meer fahren, sagt der heilige Bernhard, geht kaum eins zugrunde, aber von zehn Seelen, die auf dem Ozean dieses Lebens fluten, wird kaum eine gerettet! – Ja, dieser Heilige hat Recht, wenn er sagt, dass wenn uns in diesem Leben nicht die Hoffnung auf ein zukünftiges Leben bliebe, diese Welt sich kaum von der Hölle unterscheiden würde. – Darin liegt aber auch das kräftigste Mittel, den Versuchungen der Welt zu widerstehen. Zum Himmel das Auge, dann wird die Schönheit der Welt uns nicht betören. Zum Himmel das Herz, dann werden alle Geschöpfe, alle Dinge der Welt uns nicht mehr fesseln. O wie ekelt mich de Welt an, wenn ich den Himmel betrachte, sagt der heilige Ignatius.

 

Es gibt aber noch einen Versucher. Seine Prüfungen jedoch sind, wie die des Herrn, zum Heil unserer Seele. Dieser ist kein anderer als die vielgeprüfte, schwer heimgesuchte, größte Dulderin Maria. Die allerseligste Jungfrau, die am allerbesten weiß, wie unaussprechlich herrlich nach der dunklen Nacht der Prüfung die Sonne des ewigen Lebens scheint, wie kräftig die Liebe durch das Feuer der Versuchung wird, prüft unsere Liebe und Andacht zu ihr, unser Vertrauen auf sie durch verschiedene Proben. Du kennst einen großen Sünder, auf den nichts mehr einen Eindruck macht, um den sich niemand mehr bekümmert. Du weißt, dass Maria die Zuflucht aller Sünder sei. Wirst du die Prüfung bestehen, für ihn zu ihr zu beten oder nicht? – Es gibt einen recht hilflosen Kranken, um den sich kein Mensch kümmert. Da spricht es in deinem Herzen: O welch eine Freude könnte ich da Maria machen! Wirst du die Prüfung bestehen oder nicht? – Es ist ein wunderherrlicher Maitag, die Sonne scheint und die Natur mit tausend Stimmen lockt dich ins Freie. Da läutet die Glocke zur Maiandacht, wohin wirst du folgen? – Es bittet dich ein recht Armer um ein Almosen. Du hast selbst nicht viel und hast schon viel gegeben. Etwas könntest du freilich noch geben, wirst du die Prüfung bestehen? – Da erzählt uns der Verfasser des Zeitalters Leo X. folgende Geschichte. Carlo Dolce war von armen Tagelöhnerleuten zu Siena in Italien das jüngste Kind. Die Eltern konnten ihm nichts geben, als eine christliche Erziehung. Besonders pflanzte seine Mutter eine große Liebe zu Maria in sein junges Herz. So wuchs er zum jungen Mann heran und verdiente sich mit Zeichnen kümmerlich sein Brot. Da kam er einst nach Florenz und als er die Straßen dieser großen Stadt durchstreifte, begegnete ihm ein alter Bettler und bat ihn im Namen der Muttergottes um ein Almosen. Tiefgerührt griff er in die Tasche und fand ein einziges Geldstück. Er zauderte, ob er es hergeben sollte, denn es war sein letztes, sein Ein und Alles. Er hat mich im Namen Mariens gebeten und Ihr kann ich nichts abschlagen, darum gebe ich es mit Freuden hin und wenn ich auch jetzt verhungern muss. Hierauf trat er in die nahestehende Kirche ein und von einem Gefühl der seligsten Ruhe durchdrungen, weil er Maria seine Liebe durch ein so schweres Opfer beweisen konnte, kniete er sich nieder vor dem Muttergottesaltar und weinte Freudentränen. In dieser Kirche aber wurde gerade die Decke von den ersten Malern Italiens erneuert, ihr Meister Domenico Giotti saß gerade hoch auf dem Gerüst, da sah er diesen jungen Menschen. Seine Andacht gefiel ihm, er stieg herab, redete mit ihm, nahm ihn zu sich und lehrte ihm die Malerkunst, in der es der junge Mensch in kurzer Zeit so weit brachte, dass er der erste Künstler und größte Maler seiner Zeit wurde. Besonders aber wurde er Meister in Muttergottesbildern, die er mit einer Majestät, Anmut und himmlischer Hoheit darstellte, dass alle davon hingerissen wurden und noch jetzt seine Gemälde zu den höchsten Preisen gesucht werden.

 

O himmlische Feuerlilie, allerseligste Jungfrau Maria, erflehe uns die Gnade, dass wir deine Prüfungen und die Prüfungen Gottes zu unserem Segen benützen und den Versuchungen des Teufels und der Welt siegreich widerstehen, damit wir durch diese Feuerprobe geläutert gleich Lilien rein und unversehrt erfunden werden mögen am Tag des Gerichtes! Amen.

 

Die Feuerlilie warnt

Vor des Versuchers List,

Der, weil er böse ist,

Die Seele uns umgarnt!

 

Die Feuerlilie mahnt

Den Reiz der Welt zu flieh’n,

Die uns an sich will zieh’n

Durch der Verführung Hand.

 

Die Feuerlilie spricht:

Maria prüfet schwer,

Ja, es versucht der Herr,

Ob treu wir unserer Pflicht.

 

O Herr lass uns besteh’n

Der Prüfung Feuerglut,

Uns unverletzt und gut

Als Lilien daraus geh’n!

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XIII. Maiandacht - Immergrün

 

Stolz rollte der rötliche Cison seine Wogen und Galiläas grüne Berge begannen sich mit Schnee zu bedecken, als Joachim und Anna ihr Kind Maria nach Jerusalem in den Tempel brachten und Gott aufopferten. Dort, wo sie die schönsten Jahre ihres Lebens zugebracht hat, betet Maria für ihren Vater, dessen Willen sie immer gehorchte, betete sie für die, die sie geboren hat, am Morgen, wenn die Sonnenstrahlen die fernen Berge Arabiens vergoldeten und Abends, wenn der Ruf der priesterlichen Posaunen von den Zinnen des Tempels erschallte. Nach einigen Jahren verlor Maria ihre geliebten Eltern. Weinend stand sie an ihrem Sterbebett, aber ruhig, denn kein Vorwurf quälte ihr Herz. In diesem Herzen wohnte ja eine Tugend, die sie in ihrem Leben nicht im Geringsten verletzte, die Tugend der kindlichen Liebe.

 

Diese Tugend wollen wir heute betrachten in ihrem Sinnbild dem Immergrün.

 

Das Immergrün schlingt sich an Mauern und Wänden empor und umklammert sie fest. So soll das Herz des Kindes an seinen Eltern hängen in Liebe treu und fest. – Als die Missionare zu den Eingeborenen von Westozeanien kamen, fanden sie, dass fast allen ein oder der andere Finger oder die Hand fehlte. Verwundert darüber fragten sie nach der Ursache und erfuhren, dass dies lauter Opfer der kindlichen Liebe seien. Sehen sie Vater oder Mutter in Todesgefahr schweben, so hauen sie sich ungesäumt einen Finger ab. Wird der Kranke nach diesem Opfer nicht gesund, so verstümmeln sie sich aufs Neue und hauen bei jeder Gefahr wieder ein neues Glied weg, so dass sie oft allmählich alle Finger und zuletzt die Hand selbst abhauen. – Und dies, liebe Christen, sind Eingeborene, sind Heiden, so groß ist die kindliche Liebe bei Völkern, denen nur die Natur lehrt, ihre Eltern zu lieben, wie groß und stark soll sie erst bei euch sein! – Euch lehrt der Glaube, die Eltern zu lieben. Euch lehrt die Religion die kindliche Liebe. Euch fordert Gott selbst dazu auf: Du sollst Vater und Mutter ehren. Euch ermahnt die Heilige Schrift an unzähligen Stellen zu dieser Liebe! – Es ist unmöglich, so vielen Beweggründen zu widerstehen, umso unmöglicher, als selbst ein Blick auf die Tiere zur kindlichen Liebe ermahnt. Diese sorgen nämlich für ihre Alten mit einer Liebe, die oft bis zu Tränen rührt. – Und die Vernunft, zwingt sie euch nicht mit unwiderstehlicher Gewalt, die Eltern zu lieben. Zähle, wenn du kannst, die Schmerzen deiner Mutter, bis sie dich geboren und unter wieviel Tränen und Sorgen sie dich großgezogen hat! – Zähle, wenn du kannst, die Mühen und Beschwerden deines Vaters, bis er dich so weit gebracht hat, seine schlaflosen Nächte, seine kummervollen Tage, die vielen Entbehrungen, die er deinetwegen erduldet hat! – Und das Beispiel Jesu Christi, wie er seine irdischen Eltern geliebt hat, Maria und Josef, soll es dich nicht begeistern zur kindlichen Liebe! –

 

Das Immergrün blüht blau, blau ist des Himmels Farbe, des Himmels, der unser ewiger Lohn ist. So belohnt die kindliche Liebe ein irdischer und ein himmlischer Segen. Denn keinem Gebot ist ein irdischer Segen verheißen, als dem vierten: Ehre Vater und Mutter, auf dass du lange lebst und es dir wohl gehe auf Erden. Keinem aber folgt auch schneller die Strafe Gottes, wenn es übertreten wird. Der Segen der Eltern befestigt dein Haus, sagt die Heilige Schrift, ihr Fluch reißt es von Grund aus nieder. – Wenn du deinen Eltern in einer wichtigen Sache nicht gehorchst, wenn du ihnen in einem Punkt, der dein Seelenheil betrifft, Kummer und Tränen verursachst, so hast du jedes Mal, du weißt es, eine Todsünde begangen. Doch das ist nicht alles. Diese Sünde zieht wie keine andere den Fluch Gottes, sein Wehe, das an mehr als 30 Stellen in der Heiligen Schrift ausgesprochen ist, auf dich herab. Verflucht ist die Speise, die dich nährt, verflucht ist der Trank, den du trinkst, verflucht das Haus, das du bewohnst, verflucht die Arbeit, die du tust, verflucht das Kind, das du erzeugst, verflucht die Kinder deiner Kinder! Denn wenn es je, sagt der heilige Augustinus, eine zweite Erbsünde gibt, so ist es die Sünde gegen das vierte Gebot, die sich forterbt von Geschlecht zu Geschlecht in ihren furchtbaren, entsetzlichen Folgen. Auf Erden wirst du keinen Frieden mehr finden. Unglück und Elend wird dein tägliches Brot sein und wenn du auch im Wohlstand lebst, es wird dir nur zum größeren Verderben sein. Denn der Fluch, der dich trifft, ist nicht der Fluch eines Menschen, der Fluch deiner Eltern, der Fluch eines Priesters, - es ist der Fluch des allmächtigen Gottes. Der Gott, der gesagt hat: Es werde! – und es wurden Himmel und Erde; derselbe Gott, der gesprochen hat: Ich bin es! – und die Soldaten fielen wie tot zu Erde; dieser Gott spricht: Sei verflucht! – und zweifelst du, ob dieser Fluch dich trifft? – Dein eigenes unglückliches Herz gibt dir darauf die Antwort. – Vaterkummer, Muttertränen, sie brennen heiß und tief die ganze Ewigkeit, sie werden eure glühendsten Flammen, eure feurigsten Kohlen in der Hölle sein! – Darum ermahne ich euch mit dem Apostel: Kinder, liebt eure Eltern, denn dieser Liebe folgt ein doppelter Lohn, ein irdischer Segen: Frieden im Herzen, denn kann es einen tröstlicheren Gedanken geben in diesem Tränental, einen Gedanken, der dir das Leben angenehm macht und das Sterben ruhig, als diesen, deine Eltern nie schwer betrübt zu haben, und ein himmlischer Segen: Die ewige Seligkeit! –

 

Das Immergrün bleibt Sommer und Winter grün und so sollst du deine Eltern lieben im Sommer ihres Lebens und im Winter ihres Todes, die lebenden, wie die verstorbenen mit gleicher Liebe verehren! – Von den Eingeborenen der Felsengebirge Amerikas schreibt ein Missionar, dass wenn ihre Eltern sterben, sich die Kinder mit scharfen Messern und Muscheln den Leib zerschneiden. Nur schwach würde ihnen der Verlust empfunden scheinen, wenn er nur Tränen allein entlockte, er muss auch mit Blut beweint werden; je tiefer die Einschnitte, desto kräftiger das Zeugnis, dass die Liebe aufrichtig war. Ein ungeheurer Schmerz, sagen sie, kann nur durch weite Wunden entweichen. Liebe Christen! Das sind Eingeborene, Ungläubige, Heiden, wie groß soll erst unser Schmerz beim Tod der Eltern, unsere Liebe gegenüber den Verstorbenen sein? – Viele von euch haben die Eltern schon begraben, habt ihr sie nicht beweint mit bitteren Tränen, die der heilige Augustinus das Blut der Seele nennt, hat ihr Verlust euer Herz nicht tief verwundet! – Wie? – Was kann mir den Mut geben, euch ein so hartes Wort zu sagen, einen so bitteren Vorwurf zu machen? –

 

Haben Vater und Mutter vor ihrem Tod euch nichts gesagt, hat euch ihr brechender Blick, wenn auch ihr Mund zu schwach war, es auszudrücken, nichts empfohlen und ans Herz gelegt, haben sie euch, wenn ihr nicht an ihrem Sterbebett wart, nichts sagen lassen in die Ferne, in die Fremde? O diese letzte Bitte: fromm und gut zu bleiben, dieser letzte Wunsch: Gott zu lieben und keine Sünde zu begehen, dieser letzte Willen: den Weg der Tugend zu gehen, - - wie viele, ach, wie viele haben ihn vergessen! – Wenn heute so manche Mutter, so mancher Vater aufstehen würden aus ihrem Grab und würden sehen ihr Kind, das statt ihren letzten Wunsch zu erfüllen, in Sünden dahinlebt, o wie schnell würden sie wieder in ihr Grab zurückkehren bereuend ihre Liebe, die sie für dieses Kind gehabt und mitnehmend ihren Segen, den sie ihm noch am Sterbebett gegeben! – O könnte ich, wie ich wollte, ich würde sammeln den Staub und die Asche, die bleichen Gebeine eurer Eltern und würde sie vor euch aufstellen und bestreuen damit jene Wege des Leichtsinns und der Sünde, die ihr geht. O dieser furchtbare Schmuck würde euch abschrecken von der Sünde, ins Gedächtnis rufen den letzten Willen eurer Eltern und aufs Neue befestigen die Liebe zu ihnen.

 

O allerseligste Jungfrau Maria, du herrliches Vorbild der kindlichen Liebe, lass blühen in unseren Herzen die Blume Immergrün, dass wir Vater und Mutter lieben, ihnen gehorchen, ihre Fehler mit Geduld ertragen, sie im Alter und in der Schwachheit unterstützen, dass wir für unsere verstorbenen Eltern beten, ihren letzten Wunsch durch ein christliches Leben erfüllen, durch Tugend sie im Grab noch ehren, um einst mit ihnen im Himmel auf ewig wieder vereint zu werden. Amen.

 

Du Maria hast von Herzen

Deine Eltern heiß geliebt,

Standst an ihrem Sarg voll Schmerzen,

Weil ihr Tod dich tief betrübt.

 

Keinem lass die Tugend fehlen,

Deren Bild das Immergrün,

Nein es soll in unsern Seelen

Stets die Kindesliebe blüh’n. –

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XIV. Maiandacht - Nelke

 

Es gibt nicht leicht eine dankbarere Blume, als die Nelke. Sie lässt sich sowohl in die kalte Erde als in die Blumentöpfe versetzen. Sie erfüllt unsere Gärten und Zimmer mit einem außerordentlich balsamischen Geruch. Wir können sie deshalb mit Recht für das Sinnbild der Dankbarkeit nehmen, einer Tugend, die in jedem christlichen Herzen lebendig und beständig blühen soll. Selig pries der Herr den Samaritan, den er vom Aussatz geheilt hatte und der zurückkehrte und ihm auf seinen Knien dafür dankte: Gehe hin, sprach er, dein Glaube hat dir geholfen! – Nichts ist Gott so wohlgefällig, sagt der heilige Chrysostomus, als eine dankbare und dankende Seele. Es gibt nichts, was den Menschen Gott näher bringt, als die Dankbarkeit. Sie ist ein großer Reichtum, ein unerschöpfliches Gut, eine starke Rüstung. – Aber über wie viele Christen könnte sich der Herr mit den Worten des Propheten beklagen: Was soll ich mit dir beginnen, o Ephraim, und mit dir, o Juda, denn eure Liebe ist wie eine Morgenwolke und wie der Tau, der bald schwindet! – Damit wenigstens uns dieser Vorwurf nicht treffe, lasst uns im Sinnbild der Nelke die Tugend der Dankbarkeit näher betrachten! –

 

Die Nelke ist meistenteils rot, erinnert an das Blut Christi, an den blutigen Tod des Heilandes am Kreuz. Einen stärkeren Beweggrund, als Jesus am Kreuz, haben wir zur Dankbarkeit nicht. Wer dieses Opfer der Liebe betrachtet und keinen Dank dafür in seiner Seele fühlt, der lasse sich ausstreichen aus dem Taufbuch, er verdient den Namen eines Christen nicht mehr. Sein ist deine Seele, sagt der heilige Hildebert, denn er hat seine Seele für sie hingegeben. Sein ist dein Leib, denn seinen Leib hat er für ihn geopfert. Siehe also wohl zu, was er von deinem Leib, was er von deiner Seele verlangt. Liebe ihn von ganzem Herzen, und es ist bezahlt, was er von deiner Seele verlangt. Mache dich ähnlich den Gliedern seines Leibes und es ist erstattet, was er von deinem Leib verlangt. Sein Auge wurde verdunkelt im Tod, damit dein Auge sich abwende von der Eitelkeit. Sein Ohr war geöffnet für Lästerungen und Fluchworte, damit dein Ohr sich öffne für das Bitten der Armen. Ausgespannt wurden seine Arme, ans Kreuz geheftet seine Füße, damit deine Arme und Füße befestigt würden in der Gottesfurcht. Siehe, was dem Herrn an dir wohlgefällt, siehe den Zweck, weshalb er für dich gelitten hat, siehe den Dank, den er von dir fordert! –

 

Die Nelke atmet den herrlichsten Wohlgeruch aus. Dies ist der Duft der Gnadengaben, die uns der Herr gegeben hat und dem aus unserem Herzen entgegenhauchen soll der Wohlgeruch der Tugenden, besonders der Tugend der Dankbarkeit. – So oft du das heilige Kreuzzeichen machst, sprichst du die drei größten Gnaden des Herrn aus, wofür dein Dank nur mit deinem Leben erlöschen soll. Im Namen des Vaters, der mich erschaffen hat, im Namen des Sohnes, der mich erlöst hat, im Namen des Heiligen Geistes, der mich geheiligt hat – aber, lieber Christ, hast du dein Lebtag schon ein Vaterunser für deine Erschaffung gebetet? – Und wie gering ist dein Dank für die Gnade der Erlösung und Heiligung! – Welch ein grausames Tier kann der Löwe sein! Androdus zog einst einem Löwen einen Dorn aus dem Fuß. Als er später im Zirkus von den wilden Tieren zerrissen werden sollte und dieser Löwe dabei war, legte er sich vor Androdus hin und tat ihm nichts und ließ ihm nichts tun. Beiden wurde das Leben und die Freiheit geschenkt und sie wurden öffentlich im Triumph in den Straßen Roms herumgeführt. So dankbar ist ein Tier und du, o Mensch? –

 

Die Nelke blüht im Freien, schmückt die Altäre und ziert die Zimmer, so soll auch in der Natur, in der Kirche und zu Hause die Tugend der Dankbarkeit sich zeigen. Wenn der heilige Ignatius in Gottes freier Natur spazieren ging, wurde seine Seele von solchem Dankgefühl gegenüber Gott durchdrungen, dass er alle Bäume, Blumen und Vögel einlud mit ihm dem Allmächtigen zu danken. Der heilige Franziskus dankte in seinem herrlichen Gesang an die Sonne, dem Meisterwerk religiöser Begeisterung und heiliger Andachtsglut mit jubelnden Worten Gott, dass er die Erde und alles in ihr so schön geschaffen! – In der Kirche soll unser Gebet vor allem ein Dankgebet sein und warum? – Weil jeder Dank, sagt der heilige Ignatius, eine neue Bitte ist und es heißt: Bittet und ihr werdet empfangen, klopft an und es wird euch aufgetan. – Im Kreis deiner Familie aber, in deinem Haus sollst du dem Herrn besonders für alle irdischen Gaben danken und das Tischgebet pflegen. Der selige Bischof Wittmann von Regensburg, dieser erleuchtete Christ, sagte: Die Vernachlässigung des gemeinschaftlichen Tischgebetes in den Familien dürfte eine wahrscheinliche Ursache sein, warum es jetzt so viele Krankheiten gibt, die man früher nicht kannte und warum nun so wenig zeitlicher Segen in den Familien sich findet.

 

Die Nelke blüht nicht nur einfach, sondern auch doppelt und so sollen wir nicht bloß Gott danken, sondern auch Maria, der wir nach Gott alles verdanken. Hat sie uns nicht denjenigen geboren, ohne den wir alle zu Grunde gegangen wären, durch den allein wir selig werden! Wenn wir nur dies mit den Augen des Glaubens betrachten, so müssen wir die Wahrheit der Worte eines heiligen Bernhard erkennen: dass wir nach Gott Maria den höchsten, größten und feurigsten Dank schuldig sind. Und wer von uns, liebe Christen, der in sein Herz hineinschaut und seine eigene Erfahrung fragt, muss nicht von dem lebhaftesten Dankgefühl gegenüber Derjenigen durchdrungen werden, die schon so viele seiner Bitten erhört, so viele seiner Wünsche gewährt, die ihn aus so vielen Gefahren schon errettet und eine solche Menge von Gnaden auf ihn herabgebeten hat! – O himmlische Nelke, allerseligste Jungfrau Maria, die du in dem herrlichen Danklied: Magnifikat Gott mit den Worten deinen Dank dargebracht hast: Hoch preise meine Seele den Herrn und mein Geist frohlockt in Gott meinem Heiland, lass auch unsere Herzen der Nelke ähnlich werden. Erbitte uns eine Dankbarkeit, deren Feuer eines gekreuzigten Heilandes, deren Dauer eines ewigen Gottes würdig ist, eine Dankbarkeit, die uns zu dir in den Himmel führt und mit dir und deinem göttlichen Sohn auf ewig vereinigt. Amen.

