Inhalt:
1. Reinigungsort
2. Reliquiengeschichte
3. Reliquienverehrung
4. Ritter
5. Rosenkranz
6. Rufer in der Wüste
7. Reliquien des hl. Bonifatius
8. Reliquien allgemein
9. Religionen
10. Rache
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1. Reinigungsort
1. Eine trostvolle Lehre.
Vor Jahren fuhr ein Karmeliterpater von Amerika nach Deutschland. Auf demselben Schiff war ein junger Engländer, der ebenfalls nach Deutschland wollte. Trauernd saß dieser stundenlang auf dem Verdeck am Geländer und nicht selten standen ihm die Tränen in den Augen. Voll Mitleid näherte sich einmal der Priester dem jungen Trauernden, und bald entspann sich zwischen beiden ein Gespräch, in dem der Engländer, der der anglikanischen Kirche angehörte, die Ursache seines Kummers auseinandersetzte. „Es tut mir unendlich wohl,“ begann er, „dass ich in Ihnen einen katholischen Geistlichen gefunden habe, der mit mir aufrichtiges Mitleid hat und dem ich meine Leiden freundschaftlich klagen darf. Vor sechs Jahren habe ich meine lieben Eltern und Geschwister durch den Tod verloren; niemand kann mir die fehlende Elternliebe ersetzen. Der Tod raubte mir alles; meine Eltern waren mir teurer als mein Leben. Was mich aber am meisten bedrückt, das ist, dass ich für meine lieben Dahingeschiedenen gar nichts mehr tun kann. Ich fühle und glaube, dass es eine Ewigkeit gibt. Aber stets ergreift mich der Gedanke: Meine Lieben sind verloren! Ein schreckliches Gefühl! Meine Lieben waren gut, hatten ein christliches Herz; aber sie waren nicht fehlerfrei. Wenn Sie, Herr Pater, bedenken, dass mein erster Gedanke beim Erwachen und mein letzter beim Niederlegen meinen lieben Dahingeschiedenen gilt, dann können Sie sich wohl mein Aussehen und Benehmen erklären.“ Kummergebeugt legte der junge Mann das Haupt in seine Hände und vergoss einen Strom von Tränen. Der Pater ließ ihn sich ausweinen. Als er bemerkte, dass die Gewalt des Schmerzes für diesmal etwas gebrochen und die Ruhe wiedergekehrt war, wandte er sich mit väterlich-priesterlichen Worten an das trauernde Herz des jungen Mannes. „Mein junger Freund,“ sprach er, „verzagen Sie nicht; denken Sie an die Güte und Liebe des Herzens Gottes. Gott will nicht, dass jemand zugrunde gehe. Wir können den Verstorbenen helfen durch das heilige Messopfer, durch Gebet und gute Werke.“ Dann setzte er dem jungen Mann die Lehre der Kirche über das Fegfeuer auseinander. Da strahlte es wie wohltuender Sonnenschein in das bekümmerte Gemüt des jungen Menschen; er schloss sich dem Pater enger an, erhielt vollständigen Unterricht in der katholischen Religion und trat bald darauf voll heiligem Eifer zur katholischen Kirche über.
2. Ein ernster Gedanke.
Die von der berühmten Elsbeth Stagel OP geschriebene Chronik des Klosters Töß bei Winterthur berichtet von der seligen Schwester Anna von Klingnau: Es schien ihr einst, dass ihr Engel sie in das Fegfeuer führte. Da hatte sie ob der Strafen, die sie dort sah, so großes Erbarmen mit den Seelen, dass es unsagbar ist. Der Engel aber sprach zu ihr: „Nun dünkt dich dies ein großes Leid, und doch, solange du hier bist, verdienst du dir keinen Lohn.“ Da vergaß sie alles Leides, das da war, darüber, dass ihr für diese Stunde kein Lohn werden sollte.
