Die Kleinen Tagzeiten zu Ehren der Unbefleckten Empfängnis

 

Durch die marianischen Tagzeiten wird unser tägliches Leben geheiligt, wird es Dienst im Dienst Gottes. In Erinnerung an die „Unbefleckte Empfängnis Mariens“ treten wir in Feindschaft mit der Sünde. Die Sendung der Muttergottes ist auch die unsere: Für Christus Zeugnis ablegen und dazu beitragen, dass die Pläne Gottes auf Erden verwirklicht werden. In solchem Beten finden wir den Weg zum Sieg und zur Verherrlichung Gottes im Himmel und auf Erden.

Tagzeiten nennen wir das kirchliche Stundengebet, in dem Hymnen mit Psalmen und Lesungen aus der Hl. Schrift und anderen kirchlichen Gebeten wechseln und das sich auf die acht liturgischen Zeiten oder Stunden des Tages verteilt. Die Beter dieser Tagzeiten sind aber an keine bestimmte Zeit gebunden.

 Matthias Hergert

MATUTIN (Mette)

(auch Vigil oder Nachtoffizium – wird zwischen Mitternacht

und dem frühen Morgen gebetet)

 

LAUDES

(das Morgengebet)

 

PRIM

(eine der kleinen Horen im Stundengebet – Prim, Terz, Sext, Non – sie wird

etwa um 6 Uhr gebetet)

 

TERZ

(wird etwa um 9 Uhr gebetet)

 

SEXT

(wird etwa um 12 Uhr gebetet)

 

NON

(wird etwa um 15 Uhr gebetet)

 

VESPER

(das Abendgebet)

 

COMPLET

(das Nachtgebet, mit dem der Tag beendet wird)

 

 

Die Tagzeiten zur Ehre Mariens

 

Die Tagzeiten der heiligen Jungfrau enthalten die schönsten Stellen der Heiligen Schrift, deren die Kirche sich bedient, um Maria zu ehren und zu preisen. Die Gelehrten sind über den Ursprung und den Verfasser dieser Tagzeiten nicht einig, obgleich mehrere sie dem Kardinal Petrus Damiani, Bischof von Ostia zuschreiben. Indessen finden wir, dass der heilige Johannes Damascenus, als er noch ein angehender Mönch war, schon die fromme Gewohnheit hatte, zur Ehre der heiligen Jungfrau die Horen zu beten. Hundert Jahre vor Johannes Damascenus hatte der heilige Ildephons, Erzbischof von Toledo ein Officium aus neun Lesungen bestehend verfasst, das an den Samstagen gebetet werden sollte. Man erzählt, die heilige Jungfrau habe ihm für diese von ihm verfassten Tagzeiten und für seine Abhandlung über ihre Jungfräulichkeit gedankt. Andere schreiben die Tagzeiten der allerseligsten Jungfrau dem heiligen Augustin zu. 

 

Beim Konzil von Clermont in der Auvergne, wo man alles mögliche tat, um Maria zu bewegen, der bedrängten Kirche zu Hilfe zu kommen und die Kreuzfahrer unter ihre besondere Obhut zu nehmen, befahl Papst Urban II. der Geistlichkeit alle Tage die Tagzeiten der seligsten Jungfrau zu beten. Von der Geistlichkeit ging dieser Gebrauch auf den Orden des heiligen Bruno, und später auf die Laien über. Mehrere Kathedralkirchen und mehrere religiöse Körperschaften beten die Tagzeiten der heiligen Jungfrau mit dem Brevier des Tages. Im Orden von Cluny betete man alle Samstage, wenn kein Festtag einfiel, die großen Tagzeiten der heiligen Jungfrau. 

 

Es wäre zu weitläufig hier alle Heiligen und frommen Kinder Mariens aufzuzählen, die ihrer erhabenen Mutter diesen Zoll der Lobpreisung und der Liebe beharrlich dargebracht haben. Der heilige Ludwig, König von Frankreich, wusste es inmitten seiner Heere und der unzähligen Geschäfte seines königlichen Amtes möglich zu machen, täglich die Tagzeiten der heiligen Jungfrau zu beten. Der heilige Karl Borromäus betete sie kniend, ohne ein einziges Mal auszusetzen. Als der heilige Vincenz Ferrer noch jung war, nahm er diese fromme Übung an, und behielt sie bis zu seinem Tod bei. Wir könnten auch noch das Beispiel der heiligen Elisabeth, der heiligen Brigitta, der heiligen Katharina von Schweden und so vieler anderer anführen. 

 

Kinder Mariens, bringt eurer Mutter fleißig diesen kindlichen Tribut eurer Liebe dar, so weit eure Aufgaben es erlauben. Es können dadurch auch verschiedene Ablässe gewonnen werden.

 

Die Tagzeiten der glorreichen Mutter Gottes und der Rosenkranz bildeten jeden Tag die Hauptfreude des heiligen Einsiedlers Bohumil. Täglich betete er dreiundsechzigmal den englischen Gruß zum Andenken an die Jahre, die die heilige Jungfrau auf Erden zubrachte. Diese Andacht ist in Polen allgemein, und Bohumil hatte sie mit der Muttermilch eingesogen. Jedes Mal, wenn er den Namen Mariens aussprach, verneigte er sich ehrfurchtsvoll. Also verdiente er, dass die Mutter Gottes in Begleitung ihres göttlichen Sohnes in der Todesstunde zu ihm kam, um ihm beizustehen und ihn in die himmlische Glorie einzuladen. Er verließ das zeitliche Leben, um in die ewige Herrlichkeit einzugehen, indem er die Worte sprach: "O Jesus, du Sohn Gottes, und der heiligen Jungfrau Maria, nimm meine Seele auf." Dies Beispiel soll uns in der Andacht der Tagzeiten der heiligen Jungfrau bestärken, die dem heiligen Bohumil so lieb war, und zu allen Zeiten Wunder gewirkt hat. (+ 12. Juni 1282)