 

Gib, Maria, dass die Nelke,

Bild der Dankbarkeit,

Nie in meiner Brust verwelke

Bis zu jener Zeit,

Wo des Erdenlebens Schranken

Fallen einst vor mir,

Ich dann ewiglich kann danken

Deinem Sohn und Dir! –

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XV. Maiandacht - Rote Rosen

 

Als die Witwe Noemi zurückkehrte aus dem Land Moab in ihre Heimat und nach Betlehem kam, sagte alle, die sie kannten, das ist Noemi! – Sie aber sprach: Nennt mich nicht mehr Noemi, d.h. die Schöne, sondern nennt mich Mara, d.h. die Bittere, denn der Allmächtige hat mich mit Bitterkeit sehr erfüllt.

 

Ebenso spricht heute Maria zu uns, da wir sie als schmerzhafte Mutter, als Königin der Martyrer betrachten wollen: Ich bin gekommen in die Tiefe des Meeres und der Sturm hat mich versenkt, groß wie das Meer ist mein Schmerz! – Wer hat ihn dir verursacht? – Im Bild der Rose liegt die Antwort, sagt der heilige Bernhard. Die rote Farbe deutet auf das Blut Christi, die Dornen auf unsere Sünden und so ist die rote Rose das Sinnbild der Schmerzen Mariens.

 

Im zwölften Jahr ihres Lebens verlor Maria ihren teuren Vater Joachim durch den Tod, dem bald darauf die geliebte Mutter Anna folgte. Nun war sie eine Waise! Eine Waise: ein bitter hartes Wort! Nur, wer es ist, nur wer je am Sterbebett seiner Eltern gestanden, wer sie nicht mehr hat, wer den Vater, die Mutter verloren hat, der kann erfassen das ganze Weh dieses Wortes, die ganze Bitterkeit dieser Lage.

 

Doch wie die Nacht vor dem Licht verschwindet, wie die Sterne vor der aufgehenden Sonne verbleichen, so vergehen diese Leiden Mariens wie Schatten vor den kommenden späteren Schmerzen. Auch die Geburt Jesu Christi im armen Stall auf wenig Stroh in der kalten Wintersnacht; auch die Flucht nach Ägypten doppelt hart durch die Furcht vor Herodes und durch die Rauheit und Wildheit der Gegend, der Länge und Beschwerlichkeit der Reise; auch der Aufenthalt im fremden Land bei fremden Leuten, fern der Heimat und allen Lieben ist ein Schatten, ein Gedanke, ein Traum nur gegen jene blutigen Leiden, die die rote Farbe der Rose uns sinnbilden. Lasst uns drei Tropfen aus diesem Leidensmeer schöpfen und sie mit einem frommen Verehrer Mariens also betrachten. Als Jesus dornengekrönt und kreuzbeladen mühselig die Straße hinabging, die zum Richttor führte, drängte sich eine Frau durch die Menge, totenblass sah sie aus. Ihre Augen, die ihre letzten Tränen verweint hatten, blickten so unaussprechlich traurig auf die entsetzlichen Wunden des Erlösers. Das Schimpfen der Pharisäer hörte sie nicht: das Drohen der Henkersknechte vernahm sie nicht, als aber Lanzen auf ihre Brust gerichtet zwischen sie und Jesus drangen, warfen ihre großen Augen einen Blick auf jene, die das Blut Davids verrieten; ihr Antlitz bekam einen solchen Ausdruck erhabenen Schmerzes und kalter Todesverachtung, dass die besiegten Henker langsam vor der heiligen Frau ihre Waffen zu Boden senkten. So verwildert sie auch immer waren, sie gedachten ihrer eigenen Mutter. – Maria richtete nun ihre angstvollen Blicke auf den Erlöser, dessen mildes Antlitz nun geschwollen, blau unterlaufen, voll Blut und Kot fast nichts mehr vom Ebenbild des Schöpfers an sich trug. Sie fuhr traurig mit der Hand über ihre Stirn, als wollte sie sich überzeugen, dass er es wirklich sei. Kein Seufzer erleichterte ihr gepresstes Herz, man glaubte nur, sie werde sterben. Jesus, der sie bemerkte, erhob sein unter der Wucht des Kreuzes gebeugtes Haupt und sprach: Mutter! Bei diesem Ton, der wie eine Totenglocke ins Ohr der heiligen Jungfrau schallte, durchdrang ein stechender Schmerz ihre Brust, sie konnte sich kaum mehr aufrecht erhalten, wankte und erblasste: die Frauen Jerusalems aber sagten leise zueinander: Die arme Mutter! Jesus war erhöht am Kreuz, da eilte auch Maria hin, vorbei an den Soldaten, die um den Rock ihres Sohnes losten. Ein leichter Krampf flog über ihre Züge, sie dachte an die Zeiten, wo sie reich allein durch Jesu Liebe, aber frei von Besorgnissen, abends an seiner Seite an diesem Festgewand arbeitete. Dieser Gedanke war für sie wie ein Dolch, der langsam in einer Wunde umgedreht wird. Denn der Blitzstrahl, der ihr die vergangenen Tage des Glücks zeigte, machte nur die Finsternis ihres gegenwärtigen Elends umso dichter. Sie erhob zum Himmel ihre Augen um Kraft und ihr Blick traf mit dem des gekreuzigten Gottes zusammen. Bei diesem entsetzlichen Anblick stand sie da stumm und versteinert von einem solchen Schauer durchdrungen, dass alles, was sie bisher Erschütterndes empfunden, ihr nur wie ein trauriger Traum, wie ein furchtbares Gesicht vorkam. Alles verschwand vor dem Kreuz. Die Sonne verbarg sich, der Himmel verdunkelte sich, die Erde erbebte, die Felsen spalteten sich, die Gräber gaben die Toten wieder, doch unter all diesen Zuckungen der empörten Natur blieb Maria unbeweglich stehen, unerreichbar für all diese Schrecken, die Hände wie zum Gebet gefaltet, versunken in der Betrachtung ihrer gekreuzigten Liebe. – Und die Frauen Jerusalems begannen wieder zu weinen und voll Mitleid zu sagen: Die arme Mutter! –

 

Der Leib des Herrn wurde vom Kreuz losgemacht. Maria kniet auf dem Boden, ihre Finger sind mit Blut gerötet. Sie breitet die reine Leinwand über ihre Arme aus und hält sie hinaus, um ihren Sohn zu empfangen, ihren verlorenen Sohn, der wieder zurückgekommen und so zurückgekommen! – Nun ist der Leib nieder genug herabgelassen, dass Johannes das heilige Haupt berühren und es in seine Arme aufnehmen kann, damit es nicht in seiner hilflosen Erstarrung herabsinke und Magdalena hält die Füße. Einen einzigen Augenblick wirft sich Maria voll Schmerz in sprachloser Anbetung nieder und im nächsten Augenblick hat sie den Leib in ihren ausgespannten Armen empfangen. Was für eine Begegnung, was für ein Wiederkommen! Das Kindlein von Betlehem ist auf seiner Mutter Schoß zurückgekommen! –Sie erhebt sich von ihren Knien und trägt noch immer die Last so leicht als damals, da sie mit ihm nach Ägypten floh und setzt sich nieder auf das Gras mit Jesus, ausgestreckt auf ihrem Schoß. Es gab nicht einen Zug seines heiligen Angesichtes, nicht eine Wunde an seinem heiligen Fleisch, die nicht zugleich ein Schmerz für sie und ein Gegenstand der tiefsten Betrachtung war. Umsonst für sie trillerten die Vögel ihr Abendlied, als die Last der Sonnenfinsternis von ihrem kleinen fröhlichen Herzen genommen war. Umsonst für sie stiegen die Wohlgerüche der zarten Feigenblätter in die kühle Luft auf und die Knospen brachen grün hervor und die zarten Schoße voll Frühlingsanmut. Ihr Kummer war über den Trost der Natur hinausgewachsen. Denn ihre Blume war grausam gebrochen worden und lag verwelkt da auf ihren Knien, die rote Rose, deren Dornen unsere Sünden sind. Um unserer Sünden willen, sagt der Prophet, ist er zerschlagen worden, und Maria, die Königin der Propheten, soll dies nicht gewusst haben? Sie hat es gewusst und umso schmerzlicher die Leiden ihres Sohnes empfunden, weil wir die Ursache derselben waren. Wie aber, liebe Christen, können wir die trostlose Jungfrau trösten? Durch Reue über unsere Sünden und durch den festen Vorsatz, keine mehr zu begehen. Und diese Gnade werden wir erlangen, wenn wir recht oft uns recht andächtig die Schmerzen Mariens betrachten; denn einer frommen Seele wurde geoffenbart, dass der Herr vier besondere Gnaden dieser Andacht verleihe. Die erste ist eine vollkommene Reue über alle Sünden einige Zeit vor dem Tod; die zweite ist ein besonderer Schutz und Beistand in der Todesstunde; die dritte soll darin bestehen, die Geheimnisse des Leidens Christi tief der Seele eingeprägt zu haben und die vierte soll eine besondere Macht der Fürbitte Mariens sein zu unseren Gunsten. Amen.

 

Das Bild der roten Rose

An unsre Sünden mahnt,

Ob der die Makellose

So großen Schmerz empfand;

Kann ihn auch niemand schildern,

So namenlos war er,

Wir können ihn doch mildern,

Nur keine Sünde mehr! –

Dann werden wir erwerben

Mariens Lieb und Huld,

Und ehe wir noch sterben,

Bezahlen unsre Schuld!

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XVI. Maiandacht - Rittersporn

 

Der römische Kaiser Severus hat seinen Soldaten dieses Kriegszeichen gegeben:

Laboremus, lasst uns arbeiten, lasst uns kämpfen! – und dadurch herrlich den Ausspruch des heiligen Dulders Hiob veranschaulicht: Des Menschen Leben auf der Erde ist ein Kampf!

 

Und wenn ich euch, liebe Christen, ein Fahnenbild, ein Wahrzeichen, einen Wahlspruch geben müsste, so würde ich euch die Blume Rittersporn geben, weil der Rittersporn das Sinnbild des Kampfes ist. – Kaum war die erste Sünde begangen, als der Allmächtige sprach: Im Schweiße deines Angesichtes sollst du dein Brot verdienen! Die Pforten des Paradieses schlossen sich und die Erde wurde für den Menschen ein großer, heißer Kampfplatz! Der Himmel muss nun heiß erkämpft, erstritten und erobert werden, wie der göttliche Heiland sagt: Nicht ein jeder, der da sagt: Herr, Herr, wird eingehen ins Himmelreich, nein, das Himmelreich leidet Gewalt und nur die Gewalt brauchen reißen es an sich. – Darum ist auch die Sprache der Apostel so kriegerisch: Kämpfe wie ein guter Soldat Jesu Christi, spricht der heilige Paulus; ihr habt noch nicht bis aufs Blut widerstanden! – Zieht an die Rüstung Gottes, dass ihr widerstehen könnt den Nachstellungen des bösen Feindes, sagt der heilige Petrus. – Darum ist auch das Leben aller Heiligen so kampfesvoll. Wie kämpfte der heilige Franz von Sales, bis er den Zorn überwand; wie kämpfte der heilige Ignatius, bis er den unreinen Geist besiegte; wie viel Gebet, wie viel Fasten, wie viele Nachtwachen eines heiligen Franziskus, um den Himmel zu erringen. Wie kämpfte der heilige Aloysius in der Blüte seiner Jugend; wie stritt der heilige Alphons im tiefsten Greisenalter, am Rand des Grabes! – Und unser eigenes Herz muss dieser Wahrheit Zeugnis geben. Ist es leicht mitten in der Welt, umrungen von tausend Gefahren, Versuchungen und Gelegenheiten sich rein und unverletzt zu erhalten? – Nein, da kostet es Kampf, Kampf mit dem eigenen Herzen, Kampf gegen fremde Herzen, Krieg mit den Augen und Ohren, Kampf in der Jugend und im Alter; Krieg am Morgen und am Abend; Kampf alle Tage, alle Stunden, alle Augenblicke bis hin zum Grab, zur dunklen Gruft, wo man über unserer Leiche betet: Herr, gib ihm die ewige Ruhe und das ewige Licht leuchte ihm, Herr, lass ihn ruhen im Frieden! –

 

Des Menschen Feinde sind seine Hausgenossen, sagt die Heilige Schrift; unser Hausfeind aber ist die böse Natur, sagt der heilige Ambrosius, der diese Stelle erklärt. Der göttliche Fluch über die Erde: Nur Disteln und Dornen soll sie dir tragen, hat auch das Erdreich unserer Seele getroffen. Darum ist dieses Leben ein beständiges Ausjäten des Unkrautes, ein immerwährendes Ausrotten der Disteln und Dornen. Ein Feind ist unsere böse Natur:

 

Weil sie in uns selbst ist. Wenn mich von außen ein Feind angreift, so kann ich ihm ausweichen, ich kann vor ihm fliehen, aber ein böser Krankheitsstoff in meinem Innern, ihm kann ich nicht entgehen. Ein Feind ist unsere böse Natur:

 

Weil sie immer bei uns bleibt. Wenn wir einen Feind haben, so kann man sich damit trösten, dass er verreist oder von uns sich entfernt oder wir seiner durch den Tod los werden, aber dieser Feind geht nie von uns weg, reist nie fort, stirbt nicht vor uns, sondern nur mit uns. – Ein Feind ist unsere böse Natur:

 

Weil sie uns nie gut wird. Wenn wir einen Feind haben, so können wir mit ihm Frieden schließen, mit ihm uns versöhnen und vergleichen; aber dieser Feind ist unversöhnlich; er ist unser Feind in der Jugend, im Alter, in der Gesundheit, in der Krankheit, vor der Bekehrung, nach der Bekehrung, an jedem Ort, in jedem Stand, in jedem Alter, in jedem Kleid. –

 

Gegen ihn gibt es kein anderes Mittel, als den Kampf, einen fortwährenden, beständigen, immerdauernden Kampf, einen Kampf, der nur mit dem Grab endigt. Aber mit welchen Waffen müssen wir kämpfen gegen unseren Hausfeind, die böse Natur? Mit den Waffen der Furcht und des Eifers. Von der Furcht sagt die Heilige Schrift: Wer den Herrn fürchtet, dem widerfährt nichts Böses, sondern Gott beschützt ihn in der Versuchung und erlöst ihn vom Bösen. – Wir müssen fürchten unsere eigene böse Natur, vor der wir keinen Augenblick sicher sind, dass sie uns zum Fall bringt. Eure Bekehrung, ein guter Lebenswandel, eure Frömmigkeit darf euch nicht täuschen. Wer steht, der sehe zu, dass er nicht falle. Der Mensch ist, solange er lebt, ein Kohlenfeuer mit Asche bedeckt. Wenn der Wind kommt und die Asche wegjagt, entzündet sich das Feuer wieder. Er ist wie ein Wiedergenesener, dem seine schwere Krankheit zwar geheilt ist, aber der immer die Folgen davon noch spürt. Darum beständiger Kampf mit der Waffe der Furcht. Diese Furcht ist nicht schimpflich, nein, sie ist eine Tugend, ein Edelsinn, der den besten Freund zu beleidigen, eine kindliche Liebe, die den zärtlichsten Vater zu kränken fürchtet. In Furcht und Zittern sollt ihr euer Heil wirken, ermahnt uns der heilige Paulus.

 

Die zweite Waffe muss die Waffe des Eifers sein. Wenn du merkst, dass deine böse Natur dich zum früheren Leben hinabzieht, dass du lau, leichtsinnig und träge wirst, dann musst du mit neuen Kräften, mit neuem Mut wieder anfangen und dich zu begeistern suchen, denn sonst bist du verloren. Nimm die Waffe des Eifers in die Hand. Beim täglichen Morgengebet rufe dir zu, wie jener tapfere Feldherr seinen Soldaten: Vorwärts, vorwärts, seht ihr die schöne Stadt, unser soll sie werden, vielleicht ist dies der letzte Kampf, darum lasst den Mut nicht sinken, vorwärts, vorwärts!

 

Öfter am Tag sollen wir die guten Vorsätze erneuern. Alle Jahre kommen die Schwalben, alle Frühlinge kommen die Blumen, alle Tage geht die Sonne aufs Neue auf, also sollen auch wir uns alle Tage und Stunden in unseren Vorsätzen stärken. – Dann betet, liebe Christen, betet, sonst seid ihr verloren. Heute lasst ihr ein Vaterunser aus, morgen zwei, übermorgen drei; heute die Hälfte eures Gebetes, die nächste Woche euer ganzes Gebet und so werdet ihr in Kurzem ohne Gebet sein, aber auch ohne Liebe Gottes, ohne Furcht, Gnade und Segen Gottes. – Wenn ihr ermüden wollt im Kampf, blickt auf die herrlichen Beispiele, schaut auf Jesus im Ölgarten, wie er, obwohl seine Seele betrübt war bis zum Tod, nicht nachließ im Gebet, seht auf Maria, deren ganzes Leben ein Kampfesleben gewesen ist, betrachtet die Martyrer, wie unermüdlich sie für das Heil ihrer Seele kämpften! –

 

Im Jahr 1456 brach Mohamed, der türkische Kaiser, in Ungarn ein, rückte mit 150 000 Mann vor die Stadt Stuhlweißenburg und belagerten sie mit Sturm. Am Festtag der heiligen Magdalena fing das Stürmen und Wüten an, das 20 Stunden ununterbrochen fortdauerte, bis endlich die Christen so ermattet wurden und beim Kampf nachließen, dass die Türken haufenweise in die Stadt drangen und schon auf allen Gassen Viktoria schrien. Als der heilige Johannes Capistran, der das christliche Heer begleitete, dies sah, nahm er ein Kruzifix in die Hand, zeigte es den Christen und rief mit lauter Stimme: O mein Gott, befreie dein Volk, das du durch dein kostbares Blut erlöst hast, hilf uns, damit die Türken nicht sagen: Wo ist der Gott der Christen. Auf diese Worte kam neuer Mut in die Christen und sie schlugen die Türken wieder aus der Stadt, verfolgten sie acht Meilen weit und besiegten sie gänzlich. – So lasst euch, liebe Christen, zu neuem Mut durch Gottes Wort, das durch meinen Mund euch verkündet wird, begeistern zum Kampf, der unser ganzes Leben dauert und nur mit dem Tod endet! Der Himmel, dieses Kampfes Ziel, ist alles wert! O allerseligste Jungfrau Maria, verleihe uns zum Wappen die Blume Rittersporn, lass unsere Herzen im ritterlichen Kampf nicht ermüden! Amen.

 

Unser Weg geht über Stein und Dorn,

Denn dies Leben ist ein Streit, ein Krieg,

Wähle dir zum Wappen Rittersporn,

Der dir sagt: Nur der Kampf bringt Sieg!

Unaussprechlich groß ist jener Preis,

Den der Herr zum Lohne uns beschert,

Deshalb ist der Kampf um ihn so heiß,

Denn der Himmel, der ist alles wert!

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XVII. Maiandacht - Alpenrose

 

Wenn du, lieber Christ, etwa in die Gegend von Berchtesgaden und Reichenhall, oder über Rosenheim und Kufstein ins Tirolerland oder weiter oben über Miesbach an den Tegernsee kommst, so erblickst du das bayerische Hochgebirge, die Tiroler und Salzburger Alpen, eine Reihe von Bergen, deren Gipfel bis in die Wolken ragen und mit ewigem Schnee und Eis bedeckt sind. Ein herrlicher Anblick diese steinernen Riesen bis zur Mitte mit den üppigsten Wiesen bedeckt, auf denen das Vieh weidet. Ein prachtvoller Anblick diese schneebedeckten Häupter vom Purpur der Morgen- oder Abendsonne golden beschienen zu sehen! –

 

Dort hinauf, liebe Christen, hinauf die Berge über Felsen und Stein vom grauen Moos umwachsen, über grüne Wiesen und Matten und an Viehherden vorüber und an Sennhütten vorbei, immer höher und höher, so dass die Häuser im Tal euren Augen fast entschwinden, dort hinauf führe ich euch heute im Geist, um euch zu zeigen eine Blume, die wir heute der Muttergottes weihen wollen, eine Blume, die nur dort oben blüht, in der Einsamkeit, fern den Menschen, so nahe dem Himmel, ganz allein. Es ist – die Alpenrose! –

 

Die Alpenrose ist eine wunderschöne Blume, ihre Farbe ist das schönste Rot und ihre herrlich grünen Blätter sind weich und wollig wie Samt. Auf der Ebene findet man sie nicht, nur auf den Bergen. Und je höher sie wächst, desto besser ist ihr Geruch. Sie blüht nur eine gewisse Zeit und da erhebt sie sich oft neben dem Schnee und Eis. Wegen ihrer Seltenheit und Schönheit wird sie sehr geschätzt und die Gebirgsjäger halten es für ein gutes Vorzeichen, wenn sie eine finden.

 

Bis jetzt haben wir der Muttergottes lauter Blumen verehrt, die leicht zu haben sind und die in unserer Nähe blühen. Heute wollen wir uns aber anstrengen, Mühe geben von den höchsten Bergen herab eine zu suchen, um sie der Himmelskönigin zu weihen, die Alpenrose, ja, die Alpenrose! –

 

Und wie der Fremde auf seinen Wanderungen über das Gebirge freudig aufjubelt, wenn er eine gefunden hat und über den Duft und der Schönheit dieser Blume alle Mühe und Beschwerde des Suchens vergisst, so, liebe Christen, werden auch wir uns freuen, wenn wir jene Tugend, deren Sinnbild die Alpenrose ist, die Tugend der Betrachtung erlangt haben und hingerissen von ihrer zauberhaften Schönheit, werden wir alle Mühe, die wir bei Erwerbung dieser Tugend hatten, vergessen! –

 

Die Alpenrose ist das Sinnbild der Betrachtung, weil die Alpenrose nur auf den höchsten Bergen und ganz einsam blüht, ganz nahe dem Himmel. Der betrachtende Mensch muss ebenfalls sein Herz zu Gott aufschwingen. Er muss fern von dem Getümmel der Menschen in der Einsamkeit seiner Kammer, oder zu den Füßen eines Kruzifixes unter freiem Himmel, oder in der geräuschlosen Stille einer Kirche vor dem Tabernakel des lebendigen Gottes betrachten. Und wie die Alpenrose oft mitten unter Schnee und Eis emporblüht, so hindert kein Unglück und keine Trübsal, keine Kinder und kein zeitliches Geschäft, keine Krankheit und irdische Sorgen den Menschen in der Betrachtung, wenn er nur will. –

 

Liebt, ihr Christen, die Alpenrose! Liebt die Betrachtung, die nichts anderes ist, als ein längeres Nachdenken über einen Gegenstand unseres Seelenheils, ein aufmerksames Überdenken der göttlichen Wahrheiten. Die Betrachtung ist notwendig, so dass der heilige Aloysius sagt: Ohne Betrachtung wirst du in der Tugend nicht weit kommen, ja der heilige Ignatius und der heilige Alphons sie tun sogar den Ausspruch: Ohne Betrachtung kann der Mensch nicht selig werden, ohne Betrachtung wird er zu Grunde gehen! Und sagt selbst, liebe Christen, wenn die Menschen immer die Sünde und ihre schrecklichen Folgen, immer den Wert ihrer unsterblichen Seelen, immer den Tod mit seinen Schrecken, die Hölle mit ihren Flammen, und den Himmel mit seinen Freuden betrachten und daran denken würden, könnte es so viele Mordtaten, Ungerechtigkeiten und Ehebrüche, so viele Fluchworte und unkeusche Reden, könnte es so viele sündhafte Bekanntschaften und besuchte Tanzplätze geben? – Nein, denn ewig wahr sind die Worte der ewigen Wahrheit: Denke an deine letzten Dinge und du wirst in Ewigkeit nicht sündigen! – Mit Recht gilt daher das Wort jener großen Männer und Frauen und Lichter unserer heiligen Kirche, dass die Betrachtung unumgänglich notwendig ist, was auch David in seinen Psalmen bestätigt: Wäre nicht dein Gesetz meine Betrachtung, so würde ich umkommen in meinem Elend.