3. Eine Hilfe im Erdenleid.
Zu Schwester Margret Finkin, die im gleichen Kloster Töß gar heilig lebte, kam einmal ein leidgeplagtes Menschenkind und klagte ihr sein Leid. Sie hörte sich alles geduldig an, dann aber sprach sie: „Nun sag einmal, was ist dir lieber: dass unser Herr in deinem Todesstündlein zu dir kommt und du gleich, ohne Strafe und Aufschub, zu ihm gegen darfst, oder dass Gott dir dieses Leid abnimmt?“ Und die alte Klosterchronik fährt treuherzig fort: „Da erwählte der Mensch das Bessere, und es blieb ihm auch das Leiden. Und doch ward es ihm durch ihren süßen Trost viel erleichtert; denn ihre Worte waren so sicher, dass der Mensch es fest glaubte, Gott habe es ihr kundgetan.“
(Aus: Homiletisches Handbuch, Anton Koch, 1950, Band 11, Seite 451)
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2. Reliquiengeschichte
Die Geschichte einer Reliquie
Es ist eine bei allen Völkern verbreitete Sitte, Gegenstände, die mit geliebten oder berühmten Persönlichkeiten in Verbindung gestanden sind, ehrfurchtsvoll aufzubewahren. Der letzte Brief von der Hand der Mutter gilt einem guten Kind zeitlebens als teures Andenken: es würde ihn nicht hergeben, wenn man ihm für jedes Wort einen Taler zahlen wollte. Die Feder, mit der bekannte Dichter ihre Lieder geschrieben; die Uniform, die siegreiche Feldherren in der Schlacht getragen haben; Krone und Zepter mächtiger Herrscher werden sorglich hinter Glas und Rahmen verschlossen.
Kein Wunder, dass man von großen Männern und Frauen bisweilen auch das aufbewahrt, was am Menschen das Edelste ist: das Herz. Es liegt in diesem Gebrauch ein Doppeltes. Einmal ist es ein Zeugnis von der dankbaren Gesinnung der Überlebenden: sie wollen das Herz, dem so viel Segen für die Menschheit entströmt ist, nicht vermodern und zerstieben lassen. Sodann sollen sich die Nachkommen an seinem Anblick gleichfalls zu großen Taten, zu Selbstlosigkeit, Liebe und Tapferkeit usw. entflammen.
So soll kurz die Geschichte des Herzens eines Heiligen mitgeteilt werden, der wie kaum ein anderer die barmherzige Liebe des göttlichen Herzens nachgeahmt hat: des wunderbaren hl. Vinzenz von Paul. Der Bericht ist ein guter Beweis für die Vernünftigkeit der Herz-Jesu-Andacht. Denn wenn man schon das tote Herz eines Menschen so hoch achtet, wie viel mehr verdient dann jenes Herz unsere Verehrung, von dem noch immer Leben und Gnade über Himmel und Erde ausgeht! Die Herzen der lieben Heiligen sind doch gegen das göttliche Herz nicht mehr als kleine, im Sonnenglanz schimmernde Stäubchen im Vergleich zur großen Mittagssonne.
Die Herzogin von Aignillon, eine Nichte des Kardinals Richelieu, war eine große Verehrerin des hl. Vinzenz und unterstützte ihn stets mit ihrem Geld und Einfluss bei seiner umfassenden Liebestätigkeit. Nach dem Tod des Heiligen ließ sie darum sein Herz in einen herzförmigen, silbernen Behälter fassen, der auf vier silbernen Säulchen ruhte und auf dem oberen Teil mit Flammen aus Gold geschmückt war. Nach der Seligsprechung des Verstorbenen (am 14. Juli 1729) wurde diese Reliquie in der Kirche von St. Lazarus in Paris zum ersten Mal öffentlich verehrt und blieb dort 60 Jahre hindurch, d.h. bis zur großen französischen Revolution. (St. Lazarus ist bekanntlich das Mutterhaus der vom hl. Vinzenz gestifteten „Kongregation der Missionäre“; daher ihr Name Lazaristen.) Als nun in der Nacht vom 12. auf den 13. Juli 1789 St. Lazarus geplündert wurde, ließen die Einbrecher ihre Wut auch am hl. Vinzenz aus: sie schlugen der im Garten aufgestellten Statue den Kopf ab, so dass der Heilige „die Ehre hatte, als der erste von den Revolutionären enthauptet zu werden“. Die Reliquien der Kirche blieben zwar unberührt, doch entsprang diese Schonung offenbar nur äußeren Gründen, die sich von heute auf morgen ändern konnten. Deshalb übergab der damalige Generalsuperior der Missionäre, Josef Cayla de la Garde, das Herz samt Reliquiar dem Direktor der Barmherzigen Schwestern, dem Missionspriester Karl Dominikus Sicardi, einem gebürtigen Italiener, zur Aufbewahrung.