 

Wie angenehm Maria das Beten der Tagzeiten ist

 

Zwei durch ihre Frömmigkeit und Gelehrsamkeit berühmte Kardinäle, der heilige Petrus Damiani und Baronius erzählen uns, dass die Mönche eines Klosters in Italien von Alters her die Gewohnheit hatten, die Tagzeiten der allerseligsten Jungfrau zu beten. Einige laue und nachlässige Ordensleute ließen diesen frommen Gebrauch außer Übung kommen, indem sie als Grund anführten, es sei schon genug, wenn sie alle Tage ihr Brevier beteten, das sie im Gewissen verbinde, ohne auch noch ein anderes Gebet aus purem Überandachtseifer beizufügen. Aber kaum hatte man aufgehört, Maria diese ihrem Herzen so liebe Huldigung darzubringen, als alle möglichen Unglücksfälle über diese sonst so blühende Abtei hereinbrachen. Es meldeten sich keine Novizen mehr, Zwietracht entstand unter den Brüdern, häufige Fälle von Ungehorsam betrübten die Vorgesetzten, mehrere Prozesse und viele andere Widerwärtigkeiten brachten das Kloster an den Rand des Verderbens, und trieben alle Mönche beinahe zur Verzweiflung. Der heilige Petrus Damiani, der dieses Haus besuchte, vernahm ihren Kummer, und erfuhr aus ihrem eigenen Mund die Vernachlässigung, die sie sich gegen Maria hatten zu Schulden kommen lassen. Er riet ihnen dringend an, die Tagzeiten der heiligen Jungfrau von neuem und ohne Verzug zu beten, indem er sie versicherte, Maria habe sie nur deshalb hilflos gelassen, weil sie sie zuerst aufgegeben hätten. Die Mönche wurden durch das Wort des frommen Kardinals gerührt, und kehrten wieder zu der heiligen Übung zur Ehre der Mutter Gottes zurück. Und alsbald sah man den Frieden, die Frömmigkeit und alle Tugenden in der berühmten Abtei wieder aufblühen, die mit dem köstlichsten Segen von der Mutter der göttlichen Gnade überschüttet wurde, die die ihr erwiesenen Huldigungen niemals unbelohnt lässt. 

 

Margareta lebte noch in der Welt, als sie beinahe gezwungen wurde, sich mit einem mächtigen Edelmann ihres Standes zu vermählen. Da sie aber der heiligen Jungfrau gelobt hatte, ihre Jungfräulichkeit zu bewahren, so nahm sie zu dieser guten Mutter ihre Zuflucht, dass sie ihr ihren Schutz verleihe und ihr die Hindernisse besiegen helfe, die sie in ihrer Familie fand. Eines Nachts, da sie mit ihren Gedanken beschäftigt, nicht schlafen konnte, erschien ihr die Mutter Gottes und gab ihr die Versicherung, dass die beabsichtigte Vermählung nicht stattfinden werde. Durch dieses Versprechen beruhigt, stand Margareta sogleich auf, und lief in die Kapelle, um da zur Danksagung die Tagzeiten zur heiligen Jungfrau zu beten. Seit diesem Gesicht empfand sie einen großen Abscheu gegen die Eitelkeiten der Welt. Jede Nacht brachte sie im Gebet zu, und schlief nicht eher ein, als bis die Mutter Gottes sich ihr gezeigt hatte. Maria selbst nahm es auf sich, ihr die Mittel anzugeben, die sie anwenden sollte, um die Welt zu verlassen. Und geleitet von dieser himmlischen Führerin, trat sie in den Orden des heiligen Franziskus ein. Als sie bei der Einkleidung, auf der Erde liegend das "Sei gegrüßt du Meeresstern" mit der größten Andacht betete, und zu den Worten kam: "Zeige dich als Mutter" schnitt sie, von heiliger Inbrunst erfasst, ihr Haar ab, und warf es verächtlich von sich. Im Augenblick ihres Todes hatte sie noch den Trost, Maria zu sehen, und sie vermachte den Schwestern ihres Klosters als eine kostbare Erbschaft die Andacht der Tagzeiten, deren heilsame Wirkungen sie während ihrer Lebenszeit erfahren hatte.

 

Der selige Jakob, Dominikaner, wurde in seiner Jugend der Obsorge einer seiner Basen, namens Johanna, einer sehr frommen und klugen Frau, anvertraut, die sich bemühte, seinem jungen Herzen eine innige Andacht zu Maria einzupflanzen. Sie lehrte ihn die Tagzeiten der heiligen Jungfrau lesen, und versprach ihm eine Belohnung, wenn er sie hundert Tage hintereinander bete. Jakob tat es halb aus Andacht halb aus Eigennutz. Aber als die hundert Tage verflossen waren, weigerte sich die Tante, ihr Versprechen zu erfüllen. Anstatt darüber böse zu werden, beteuerte Jakob, er wolle von nun an alle Tage diese heilige Andacht verrichten und er hielt Wort. Maria belohnte ihn dafür dadurch, dass sie ihn zum geistlichen Stand im Orden des heiligen Dominikus berief. Der fromme junge Mann, der in einem noch so zarten Alter mehr von der Liebe, als von dem Eigennutz sich hatte leiten lassen, fühlte nun seine Andacht zur heiligen Jungfrau mehr und mehr zunehmen.