 

Die Betrachtung ist schön, denn schaue im Geist hin auf Maria, die auch in dieser Tugend unser Muster und Vorbild ist. Die Betrachtung war ihre beständige Nahrung und der Tempel von Jerusalem und die Krippe von Betlehem und das elterliche Haus und die Hütte zu Nazareth und Hieropolis, die Stadt in Ägypten und Ephesus, wohin sie mit Johannes und Magdalena zog, vernahmen ihr inneres Gebet. Denn niemals, sagt der heilige Ambrosius, gab es eine Seele, begabt wie ihre mit der himmlischen Gnade der Beschauung. Ihr Verstand, in steter Vereinigung mit ihrem Herzen, verlor niemals den aus den Augen, den sie zärtlicher liebte, als alle Seraphim mit einander ihn lieben. Ihr ganzes Leben war nichts, als eine beständige Übung der reinsten Gottesliebe und wenn der Schlaf auf ihre Augenlider sank, wachte ihr Herz und betete noch!

 

Wie schön macht ein Springbrunnen einen Garten. Um ihn herum grünt alles frischer und blühen die Blumen. Er, der früher einförmig und öde war, wird lebendig und gewinnt ein heiteres, schönes Aussehen. Der Springbrunnen, sagt der heilige Franz von Sales, ist die Betrachtung und der Garten deine Seele. Schön macht die Betrachtung dein Äußeres, schön deine Worte! –

 

Nie werde ich den Eindruck vergessen, den jene fromme Jungfrau Maria von Mörl in Tirol in ihrem betrachtenden Gebet auf mich machte. Im weißen Kleid, mit herabhängenden Haaren kniete sie mit gefalteten Händen, die Augen unverwandt nach oben, auf dem Bett. Sie schwebte, denn sie machte nicht den geringsten Eindruck in ihre Kissen. Sie rührte und bewegte sich nicht, nahe musste man hingehen, um sie atmen zu hören. Sie wusste von allem nichts, was um sie geschah. Frieden, Freude, innere Ruhe und Wonne spiegelte sich ab in ihren Zügen und ein wunderbares Gefühl durchzog jeden Schauenden, ein Staunen über die Schönheit einer betrachtenden Seele. Man vergaß mit ihr alle Sorgen dieser Erde, man schwang sich mit ihr in die Höhen des Himmels und fühlte es schmerzlich, dass man um der Sündhaftigkeit und zu starken Anhänglichkeit an die irdischen Dinge willen nicht ebenso betrachten konnte. – Der große Fenelon, Erzbischof von Cambray schrieb an seinen königlichen Zögling, den Herzog von Bourgogne: Um Gotteswillen, lassen sie die Betrachtung ihr Herz nähren, wie die Speise den Leib nährt. Ein kurzer Hinblick auf Gott erfrischt den ganzen Menschen, stillt seine Leidenschaften, gibt Schönheit und Reiz seinen Worten. –

 

Die Alpenrose blüht auf den höchsten Bergen und darum kann man sie schwer erlangen. Nicht so ihr Sinnbild, die Betrachtung, die ist leicht. Ihr seht mich an, als habt ihr mich nicht recht verstanden und deshalb wiederhole ich: die Betrachtung ist leicht! –

 

Wie ist das möglich, werden manche von euch sagen, wir sind zufrieden, wenn wir mit dem mündlichen Gebet durchkommen, ist das zerstreut genug. Zum Betrachten, da haben wir weder Zeit, noch Geschicklichkeit!

 

Beides, liebe Christen, sind Einflüsterungen des Teufels. Wie die Philister dem Samson die Augen ausrissen, so macht es der böse Feind mit euch. Weil er euch den Glauben nicht nehmen kann, so versucht er es doch wenigstens, dass ihr das, was ihr glaubt, nicht betrachtet. Habt ihr etwa weniger Zeit, als der König Alfred der Große, der täglich 8 Stunden der Betrachtung oblag, oder wie die heilige Dienstmagd Notburga, die die fleißigste, arbeitsamste ihres Dorfes war und dennoch beständig die ewigen Wahrheiten betrachtete. Und vollends an Sonn- und Feiertagen, oder in den Feierstunden am Morgen und am Abend! Macht es wie die heilige Elisabeth, die von ihrem Schloss Marburg zum Kloster Reinhardsbrunn, (wo sie täglich die heilige Messe hörte) gute zwei Stunden zu gehen hatte, und den ganzen Weg betete ein einziges Vaterunser, so betrachtete sie das, was sie betete. Und ihr dürft nicht glauben, dass ihr immer einsam und allein bei der Betrachtung sein müsst; denn könnt ihr, gleich wie die Alpenrose mitten im Schnee und umstarrt von Eis emporblüht, nicht bei euren Arbeiten und Geschäften an den Tod und das Gericht, an das Leiden Christi und an die Liebe Mariens, an den Himmel und seine ewigen Freuden denken und sie betrachten? – Ja, allerdings sagst du, ich könnte, aber ich kann nicht, denn ich habe nicht die Geschicklichkeit dazu! – Da kommst du mir gerade vor, wie jenes alte Weiblein, das nach einem frommen gottesfürchtigen Leben zum Sterben kam. Mit Freude erwartete sie den Tod. Nur etwas beunruhigte sie noch. Was, sprach sie zu ihrem Beichtvater, werde ich wohl beim Eintritt in den Himmel zum lieben Herrgott sagen! Tiefgerührt über diese kindliche Einfalt, sprach der Priester: Liebes Kind, sage nur: Gelobt sei Jesus Christus! Und alle Engel und Erzengel, alle Cherubim und Seraphim, alle Heiligen, der ganze Himmel wird dir antworten: In Ewigkeit! Amen. –

 

Seht, liebe Christen, so braucht ihr zur Betrachtung nicht studiert zu sein, auch wenn ihr nicht lesen und schreiben könnt und nie die Schule besucht habt, könnt ihr doch betrachten. Zum Betrachten braucht ihr nur zwei Dinge: die Augen und das Herz. Schaut die ewige Wahrheit an und dann horcht, was euer Herz sagt! –

 

Mein Gott und mein alles, über dieses betrachtete der heilige Franz von Assisi sein ganzes Leben. – Noch wenige Worte hatte die heilige Katharina von Genua: Ich und Du! – Noch kürzer fasste sich die heilige Magdalena von Pazzis: Liebe! – Theresia: Eine Seele! – Welch ein großes Betrachtungsbuch ist die Natur: Die Sonne, der Frühling, die Schafe, der Regen, die Trockenheit, die Blumen und die Vögel! – Das Kreuz, die Kirchen, das Läuten! –

 

Weißt du von jenem Einsiedler, der nicht lesen konnte und dennoch täglich am Morgen und am Abend aus einem Buch eifrig betrachtete, es waren vier Blätter darin, ein weißes, das bedeutete ihm die Unschuld, ihren Wert und ihren Verlust; ein rotes, das bedeutete ihm die roten glühenden Flammen der Hölle; ein schwarzes, das mahnte ihn an den Tod und seine Schrecken und ein gelbes, das bedeutete ihm die goldene Krone der ewigen Herrlichkeit!

 

Das, liebe Christen, ist die Tugend der Betrachtung, deren Sinnbild die Alpenrose ist. Das ist die Tugend der Betrachtung, die so notwendig, so schön und so leicht ist. Liebt sie daher und fasst heute den festen Vorsatz, von nun an nicht mehr so gedankenlos, zerstreut und irdisch gesinnt in den Tag hinein zu leben, sondern den Blick eures Herzens zum Himmel gerichtet beständig euer ewiges Heil und eure Bestimmung im Auge zu haben. Dieser Vorsatz aber, liebe Christen, er sei die Alpenrose, mit der ihr jetzt das Gnadenbild dort ziert:

 

Nimm hin, Maria, diese Alpenrose,

Nimm sie, o Mutter der Barmherzigkeit,

Dir und dem Kind in deinem Mutterschoße

Sei diese Blume liebevoll geweiht! –

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XVIII. Maiandacht - Aster

 

Gestern holten wir uns eine Blume herab vom Gebirge, von den Hügeln der Berge, heute, liebe Christen, suchen wir wieder eine und zwar auf den Grabeshügeln, die Aster.

 

Die Aster oder auch Sternblume genannt, ist eine schöne Blume, mit einem großen, gelben Samenkern, um den sich viele kleine, blaurote oder lila Blättlein reihen. Sie hat keinen Geruch und ist eine Herbstblume, blüht fort bis in den November, denn die Winterskälte schadet ihr nicht, darum wird sie an Allerseelen auch häufig für Totenkränze gebraucht und dient überhaupt zum Schmuck der Gräber. –

 

Diese geruchlose Herbstblume, diese trauerfarbige Totenblume ist das Sinnbild der Vergänglichkeit und ich möchte, dass auf allen Wegen und Straßen, die ihr zieht, liebe Christen, rings um euch herum lauter Astern blühen würden, um euch beständig an die Eitelkeit alles Irdischen zu erinnern. Sie rufen euch zu: Alles vergeht! Wir blühen im Herbst. Auch für euch vergeht der Frühling dieses Lebens und es kommt die herbstliche Zeit der Ernte, der Rechenschaft im Tal Josaphat! – Wir blühen auf den Gräbern, und auch für euch kommt die letzte Stunde und der Tod naht sich euch. Alles vergeht, rufen sie, die Freude und die Liebe.

 

In diesem Leben, sagt der heilige Augustin, gibt es keine wahren Freuden, denn es gibt nur zweierlei: sündhafte Freuden und erlaubte Freuden, die ersten aber sind falsch, die zweiten haben keine Dauer, mithin gibt es keine wahren Freuden. Und darum, liebe Christen, hat die heilige Kirche Recht, wenn sie in einem ihrer herrlichsten Gebete spricht: Lass unsere Herzen mitten unter dem Wechsel der irdischen Dinge an dem festhalten, wo allein wahre Freuden sind, am Himmel! – Einmal verfluchte eine Frau zu Antiochia ihre Kinder und die Kinder fingen an zu zittern und zu beben und starben alle dahin. Das war ein menschlicher Fluch, der Fluch einer irdischen Mutter. Jetzt aber, Christen hört, jetzt vernehmt den Fluch aus göttlichem Mund, einen Fluch des allmächtigen Gottes: Verflucht sei die Erde, nur Disteln und Dornen soll sie tragen, und ihr, und ihr, ihr wollt lauter Rosen haben, Rosen der Freude von der verfluchten Erde, die euer Gefängnis, euer Verbannungsort, eure Prüfungszeit ist. War nicht selbst eure erste Stimme das Weinen, der deutlichste Beweis, dass ihr ein Tränental betreten habt. Nein, nein auf Erden gibt es keine wahren Freuden! Der ist der größte Tor, der in der Welt die Freude sucht, sagt der heilige Petrus von Alkantara, er ist ein Narr, der von einem Bettler tausend Goldstücke leihen, oder vom Teufel Barmherzigkeit sich erbitten will. Die Freuden dieser Welt sind Sodomsäpfel, die außen schön und reizend, innen verfault und voll Würmer sind, sie sind Träume, die Reichtum, Schönheit und Ehre vormalen und beim Erwachen dem Menschen nichts übrig lassen, als den Schmerz nichts zu haben. Nichts will ich sagen von den sündhaften Freuden der Welt, das kennt ihr doch, dass sie keine wahren sind. Betrachte das unerlaubte Verhältnis, wie sich beide fürchten müssen, wie sie sich schämen, wenn ein Priester ihnen begegnet oder ihre Eltern und Verwandten sie sehen, wie sie in beständiger Unruhe sind und wie viele bange Stunden sie haben, wie viele Lügen sie erdenken, wie viele Schleichwege sie ersinnen, wie viel sie äußerlich heucheln müssen, wie weh ihnen oft in der Predigt wird, wie unendlich drückend und schwer ihnen das Beichten ankommt, weil sie wissen, dass alles umsonst ist, nur ein neuer Grund zu ihrem Verderben, diese bitteren Gewissensbisse, sind das Freuden, nein, ruft jenes gefallene Mädchen und weint; nein, ruft jener Mensch, der seine Unschuld verloren hat; nein, ruft jene verführte Person am Sterbebett, nein, nein, nein rufen tausend und abertausend aus der Hölle, die um solcher Freuden willen jetzt ewig brennen! – Also hinweg, liebe Christen, von diesen sündhaften Freuden zu den erlaubten, die der barmherzige Gott wie Tautröpflein hier und da unserer armen Seele spendet, damit sie nicht gänzlich verschmachtet. Und auch sie, liebe Christen, auch sie sind keine wahren Freuden, weil sie nicht dauern! – Denkt euch einen Vater, der im Gefängnis sitzt, angefesselt mit einer schweren, eisernen Kette. Freudenlos fließt sein Leben dahin, kein Lächeln kommt über seine Lippen und Gram und Kummer nagen an seinem Herzen. Da bekommt er einen Brief, einen Brief von seinem geliebten Sohn, voll Teilnahme, voll Mitleid, voll kindlicher Liebe! Welch ein freudiger Augenblick, er liest und liest wieder. Er weint und die Tränen fallen über seinen Bart, er lässt den Brief nicht mehr aus den Händen, er hebt ihn in die Höhe, führt ihn zum Mund, will ihn küssen. Da klirren die Fesseln, da rasseln die Ketten, und – alle Freude ist dahin. – Ich bin gefangen, kann nicht fort, nicht zu meinem Kind. – Es verfließen Tage, Wochen, Jahre der Trauer, des Elends und des Unglücks. Da öffnet sich die Tür und herein tritt die Frau und die Kinder des Gefangenen, die er seit zehn Jahren nicht mehr gesehen hatte. Welch eine Wonne des Wiedersehens und welch eine Freude, welcher Jubel, welche Seligkeit, die Freudentränen, die da fließen, es verfliegt die Zeit wie ein Augenblick, es vergehen die Stunden wie Minuten, doch welch ein Lärmen, der Gefängniswärter ruft: die Zeit ist um – und die Herzen müssen sich trennen! –

 

Seht, liebe Christen, hier im Bild die menschlichen Freuden, ihre kurze Dauer, ihrem ewigen Wechsel, kaum blüht dir eine Freude, so kommt das Leid, wie eine eiserne Kette und ruft dir zu: Du bist in einem Gefängnis, in der Verbannung, du musst büßen. Die Welt ist ein Tränental, das deine Sünden dornenvoll gemacht hat. Kaum fühlst du dich glücklich, so kommt der Tod, und nimmt dich oder eins von den deinen und ruft: Nimm Abschied, die Zeit ist um! Betrachte die Muttergottes, das heiligste Geschöpf, das je auf der Erde gelebt hat, wäre sie nicht würdig gewesen, kein Leid auf Erden zu erfahren? Sie freut sich an der Wiege des Erlösers, aber bald folgt die Flucht vor Herodes, die Flucht nach Ägypten, der Aufenthalt in jenem fremden Land! Sie freut sich an ihrem Kind, dem Jungen Jesus, aber bald folgen sein schmerzlicher Verlust und das dreitägige Suchen. Sie freut sich an den Lehren und Wundern ihres Sohnes, aber bald folgt seine Verurteilung, seine Geißelung und sein blutiger Tod! – Nicht spotten will ich euer, liebe Christen, sondern im Ernst, im bitteren Ernst meiner Seele frage ich euch, wie viele wahrhaft gute, freudige Stunden habt ihr schon gehabt? Sind nicht auf eine Freude hundert Leiden und bittere Stunden gefolgt, dürft ihr nicht immer bangen, wenn euch ein froher Augenblick zu Teil wird, weil ihr wisst, dass ihm tausend bittere folgen? – Ja, ja denn die Welt hat keine wahren Freuden, habt ihr denn je von einem Feld, auf dem ihr Gerste gesät, Weizen geerntet? So kann die verfluchte Erde keinen Segen euch spenden und ein Tränental keine Freude euch geben, keine wahre, bleibende, denn die Freude vergeht, aber auch die Liebe vergeht, das ist der zweite Ruf der Aster.

 

Ich rede hier nicht von jener Liebe, die man eher teuflischen Hass, als Liebe nennen soll, von jener sündhaften, unreinen Liebe der Leidenschaft, die Eckel, Überdruss, Eifersucht, Untreue und Entfernung auslösen kann und darum gar keine Liebe ist, die der heilige Augustin und die heilige Margarita von Cortona bis zum Tod mit bitteren Tränen beweinten; von dieser Liebe rede ich nicht, nur von jener Liebe, die Gott geheiligt, die Kirche gesegnet und die Religion erlaubt, die eheliche Liebe, die kindliche Liebe und die heilige Freundschaft. Und auch diese Bande brechen, sie vergeht diese Liebe. So hat es auch die Heilige der Heiligen erfahren, um wieviel mehr ihr! Neun Jahre waren es, dass die heilige Jungfrau Maria im Tempel lebte, als die erste dunkle Wolke den heiteren Himmel ihres Lebens trübte, ihr teurer Vater Joachim starb. Sie bat wohl für sein Leben, aber Gott wollte nach und nach alle irdischen Bande seiner auserwählten Braut lösen, auf dass sie auf Erden keine andere Stütze mehr habe, als die seinige. Zum ersten Mal war sie an der Schwelle ihrer Jugend in die Schule der Leiden eingegangen; sie weinte, denn ihre Seele war, wie die ihres göttlichen Sohnes, nicht unempfindlich; aber sie nahm den bitteren Kelch ergeben an, in den bald darauf frische Tränen über den Tod ihrer guten Mutter Anna flossen. Einige zwanzig Jahre darauf saß Maria am Sterbelager ihres Bräutigams Josef, der mit so rührender Liebe der schützende Engel ihres Lebens gewesen war; sie weinte an seinem Grab und sah ihn auf Erden nicht mehr. – Bald darauf stand sie unter dem Kreuz ihres geliebten Kindes und sein letztes Blut floss auf ihr Haupt und sein letzter Blick traf ihr Mutterherz. Nun schaut hinüber nach Ephesus, dort verlor Maria, die treue Gefährtin, die liebende Freundin, die heilige Maria Magdalena, die gleich der Ruth ihr Vaterland und ihr Volk verlassen hat und ihr übers Meer gefolgt war und Maria beweinte sie, wie Jesus den Lazarus beweint hatte! –

 

So, liebe Christen, nimmt der Herr auch uns nach und nach alle Herzen, die wir lieben, um uns die große Wahrheit einzuprägen, dass es nur eine Freude gibt, die wahr ist, die himmlische Freude und nur eine Liebe, die nicht vergeht, die Liebe zu Jesus. Reiße daher, o allerseligste Jungfrau Maria, unsere Herzen los von den vergänglichen Freuden und flöße uns eine Liebe ein, von der der heilige Augustin sagt: Willst du eine ewige Liebe, liebe den Ewigen! – Amen.

 

Es endet Alles

Schnell und früh; -

Die Ewigkeit,

Sie endet nie!

 

Drum reißt die Herzen

Los von der Welt,

Weil ihre Liebe

Nur täuscht und quält;

 

Und blickt nach Oben,

Weil kurz die Frist,

Die uns zum Leben,

Gegeben ist.

 

Um dies, Maria,

Das Herz nur fleht,

Stets zu bedenken:

Die Welt vergeht! –

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XIX. Maiandacht - Myrte

 

Ihr seid gestern, liebe Christen, ermuntert worden, eure Herzen von irdischer Liebe loszureißen, die so vergänglich ist und es einem Herzen zu weihen, dessen Liebe ewig dauert und nie vergeht. Heute nun wollen wir diese Verbindung, diese Herzensvereinigung feiern durch die Betrachtung jener Blume, die das Sinnbild des bräutlichen Verhältnisses ist, der Myrte. Ein Blümchen zart und schön mit grünen Blättchen fast wie der Buchs und ganz kleinen, schneeig weißen Knöpfchen und Röslein, womit die Braut am Tag der Hochzeit ihre Haare und ihr Kleid schmückt.

 

Das Herz der allerseligsten Jungfrau Maria gleicht einer Myrte, denn in dreifacher Hinsicht ist sie eine Braut.

 

Sie ist eine Braut des Heiligen Geistes, der sie von Ewigkeit als reinstes Gefäß seiner Gnade vor jeder Makel bewahrte, in göttlicher Liebe sich mit ihr verband: Mit ewiger Liebe liebte ich Dich! – sie überschattete, denn: was in ihr lebt, sprach der Engel, ist gebildet vom Heiligen Geist, der am Pfingstfest die Liebe mit ihr erneuerte, bis sie nach dem Kampf dieser Erde im Himmel nun ewig in seiner Liebe ruht. Darum nennt sie auch der heilige Thomas: das auserwählte Gefäß der Liebe des Heiligen Geistes und der heilige Bernhard sagt: Es gefällt dem Vater, der, der die Tochter liebt, es gefällt dem Sohn, der, der die Mutter liebt, es gefällt dem Bräutigam, der, der die Braut liebt. Verehre also Maria, so wirst du dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist gefallen.