Bald kamen noch schlimmere Zeiten. Die Revolution wütete immer heftiger; Hunderte von Priestern und Laien endeten ihr Leben auf dem Schafott; was in den Kirchen nicht niet- und nagelfest war, wurde zerschlagen oder gestohlen. Auch der kostbare Reliquienschrein, worin der Leib des hl. Vinzenz ruhte, wurde weggenommen und als „Nationalgut“ erklärt. Unter dem Druck dieser Verhältnisse mussten sich die Missionäre notgedrungen zerstreuen und Sicardi entschloss sich, mit zwei Mitbrüdern und vier Barmherzigen Schwestern aus Frankreich nach Italien zu fliehen. Das Herz seines Ordensstifters sollte sein Führer sein, wozu ihm der Generalsuperior die Erlaubnis erteilte, unter der ausdrücklichen Bedingung der Rückgabe, sobald die Kongregation in Frankreich wieder hergestellt sein würde. Aber wie den wertvollen Schatz den lüsternen Blicken der Häscher entziehen? Sicardi hatte einen guten Einfall. Er schnitt aus einem großen Buch – es war der 2. Band der Legende der Heiligen von Franz Gèry aus dem Orden der Minimem – inwendig so viel heraus, dass die dadurch entstandene Höhlung das Reliquiar leicht aufnehmen konnte. Das Buch wurde sorgfältig zugeschlossen, mit mehreren anderen Reliquien, z.B. einem Talar des Heiligen, unter das Gepäck der Schwestern gelegt und so ging es mutig der italienischen Grenze zu.
Sowohl Missionäre wie Schwestern hatten sich verkleidet, Sicardi als Kaufmann, die Schwestern trugen auf ihren Strohhüten die republikanische Kokarde. Trotzdem verrieten sie sich da und dort durch ihr bescheidenes Benehmen und hatten deshalb viele Plackereien auszustehen. In einem Gasthaus wären sie beinahe festgenommen worden; doch zum Glück erkannte sie ein Offizier, der in St. Lazarus die Exerzitien gemacht hatte, und rettete sie. Endlich gelangten sie nach vielen Strapazen glücklich nach Turin.
Die Missionäre dieser Stadt begrüßten ihre Mitbrüder und die hl. Reliquie wie Boten vom Himmel. Es herrschte nämlich gerade eine große Dürre, deshalb baten sie den Erzbischof Costa sofort, das Herz des hl. Vinzenz in feierlicher Prozession herumtragen zu dürfen: sie hofften, durch diese Andacht den schon lange umsonst ersehnten Regen zu erflehen. Und Gott belohnte ihr Vertrauen. Denn kaum war man 30 Schritte aus der Kirche, so musste man schon eiligst umkehren. Der himmel hatte sich rasch mit Wolken umkleidet und ein reichlicher Regen begann niederzuströmen. Alles rief: „Wunder, Wunder!“ Es wurde über den Vorfall ein Protokoll aufgenommen und vom Erzbischof selbst unterzeichnet. Am 1. Januar 1805 bat Kardinal Fesch, Erzbischof von Lyon, der Onkel Napoleons I. in seiner „Eigenschaft als Großalmosenier des Reiches um Rücksendung des kostbaren Schatzes“. Man konnte das Ansuchen umso weniger abschlägig entscheiden, als Napoleon selbst es unterstützte. Das Herz wurde also mit Ausnahme einer kleinen Partikel, die man in Turin zurückbehielt, dem Statthalter von Piemont, General Menon, übergeben und von diesem dem Kardinal Fesch für die Loretokapelle der Kathedrale von Lyon eingehändigt.
Seit dieser Zeit feiert die Diözese Lyon den Sterbetag des hl. Vinzenz (27. September) als ein hohes Fest mit Oktav. Durch viele Jahre zogen die Priester der Diözese regelmäßig nach Schluss ihrer gemeinschaftlichen Exerzitien in feierlicher Prozession zum Herzen des Heiligen, um sich dort einen Teil seiner Liebe und seines Seeleneifers zu erbitten.