 

Sie ist eine Braut des heiligen Josef. Es war Gottes Wille, dass sie ihre Hand einem Gerechten reichen sollte, der Zeugnis geben konnte von der Reinheit ihres Lebens. Ein gerechter Mann, der sie und ihren Sohn in der Stunde des Unglücks in seinen Schutz nehmen konnte. Josef, ein schon bejahrter Mann, ein Mann aus dem Volk, der immer unvermählt gelebt hatte, sein Brot im Schweiß seines Angesichtes sich erwarb, der Zimmermann von Nazareth, war der Bräutigam Mariens. Sich ihm zu verloben, stand sie keinen Augenblick an, denn durch göttliche Offenbarung erleuchtet, wie der heilige Ambrosius sagt, erkannte sie, dass dieser gerechte Mann nur für sie ein Beschützer, ein Vater, ein Hüter ihrer Keuschheit sein werde. Was wollte sie mehr, der Herr hatte sie erhört, er gewährte ihr die Erfüllung ihres Gelübdes jungfräulicher Reinigkeit. – Wenn Gott den demütigen Josef zum Bräutigam der Königin der Engel, zum Pflegevater des Messias erwählte, so geschah es, weil er Schätze der Gnade und Heiligkeit besaß, um die ihn himmlische Geister beneiden konnten. So geschah es, weil seine Tugenden ihn zum Ersten seines Volkes erhoben hatten und er höher angeschrieben stand im Buch des Lebens, als der größten Fürsten einer. – Die heilige Jungfrau wurde nicht dem Mächtigsten, sondern dem Würdigsten angetraut. – Die Verlobung geschah nach der Sitte der Hebräer auf eine würdige Weise. Josef reichte Maria, die den Brautkranz von Rosen und Myrten auf ihrem Haupt trug, in Gegenwart der Zeugen eine Münze und einen Ring und sprach: Nimm dies als Pfand, fügte aber hinzu: Du sollst mir sein wie meine Mutter und ich will dich ehren als wie den Altar Gottes. Von nun an waren sie vor Gott und dem Gesetz wie Bruder und Schwester, obgleich ihre Verbindung förmlich anerkannt blieb. – O heiliger Josef, ruft Bernhardin von Siena aus, o wie verehre ich dich! Dass doch du meine Seele wärest und Maria die Braut meiner Seele! – Der Wunsch dieses Heiligen, liebe Christen, ist erfüllt, denn Maria ist die Braut jeder Seele, die sie liebt. – Ich liebe, die mich lieben, lässt sie der Heilige Geist sagen. Und der heilige Bernhard sagt: der Kalvarienberg ist die Kirche, der heilige Johannes und in ihm die ganze Menschheit ist der Bräutigam, Maria ist die Braut, die Zeit der Vermählung die letzten Augenblicke des Erlösers. Der Priester, der den Bund segnet, ist Jesus Christus, der die Braut mit den Worten: Sieh, hier dein Sohn, um ihr Jawort fragt. Mariens Herz antwortet gottergeben: Mir geschehe nach deinem Willen und das Blut des Herrn besiegelt und bestärkt auf immer dies Band der Liebe, dass keine irdische Macht es mehr zerreißen kann. – Seitdem ist die Liebe des Herzens Mariens glühender, als selbst das Feuer, stärker als der Tod, unbesiegbarer als selbst die Hölle und kostbarer als alle Reichtümer der Welt. – Maria will von uns armen Menschen geliebt werden, es ist ihr Wunsch, ihr Willen, nicht ihretwegen, denn sie bedarf unserer Liebe nicht; nicht um ihrer selbst willen, denn sie ist und bleibt auch ohne unsere Liebe die Königin der ewigen Herrlichkeit. – Sie will unsere Braut sein unsertwegen, weil die Liebe zu ihr uns zur Seligkeit verhilft, weil wir nur durch Maria zu Jesus kommen, weil wir ohne sie zu lieben, nicht in den Himmel gelangen.

 

Die heilige Kirche hat seit dem 16. Jahrhundert ein eigenes Fest angeordnet zur Erinnerung an die Vermählung Mariens mit dem heiligen Josef, das jedes Jahr am 22. Januar gefeiert wird. – Und wann, liebe Christen, wird unsere Verlobung mit Maria gefeiert? – In diesem schönen Monat Mai, heute in dieser Maiandacht! – Was einst in Jerusalem geschah, soll heute in dieser Kirche stattfinden. Statt des heiligen Josef stehen unsere Seelen schüchtern und bittend vor dem Mutterherzen Mariens, das einer Myrte gleich, bräutlich liebend uns entgegenkommt. Unser Priester ist der Herr und wenn er uns, wie einst den Petrus um seine Liebe drei Mal fragt: Liebst du Maria, so antworten wir darauf: Du weißt es ja, o Herr, dass ich deine Mutter liebe! Wenn wir das Ave Maria täglich am Morgen und am Abend dreimal zur Erinnerung an das dreimalige Ja unserer Verlobung mit Maria beten, so werden wir eine Übung verrichten, die uns die heiligen Väter aufs Dringendste anempfehlen. Wer dieses Gebet gewissenhaft verrichtet, sagt der heilige Alphons, wird in den Versuchungen gegen die heilige Reinigkeit immer standhaft und siegreich bleiben. Josef gab Maria einen Ring und eine Münze. Wie die Muttergottes bei unserer Geburt einen Ring von Gnaden um uns zieht, aus dem wir nur mit unserem Tod treten, so weihen wir ihr den Ring vom Gold der reinsten und edelsten Liebe, treuer beharrlicher Liebe wie der Ring rund ist ohne Anfang, ohne Ende. – Und eine Münze, indem wir ihr zu Ehren eine Medaille tragen, die durch den Segen der heiligen Kirche geweiht ist, uns immer an das bräutliche Verhältnis unserer Seele mit Maria erinnern soll, von dem die Myrte das Sinnbild ist. Amen.

 

Die Myrte spricht zur christlich frommen Seele:

Willst du hienieden immer glücklich sein,

Dann mit Maria dich im Geist vermähle

Mit ihr geh einen Bund der Liebe ein! –

Gib ihr den Ring als deiner Treue Zeichen,

Trag auf der Brust ihr engelreines Bild,

Dann wird sie hier der Liebe Hand dir reichen,

Und dort ihr Herz im himmlischen Gefild!

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XX. Maiandacht - Kaiserkrone

 

Es gibt eine Blume, die unsere Gärten wunderbar ziert, sie heißt Kaiserkrone. Fünf prachtvolle Glocken in goldgelber Farbe, mit weißen Tupfen wie mit Edelsteinen besetzt, hängen von der Spitze eines 2 bis 3 Fuß hohen Stängels herab und bilden gleichsam eine kaiserliche Krone.

 

Wenn wir nun, liebe Christen, diese Blume wie gewöhnlich auf Maria beziehen, so können wir nicht lange verlegen sein, was sie uns sinnbildet. Nichts anderes, als die Herrlichkeit Mariens! –

 

Der Heilige Vater, das sichtbare Oberhaupt unserer Kirche, trug eine dreifache Krone und dreifach, liebe Christen, ist auch die Krone Mariens. Auf ihrem Haupt glänzt die Krone der Glorie über alle Heiligen, die Krone des Schutzes über alle Menschen und die Krone der Macht über alle höllischen Mächte! –

 

Und wie die Blume, die das Sinnbild der Herrlichkeit Mariens ist, fünf goldgelbe Glocken trägt, wie die Krone des Königs Alphons von Kastilien mit fünf Edelsteinen geschmückt war von unermesslichem Wert, so strahlen in der Ehrenkrone Mariens fünf Herrlichkeiten, die bewirken, dass es außer Maria nichts Höheres, Herrlicheres, Vollkommeneres gibt, als das göttliche Wesen selbst! –

 

Die erste Herrlichkeit ist: ihre unbefleckte Empfängnis, denn zu ihr sprach gleichsam Gott, wie Ahasverus zu Esther: Dies Gesetz, das jedermann halten muss, ist nicht für dich gemacht! –

 

Die zweite Herrlichkeit ist: dass sie einen Gott geboren hat, denn in ihr ist das Wort Fleisch geworden, das Wort, von dem Johannes spricht: Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort! –

 

Die dritte Herrlichkeit ist: dass sie trotz ihrer Mutterschaft dennoch Jungfrau geblieben ist, wie Jesaja schon tausend Jahre zuvor prophezeite: Siehe, eine Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären.

 

Die vierte Herrlichkeit ist: dass ihr ein Gott gehorcht und tut, was sie haben will, denn hört die Worte der Heiligen Schrift: Und er zog mit ihnen nach Nazareth und war ihnen untertan.

 

Die fünfte Herrlichkeit schließlich ist: dass sie Mutter aller Menschen ist, Mittlerin zwischen Gott und den Geschöpfen und allmächtig durch die Kraft ihrer Fürbitte, wie Gott durch die Natur seines Wesens, so dass der heilige Athanasius Maria begeistert die Allmacht auf den Knien nennt.

 

Nimm nun diese Perlen der Wunder, nimm diese Edelsteine der Gnade und füge sie zu einer Krone und sage mir, ob nicht der heilige Peter Damian recht hat, wenn er ruft: Wie kein bloßes Auge in das Feuer der Mittagssonne schauen kann, ohne zu erblinden, so kann kein menschlicher Verstand erfassen, keine menschliche Zunge aussprechen und kein menschliches Herz genügend fühlen die unaussprechliche, unermessliche Größe der Herrlichkeit Mariens, jener Jungfrau, die sagen konnte: der mich erschaffen hat, der hat geruht in meinem Schoß!, jener Jungfrau, die Mutter Gottes ist, also ein Abgrund von Gnaden, ein Meer von Herrlichkeit, eine Welt von göttlichen Reichtümern, also alles, was der Gedanke des Engels, was der Gedanke des Menschen als das Größte, als das Schönste, als das Heiligste, als das Vollkommenste nach Gott fassen kann.

 

Dieser Titel: „Muttergottes“ allein rechtfertigt also, heiligt also alle Gefühle der Liebe, alle Empfindungen der Dankbarkeit, alle Erhebungen der Seele, alle Eingebungen der Zärtlichkeit, alle Tempel Maria erbaut, alle Altäre Maria geweiht, alle Lieder Maria gesungen, alle Gebete zu Maria gebetet, weil alles, was man Maria tut, nichts ist im Vergleich mit der Unendlichkeit ihrer Mutterwürde, weil, wie der heilige Alphons sagt, man in der Liebe zu Maria nie zu viel tun kann.

 

Es gibt zwei Wunder der göttlichen Allmacht, die weder besser noch größer sein könnten, sagt der Fürst der Gottesgelehrten, der heilige Thomas. Diese so großen, so unbegreiflichen, so göttlich unaussprechlichen Wunder sind: Die Menschwerdung Jesu Christi und die göttliche Mutterschaft Mariens.

 

Und diese Wunder sind in und durch die heiligste Jungfrau vollendet worden. Und wisst ihr, in welch feierlichem Augenblick diese Wunder der Allmacht aus den Abgründen der ewigen Barmherzigkeit gekommen sind? Wisst ihr, welches das Wort ist, das sie hervorgebracht hat? Wisst ihr, welcher Mund dieses Wort ausgesprochen hat? – Denkt zurück an den Tag den schönsten, den je die Sonne beschieden, wo ein Erzengel vom Himmel herabkam und die Jungfrau von Israel in Kenntnis setzte, dass sie zur Mutter Gottes berufen sei.

 

Unterworfen dem höchsten Willen, öffnet Maria ihren Mund und spricht, während Gott und seine Engel sie mit Liebe betrachten, einige Worte aus, durch die und mit denen sie die Welt der Gnade und der Herrlichkeit erschafft: Es geschehe mir, wie du gesagt! –

 

In diesem höchsten Augenblick wird das Wort Fleisch und wird eine Jungfrau Mutter Gottes!

So, liebe Christen, und ich bitte euch, recht darüber nachzudenken, sind die zwei Meisterwerke, die nach dem heiligen Thomas Gott selbst weder größer noch besser machen könnte, im jungfräulichen Schoß Mariens durch ein aus ihrem Mund gegangenes Wort vollbracht worden, so wurde ihre Herrlichkeit größer, als die aller erschaffenen Wesen, so setzten ihr die Engel die Kaiserkrone des Ruhmes und der Ehre auf ihr Haupt. Und der heilige Bonaventura hat Recht, wenn er ruft: die menschliche Weisheit spreche mir nicht mehr vom Nichts ihrer Größe, sie entweihe nicht mehr die Sprache des Lobes und der Verwunderung, um von den Werken des menschlichen Stolzes zu erzählen, sie höre auf, irdische Größe verehrt wissen zu wollen. Sie erkenne endlich, durch das Licht der Gnade erleuchtet, dass jede erschaffene Größe vor der Herrlichkeit unserer lieben Frau nur Staub ist! –

 

Das, liebe Christen, ist die Herrlichkeit zu der sie Gott, zu der sie der Himmel berufen hat. Fasst nun auch jene andere Herrlichkeit ins Auge, die ihr die Menschen, die ihr die Welt verleiht, die Maria, die Königin der Propheten, selbst mit jenen Worten voraussagte: Von nun an werden mich selig preisen alle Geschlechter! –

 

Wer ist die, die die Könige und Völker, die Großen und die Kleinen, der Arme und der Reiche, ja selbst das Kind als die Königin der Welt anruft und als die Mutter Gottes begrüßt? –

 

Wer ist die, die der Soldat anruft, wenn es in die Schlacht geht und der Schiffer, wenn der Sturm sich erhebt und der Landmann, wenn er sein Land bebaut und der Kranke auf seinem Lager und der Sterbende in den letzten Zügen?

 

Wer ist die, die die Apostel Jesu Christi verehrten, die ersten Christen anriefen, die heiligen Kirchenversammlungen lobpriesen und der alle Menschen aller Jahrhunderte bis auf diese Stunde ergeben waren?

 

Wer ist die, die der Ägypter am Meer und der Bewohner der Hudsonbai und der Eingeborene am Huronenfluss und der Chinese auf den Trümmern seiner Pagode und der Tartar in seinen öden Steppen und der Einwohner Kamtschatkas im Norden des Eismeers verehrt und anruft? –

 

Es ist Maria, die Freude aller katholischen Herzen, der Trost aller christlichen Seelen, Maria, deren Ehre unermesslich, deren Ruhm unaussprechlich, deren Herrlichkeit unendlich ist. Maria, deren Verehrung von den Bergen Judäas ausgehend wie ein Fluss vergrößert, verbreitet und bis zur Stunde angewachsen ist zu einem Strom, zu einem Meer, zu einem Ozean, der die ganze bewohnte Welt umflutet! –

 

Voll Erstaunen über diese namenlose Herrlichkeit Mariens, liebe Christen, werdet ihr vielleicht fragen wollen: Aber was sollen, was können wir tun, um zur Vergrößerung der Ehre Mariens beizutragen?

 

Ihr könnt das Reich Mariens durch ein Leben vergrößern, das ein Abglanz ihres Lebens wird, durch Tugenden, die der Wiederschein ihrer Tugenden sind.

 

Ahmt nach ihren Glauben, ihre Demut, ihre Reinheit, ihren Gehorsam und ihre Ergebung in Gottes Willen und ihr habt die fünf goldgelben Glocken der Kaiserkrone, seid geistigerweise diese Blume und habt die Ehre Mariens vermehrt!

 

O ja, liebe Christen, erfüllt die ganze Erde mit dem Preis und Lob der Himmelskönigin, vernichtet in euch das Reich der Sünde, um die Liebe Mariens zu gewinnen, stellt eure Herzen, euer Leben, euer Heil unter ihren mächtigen Schutz. Seht den Tag für verloren an, wo ihr nichts getan habt ihr zu Liebe. Verbreitet, so viel ihr könnt, bei euren Freunden, Verwandten und Bekannten, ihre Andacht und ihre Ehre. Lasst eure Wohnungen und die Kirchen von ihren Lobgesängen wiedertönen und fügt einen Ring zu der unendlichen Kette von Lob und Preis, die sie vor ihren Augen entstehen sah, als sie ausrief: Alle Geschlechter werden mich selig preisen. Amen.

 

Deine Herrlichkeit Maria

Deutet uns die Kaiserkrone,

Deine Macht bei deinem Sohne,

Deinen Glanz am Gottesthrone,

Heller als das Licht der Sonne,

Und des Paradieses Wonne,

Die der Herr dir gab zum Lohne.

 

Lass, o Mutter, deinen Diener

Durch ein wahrhaft frommes Leben

Deines Kleides Saum umweben,

Durch ein tugendhaftes Streben

Deine Herrlichkeit erheben,

Dann wird mir die Krone geben

Auch dein Sohn im ew’gen Leben.

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XXI. Maiandacht - Moos

 

Unter den vielen Blumen, die gewöhnlich das Muttergottesbild umgeben, wähle ich heute keine, und dennoch etwas, was die Natur uns spendet und den Altar frisch und grün umgibt, es ist das Moos, das Sinnbild der Nächstenliebe.

 

Wir dürfen einfach den Ausspruch des heiligen Apostels betrachten: wer Gott liebt, wird auch seinen Bruder lieben, um auf die Nächstenliebe Mariens zu schließen, in deren Herzen die Flamme der Gottesliebe so mächtig und glühend brannte. Sie eilt über das Gebirge. Warum? – Um die Freude ihres Herzens mitzuteilen ihrer Verwandten Elisabeth, damit auch sie sich erfreue. – Kaum sieht sie die Verlegenheit der Hochzeitsleute, als sie sich schon Mühe gibt, ihrer Not abzuhelfen. Und welch eine treue Freundin war sie dem heiligen Johannes, der heiligen Magdalena und wie stand sie der jung aufblühenden Kirche mit Rat und Tat bei und war ihre Stütze mit Aufopferung ihrer eigenen Ruhe! –

 

So sollen auch wir diesem erhabenen Beispiel folgen, eingedenk der Worte, die auch uns gelten: Daran werde ich euch erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr einander lieb habt.

 

Das Moos wächst gewöhnlich an den Wurzeln der Bäume und schützt und erwärmt sie gleichsam. Dadurch sinnbildet es auf treffliche Weise die Nächstenliebe. Diese Tugend übt sich in den geistlichen und leiblichen Werken der Barmherzigkeit, unterstützt mit Rat und Tat den Nächsten, weil es Gott so haben will, liebt alle Mitmenschen ohne Ausnahme, weil alle unsere Brüder und alle mit dem kostbaren Blut Jesu Christi erkauft sind, liebt selbst die Feinde nach dem Willen des göttlichen Heilandes, der vom Kreuz herab noch für sie gebetet hat. –

 

Am Fuß hoher Eichen wächst das Moos, so muss die Nächstenliebe an den Glauben sich anschließen oder vielmehr, es gibt ohne Glauben keine wahre Nächstenliebe. Treffend sagt darüber der große Fenelon, indem er uns an die Schöpfung des ersten Menschen erinnert: Von Erde gebildet lag der Mensch unbeweglich da. Da hauchte Gott in sein Antlitz den Odem des Lebens und alsbald erhob sich der Mensch zum lebenden Wesen. Das ist die natürliche Liebe in uns, bis der Hauch des Glaubens sie berührt. Aber angeweht von diesem himmlischen Odem wird die Liebe lebendig, wird sie echt und verdienstlich! – Ohne Glauben, sagt die Nachfolge Christi, wird deine Liebe Sinnlichkeit, weil natürliche Zuneigung, Eigenliebe, Hoffnung auf Vergeltung und der Hang zur Bequemlichkeit nicht selten ihren Anteil daran haben. Nur durch den Glauben wird die Liebe ein Magnet, der die Herzen aller an sich zieht, wird die Liebe eine Sonne, die alle ohne Ausnahme bescheint, wird die Liebe ein Gold, das keine Schlacken, keinen Beisatz hat.

 

Das Moos bleibt auch im Winter grün. Wir müssen unsere Nächsten immer lieben, aber besonders soll sich diese Liebe offenbaren in der Stunde des Unglücks und der Not. Das Elend ist der Prüfstein der Liebe. Wenn sie da ausharrt, ist sie echt und wahr. Der große Kirchenvater Basilius hatte einen Freund, der in den Kerker geworfen wurde. Basilius, wie der heilige Chrysostomus von ihm berichtet, wendete alles an, was er vermochte, um in diesen Kerker zu gelangen, wo er seinem leidenden Freund beistand, obgleich er durch diesen Schritt in gleiche Gefahr des Lebens geriet. Als nun andere Freunde ihm die heftigsten Vorwürfe darüber machten, dass er sein Leben und Blut so verschwenderisch aufs Spiel setze, antwortete Basilius ihnen: Auf andere Weise habe ich nicht lieben gelernt! – Wenn wir daher wahre Christen sein wollen, so müssen wir das Kennzeichen des Christentums haben, die Nächstenliebe, die sich im Unglück am besten beweist, denn einem Reichen, einem Glücklichen, einem Angesehenen ergeben zu sein, ist nicht schwer, aber der Freund der Armen und Dürftigen, der Betrübten und Kranken, der Verlassenen zu sein, das allein ist eine Tugend, die uns Jesus und Maria ähnlich macht und wahren Wert vor den Augen Gottes hat. – Auch der Winter des Undankes soll unsere Nächstenliebe nicht töten. Wenn auch unsere Liebe nicht vergolten, unsere Gaben missbraucht, unsere Wohltaten mit Undank belohnt, unsere gute Absicht verkannt und zurückgestoßen wird – es macht nichts – wir haben es Gott zu Liebe getan, der gelehrt hat, dass wir ohne Nächstenliebe nicht selig werden können.

 

Das Moos soll ursprünglich, wie uns eine liebliche Legende erzählt, grau gewesen sein. Erst als der Leichnam Jesu vom Kreuz abgenommen und in den Schoß Mariens gelegt wurde und die letzten Tropfen Blutes aus den Wunden Jesu auf das Moos träufelten, das zu den Füßen der Schmerzensmutter sich befand, soll es grün geworden sein und seitdem ist das Moos grün zum Symbol der alles belebenden Kraft des kostbaren Blutes Christi. – Seitdem Christus am Kreuz für uns starb, ist die Nächstenliebe grün, d.h. sie gibt uns Hoffnung auf ewige Belohnung, sie ist hoffnungsgrün und verdienstlich. Der göttliche Heiland hat gesagt: Was ihr immer einem der geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan! Ich war nackt und ihr habt mich bekleidet, ich war krank und ihr habt mich besucht, ich war hungrig und ihr habt mich gespeist, wahrlich euer Lohn wird groß sein im Himmelreich. – O wie gerne sollen wir daher die Nächstenliebe üben, die der heilige Franziskus den Schlüssel zum Paradies nennt. – Im Leben der heiligen Katharina von Siena kommt vor, dass eine edle Frau einst zwei Bettlern begegnete. Da sie gerade nichts bei sich hatte, gab sie ihnen ihren silbernen Gürtel vom Leib. Die Armen sagten: Dank, liebe Frau, wir werden nicht versäumen am Tage des Gerichtes mit diesem Gürtel euch von der linken Seite auf die rechte zu ziehen. – Dies ist ein prophetisches Wort, das sich bei jedem Werk der christlichen Liebe erfüllt. Gott lässt nichts unbelohnt. Er vergilt einen Trunk Wasser in Liebe gereicht mit dem Himmel. – Die Nächstenliebe, sagt der heilige Augustin, ist das Siegel der Vorherbestimmung, unserer Auserwählung und der heilige Vincenz von Paul spricht: Ich kann mich nie erinnern, dass einer eines bösen Todes gestorben sei, der sich in Werken der Nächstenliebe geübt hat. – Kann es noch stärkere Beweggründe geben, diese Tugend zu lieben, als diese, ein guter Tod, die Seligkeit, der Himmel? –

 

Darum, o allerseligste Jungfrau Maria, die du auch in dieser Tugend unser herrlichstes Muster und Vorbild bist, gib uns ein Herz, das alle Menschen mit gleicher Liebe umschließt, das aber besonders mit dem Betrübten weint, den Unglücklichen tröstet und den Armen unterstützt, damit uns dein göttlicher Sohn am Tag des Gerichts als seine wahren Jünger erkennt und zu uns spricht: Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen. Amen.