Die Reliquie hatte aber auf den verschiedenen Reisen doch Schaden gelitten. Bereits 1792, nach der Ankunft in Turin, bemerkte man, dass der Reliquienbehälter gesprungen war und durch die Erschütterungen kleine Teilchen des Herzens sich losgelöst hatten. Die Schwestern sammelten dieselben mit aller Achtsamkeit und legten sie mit Erlaubnis Sicardis in eine eigene Kapsel. Als sich später die französische Armee Turin nahte, flohen sie damit in Begleitung der Prinzessin von Condè nach Wien, von hier nach Polen und endlich nach Prag, wo die Äbtissin und Erzherzogin Marianna, die Schwester des Kaisers Franz, sie freundlich aufnahm. 1802 wurden sie nach Paris heimberufen, da sich die zerstreuten Schwestern wieder allmählich aus allen Teilen Frankreichs zusammenfanden. So kam wenigstens dieser kleine Teil des Herzens des heiligen Vinzenz wieder an seinen alten Aufenthaltsort. Ein Bericht sagt darüber: „Dieser Durchzug eines Teiles des Herzens des hl. Vinzenz durch Österreich war nicht vergeblich: es hat seinen Segen zurückgelassen, denn gerade in Österreich hat sich später das Werk des hl. Vinzenz recht ausgebreitet.“
Um die weitere Auflösung des Herzens zu verhüten, suchte ihm 1843 der Erzbischof Bonald von Lyon durch Beigabe einer Masse, die man in so kleiner Menge als nur möglich anwandte, die erforderliche Festigkeit zu geben. Daher kommt es, dass es jetzt ein rötliches Aussehen und eine gewisse Weichheit besitzt. Es wurde dann in ein goldenes Netz gehängt, mit Kristallglas umgeben und in einem neuen Reliquiar geborgen.
Zweimal jährlich: am Fest der Reliquienübertragung des Heiligen (2. Sonntag nach Ostern) und am Fest des Heiligen (19. Juli) wird die Reliquie dem gläubigen Volk zur Verehrung ausgesetzt. Das Buch, in dem das Herz aus Frankreich nach Italien gerettet worden war, befindet sich jetzt im Haus der Barmherzigen Schwestern in der Pfarre St. Johann in Lyon.
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Berührungsreliquie - Zunge des hl. Nepomuk
3. Reliquienverehrung
Warum lag den Klöstern und Kirchen aller Zeiten so viel daran, die Reliquien eines Heiligen zu erhalten? Warum scheuten sie nicht weite und beschwerliche Reisen und Mühen, um die sterblichen Überreste eines Heiligen oder heiligen Märtyrers feierlich abzuholen? Sie hegten eine innige Verehrung zu den glorreichen Vorkämpfern und einen unerschütterlichen Glauben an den Schutz der Heiligen und deren gütige Fürbitte, die sich oft schon auf den Pilgerreisen in zahlreichen Wundern kundgaben. Gleich allen gläubigen Katholiken aller Zeiten verehren auch wir die Reliquien der Heiligen, weil sie
1. der Verehrung würdig sind. Das Konzil von Trient lehrt, „dass die heiligen Leiber der Märtyrer und anderer bei Christus Lebenden, die lebendige Glieder Christi und Tempel des Heiligen Geistes waren, die von ihm zum ewigen Leben auferweckt und verherrlicht werden, von den Gläubigen zu verehren seien, zumal durch sie viele Wohltaten von Gott den Menschen erwiesen werden, dass somit diejenigen, die behaupten, den Reliquien der Heiligen gebühre keine Verehrung oder sie und andere heilige Denkmäler würden von den Gläubigen nutzlos verehrt, durchaus auszuschließen sind, wie die Kirche sie schon früher ausgeschlossen hat und jetzt ausschließt.“ Die Heiligen waren lebendige Glieder Christi und Tempel des Heiligen Geistes. Gebührt dem Leib Christi und dem Tempel Verehrung, so auch den Gliedern. Die Leiber der Heiligen waren Werkzeuge der ausgezeichnetsten Tugenden. Wenn man nun schon die Feder oder Haarlocke eines ausgezeichneten Schriftstellers, den Degen eines berühmten Feldherrn hoch in Ehren hält, warum soll man nicht die Überreste von den Heiligen ehren, die so großes für das Reich Gottes getan und gelitten haben? Werden nicht die Leiber der treuen Diener Gottes einst wunderbar verherrlicht werden? Erinnern uns die Reliquien nicht an unsere teuersten Freunde, an unsere mächtigen Beschützer und vorangegangenen Brüder und Schwestern? Welches Kind hält nicht sein Elternhaus, das Bildnis seiner lieben Eltern in Ehren?