 

Erfüllten meine Triebe

Gleich Dir die Nächstenliebe,

Maria, warm und groß,

Glich ich dem grünen Moos,

Das frisch den Wald durchblitzet,

Der Bäume Wurzeln schützet,

Sie weich bedeckt und mild,

Der Nächstenliebe Bild!

Lass meine Seel ihm gleichen,

Dem Nächsten liebend reichen

Zur Hilfe Hand und Herz

In Freude wie in Schmerz.

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XXII. Maiandacht - Totenblume

 

Als die Ärzte dem Kaiser Rodolph von Habsburg sagten, dass er dem Tod nahe sei, sprach er: Wohlan denn, nach Speier! – Dort war das gewöhnliche Begräbnis der deutschen Kaiser. Zwischen zwei Geistlichen ritt der sterbende Greis heiter zu seinem Grab. Vom ganzen Land an beiden Ufern des Rheins eilte das Volk an die Straße herbei, noch einmal zu sehen ihn, der so sehr geliebt und geehrt war. Auf dieser Reise starb Rudolph zu Germersheim am 15. Juli 1291. Auch wir, liebe Christen, eilen mit jeder Stunde, mit jedem Augenblick unaufhaltsam dem Tod entgegen, denn was ist unser Leben anders, sagt der heilige Augustin, als ein Lauf zum Tod und zwar ein fortwährender! – O möchten wir auch so ruhig, heiter und gefasst dem Tod entgegengehen. Um dies zu können, lasst uns den Tod betrachten und zwar in seinem Bild der Totenblume. Dies ist eine einfache, gelbe Blume mit einem hohlen Stängel, der Milch enthält, wächst fast wie ein Unkraut und ist besonders auf den Gräbern zu treffen, weshalb sie für das Sinnbild des Todes genommen wird.

 

Die Totenblume mahnt an den Tod Mariens! – Wenn nach einem schönen Frühlingstag die Sonne untergeht und ihre Strahlen das Land nicht mehr erleuchten und ihre Gluten die Erde nicht mehr erwärmen, wenn sie hinabsinkt, alles ruhig wird und still, so ergreift ein wehmütiges Gefühl das Herz und man wird traurig gestimmt. – Doch was ist gegen den Untergang der irdischen Sonne das Scheiden jener, die der heilige Ephrem die Sonne des Lebens nennt, gegen das Scheiden Mariens! – Nach ihrer Rückkehr aus Griechenland zog sich Maria in Jerusalem auf den Berg Sion zurück unfern dem verfallenen Palast der Fürsten ihres Geschlechtes, in das Haus, das durch die Sendung des heiligen Geistes geheiligt war. Hier erwartete sie ihre letzte Stunde. Alle Apostel, Jünger und Frauen, die ganze Gemeinde drängte sich um ihr Sterbebett. Der heilige Jakobus, der ernste und strenge Mann, suchte vergebens die Tränen zurückzudrängen. Der heilige Petrus, der den Sohn Gottes im Leben so geliebt hatte, weinte laut vor Schmerz. Der heilige Johannes barg sein Gesicht in seinen Mantel und schluchzte still. In der ganzen Versammlung war kein Auge, das nicht feucht, kein Herz, das nicht gebrochen gewesen wäre. Da richtete Maria zum letzten Mal den Blick auf ihre Lieben, die alle eins waren in der Liebe Christi und bald alle ihre Liebe mit ihrem Blut und Martertum besiegeln sollten und segnete sie, indem sie sprach, dass sie jetzt eingehen werde in das himmlische Jerusalem, um mehr für sie tun zu können, denn wenn sie auch scheide von ihnen, werde sie doch ihrer im Himmel nicht vergessen. Wenn der heilige Stephanus vor seinem Tod den Himmel offen gesehen und der heilige Johannes das Paradies geschaut hat, wird wohl Maria nicht, sie die Königin aller Heiligen, den Himmel sich öffnen und den Thron ihres Sohnes gesehen haben? Ja, Jesus Christus selbst kam sie abzuholen, sagt der heilige Hieronymus, und die Engel und Heiligen jubelten und sangen ihr entgegen. Welch ein schöner Tod! –

 

Die Totenblume mahnt uns an den Tod der Unsrigen. So groß auch der Kreis unserer Lieben immer sein mag, er wird mit jedem Jahr kleiner, denn der Tod mäht unerbittlich in seinen Reihen. Was Maria bei Tod ihrer teuren Eltern, beim Tod ihres geliebten Sohnes empfunden hat, diesen Schmerz müssen wir alle empfinden und haben ihn größtenteils schon gefühlt, denn ein Blick auf den Gottesacker ruft uns laut ins Gedächtnis, dass der Tod alle Bande zerreiße. Liegen nicht auf den Gräbern unendlich viel zerrissene Bande, das Band der ehelichen und kindlichen Liebe, das Band der Liebe und Freundschaft? – Der Landgraf Ludwig von Thüringen starb auf einem Kreuzzug zu Otranto am Fieber den 11. September 1227. Diese Schreckensstunde kam auf die Wartburg zur heiligen Elisabeth, seiner Gemahlin. Händeringend und auf die Knie niedersinkend, klagte die Ärmste: Jetzt ist mir die Welt gestorben, und alles, was sie Liebes hat, ist tot für mich. O wehe mir armen, trostlosen Witwe! Nun tröste mich derjenige, der Witwen und Waisen tröstet! – Diesen Schmerz haben viele von euch schon empfunden, als der sterbende Vater, die scheidende Mutter zum letzten Mal euch die Hand gaben, als man das tote Kind in den Sarg legte und den verstorbenen Freund ins Grab hinabsenkte. War es euch damals nicht, als ob ihr selbst sterben müsstet und steht nicht jener letzte Augenblick immer lebendig noch vor eurer Seele? – Wenn der göttliche Heiland beim Grab seines Freundes Lazarus bitterlich weinte, wenn Maria beim Tod ihrer Eltern und ihres Sohnes heiße Tränen vergoss, so bestätigen diese Tränen die Wahrheit: Der Tod der Unsrigen, welch ein schmerzlicher Tod!

 

Die Totenblume mahnt an unseren Tod. Und der ist bitter. Bitter macht ihn das Scheiden von unseren Lieben, die Schmerzen der Krankheit, die Angst des Gewissens, die Menge der Sünden, der allwissende Richter, die Strenge des Gerichts, die Ungewissheit unseres künftigen Loses – dies alles stürmt auf den Sterbenden ein und bewirkt, das eiskalter Schweiß von seiner Stirn rinnt, bewirkt, dass selbst die Heiligen in diesem Augenblick gezittert haben. O furchtbares Wort: Fort musst du! Fort von Geld und Gut, fort von Haus und Hof, fort von Frau und Kind, fort von allem, was dir lieb und teuer ist. Und wenn bei deinem Ende zu deinen Füßen liebe Kinder bitterlich weinen, zu deinem Haupt teure Eltern in tiefer Trauer stehen, deine rechte Hand eine geliebte Frau krampfhaft umklammert und deine Linke ein Jugendfreund, heiße Tränen vergießend, festhält – der Tod kommt – und die Hand mit dem Ehering erstarrt, das Haupt sinkt auf die Brust und von den Füßen herauf nähert sich langsam jener Schlag, der dem Herzen das Leben nimmt. O wahrhaft unser Tod – welch ein bitterer Tod!

 

Nur du, o heilige Jungfrau, kannst diese Bitterkeit versüßen, nur du, o Maria, kannst diese Nacht erhellen, wenn du uns im letzten Augenblick mit deinem mütterlichen Erbarmen beistehst und uns von deinem göttlichen Sohn die Gnade einer glückseligen Sterbestunde erbittest. Du hast dem heiligen Josef im Sterben beigestanden, du hast das Sterbebett deines liebsten Sohnes Jesus, das heilige Kreuz, nicht verlassen, so bleib auch bei uns im letzten Ende und bitte für uns arme Sünder in der Stunde unseres Todes. Amen.

 

Welk mir nicht, o Totenblume,

Deine Sprache, deine stumme

Ins Gedächtnis ruft zurück

Mir den letzten Augenblick!

Tod, o warnender Gedanke,

Schrecke mich, wenn ich je wanke,

Führ mich von der Sündenbahn,

Dass ich einst ruhig sterben kann!

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XXIII. Maiandacht - Gelbe Rose

 

Die Sage erzählt von Gottfried dem Rauhen, Grafen von Barcelona, dass er, nachdem er an Ludwig des Frommen Seite mit Mut und Glück gegen die Sarazenen gefochten hat, dem König seinen vergoldeten Schild dargereicht habe, damit ihm dieser die Erlaubnis verleihe, ein Wappen darauf zu führen. Wie nun der König ihn ganz mit Wunden bedeckt sah, aus denen das Blut noch quoll, tauchte er, ohne etwas zu sagen, seine fünf Finger in das Blut des tapferen Kriegers, fuhr damit über den Schild und zeichnete somit fünf rote Linien darauf, die fortan das Wappenbild der Grafen von Barcelona blieben.

 

Und euer Wappenbild, liebe Christen, soll sein die gelbe Rose, besprengt mit dem Blut, durch das unsere und die Seelen aller Menschen erlöst worden sind. Die gelbe Rose ist das Sinnbild des Seeleneifers.

 

Die gelbe Farbe dieser Rose deutet auf das Feuer, das uns verzehren soll für das Heil unserer Seele, zu deren Rettung uns die geistliche Rose Maria selbst antreibt: Komm, mein Sohn, nimm einen Rat von mir an und rette deine Seele! – O wie schön ist die Seele! – Der heilige Bernardin sagt: Ich wage es zu sagen, dass wenn es möglich wäre, dass der Mensch mit seinen leiblichen Augen sehen könnte seine glorifizierte Seele, er es kaum glauben würde, dass Gott schöner sein könnte. Der heilige Thomas von Villanova sagt: Wenn der Allmächtige so viele Himmel der Herrlichkeit erschaffen würde, als es im Meer Tropfen und Sandkörner an seinen Ufern gibt, all ihre Herrlichkeit zusammen genommen wäre nichts gegen die Schönheit einer einzigen Seele. Eine solche Seele hast du, o Mensch, eine Seele nach Gottes Ebenbild erschaffen und für die ewige Seligkeit bestimmt, für die der göttliche Heiland so viel getan und gelitten und sein kostbares Blut für sie hingegeben hat, eine einzige und eine unsterbliche Seele – und du sollst nicht vom Feuer des Eifers flammen und glühen, diese Seele zu retten, um sie nicht auf ewig zu verlieren? –

 

Die gelbe Rose ist selten und auch ihr Sinnbild: der Seeleneifer. Man klagt, wenn man ein Geldstück verloren hat. Man jammert, wenn man verfolgt wird. Man weint, wenn der Tod eines unserer Lieben nimmt. Für alles hat man Tränen, nur für die Seele nicht, wenn sie durch eine Todsünde stirbt. Und tönt doch so laut und so oft an unsere Ohren: Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, an seiner Seele aber Schaden leidet. – Wie ist man um einen kranken Leib bekümmert. So viele Sorge, sagt der heilige Augustin, hat man, um langsamer zu sterben. Wie viele Sorge aber hat man, um niemals auf ewig zu sterben? – Du liebst dein Kleid und willst, dass es ordentlich sei. Du liebst dein Eigentum und willst, dass es im guten Stand sei. Du liebst dein Kind und willst, dass es fromm sei. Du liebst deine Seele und willst nicht, dass sie hier und dort glücklich sei, denn statt sie durch Gebet, öfteren Empfang der heiligen Sakramente, durch Meidung der Sünde und Flucht der bösen Gelegenheit zu retten suchen, tust du vielleicht das Gegenteil und machst den Ausspruch zur Wahrheit: Wenn die Menschen nur halb so viel tun würden zur Rettung ihrer Seele, was sie tun zu ihrem Verderben, so würden alle in den Himmel kommen. Die Sorglosigkeit für das Heil der eigenen Seele schließt auch meistens die für die Rettung fremder Seelen mit ein. – Hierin gleichen sehr viele Christen dem Propheten Jona, der den Untergang der Stadt Ninive verkündigen musste. Auf dem Weg dahin legte er sich unter einer Kürbisstaude nieder und schlief ein. Ein Wurm aber zernagte die Staude, sie verdorrte und die Sonne brannte heiß auf Jona. Er erwachte und als er die Ursache erkannte, klagte er bitterlich, dass ihm der Wurm den Schatten genommen hatte. Das schmerzte ihn, doch darüber hatte er keinen Schmerz, dass so viele Tausende in Ninive zu Grunde gehen sollten.

 

Die gelbe Rose duftet einen herrlichen Wohlgeruch aus und deutet uns dadurch an, dass wir nicht blos für uns auf der Welt, sondern auch für andere da sind. Die Worte, die Christus der Herr zu Petrus gesagt hat: Liebst du mich, dann weide meine Lämmer, sind, wie der heilige Chrysostomus sagt, in einer gewissen Hinsicht auch zu uns allen gesprochen. Wir sollen Sorge tragen für das Seelenheil unserer Mitmenschen, ausatmen den Wohlgeruch eines guten Beispiels, für sie beten, sie ermahnen, für das Gute zu gewinnen suchen und vom Weg der Sünde zurückbringen. Wir können Maria keine größere Freude machen und sie auf keine Weise besser nachahmen, als wenn wir ihr gleichsam in die Hände arbeiten und von glühendem Eifer für das Heil der Seelen entflammt sind. Sie, die Zuflucht der Sünder, liebt diejenigen am meisten, sagt der heilige Alphons, die mit ihr die verirrten Schäflein aufsuchen und sie zu retten suchen. Diese herrliche Aufgabe aber hat sich die Bruderschaft des heiligsten Herzen Maria gestellt, darum soll kein Christ, kein wahrer Verehrer Mariens in dieser Bruderschaft fehlen. Welch eine Freude, Maria helfen zu können, welch ein Trost, einen Sünder gerettet zu haben! – Maria wird Sie doch noch bekehren, sprach einst ein junges Mädchen aus einer vornehmen Familie Deutschlands zu einem ihrer nächsten Verwandten, einem jungen Mann, der ein wüstes Leben führte. Dann muss sie ein Wunder wirken, antwortete er spottend und seit dem sahen sie sich nicht mehr wieder. Das Mädchen hatte von Jugend auf eine große Liebe zu Maria und ein Vertrauen auf ihre mächtige Fürbitte, das nichts imstande war zu erschüttern. Auf die Rettung dieser Seele verwendete sie all ihre Kräfte. Sie betete und fastete, sie opferte für ihn oft die heilige Kommunion auf, sie kniete stundenlang vor dem Bild Mariens und es verging kein Tag, an dem sie ihn nicht dem heiligsten Herzen Mariä empfahl. Unterdessen führte dieser junge Mann in einem großen Handlungshaus zu Straßburg sein leichtsinniges Leben fort, ohne sich im Geringsten zu bessern. Da starb der Vater und das Mädchen glaubte, dieser Tod würde die Stunde seiner Bekehrung sein. Doch sie täuschte sich. Dieses Unglück machte keinen Eindruck auf die Seele des Sünders. – Das Vertrauen des Mädchens wankte nicht, sie verdoppelte ihr Gebet. Da gingen auf einer Reise die Pferde mit ihm durch, er stürzte aus dem Wagen und verwundete sich schwer und musste lange liegen, bis er geheilt war. Doch auch dieser Fingerzeig Gottes rührte ihn nicht, er blieb der Alte. Nun kam er zufällig in eine Stadt, in der gerade Mission gehalten wurde. Mit seinen Freunden ging er aus Spott und böser Absicht abends in die Predigt. Der Prediger sprach von der Macht und Liebe Mariens. Er hörte zu und vernahm, dass kein Sünder so groß sei, dessen diese Mutter sich nicht erbarmte. Tief ergriffen fing er zu schluchzen an, er eilte aus der Kirche und weinte sich satt – und bekehrte sich. Einige Tage später bekam jenes Mädchen einen Brief mit dem Inhalt: Erinnern Sie sich noch, wie ich auf Ihre Frage: Maria wird Sie doch noch bekehren, die spottende Antwort gab: Dies kann nur durch ein Wunder geschehen! Freuen Sie sich mit mir, jubeln und frohlocken Sie mit mir. Dies Wunder ist geschehen, Maria hat mich bekehrt, ich bin gerettet! –

 

O allerseligste Jungfrau Maria, lass in unserem Herzen die gelbe Rose blühen, lass uns erglühen vom Feuereifer für die eigene Seele und die Rettung fremder Seelen, damit sich an uns das heilige Wort erfülle: Wer die Seele seines Bruders rettet, rettet seine eigene. Amen.

 

Nur eine Seele haben wir,

Brich ihrer Freiheit Kette,

Dies sagt die gelbe Rose dir,

Sie für den Himmelrette!

 

Für dich und andre sollst du glüh‘n

Vom Eifer heiß entflammet,

Sein Feuer wird zu Gott dich zieh‘n,

Weil es vom Himmel stammet. –

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XXIV. Maiandacht - Narzisse

 

Außer der Anbetung, die nur Gott allein gebührt, sind wir Maria alles schuldig, die höchste Liebe, die größte Andacht, die innigste Zuneigung, den herzlichsten Dienst. Diese Verehrung Mariens, eine Lehre der Kirche, die weder der Schrift, noch der Überlieferung, noch der Vernunft widerspricht, begann am Grab Mariens, das die ersten Christen mit Andacht umgaben, und hat sich alle Jahrhunderte hindurch von Geschlecht zu Geschlecht bis auf unsere Tage vererbt und wird dauern bis ans Ende der Welt! – Diese Verehrung, die die Königin der Propheten selbst mit den Worten voraussagt: Von nun an werden mich selig preisen alle Geschlechter, diese Verehrung Mariens nennt der heilige Franz von Sales das Frühlingsleben der heiligen Kirche, das immer neue Blüten treibt, alle Herzen lebendig und frisch in der Liebe zu Gott erhält und durch den lieblichen Duft alle Christen begeistert und zu den herrlichsten Tugenden entflammt. Daher ist auch das Sinnbild der Andacht zu Maria eine Frühlingsblume, die Narzisse, deren Gestalt schon auf diejenige hinweist, die der Gegenstand unserer Liebe und Verehrung sein soll. Erhaben und zum Himmel strebend, gleich der Himmelskönigin und ihren Kelch ein wenig nach unten senkend, wie die Muttergottes vom Himmel auf die Erde niederschaut auf ihre Kinder in Liebe und Erbarmen. Ihre schneeig weißen Blätter deuten auf die Reinheit des unbefleckten Herzens Mariens. Der gelb und rote Kranz in ihrer Mitte sinnbildet die goldene Krone der Herrlichkeit, mit der sie die heiligste Dreifaltigkeit im Himmel, mit der sie die ganze katholische Christenheit auf Erden gekrönt hat. Ihr lieblicher Duft atmet die Liebe und Barmherzigkeit jener aus, die die Menschen als die Zuflucht aller Sünder und die Trösterin der Betrübten begrüßen und ihr Blühen im Frühling sagt laut und deutlich, dass dort, wo Andacht zu Maria sich findet, ein Frühling herzlicher Gottesliebe erwacht und die Blumen aller Tugenden blühen.

 

Die Narzisse erhebt sich hoch von der Erde, strebt himmelan und die Andacht zu Maria ist erhaben. Hat uns der Glaube gelehrt, dass Maria Gottesmutter ist, so sagt uns die Vernunft, dass ihr nach Gott die größte Verehrung gebührt. Darum besteht diese Verehrung nicht bloß in der Nachahmung ihrer Tugenden, sondern in einem ihr eigenen Dienst. Wie die heilige Kirche durch das vom Geist Gottes geleitete Konzil von Trient sich ausspricht, dass wir die Muttergottes verehren, sie anrufen und um ihre mächtige Fürbitte bei Gott bitten dürfen. – Sie ist unter allen Geschöpfen das Heiligste, deshalb dürfen wir sie auch mehr verehren, als alle Engel und Heiligen, denn sie hat ja den geboren, der allen Heiligen die Gnade der Heiligkeit gab. Sie hat ja den geboren, ohne den wir alle zugrunde gegangen wären, den Erlöser unserer Seelen, das Heil der ganzen Welt. Die heilige Jungfrau, die die Propheten verkündigt, der die Heiligen gedient und die die Engel verehrt haben, rief, als Elisabeth sie als Muttergottes begrüßte, voll heiliger Freude aus: Groß hat er mich gemacht, der da mächtig ist und dessen Name heilig! Ja, erhoben hat er sie zur Königin des Himmels, denn alle himmlischen Geister müssen ihr dienen, weil sie die Mutter ihres Königs ist. Erhoben hat er sie zur Königin der Erde, denn alle Menschen müssen ihr dienen, weil der Herr selbst vom Kreuz herab sie ihr übergab mit den Worten: Sieh, hier deine Mutter! – Erhaben also ist der Dienst Mariens, denn er erhebt den Menschen zur Verehrung des erhabensten Geschöpfes und durch diese Verehrung zur Anbetung des allerhöchsten unerschaffenen Wesens selbst.

 

Die Narzisse ist weiß wie das unbefleckte Herz der reinsten Jungfrau, die nichts so sehr liebt als die Keuschheit und nichts so sehr verabscheut als die Unreinigkeit. Wollen wir also Maria gefallen, so müssen wir die Tugend der Reinigkeit lieben. Zwei Seelen liebte Maria besonders auf Erden: Johannes und Magdalena. Bewahren wir wie jener die Unschuld unserer Seele oder beweinen wir die verlorene Unschuld wie diese, alle Gelegenheit zur Sünde sorgfältig meidend, so wird Maria auch uns lieben und unter den Schutzmantel ihrer Mutterliebe nehmen. Das Herz, das Maria verehrt, muss rein sein. Dann dürfen also die Sünder sie nicht anrufen, werdet ihr entgegnen? Diejenigen freilich nicht, die Sünder bleiben wollen, wohl aber jene Sünder, die ihr Elend erkennen, es bereuen und den Wunsch und das Verlangen haben, aus ihrer traurigen Lage herauszukommen und deshalb an Maria sich wenden. Nur in dieser Hinsicht ist sie eine Zuflucht der Sünder, denn ewig bleibt es wahr, dass Maria eine Patronin der Sünder, aber keine Patronin der Sünde ist. –

 

Die Narzisse hat in ihrer Mitte einen goldgelben Kranz, der die Krone sinnbildet, den Lohn, den uns die wahre Verehrung Mariens erwirbt. Ich liebe, die mich lieben, diese Worte der Heiligen Schrift wendet die Kirche auf Maria an, und kann es in diesem Tränental einen größeren Lohn geben, als von Maria geliebt zu werden? Ihre Liebe, sagt der heilige Bernhard, ist der Inbegriff aller Gnaden, und wie kann der verschmachten, der die Gnadenquelle für sich hat? Die Heiligen lehren uns besonders drei Gnaden von Maria zu erbitten, die sie auch am liebsten bei ihrem göttlichen Sohn für uns erbittet: die Gnade der Bekehrung, die Gnade der Beharrlichkeit im Guten und die Gnade einer glückseligen Sterbestunde. Und ist ein Christ, der diese Gnaden erlangt, für seine Liebe und Andacht zu Maria nicht hoch belohnt? –

 

Die Narzisse ist eine Frühlingsblume und in dem Herzen, das Maria wahrhaft liebt, erwacht ein geistiger Lenz. Liebe zu Maria und die Sünde können in ein und derselben Brust nicht beisammen wohnen. Eines von beiden muss weichen. Siegt Maria, dann bricht das Eis der bösen Gewohnheit, dann schmilzt der Schnee der Lauigkeit und Trägheit, dann schweigt der Sturm der Leidenschaft, dann flieht der Winter der Sünde. Es weht die milde reine Frühlingsluft der Gottesliebe und alles blüht im frischen Grün des herzlichsten Vertrauens zu Maria. Die Erfahrung lehrt uns durch alle Jahrhunderte, dass gerade in unsern größten Heiligen die Liebe zur Muttergottes am hellsten und glänzendsten leuchtete, während alle die, die aufhören Maria zu verehren, anfangen, sich vom Glauben und von der Tugend zu trennen.

 

O himmlische Narzisse, allerseligste Jungfrau Maria, erwirb uns von Gott die Gnade, dass in unseren Herzen die Andacht und Verehrung zu dir frisch und lebendig wie das Leben im Frühling erwache und dauernd bleibe bis zu jenem Augenblick, wo wir durch deine Liebe ins Land des ewigen Frühlings, in den Himmel kommen. Amen.

 

Schnell vergeh’n der Sünde Finsternisse,

Sonnenhell wird, was zuvor umtrübt,

Wenn zu blühen anfängt die Narzisse,

Wenn ein Herz Maria wahrhaft liebt.

 

Unerhört ist’s, dass die Sünde bliebe

In der Seele, die Maria liebt.

O frohlocke, denn für diese Liebe

Jesus Christus dir den Himmel gibt!

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XXV. Maiandacht - Veilchen

 

Das Veilchen ist das Sinnbild der Demut und weil Maria die demütige Jungfrau heißt, so hat der heilige Bernhardin Recht, wenn er die allerseligste Jungfrau das schönste Veilchen nennt. Lasst uns aber, liebe Christen, heute drei Blicke tun. Zuerst auf das Veilchen, die irdische Blume, dann auf Maria, das himmlische Veilchen, und zuletzt auf uns selbst, wie auch wir dem Veilchen gleichen und Maria ähnlich werden, d.h. wahrhaft demütig werden sollen.

 

Das Veilchen hat nicht das glänzende Weiß der Lilie und nicht den prachtvollen Purpur der Rose und nicht das herrliche Farbenspiel der Tulpe, nein, wie ihr es selbst wisst, sein Kleid ist ärmlich und schmucklos von dunkelblauer Farbe, ohne Glanz und Abwechslung, schlicht und einfach blüht es empor unter dem Schatten anderer Gesträuche: Und darum ist es ein Sinnbild der Demut, weil die wahre Demut ebenfalls einfach und schlicht im Äußeren erscheint. Schaut hin auf Maria, sie die Tochter der Könige von Juda, trägt ein dunkles wollenes Kleid. – Blickt hin auf Maria, sie, dem Haus Davids entsprossen, hat die Spindel in den Händen und verrichtet alle Hausgeschäfte, wie die niedrigste Magd! – Horcht auf die Worte Mariens und ihr hört sie sagen: Ich bin eine Magd des Herrn! und ihr hört sie singen: Weil du angesehen hast die Niedrigkeit deiner Magd! – Wollt ihr daher, liebe Christen, dem Veilchen gleichen, Maria ähnlich sein, so müsst ihr demütig sein in der Kleidung, in den Worten, in eurem ganzen Benehmen. Unter den Moden wählt stets die einfachere, unter den Kleidern immer die schlichteren, unter den Farben allzeit die weniger auffallenderen und merkt euch recht wohl die schöne Lehre des heiligen Franz von Sales: Dass das Kleid der Aushängeschild der Seele sei. Wie die Kaufleute außen an ihre Läden schreiben, was bei ihnen zu haben ist, so sagt ein eitles, übertriebenes, nicht standesmäßiges Kleid, dass bei dieser Seele wenig Tugend zu finden ist, während ein zwar reinliches, aber schlichtes, einfaches Gewand laut verkündet, dass unter dieser Hülle ein demütiges Herz schlägt. – Auch deine Worte sollen demütig sein und da merkt euch den Ausspruch eines großen Geistesmannes: Wie der Jäger immer nur von der Jagd redet und der alte Soldat stets seine mitgemachten Schlachten und Feldzüge wiedererzählt, so redet der Hochmütige immer nur von sich selbst, von seinem eigenen Lob. Der Demütige aber schweigt, redet nie von sich selbst, am allerwenigsten aber von seinem Lob und wenn wirklich von ihm die Rede geht, so sucht er das Gespräch stets auf etwas anderes zu lenken. – In unseren Beschäftigungen und Handlungen soll auch die Demut durchblitzen, wie die Sonne durch das Laub der Bäume.

 

Liebe Christen, wenn wir den heiligen Josef Pflüge machen und den göttlichen Heiland die Holzspäne sammeln und Wasser tragen und die allerseligste Jungfrau Maria spinnen und aus Blättern der Dattelpalme oder aus Schilf von den Ufern des Jordans Matten zur Dachbedeckung des Hauses flechten und den Weizen und die Gerste selbst malen sehen, wie der heilige Ambrosius uns erzählt, könnt ihr dann noch ungern eure häuslichen Arbeiten, die niedrigen Beschäftigungen des täglichen Lebens verrichten, müsst ihr nicht sogar mit desto größerer Freude sie tun, je geringer, verächtlicher und erniedrigender sie sind? Ihr wisst ja, dass dies die Speise der wahren Demut ist, dass ihr dadurch Maria ähnlich werdet und dieser Gedanke bewog die heilige Elisabeth, die Landgräfin von Thüringen, die Königstochter von Ungarn, zu gewissen Zeiten ihr Schloss zu verlassen, barfuß und in einem wollenen Rock von Haus zu Haus zu betteln, im Schweiß des Angesichtes ihr Brot sich zu verdienen und mit den Dienstboten zu essen, nur um Maria zu gleichen, um die Demut zu üben und die Wonne und die innere Freude und Seligkeit einer wahren demütigen Seele zu genießen! –

 

Das Veilchen wächst nicht hoch und sein Haupt, sein Kelch ist immer zur Erde geneigt und ist darum auch in dieser Beziehung ein Bild der Demut. Der Demütige strebt nicht nach Ehre und Ruhm, nach Glanz und Auszeichnung, nach hohen Stellen und Würden, er ist zufrieden mit dem Stand, mit dem Amt, mit dem Beruf, Wirkungskreis, Vermögen und der Lage, in die ihn Gott versetzt hat. Er ist dabei seelenvergnügt und verlangt sich nichts anderes. Schaut hin auf das himmlische Veilchen Maria, ihr Ahnherr ist der König David, sie ist königlichem Blut entsprossen und ihre Voreltern saßen auf königlichem Thron. Desungeachtet hat Maria nicht das geringste Verlangen, nicht die leiseste Sehnsucht nach Ehre und Auszeichnung. Es ist ihr wohl, unendlich gut in ihrer armen Hütte, auf ihrem dürftigen Lager, bei ihrem armen Bräutigam, bei ihrem geringen Einkommen, bei ihrem armen Kind. Ja wie dem Gefangenen die Freiheit und dem Kranken die Gesundheit und dem Durstigen der kühle Trank das einzige Verlangen ist, so sagt der heilige Bernhard, war der Muttergottes die demütige Lage, in der sie Gott versetzte, ihre einzige Freude, ihr einziger Trost. Wollt ihr daher Maria gleichen, so liebe du Bauersmann deinen Stand und du Dienstbote deinen Dienst und du arme Witwe deine Lage und du Kranker deine Schwäche und du Handwerker dein Geschäft, seid zufrieden und verlangt nicht mehr und strebt nicht nach höheren Dingen und größerem Einkommen und nach einer bequemeren Lage, denn sonst zeigt ihr, dass ihr keine Demut habt und also auch auf den Himmel, wohin nur die Demütigen kommen, keinen Anspruch machen dürft. – Das Veilchen hat aber auch sein Köpfchen zur Erde gesenkt und so ist das Herz des wahrhaft Demütigen immer gebeugt. Seht Maria an, als ihr der Engel die Botschaft brachte, dass sie Mutter Gottes werden sollte, da kniete sie eben, wie der heilige Ambrosius sagt, das Haupt zur Erde gebeugt und betete ihr Abendgebet. Und wisst ihr warum, dass die Demut die Blicke senkt? – Weil nach den Worten des heiligen Bernhard, Himmel und Erde demütig machen, Himmel und Erde. Der Himmel mit seinen Gnaden und Wohltaten, Gott mit dem Gewicht seiner Liebe drücken die Seele nieder zur Erde und wenn sie diese erblickt, so sieht sie den Staub, aus dem sie besteht und das Weh, das sie umgibt, lauter Gründe, sich zu demütigen. – Desungeachtet macht die Demut nicht verzagt und lähmt die Tatkraft nicht, denn die Demut ist Wahrheit, sagt die heilige Theresia und die Wahrheit stählt den Willen. Die wahre Demut ist kühn, weil sie, ihre Schwäche kennend, immer und durchaus nicht sich selbst, immer und einzig der Kraft Gottes vertraut. Sie ist kühn, weil Vertrauen Liebe gibt und Liebe stark ist wie der Tod. Ihre Glut ist feurig, eine Flamme des Herrn. Kein Heiliger steht auf einer Stufe, nach der wir nicht streben dürfen, streben sollen! – Die Demut zeigt uns, wie weit wir vom Ziel entfernt sind, nicht um unseren Mut zu dämpfen, sondern um unseren Eifer zu entflammen.

 

O himmlisches Veilchen, demütigste Jungfrau Maria, erflehe uns von Gott die Tugend der Demut, die du so herrlich geübt hast, die uns liebenswürdig macht vor Gott und den Menschen und uns den Himmel erwirbt, denn es heißt: Wer sich erniedrigt, der wird erhöht werden. Amen.

 

Das Veilchen uns die Demut lehrt,

Die Tugend, die der Heiland ehrt,

Und die Maria treu bewährt,

Und die uns macht des Himmels wert!

 

Drum lasst uns recht demütig sein,

In Wahrheit und nicht bloß zum Schein,

Vor unsern Augen niedrig, klein,

Dann gehn wir einst in Himmel ein!

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XXVI. Maiandacht - Colocasia

 

Eine ganz besonders schöne Blume, vorzüglich zum Kirchenschmuck geeignet, wegen ihrer Größe, ist die Colocasia oder der Hirtenstab. An einem langen Stängel mit breiten länglichen Blättern rollt sich ein schneeweißer Kelch mit dem herrlichsten Duft allmählich auf. Die Gestalt sowohl als der Namen dieser Blume zeigen deutlich hin auf ihr Sinnbild. Die Colocasia ist das Bild der christlichen Erziehung. Hirten seid ihr Eltern und eure Kinder sind die Schäflein, die ihr mit Hirtensorgfalt bewachen sollt. Gute Hirten sollt ihr sein nach dem Beispiel des besten Hirten Jesus Christus, der dem einzigen verlorenen Schäflein nacheilte über Berg und Tal und nicht rastete und ruhte, bis er es wiedergefunden hatte! – Gute Hirten sollt ihr sein, weil der Herr die Schäflein mit seinem teuren Blut erkauft und sie euch nur geliehen hat als Pfänder seiner Liebe. O wie gern hat Gott die Kinder! – Schlagt auf die Heilige Schrift und lest, wie er den kleinen Mose im Binsenkörblein beschützt, wie es von dem verschmachtenden Ismael heißt: Und Gott erhörte die Stimme des Jungen, und von dem kleinen Jakob, der Rebekka Sohn: Also spricht der Herr, Jakob habe ich geliebt! – und von dem kleinen Samuel: Samuel war geliebt von dem Herrn seinem Gott. – Lasst die Kinder zu mir kommen, sprach der Heiland, wehe dem Menschen, der eines von diesen Kleinen ärgert, wenn ihr nicht werdet, wie die Kinder, so könnt ihr nicht eingehen ins Himmelreich! – Aus dem allen geht deutlich die Wahrheit des Ausspruchs des heiligen Paulus hervor: Wer keine Sorge trägt für die Seinigen, verleugnet den Glauben und ist schlechter als ein Heide. Je größer die Liebe Gottes zu den Kindern, sagt der heilige Chrysostomus, desto schärfer die Rechenschaft dafür am Tag des Gerichts. –

 

Der Hirtenstab ist weiß und mahnt die Eltern, die Herzen ihrer Kinder rein zu erhalten, ihr weißes Unschuldskleid zu bewahren. Die göttliche Mutter wich nie von ihrem Kind, stets war sie an seiner Seite und als sie es einst verloren hatte, wie rastlos suchte sie drei Tage und Nächte ohne zu ermüden, bis sie Jesus wieder gefunden hatte. – Gleichen dieser Muttersorgfalt jene Eltern, die ihre Kinder allein und unbewacht lassen, die sich nicht kümmern, mit wem sie umgehen, was sie für Gespräche führen, wo sie sich herumtreiben, die sie bis spät in den Abend, oft bis nach dem Gebetläuten auf den Straßen herumlaufen und lärmen lassen? – Was nützen da die besten Gesetze der geistlichen und weltlichen Obrigkeit, wenn es solche Eltern gibt! – Aber der Gott, der gesagt hat: Von jedem unnützen Wort werde ich Rechenschaft fordern, wird an jenem Tag, wo auf den Posaunenschall die Toten aus ihren Gräbern kommen und ins Tal Josaphat zum Gericht gehen, von dir o Vater, o Mutter, seine Kinder fordern. Da werden jene unbewachten Winkel, wo eure Kinder durch eure Sorglosigkeit verführt wurden, jene Straßen und Wege, wo sie die ersten Keime des Bösen empfingen, jene Häuser und Plätze, wohin ihr sie ohne Aufsicht bis spät in die Nacht gelassen habt, wider euch aufstehen und wider euch zeugen. O wie schnell werden da wie die Regentropfen im Weltenmeer verschwinden jene gottlosen Reden, mit denen manche Eltern sich zu entschuldigen pflegen: „Ich kann auch nicht überall sein, ich habe nichts gesehen, ich kann sie nicht immer zu Hause behalten, sie sind selbst alt genug und wissen, was sie zu tun haben! – Der kleine Philipp, Kronprinz von Frankreich, sprach einst zu seinem Vater, dem heiligen Ludwig: Du bist mein guter Hirt, wache über mich, dass ich nicht verloren gehe! – So spricht gleichsam jedes Kind aus der Wiege zu Vater und Mutter, bittet mit seinen kleinen Händlein, fleht mit seinem unschuldigen Herzen vereint mit dem Engel, den Gott an seine Seite gestellt hat: Eltern, liebe Eltern, seid an mir gute Hirten! – Darum wehe euch, wenn ihr dieses Kindesflehen verachtet, wenn durch eure Schuld dieses Glaubenslicht erlöscht, dieses weiße Kleid zerreißt, dieses reine Herz entweiht wird! – Doch nein, bewahrt die Unschuld eurer Kinder und müsstet ihr selbst das Leben dafür lassen, seid streng, wachsam und gewissenhaft, sprecht wie die Königin Blanca zu ihrem Sohn Ludwig: Lieber will ich dich tot zu meinen Füßen sehen als eine Todsünde begehen. Dieses Wort seiner Mutter hörte der fromme König, wie er selbst gesteht, immerfort, im Meeressturm vor der Insel Zypern, in seiner Gefangenschaft bei den Sarazenen, in seinem Hinscheiden zu Tunis, denn aus liebendem Herzen ein Mutterwort, tönt wieder im Kinde fort und fort!

 

Der Hirtenstab hat einen prachtvollen Wohlgeruch und sinnbildet den herrlichen Duft des guten Beispiels. Nicht die Schule, nicht die Lehrer, nicht die Priester, nicht die Bücher erziehen die Kinder, sondern das gute Beispiel der Eltern. Groß war die Glaubenskraft des heiligen Gregor des Wundertäters. Er sprach zum Berg: Heb dich hinweg und es geschah. Größer noch ist die Kraft des guten Beispiels. Es wirkt Wunder, besonders wenn die Eltern es geben. Wenn die Eltern fleißig ihr Morgen- und Abendgebet verrichten, gerne in die Kirche gehen, öfters die heiligen Sakramente empfangen, in Frieden leben, so werden es die Kinder auch. Wenn aber der Vater über die Religion spottet und nicht betet, wenn die Mutter stets mit ihm zankt und streitet, beide schimpfen und fluchen, wie können die Kinder anders sein? – Die Kinder sind der Aushängeschild ihrer Eltern. Wie die Kaufleute Schilder aufhängen, um anzuzeigen, was bei ihnen zu haben ist, so zeigen die Sitten der Kinder gewöhnlich die Tugenden oder Laster ihrer Eltern an. – Der Bekehrer der Angelsachsen, der heilige Augustinus, sprach eines Tages zu den Briten: Helft mir die Sachsen bekehren; doch sie verneinten es. Da sprach Augustin, mit prophetischen Blick die Zukunft enthüllend: Weil ihr mir nicht beisteht den Sachsen den Weg des Lebens zu zeigen, so werden sie durch Gottes gerechtes Urteil an euch zu Werkzeugen des Todes werden! – Das erfüllt sich an vielen Eltern, die ihren Kindern in der Jugend statt durch ein gutes Beispiel den Weg des Lebens zu zeigen, ihnen durch Ärgernis zum Fall werden. Ihre eigenen Kinder werden an ihnen zum Werkzeug des Todes. Gib daher dem Schmerz über den rohen ausgearteten Sohn, dem Kummer über die ungeratene Tochter niemanden andern Schuld, als deinem eigenen bösen Beispiel, das du den Kindern in ihrer Jugend gegeben hast. Der Pfeil, den du durch abscheuliche Reden und Flüche vor deinem Kind, durch Zwietracht und Unfrieden, durch nächtliches Ausbleiben und Trunkenheit, durch Lauigkeit in der Religion auf dein Kind abgezielt hast, kehrt um und durchbohrt deine eigene Brust. –

 

O liebe Eltern, gleicht daher der Blume Colocasia durch den Wohlgeruch eines guten Beispiels vor euren Kindern. Wie diese Blume unten eng und nach oben weit ist, verschließt ihre jungen Herzen vor der Welt und öffnet sie nur für den Himmel, erzieht sie fromm und gut. Was ist euch lieber, dass sie einst gehen auf den Gottesacker und euch im Grab noch verfluchen und verwünschen, weil sie durch euer schlechtes Beispiel selbst schlecht geworden sind, weil sie durch eure Schwachheit und Nachgiebigkeit moralisch zu Grunde gegangen sind; oder dass sie betend einst an eurem Grab knien und es mit den Tränen ihrer dankbaren Liebe befeuchten, weil ihr durch eine strenge christliche Erziehung Schuld seid an dem Glück ihres Lebens? Was ist euch lieber, Eltern, wählt! –

 

Bittet daher alle Tage die heiligste Mutter Maria, die uns das herrlichste, erhabenste Beispiel einer guten Erziehung gegeben hat, dass sie euch von Gott die Gnade erlange, eure Kinder so zu erziehen, dass keines durch eure Schuld zu Grunde gehe, sondern alle mit euch im Himmel wieder vereinigt werden. Amen.

 

Eltern, o vergesst die große Pflicht

Der Erziehung eurer Kinder nicht,

Dass nicht eure Seele bitter klage,

Wenn der Herr am letzten aller Tage

Von euch fordert seine lieben Kleinen,

Ihr vor ihm mit ihnen müsst erscheinen.

 

Sie zu retten lasst nichts unversucht,

Dass euch keines noch im Grabe flucht,

Reißt aus ihrem Herzen böse Triebe,

Zieht sie bald mit Ernst und bald mit Liebe,

Dann wird einst der Herr mit euren Kleinen

Wieder euch im Paradies vereinen.