2. Wir verehren die Reliquien der Heiligen, weil uns die Kirche mit ihrem Beispiel vorangegangen ist. Mit welcher Sorgfalt sammelten die Christen der ersten Jahrhunderte die Reliquien der Heiligen, die Asche der Verbrannten, das Blut der Märtyrer. Welche Ehre wurde ihnen erwiesen. Auf ihren Gebeinen in den Katakomben wurde das Opfer des Neuen Bundes gefeiert und heute noch schließt jeder Altarstein die Reliquien eines Heiligen ein.
3. Wir verehren die Reliquien der Heiligen, weil sich Gott in ihnen so oft wunderreich erwiesen hat. Gott erweckte schon im Alten Bund einen Toten durch Berührung mit den Gebeinen des Propheten Eliseus. Der Schatten des vorübergehenden Petrus heilte die Kranken, vor dem Gürtel des heiligen Petrus wichen die Krankheiten und fuhren die bösen Geister aus. Wie viele Wunder geschahen bei der Überführung der Gebeine der Heiligen. Sollten diese Zeichen und Wunder keine göttlichen Fingerzeige sein, dass man seine treuen Dienerinnen und Diener verehren soll? Wenn der König oder das Staatsoberhaupt an Gedächtnistagen seiner Vorgänger gerne Gnaden gewährt, warum sollten wir vom höchsten König und gütigsten Vater Geringeres erwarten? Wie tröstlich ist für uns der Gedanke, mächtige und wohlwollende Freunde im Himmel zu haben, die am Thron der Gnade für uns bitten. Wie könnten wir mutlos werden, da wir so treue Vorkämpfer haben? Nehmen wir darum bei allen Schwierigkeiten und in allen Nöten und Kämpfen unsere Zuflucht zu den Heiligen, halten wir ihre Reliquien und Bildnisse in Ehren, so wird auch uns, wie unzähligen anderen Trost, Mut, Ausdauer und die gewünschte Hilfe durch die viel vermögende Fürbitte der Heiligen zuteilwerden. Amen.
Der heilige Ambrosius spricht:
"Alle wollen die Reliquien der heiligen Märtyrer berühren, und wer sie berührt, wird gesund. O, Dank dir Herr Jesus Christus, dass du uns zu dieser Zeit solche Kräfte der heiligen Blutzeugen wie von den Toten auferweckt hast, zu dieser Zeit wo deine Kirche eines großen Schutzes bedarf.
Diese triumphierenden Schlachtopfer sollten unten an die Stätte kommen, wo das große Versöhnopfer Christus ist. Er über dem Altar, weil er für alle gelitten hat, diese unter den Altar, weil sie durch sein Leiden erlöst wurden."
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4. Ritter
Der christliche Ritter
Manche Ritter des Mittelalters waren tapfer im Turnier und auf der Wahlstatt, aber nicht minder tapfere Ritter vor dem Himmel und erfochten die glänzendsten Siege über die Feinde des Heils, in dem sie die Weltlust verachteten und zum Beispiel in armer Klosterzelle nach der ewigen Siegeskrone rangen. Jeder von uns soll ja ein christlicher Ritter werden. So sehen wir uns hier die Fahne, das Wappen und die Rüstung des christlichen Streiters an.