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XXVII. Maiandacht - Geranium

 

Eine der gewöhnlichsten Blumen, die man am häufigsten trifft, die man in fast allen Häusern findet, an vielen Fenstern sieht, die das Zimmer des Reichen, wie das Stübchen des Armen gleich heimelig und traulich macht, ist die Geranie. Ihr Sinnbild ist die Häuslichkeit, jenes gemütliche, christlich fromme Familienleben, das in der heiligen Familie auf Erden, in Jesus, Maria und Josef im herrlichsten Licht sich zeigt. O glückliches Nazareth, du sahst die niedrige Hütte, in der der Frieden Gottes wohnte und drei Personen ihre Tage zwischen Arbeit und Gebet zubrachten! Hier verfertigte Josef, der fleißige Handwerksmann, Pflüge, Joche und Wagen, wie der heilige Justinus sagt. Zuweilen ging er auf den Berg Karmel, um dort mit seinen noch rüstigen Armen die hohen Sykomoren und die schwarzen Terebinthen zu fällen. Gering war der Lohn, den er für große Mühe empfing und diesen geringen Lohn teilte er noch mit den Armen. Maria war ganz die unermüdlich fleißige Hausfrau, die neben all ihrer rastlosen Geschäftigkeit dennoch Zeit fand zum Lesen der heiligen Schriften, deren ganzer Wandel im Himmel war und auf die das schöne und weise Wort des Psalmisten angewendet werden kann: Die Ehre der Tochter eines Königs ist in ihrem Innern. Sie flocht aus den Blättern der Dattelpalme oder aus Schilf von des Jordans Ufern die Matte, die das ländliche Dach ihres Hauses deckte. Jesus Christus, der Zeuge der unermüdlichen Tätigkeit seiner heiligen Mutter, hat in seinen Gleichnissen zuweilen darauf angespielt und Mariens einfache Beschäftigungen sind in das Evangelium verschmolzen wie Wasserblumen in den Bernstein. Man findet darin die fleißige Hausmutter, die den Sauerteig in drei Maß Weizen tut, ihren Boden sorgfältig kehrt, um den verlorenen Groschen zu finden, und ein ärmliches altes Kleid sparsam ausflickt. Wenn Jesus ein Gleichnis braucht, um die Reinheit des Herzens zu empfehlen, so erinnert er an die Reinlichkeit derjenigen, die den Becher von innen und außen sorgfältig putzt, und man sieht, dass er an Maria denkt, wenn er die Gabe der Witwe lobt, die nicht von ihrem Überfluss, sondern von ihrer Armut gibt. – Jesus, so jung er war, nahm doch schon das Beil und folgte seinem alten Nährvater, um ihn in der Arbeit zu unterstützen. Jesus, Maria und Josef gaben sich harten Arbeiten hin und diese großen Seelen, die über Legionen Engel hätten gebieten können, verlangten nie mehr von Gott, als ihr tägliches Brot. –

 

Die Geranie ist fast in jedem Haus zu finden und so könnte dieses häuslich stille Familienglück, dieses christlich fromme Stillleben in jedem Haus sein. Für Maria war diese Zeit ohne Zweifel die glücklichste ihres Lebens. Obwohl aller Gemächlichkeiten des Wohlstandes beraubt, durfte sie ihren Sohn immer vor Augen haben, konnte mit ihm leben, für ihn arbeiten und darauf sinnen, ihm Freude zu bereiten! – Und hierin, liebe Christen, liegt das Geheimnis unseres eigenen Glücks! Für Jesus leben ist die Quelle aller Zufriedenheit und des häuslichen Friedens. Weiß, rosa, violett und dunkelrot blüht die Geranie und so sollst du, christliche Seele, alle Stunden des Tages, in den verschiedenen Lagen deines Lebens für Jesus glühen! Mit ihm aufs innigste vereint durch das Band, das Himmel und Erde verbindet, vereint durch den Ring des Gebetes. Dieser heilige Ring umschlinge dich und die deinigen und deine ganze Familie zum gemeinschaftlichen Morgen- und Abendgebet, zum gemeinschaftlichen Tischgebet. Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen. Mit ihm vereint durch den Ring mit dem roten Rubin, dem Opfer der Heiligen Messe, der unblutigen Erneuerung des blutigen Kreuzestodes Christi. Kein Tag gehe vorüber, ohne dass nicht wenigstens ein Glied deiner Familie dem wunderbaren Geheimnis beiwohne. Nichts schmerzt am Sterbebett mehr, sagt der heilige Ignatius, als die Gnaden, die wir aus Trägheit und Lauigkeit versäumten. Für ihn arbeiten in seiner heiligen Gegenwart. Wo ich bin und was ich tu, sieht mir Gott mein Vater zu! In der guten Meinung, die wir am Morgen erwecken und öfters am Tag erneuern. Ihr mögt essen oder trinken oder sonst was tun, tut alles zur Ehre Gottes! – O Jesus, dir zu liebe! – O Herr gib, mir Geduld! – Bei ihm bleiben, denn wo du, o Jesus, bist, sagt die Nachfolge Christi, ist der Himmel. Wo du nicht bist, ist die Hölle. Wer mich liebt, spricht Jesus, zu dem will ich kommen und Wohnung bei ihm nehmen. Mit Jesus aber kommt sein Frieden und sein Segen. Warum geht ihr also so viel zu den Menschen, da doch an Gottes Segen allein alles gelegen? – Willst du den Frieden im Haus nicht verlieren, sagt der selige Egydius, so musst du zwei Schlösser an deine Haustür machen. Das eine heißt: Geh nicht viel hinaus und das andere: Lass nicht viel herein. Ein großer Geistesmann sagte: So oft ich hinausging, kam ich immer als weniger Mensch zurück. Nirgends besser als zu Hause! Lass auch nicht viel herein. Mache es wie die Bienen. Einer wollte die Bienen arbeiten sehen und ließ daher einen gläsernen Bienenkorb machen. Aber in einem Augenblick hatten die Bienen das Glas von innen mit Wachs überzogen, dass er nichts sehen konnte. Ziehe auch du den Schleier der Zurückgezogenheit, den Schleier der Einsamkeit vor dein Haus, denn je zurückgezogener und einsamer, desto ruhiger und friedlicher. Bleibe allein bei deiner Familie, allein bei Jesus, dann wirst auch du fühlen das große Wort des heiligen Bernhard: Nie bin ich weniger allein, als wenn ich allein bin! – So lebe mit Jesus, du und deine Familie, dann wird dein Haus, umblüht von der hoffnungsgrünen Geranie der christlich frommen Häuslichkeit, ein zweites Haus von Nazareth werden, wo Jesus das Gebet erhört, Maria selige Freuden spendet und Josef die Arbeit segnet. Eine Jakobsleiter, auf der die Engel auf und nieder steigen und dein und der deinigen Herz mit dem göttlichen Herzen verbinden.

 

Die Geranie ist auch im Winter grün und so verlor auch die heilige Familie im Unglück und in der Armut nicht ihren stillen Frieden und ihr wunderbares Glück. Wir sehen sie nicht mehr im Haus zu Nazareth, sondern in einem anderen fremden Land zu Heliopolis in Ägypten. Hier musste Maria in den Feuerofen der Armut hinabsteigen und das Elend von allen Seiten kennenlernen. Das Gold der heiligen drei Könige war zu Ende und sie gerieten in solche Dürftigkeit, dass der Sohn Davids ein Taglöhner werden und die Tochter der Könige Judas die ganze Nacht hindurch arbeiten musste, um den geringen Lohn ihres Gatten zu vermehren. Da bat oft weinend das Kind die Mutter um Brot, sagt Landolphus von Sachsen, und die Mutter hatte nichts ihm zu geben, als Tränen! Aber dennoch war Maria zufrieden und ruhig, denn sie hatte Jesus bei sich. Für Jesus leiden, welch ein Trost! Mit Jesus leiden, welch ein Schutz! – Es gibt Leiden im Inneren der Familie, sogenannte Hauskreuze, und Leiden, die von außen kommen und für beide gilt das Wort: Wer es vermag sowohl die drückende, als die segnende Hand Gottes mit gleichmütigem Geist zu küssen, der hat den Höhepunkt christlicher Vollkommenheit erreicht.

 

Bitten wir die allerseligste Jungfrau Maria, dass sie uns von Gott die Gnade erbitten möge, für Jesus zu leben und zu leiden, damit der häuslich stille Frieden stets in unserem Familienkreis verbleibe. Amen.

 

Geranium, das Bild der Häuslichkeit,

Jedes Auge durch sein Grün erfreut.

Häuslich stiller Frieden, o wie gut

Ist es zu leben unter dieser Hut! –

Zu Maria bittend hebt den Blick,

Dass von euch nie weiche dieses Glück!

Wo der Frieden, dort ist keine Not,

Frohes Leben und ein guter Tod. –

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XXVIII. Maiandacht - Immortelle

 

Gelb und weiß ist die Immortelle oder Strohblume, die die besondere Eigenschaft hat, dass sie nicht verwelkt. Diese Unverwelklichkeit hat sie zum Sinnbild des Himmels gemacht, dessen Freuden nie vergehen, ewig dauern. Die Guten werden eingehen in die ewige Freude, sagt Jesus Christus, und der heilige Apostel Paulus spricht: Wir wissen, dass wenn dieses unser irdisches Wohngebäude abgebrochen sein wird, wir ein anderes empfangen nicht von Menschenhänden gemacht, sondern ein ewiges im Himmel.

 

Dieser Blume gleicht die allerseligste Jungfrau Maria. Ihr Wirken und ihr Sehnen war eine Immortelle, d.h. sie arbeitete für den Himmel, sie sehnte sich nach dem Himmel und darum sind ihre Werke unsterblich und der Lohn ihrer Sehnsucht der ewige Himmel! – Möchte es mir gelingen durch die heutige Betrachtung der Immortelle in euren Herzen, liebe Christen, mit unauslöschlichen Zügen einzuschreiben, was eins der große Erzbischof von Köln Clemens August ins Stammbuch seines Freundes geschrieben hat: Durch gute Werke und Sehnsucht wirst du hier und dort unsterblich! –

 

Das Kleid, das die göttliche Mutter ihrem geliebten Sohn selbst gesponnen und gewebt, hat sich wunderbarer Weise bis auf unsere Zeiten erhalten. Der Rock, um den die Henker bei der Kreuzigung Christi das Los geworfen hatten, ist aufbewahrt zu Trier noch heutigen Tages und wie ihr wisst, sind vor einigen Jahren zu seiner Verehrung, als er öffentlich ausgestellt wurde, viele Millionen Menschen aus allen Ländern fromm gepilgert. Dieses Kleid, aus einem Stück gewebt, ohne Naht, eine Arbeit der heiligen Jungfrau, ist wie die heiligen Väter sagen, ein Symbol der einen, ungeteilten, heiligen Kirche.

 

Es ist aber auch ein herrliches Bild der unvergänglichen, unsterblichen Dauer aller Werke Mariens, sie arbeitete und wirkte nicht für die Erde, sondern für den Himmel, darum wo immer der Namen Mariens verkündet ist, im Norden des Eismeeres und unter der heißen Sonne Brasiliens, an den Ufern des Nils oder am blauen Strom von China, da wird erzählt, was Maria getan hat. Ihr frommes Leben im Tempel, ihr stilles Leben mit Josef, ihre Muttersorgfalt für Jesus, ihr Besuch bei Elisabeth, ihr tätiges arbeitsames Wirken in Nazareth und in Ägypten, ihre Nächstenliebe auf der Hochzeit in Kana, ihre Gottergebung auf Kalvaria, ihre treue Freundschaft für Johannes und Magdalena, ihre Unterstützung der jungen Kirche durch Rat und Tat, all ihre guten Werke sie vergehen nicht, sie dauern immer und ewig, sind Immortellen, die nie verblühen! –

 

So sollen auch wir nach dem Beispiel Mariens nicht für die Erde, sondern für den Himmel arbeiten, wozu uns der Herr selbst ermahnt mit den Worten: Sammelt euch Schätze, die weder Rost noch Motten verzehren und die euch keine Diebe rauben. – Aber ach, blutige Tränen möchte man weinen, wenn man die Christen unserer Tage betrachtet und sieht, wie sie für alles eher sorgen, als für den Himmel, nur für ihren Leib sich abmühen, der in die Grube muss, um zu verfaulen, für ihre Seele aber gar nichts tun, die doch Rechenschaft geben muss am Tag des Gerichtes, deren ganzes Dichten und Trachten, Arbeiten und Wirken nur allein dahin zielt, zeitlichen Nutzen und irdischen Vorteil zu erlangen, nach Seifenblasen, die in der Luft zerplatzen, nach Spreu, die der Wind verweht, nach Wassertropfen, die im Meer der Ewigkeit verschwinden. Die da vergessen, dass sie nichts mitnehmen ins Grab, als ihre Sünden und guten Werke und wehe ihnen, wenn jene mehr sind als diese.

 

Darum seid doch wenigstens ihr klüger, liebe Christen, arbeitet für den Himmel durch gute Werke, sprecht wie der große Maler Correggio: Ich male nicht für die Zeit, sondern für die Ewigkeit und macht den Wahlspruch des Kaisers Ludwig des Bayern zu dem eurigen: Man soll vor allem nach solchen Schätzen trachten, die mit dem, der Schiffbruch erleidet, ans Ufer schwimmen. – Ein Leichenzug ging einst durch Wien, doch was sage ich, ein Leichenzug? Es waren nur der Priester und die Träger, die den Toten trugen, sonst niemand, denn es war ein armer, unbekannter Mensch. Da kam der Kaiser Franz I. desselben Weges gefahren und als er dieses armselige Leichenbegräbnis sah, stieg er aus dem Wagen und ging dem Sarg nach. Da erschallte es durch alle Straßen: Der Kaiser geht mit der Leiche! – und in einem Augenblick schlossen sich ihm Tausende an und als man zum Friedhof kam, war es eine unermessliche Menge, ein unübersehbarer Zug. So lange Wien steht, hat es noch kein solches Leichenbegräbnis gesehen und so lange es stehen wird, wird auch von ihm gesprochen werden. – Selig, die im Herrn sterben, denn ihre Werke folgen ihnen nach. Das wird sich auch an dir erfüllen, lieber Christ, wenn du auf Erden für den Himmel arbeitest, deine guten Werke werden dir, wie die Menge Menschen dem Leichenzug jenes Armen, folgen und dir ein Monument setzen, das kein Zeitensturm zerstört und einen Immortellenkranz auf dein Grab legen, der ewig nie verblüht. Dein frommes Gebet, deine heiligen Kommunionen, sie werden dir folgen, die Armen, die du gekleidet und gespeist, die Kranken, die du besucht und getröstet, das Kind, das du angenommen, der Sünder, den du auf den rechten Weg gebracht, die Tränen, die du getrocknet, die Wunden, die du geheilt, das Almosen, das du gespendet hast, der Schmuck der Altäre, die Zierden der Kirche, die Unterstützung christlicher Vereine, das sind, wenn du auch längst gestorben bist, die Perlenschnur, die diamantene Kette, die Zeit und Ewigkeit verbinden und dir ein ewiges Andenken schon hier auf Erden sichern. Alles andere wird vergessen auf Erden, wird nicht belohnt im Himmel. Nur die guten Werke sind Immortellen hienieden, sie sterben nicht, sind Immortellen im Himmel, sie lohnen mit ewigem Leben.

 

Nach dem Tod Christi zog Maria mit Johannes und Magdalena nach Ephesus in Griechenland, aber vor ihrem Ende sehnte sie sich noch einmal mit dem ganzen Verlangen ihrer Seele nach ihrem Vaterland, nach dem Land ihrer Heimat zurück. Und Johannes erfüllte ihren Wunsch und reiste mit ihr nach Jerusalem. – So sollen auch wir nach unserem eigentlichen Vaterland, dem Himmel verlangen, sollen rufen mit dem heiligen Paulus: Wer wird mich befreien von dem Leib dieses Todes; sollen seufzen mit dem heiligen Augustin: O Land der Ruhe, wie sehne ich mich nach dir, von den Ufern dieses Lebens schaue ich voll Verlangen nach dir, o himmlisches Vaterland! Denn die Größe unseres Lohns und die Gewissheit desselben für uns, sagt der heilige Ambrosius, richtet sich nach dem Maß unserer Sehnsucht danach. Als der heilige Einsiedler Arsenius dem Tod nahe war, wurde er von seinen Brüdern gebeten, ihnen doch zum Andenken und Abschiedsgruß einen heilsamen Spruch zu hinterlassen. Da sprach er nur die zwei Worte: Dort – wo – ? und verschied. Die Brüder ließen einen greisen Diener Gottes um die Deutung dieser Worte fragen und der schrieb ihnen zurück: Sie sagen nichts anderes als: Dort, wo die reinsten Freuden auf uns warten, sollen schon jetzt unsere Herzen sein!

 

O himmlische Immortelle, allerseligste Jungfrau Maria, die du nun im Himmel ewig glückselig bist, weil du auf Erden nur für den Himmel gewirkt und gearbeitet hast, erbitte uns von Gott die Gnade, dass wir aus Sehnsucht nach dem ewigen Leben durch gute Werke unsere Seligkeit gewiss machen. Amen.

 

Was gibt dem Christen Stärke,

Was stählet seinen Sinn? –

Sehnsucht und gute Werke,

Das macht unsterblich ihn!

 

Das ist des Lebens Quelle,

Das Bild der Immortelle,

Drum wirkt und lebt nicht für die Zeit,

Arbeitet für die Ewigkeit! –

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XXIX. Maiandacht - Weiße Rosen

 

Wohl eine der schönsten Blumen ist die weiße Rose, die unter allen Rosenarten am Stärksten wächst, so dass man mit leichter Mühe Rosenbäume daraus ziehen kann. Diese weiße Rose ist aber das Sinnbild der Freuden Mariens und insofern lasst uns sie heute näher betrachten.

 

Die Geschichte erzählt uns von der edlen Römerin Lucretia, dass sie einstmals um ihre Schätze und Kostbarkeiten gefragt wurde. Da ließ sie ihre Kinder kommen und indem sie auf sie zeigte, sprach sie: Das sind meine Schätze! Und wenn ihr, liebe Christen, jenes beste Mutterherz, die allerseligste Jungfrau Maria fragt: Maria, was ist denn deine Freude? So wird sie euch antworten: Jesus und ihr! – Werft einen Blick auf Maria und seht sie, wie sie ein Kind geboren hat zu Betlehem, wie sie vor ihm kniet, es umfängt und küsst, es umarmt und drückt, es bedeckt und anhaucht, es streichelt und liebkost, es niederlegt und wieder in die Höhe hebt, über das Kind sich hinbeugt und mit Tränen es benetzt, während ihr Herz pocht und ihr Auge funkelt und ihre Wange sich rötet! – Wer ist dieses Kind? – Es ist Jesus, ihre Freude, ihre größte Freude, ihre einzige Freude! –

 

Im tiefsten Schmerz und Herzensleid über den Tod Christi irrte die heilige Magdalena im Garten ganz betrübt umher und hatte keinen anderen Ausdruck für ihren Kummer als bittere Tränen und die Worte: Sie haben meinen Herrn fortgenommen und ich weiß nicht, wo sie ihn hingetan haben. Auf einmal steht der Heiland vor ihr und ruft: Maria! – Sie sieht auf, erkennt ihn, namenlose Freude erfüllt ihr Herz bei dem Wort. Aller Schmerz ist vergangen, alle Trauer ist vorüber, alles Leiden ist vorbei, alle Klagen sind verstummt. Christen! fasst nun, wenn ihr dazu im Stande seid, begreift nun, wenn es euch möglich ist, die Freude, die Wonne, das Entzücken des heiligsten Herzens Mariens, als das Kindlein in der Krippe zum ersten Mal sie mit dem süßen Namen Mutter begrüßte, als es die Händlein nach ihr streckend und voll Sehnsucht nach ihr verlangend zum ersten Mal den Namen der Liebe: Mutter, rief! – Die Engel haben die Pulsschläge ihres wonneerfüllten Herzens gezählt und die seligen Geister des Himmels ihre Freudentränen gesammelt in diesen heiligen Augenblicken.

 

Auf einem hohen Hügel saß die Mutter des frommen Tobias und spähte umher und schaute die ganze Gegend durch und voll Sehnsucht wollte ihr Herz gar nicht mehr schlagen und ihr Puls stockte, da sieht sie etwas kommen von ferne, immer näher, sie springt rasch auf, stellt sich auf die Zehen, reibt sich die Augen, er ist’s, er ist’s, mein Kind, mein Stab, meine Stütze, mein Trost! – Liebe Christen, diese Freude, sie ist nur ein Traum gegen jene, die Maria fühlte, als sie nach drei bangen Nächten, nach drei furchtbaren Tagen ihren Jesus wiederfand, als sie ihn lehrend fand im Tempel, eine Freude, die wie der heilige Bernhard sagt, alle Begriffe übersteigt, eine Freude, die kein menschliches Wort genügend ausdrücken kann.

 

Denkt euch, liebe Christen, eine irdische Mutter, deren Sohn studiert hat und zum Priester geweiht wurde und nun sein erstes heiliges Messopfer Gott darbringt, was geht in dem Herzen dieser Mutter vor, welche Gefühle beseelen sie, wenn sie ihn sieht mit den heiligen Gewändern angetan die Scharen des niederknienden Volkes segnen, wenn sie ihn sieht zum Altar schreiten, um dort die erste Heilige Messe zu feiern, wenn sie am Morgen seines Ehrentages von ihm den heiligen Segen bekommt und unter dem Hochamt aus seinen Händen die heilige Kommunion, wenn sie ihn hört zum ersten Mal das Wort Gottes verkündigen und alle, die sie kennen, sie um das Glück beneiden, Mutter eines Priesters zu sein, wie viele Tränen der Freude vergießt sie da und wie denkt sie nicht mehr an die Schmerzen, mit denen sie dieses Kind geboren und wie fühlt sie sich für allen Kummer und alle Sorgen, für alle Unkosten so überreich belohnt! –

 

Liebe Christen, glaubt ihr wohl, nun ahnen zu können die Freude der allerseligsten Jungfrau Maria! Als Jesus sein Lehramt antrat und sie zu Nazareth besuchte, als sie ihren Sohn sitzen sah auf derselben Matte, auf der er als Kind gesessen hatte, das Brot essen, das er segnend gebrochen hatte; ihn hingehen an das Bett irgend eines Kranken, dem er die Gesundheit wiedergab, als sie ihn sah den Tausenden, die zu ihm strömten, aus fern und nah, Worte des ewigen Lebens spenden, ihre Tränen trocknen und ihre Wunden heilen! Ahnen und fühlen können wir es wohl, aber begreifen und ganz erfassen nicht, ewig nicht, denn dazu müssten wir eine solch heilige Mutterliebe, eine solch glühende Sohnesliebe haben! –

 

Wenn man Ingeburgis, die Königin von Kastilien von dem Grab ihres Sohnes hat wegreißen müssen, weil sie darauf vor Schmerz gestorben wäre, welch ein Schmerz muss Maria durchbohrt haben, eine solche Mutter am Grab eines solchen Sohnes! – Schließt daraus auf die Freude des Wiedersehens auf Erden, des Wiedersehens im Himmel! Während die frommen Frauen bestürzt über das leere Grab staunten, stand Maria unbeweglich vor Freude in einiger Entfernung an einem alten Ölbaum gelehnt. Ein junger Mann redete leise mit ihr, dieser junge Mann war er, der glorreiche Besieger der Hölle, Jesus Christus, wie der heilige Ambrosius sagt. Niemals wurde kund, was bei dieser heiligen Zusammenkunft vorgegangen ist, gewiss aber ist es, dass Maria, deren starke Seele einen übermenschlichen Schmerz ausgehalten hat, auch eine Freude fühlte, die wir ohne zu sterben, nicht ertragen könnten.

 

Und als Maria begann, gleich einer müden Schnitterin, die den Schatten und die Ruhe sucht in der Mittagshitze, nach dem kühlen Schatten des Lebensbaumes zu seufzen, der am Thron des Herrn wächst und nach den lebendigen heiligen Quellen, die ihn bewässern, wurde ihr Flehen erhört. Sterbend sah sie den Himmel offen und den Menschensohn kommen auf einer lichten Wolke. Welche Freude! Bei diesem Anblick färbte sich ihr Antlitz in Purpurrot und ihre Augen strahlten im Glanz der Mutterliebe und Mutterfreude und anbetend ging sie hinüber in die Ewigkeit zu ihrem Sohn jubelnd das Wonnelied, singend den Freudengesang: Mein Geist frohlockt in Gott, meinem Heiland! – Liebe Christen, das sind die Freuden, die Maria an Jesus hatte; doch wir, auch wir sind ihre Freude!

 

Dass wir die Kinder Mariens sind, wisst ihr, weil sie zur Mutter der ganzen Menschheit bestimmt wurde. Dass sie unsere Mutter ist, wisst ihr, weil Jesus vom Kreuz herab gesagt hat: Sohn, siehe deine Mutter! – Dass wir aber als Kinder ihre Freude sind, will ich euch beweisen. Wir sind ähnlich ihrem Jesus, weil wir nach seinem Ebenbild erschaffen sind. Wir tragen dasselbe Kleid wie Jesus, weil auch er die menschliche Gestalt angenommen hat. Das Blut ihres geliebten Kindes hat auch unsere Seelen reingewaschen und unsere Heimat ist die gleiche wie die ihres Sohnes Jesus, der Himmel. Diese Ähnlichkeit in Gestalt, Kleidung, Beschäftigung und Bestimmung bringt schon auf Erden ein freudiges Gefühl hervor, und darum sagte auch Maria zur heiligen Brigitta: Wisse, Tochter, dass die Menschenkinder meine größte Freude sind.

 

Doch, liebe Christen, wie wird sich diese Freude ins Unendliche vermehren in dem Mutterherzen Mariens, wenn zu dieser mehr äußeren Ähnlichkeit auch die innere eines frommen und tugendhaften Lebens kommt, wenn eure Herzen weiße Rosen sind, weiß in keuscher Gesinnung und blättergrün in zuversichtlichem Vertrauen auf die Liebe Mariens! Liebe Christen, dann wird ihr Herz in Freude aufjubeln und wie einst der heilige Paulus an die Thessalonicher schrieb: „Wer ist unsere Freude? – Ihr seid unsere Freude und unsere Ehrenkrone“, so wird Maria zu euch sagen: Ihr seid meine Freude, meine größte Freude!

 

Dreißig Jahre lebte Augustin ein leben der Sünde, presste seiner Mutter bittere Tränen aus, war ihr Schmerz, ihr einziger Kummer. Als er sich aber bekehrte, kniete er nieder vor seiner Mutter, bat sie um Verzeihung und rief: Du hast mich geboren in Schmerzen, ich aber dankte dir nicht. Du hast mich wiedergeboren in Tränen und Gebet, nun will ich sein deine Freude und dir ewig bleiben dein Trost! – Erkennt euch alle in Augustin, ihr Christen, mehr oder weniger hat euch die Fürbitte Mariens geboren zu einem besseren Leben, aus dem Laster, aus dem Elend der Sünde gehoben, ruft nun auch mit Augustin: Jetzt will ich sein und bleiben deine Freude zum Dank für deine unendliche Liebe! Ich will fleißig beten, oft die heiligen Sakramente würdig empfangen, ich will die Gelegenheit meiden, besonders aber die Unreinigkeit fliehen, ich will dich in jeder Not mit Vertrauen anrufen und aus Liebe zu dir Almosen geben, die Kranken besuchen und Werke der Nächstenliebe üben, ich will ein förmliches Studium daraus machen, dir nur lauter Freude zu bereiten, dann wird aus meinem Herzen jene weiße Rose erblühen, das Sinnbild deiner Freude und wie einst der himmlische Vater bei der Taufe Jesu Christi herabrief: Dies ist mein geliebter Sohn, an dem ich mein Wohlgefallen habe, wirst dann du über mich rufen: Das ist mein geliebtes Kind, an dem ich meine Freude habe. Amen.

 

Dein Bild, o weiße Rose,

Dem Herzen Freude gibt,

Du sagst: Die Makellose

Uns arme Sünder liebt!

 

Wie sie voll Freud geküsset

Ihr liebstes Jesuskind,

So sie auch uns umschließet,

Wir ihre Freude sind!

 

O macht, dass niemals scheide

Von ihr uns eine Sünd,

Dass wir stets ihre Freude

Und lieben Kinder sind! –

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XXX. Maiandacht - Lonicera

 

Schon neigt sich der Monat Mai zum Ende und mit ihm enden die schönen Tage, die wir durch die Überreichung von Blumen an das Mutterherz Mariens heiligten. Deshalb kann ich diese Andacht nicht vorübergehen lassen, ohne euch nicht die Übung jener Tugend ans Herz gelegt zu haben, ohne die alle anderen nichts sind. Diese Tugend ist: die Beharrlichkeit in der Liebe Mariens und zum Sinnbild derselben soll uns dienen das sogenannte Geißblatt.

 

Das Geißblatt ist eine bekannte Schlingpflanze. Sie dient gewöhnlich zur Bekleidung von Lauben, Sommerhäuschen und dergleichen, an deren Wänden es sich hinaufrankt. Es hat wohlriechende, meist rötliche und weißliche, auch gelbliche Blüten, die sich in fünf Teile, einem gekrümmten Finger gleichend, trennen. Ihre Blätter wachsen so zusammen, dass der Stängel oft mitten durch geht.

 

Das Geißblatt wird auch Rose von Jericho genannt und darum passt es auf die Muttergottes, die ja auch, wie ihr wisst, von den heiligen Vätern die Rose von Jericho genannt wird.

 

Das Geißblatt heißt aber auch noch: Je länger, je lieber und drückt dadurch auf wunderliebliche Weise die Tugend aus, von der ich heute reden will: die Beharrlichkeit. Denn je länger man bei dieser Blume verweilt, desto lieber wird sie einem durch ihren herrlichen Wohlgeruch, den sie besonders abends ausduftet. Und die allerseligste Jungfrau, sie ruft gleichsam durch diese Blume uns zu: Je länger, je lieber! Je länger du mich liebst, desto lieber bist du mir! Je länger du mich verehrst, desto angenehmer bist du mir! Je länger du mein Kind bist, desto lieber will ich hier und in der Ewigkeit deine Mutter sein!

 

Liebe Christen, lasst diese Stimme nicht umsonst erschallen, die Stimme jener Mutter, die dir sagt: Komm, mein Kind, nimm einen Rat von mir an und rette deine Seele. Der heilige Joseph von Kupertin fragt sie: Wodurch? Und sie gab ihm die Antwort: Durch treue Liebe zu mir bis in den Tod!

 

Ihr alle, die ihr mir zuhört, wollt doch eure Seele retten und in den Himmel kommen. Deshalb hört, was der heilige Augustin sagt: Es ist ein sicheres Zeichen der Vorerwählung, der Bestimmung für den Himmel, wenn man beharrlich Maria liebt und ein anderer Heiliger tut den Ausspruch: Eine, wenn auch noch so kleine, aber beharrlich geübte Andacht zu Maria ist imstande, uns selig zu machen.

 

Schon wollte ein junger Mensch, der ein leichtsinniges Leben führte, entfliehen, als er hörte, die Missionare seien in seiner Vaterstadt angekommen. Schon war er im Begriff, sich im Eilzug einen Platz zu bestellen, als ihn etwas, was er sich selbst nicht erklären konnte, eine innere Stimme, ein unwiderstehlicher Drang, gleichsam festbannte, zu bleiben, eine Predigt zu hören, die ihn so rührte, dass er alle hörte und unter den schönsten Zeichen der aufrichtigsten Reue, seine Lebensbeichte ablegte. Als ihn der Beichtvater fragte, ob er nie eine Liebe zur Muttergottes getragen habe, gab er zur Antwort: Ich habe alle Gebete vergessen, selbst das Vaterunser kann ich nicht mehr. Nur das Ave Maria betete ich täglich, weil es mir meine sterbende Mutter aufgetragen hat.

 

Liebe Christen, zweifelt ihr daran, dass dieses Ave Maria es war, das dem jungen Menschen die Gnade der Bekehrung erwarb? Ja dieses kurze Gebet, diese wenn auch lau, aber doch beharrlich verrichtete Andacht, dieses Ave Maria war der Anker, der seine Seele im Sturm des Lebens nicht untergehen ließ. Dieses Ave Maria war der Stern, der ihm zu einem besseren Leben leuchtete. Dieses Ave Maria war das Band, mit dem ihn Maria vom Rande des Abgrunds zurückriss an ihr Mutterherz und an die Brust seines göttlichen Vaters.

 

Macht euch daher den festen Vorsatz, eure gewohnten Andachtsübungen zu Maria beharrlich zu üben, wenn sie auch noch so klein, so gering, so unbedeutend wären, die Beharrlichkeit vergoldet sie. Die Beharrlichkeit gibt ihnen den Wert und vielleicht hat dein lieber Gott an diese Andacht dein ewiges Wohl, dein ewiges Weh geknüpft.

 

Oder verdient Maria nur eine kurze Liebe, eine monatlange Andacht? Verdient sie nicht eine ganze Liebe, eine treue Liebe bis in den Tod? – Hat sie uns nicht als Kind geliebt, als sie uns zu Liebe im Tempel sich Gott weihte? Hat sie nicht als Jungfrau uns geliebt, als sie Jesus für unser Heil geboren hat? Hat sie nicht in späteren Jahren uns geliebt, als sie ihren Sohn für uns ans Kreuz schlagen ließ? Hat sie nicht im hohen Alter uns geliebt, als sie bis in das 60. Jahr für unser Seelenheil gelebt hat? – Liebt sie uns nicht jetzt vom Himmel herab mit einer Liebe von der Wiege bis zum Grab? –

 

Kennt ihr im Spätsommer und Herbst jene silberweißen Fäden, die in der Luft herumfliegen und sich an die Kleider anhängen und uns ganz bedecken? Die Naturforscher wissen sie bis auf den heutigen Tag nicht genügend zu erklären und die fromme Legende nennt sie Muttergottesfäden, die Muttergottes spinnt, es sind ihre Gespinste! Ein herrliches Bild ihrer Wohltaten und Liebesbeweise, mit denen sie den Menschen überdeckt, auch wenn er sie nicht verdient, überhäuft, auch wenn er sie nicht haben will, wenn er ihr nicht dankt. Geht hinaus jetzt im Frühling auf die Wiesen und zählt die Blumen, wenn ihr im Stande seid, zählt die Blätter und die Blüten, wenn es euch möglich ist, seht, ebenso unzählbar, ebenso unermesslich sind die Wohltaten und Liebesbeweise Mariens! –

 

Drum liebt Maria mit einer treuen, mit einer beharrlichen, mit einer ewigen Liebe! Als die Hungersnot im Lande Juda vorüber war, kehrte Noemi wieder zurück. Ihre zwei Schwiegertöchter Orpha und Ruth begleiteten sie. Als sie zur Mitte des Weges gekommen waren, sprach Noemi: Kehrt nun wieder um, ich finde jetzt den Weg allein, ich danke für eure Liebe. Orpha ließ sich bereden, nicht aber Ruth. Die sprach: Nein, Mutter, ich gehe mit dir und bleibe bei dir. Nichts soll mich trennen von dir. Die Hütte, die dich beherbergt, soll auch mich beherbergen. Diejenigen, die dich lieben, die will auch ich lieben und das Grab, das dich aufnimmt, soll auch einst mich aufnehmen.

 

Seht, Christen, im schönsten Bild, wie unsere Liebe zu Maria beschaffen sein soll. Gerade so sollen wir zur heiligen Jungfrau sagen: Nein, Mutter, nichts trenne uns von dir, dir wollen wir dienen alle Tage unseres Lebens. Dort, wo du wohnst, dort wollen auch wir gerne sein. Diejenigen, die dich lieben, die sollen auch unsere lieben Freunde sein, bis zum Tod, bis zur letzten Stunde, bis dieses Herz zu schlagen aufhört, wollen wir dein sein und dein bleiben! –

 

Ihr wisst, liebe Christen, aus der Heiligen Schrift, wie einst der Feldherr Josua rief: Steh still, Sonne zu Gideon und du Mond im Tal Ajalon! Und siehe, die Gestirne standen still und es wurde nicht Nacht zu jener Zeit. – Hätte ich, liebe Christen, die Glaubenskraft des Feldherrn Josua, so würde ich rufen: Monat Mai, bleibe stehen, weiche nicht du Monat, in dem sich eure Liebe, eure Andacht zu Maria so schön und rührend gezeigt hat, bleibe immer! Liebe Christen, nie vergehe diese Liebe in eurem Herzen, nie erkalte diese Andacht, sondern immer mehr und mehr nehme sie zu, wachse sie, vermehre sie sich bis zu jenem Augenblick, wo wir durch die Verehrung Mariens eingehen werden in jenes Land, wo es keinen Wechsel mehr gibt! Amen.

 

O nimm hinweg den Geist, der wetterwendig

Bald eifrig ist, bald wiederum erlaut,

Mach fest uns in der Tugend und beständig,

Gib uns ein Herz, das immer dir vertraut.

Beharrlichkeit im Guten uns erflehe,

Dass uns nicht trifft einst des Erlösers Wehe!

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XXXI. Maiandacht - Vergissmeinnicht

 

Nun ist der Kranz vollendet, den wir im Monat Mai der Muttergottes weihten, vollendet bis auf eine einzige Blume, mit der wir den Kranz schließen wollen! –

 

Kennt ihr das blaue Blümchen, das in zahlloser Menge an den Ufern der Bäche wächst, das mit seinen kleinen blauen Äuglein freundlich uns anlacht und von dem eine fromme Legende erzählt, dass es der Herr zuletzt unter allen Blumen erschaffen hat und ihm einen Namen gegeben habe, der den Menschen ermahnen sollte, über der Schönheit der Natur nicht den Schöpfer zu vergessen? – Es ist das Vergissmeinnicht.

 

Das Vergissmeinnicht ist ein liebliches Blümchen und erinnert an das himmlische Vergissmeinnicht, an Maria, die die heilige Kirche mit dem Titel: Virgo amabilis, liebenswürdige Jungfrau begrüßt. Maria ist lieb und hat uns lieb. Unter dem Wort: lieb verstehen wir die Vereinigung der Schönheit des Leibes mit der Schönheit der Seele, die Verbindung der äußeren Schönheit mit der inneren, die wir in Maria finden. Sie war so schön dem Leib nach, dass der heilige Dionysius, der zu gleicher Zeit mit ihr lebte, sagte, er würde sie angebetet haben, wie eine Gottheit, wenn er nicht gewusst hätte, dass sie die Mutter Jesu sei. Und wir wissen, dass sie selbst im hohen Alter, auf ihrem Sterbebett noch bewunderungswürdig schön gewesen ist, denn weder die Zeit noch der Tod wagte es, dieses auserwählte Gefäß der Gnade zu berühren und zu verändern. Ihre Seele war so schön, dass von ihr das Wort der Heiligen Schrift gilt: Die Schönheit einer Tochter des Königs ist in ihrem Inneren. Ihr Herz war der Thron aller Tugenden! Willst du die Demut? Betrachte, wie sie mit tiefgebeugtem Haupt zum Engel spricht: Siehe, ich bin eine Magd des Herrn! – Willst du die Liebe? – Denk an ihre Reise zu Elisabeth und an die Hochzeit zu Kana. Willst du die Dankbarkeit? – Höre den Jubelgesang ihrer dankbaren Seele: Hoch preise meine Seele den Herrn! – Willst du die Ergebung? – Dann schaue hin, wie sie unter dem Kreuz steht zwar mit gebrochenem, aber gottergebenem Herzen! – Darum hat der heilige Anselmus Recht, wenn er sagt, dass Maria das schönste Geschöpf war, das je aus der schaffenden Hand Gottes hervorgegangen ist, weil in ihr, wie in keinem anderen Geschöpf Körper und Seelenschönheit in solch unaussprechlicher Harmonie vereint gewesen ist! – Maria hat uns lieb. Wird sie die Worte ihres Sohnes nicht erfüllen: Daran werde ich euch erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr einander lieb habt. Wird sie, die einst gesprochen: Alles, was er euch sagt, das tut!, dem letzten Willen ihres sterbenden Sohnes nicht nachkommen: Mutter, sieh hier dein Sohn! – Ja, sie hat uns lieb und in der Heiligen Schrift finden wir niedergelegt den ganzen Reichtum ihrer Mutterliebe zu uns, den Stufengang, die Reihenfolge ihrer Liebe in jenen Worten, die die heilige Kirche auf Maria bezieht, sie heißen: Ich liebe, die mich lieben. Noch mehr: Ich werde leicht und ohne Mühe gefunden von denen, die mich lieben. Noch mehr: Ich komme denen entgegen, die mich anrufen. Noch mehr: Ich komme denen zuvor, die nach mir verlangen und zeige mich ihnen zuerst! – Wenn ihr dies lest oder hört, liebe Christen, wird da euer Herz nicht gerührt und ergriffen, hingerissen von der unendlichen Liebe Mariens zu euch und müsst ihr nicht ausrufen mit dem heiligen Thomas von Villanova: O Maria, wenn ich die Unendlichkeit deiner Liebe zu mir betrachte, so geht es mir, wie wenn ich in den Glanz der Mittagssonne schaue, geblendet schlage ich die Augen nieder, die feucht von Tränen sind.

 

Das Vergissmeinnicht ist, wo es sich findet, in zahlloser Menge und erinnert an die Menge der Gnaden, die wir durch Maria empfangen haben. Sie selbst ist die Gnadenvolle, wie sie der Erzengel begrüßte: Sei gegrüßt, Maria, du bist voll der Gnade! – Ja, sie ist ein Wunder der Gnade. Gott hob ihr zu Liebe die allgemeinsten Gesetze, die unbedingtesten Gesetze der Natur auf. Maria blieb Jungfrau vor, in und nach der Geburt Jesu Christi, da doch dies bei keinem menschlichen Geschöpf der Fall ist. Maria gebar ihren Sohn ohne Weh, ohne Schwachheit, ohne Leiden, da es doch heißt: In Schmerzen sollst du deine Kinder gebären. Maria lebte ohne jegliche Sünde, ja sogar ohne freiwillige Unvollkommenheit, da doch geschrieben steht: Jeder Mensch ist ein Sünder. Maria starb ohne Traurigkeit und ohne Schrecken, ohne Angst und Kampf, da doch jede Natur vor dem Sterben sich entsetzt. Mariens Leib entging der Fäulnis und Verwesung im Grab, da doch Gott selbst gesagt hat: Du bist Staub und sollst wieder zu Staub und Asche werden! – Maria hat einen Gott geboren und ein Gott gehorcht ihr und tut, was sie, sein Geschöpf, haben will. Maria ist unbefleckt empfangen, da wir doch alle sagen müssen: In Sünden sind wir empfangen! Diese größte und höchste Gnade, die Gott nie einem menschlichen Wesen gab noch geben wird, gab er ihr zu einer Zeit, da sie noch nicht darum bitten, nicht sich diese erwerben konnte. Wird er ihr dann jetzt eine Gnade abschlagen, liebe Christen? – Nein, nein, darum ist es wahr, wenn Maria bittet, erlangt sie alles von Gott. Darum ist es wahr, dass Maria allmächtig ist durch die Kraft ihrer Fürbitte, wie Gott allmächtig ist durch die Kraft seiner Wesenheit. Darum ist es wahr, wenn der heilige Anselmus sie die Allmacht auf den Knien nennt! – Sie ist die Gnadenmutter für uns, denn die Heilige Schrift sagt von ihr: Bei ihr ist alle Gnade des Lebens. Die heiligen Väter begrüßen sie als die Mutter der Gnade, die Ausspenderin und Schatzmeisterin der Gnade und der heilige Bernhard sagt: dass alle Gnaden, die wir von Gott empfangen, uns durch die Hände Mariens zugeteilt werden. –

 

Das Vergissmeinnicht ist blau und diese blaue Farbe mahnt an den Himmel, von dem es heißt: Die Guten werden eingehen in die ewige Freude. Sehnt euch nach dem Himmel, denn je größer unsere Sehnsucht danach ist, sagt die heilige Theresia, desto gewisser kommen wir hinein. Selig sind, die das Heimweh haben, denn sie werden nach Hause kommen!

Und wie sollt ihr euch, liebe Christen, nicht nach dem Himmel sehnen, nach einer ewig unvergänglichen Freude, jetzt, da euch dieser Augenblick lauter und stärker zuruft als je, dass auf Erden alles vergeht schnell und früh! –

 

Nun ist vorüber die schöne Maienzeit, dieser herrliche Monat, in dem ihr in der Kirche so oft geweilt, vor dem Altar so oft gekniet, vor dem Marienbild so gerne gebetet habt, vorüber die Zeit, in der ein neuer Frühling der Liebe und Andacht zu Maria in eurem Herzen lebendig wurde, vorbei die Zeit, die so viele tausend Seelen in dem einen Gefühl vereinte, Maria zu verehren und ihre herrlichen Tugenden nachzuahmen! So geht alles vorüber! – Darum sursum corda, zum Himmel das Herz, wo die Freude ewig dauert und die Liebe unvergänglich ist! – Wollt ihr in den Himmel kommen, so verehrt Maria alle Tage eures Lebens, denn ein wahrer Verehrer Mariens, sagt der heilige Alphonsus, kann nicht zu Grunde gehen.

 

Du aber, o himmlisches Vergissmeinnicht, allerseligste Jungfrau Maria, vergiss uns nicht, die wir den Kranz von 31 Blumen, zu deiner Ehre gewunden, weihend dir zu Füßen legen. Durch deine mächtige Fürbitte bei Gott bewirke, dass diese Blumen nie verwelken, dass die Tugenden, die sie bedeuten, in unserem Leben sich zeigen und dass wir durch dich zu Jesus kommen, der da hochgelobt und gebenedeit sei in Ewigkeit. Amen.

 

Im Kranze, den die Liebe flicht

Um das Marien-Bild,

Soll blühen das Vergissmeinnicht

Als letztes Blümchen mild;

Soll mahnen an die große Pflicht:

Mariens Kind zu sein,

Denn dann vergisst auch sie uns nicht

Und schließt ins Herz uns ein!

Nimm freundlich diesen Blumenkranz

O Mutter, dir geweiht,

Erfleh uns einst dafür den Glanz

Der Himmelsseligkeit! –

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