1. Dem christlichen Ritter weht die Fahne des Kreuzes voran. Zu dieser Fahne hat er geschworen im Taufgelübde, und diesen Schwur hat er abgelegt vor Himmel und Erde, im Angesicht der Engel und Menschen. Dieser Schwur bindet ihn und keine Macht der Welt kann ihn davon lösen. Die Fahne des Kreuzes führt zum Sieg. Triumphierend hat das Kreuzesbanner die Welt durchzogen und alle Mächte dieser Erde und der Finsternis überwunden. Unter dieser Fahne kämpften und siegten die Apostel, kämpften und siegten die Märtyrer, kämpften und siegten die Einsiedler, kämpften und siegten die heiligen Frauen und Männer der Christenheit. Darum folgt der christliche Ritter der Fahne des Kreuzes und hält unverbrüchlich zu ihm in allen Gefahren, die dem Glauben und dem christlichen Leben drohen.
2. Die Ritter führen ein Wappen im Schild. Der christliche Streiter für das Reich Gottes führt als würdigstes Wappen das Lamm, das auf dem Thron sitzt und das Buch mit sieben Siegeln bewahrt, das schuldlose, unbefleckte Gotteslamm, das die Sünden der Welt hinwegnimmt. Sieht er auf dieses Opferlamm, das für uns sein Blut dahingegeben hat, dann bebt er vor keinem Opfer zurück, sollte es auch sein Blut und Leben kosten. – Das Wappen trägt die Umschrift: „Gott mit uns!“ Aus uns selbst vermögen wir nichts, und unsere Feinde sind zahlreich, stark und hinterlistig, aber der Gedanke: Gott, der Allmächtige, ist mein Schutz und Schirm, verleiht unüberwindliche Kraft, und heiteren Mutes ruft der Streiter Christi aus: „Wenn auch ein Heerlager wider mich steht, so soll mein Herz nicht beben.“ Unter dem Beistand der göttlichen Gnade kämpft der Gottesstreiter den guten Kampf und fürchtet nicht zu unterliegen. Mit Stolz trägt er sein Wappen zur Schau, freudig bekennt er seinen Glauben, um Christi willen führt er das Schwert der Wahrheit freudig und siegesbewusst.
3. Dem christlichen Ritter darf auch die Rüstung nicht fehlen. Worin besteht sie? Mit Meisterhand schildert sie der heilige Apostel Paulus im Brief an die Epheser (6,13-18): „Ergreift die Rüstung Gottes, damit ihr am bösen Tag widerstehen und in allem unerschütterlich aushalten könnt. So steht denn, eure Lenden umgürtet mit Wahrheit und angetan mit dem Panzer der Gerechtigkeit und beschuht an den Füßen mit der Bereitschaft für das Evangelium des Friedens. Vor allem ergreift den Schild des Glaubens, mit dem ihr alle feurigen Pfeile des Bösewichts auslöschen könnt und nehmt den Helm des Heils und das Schwert des Geistes, das ist das Wort Gottes.“ Legen wir diese Waffenrüstung an, gehen wir mutig und gottvertrauend dem Frieden unseres Heils entgegen und ruhen wir nicht, bis wir glücklich den Sieg errungen haben und mit dem apostolischen Kämpfer ausrufen können: „Ich habe den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, den Glauben bewahrt. Im Übrigen ist mir die Krone der Gerechtigkeit hinterlegt, die mir der Herr geben wird.“ (2 Tim 4,7-8) Amen.
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5. Rosenkranz
In der katholischen Kirche ist der Monat Oktober der Monat des Rosenkranzgebetes. Dem Rosenkranzgebet verdanken die Christen seit Jahrhunderten Hilfe und Befreiung durch die Fürsprache der Gottesmutter Maria. Viele Gläubige unseres Landes sind davon überzeugt, dass das beharrliche Rosenkranzgebet unserem Vaterland nach vielen Leiden und Kriegen den Frieden und die Freiheit gebracht hat.
Das Rosenkranzgebet ist das Gebet der einfachen und geduldigen Gläubigen. Immer wieder kreist unser Beten um die Geheimnisse der Menschwerdung und Geburt Jesu Christi, seines Leidens und seines Auferstehens in Herrlichkeit. Begleitet werden unsere Gedanken vom Gruß des Engels an Maria: Gegrüßet seist du Maria, voll der Gnade, der Herr ist mit dir. Zehnmal grüßen wir Maria bei der Betrachtung eines Geheimnisses unseres Glaubens und bitten um ihre Fürsprache, jetzt und in der Stunde unseres Todes.
Jeder kann und soll den Rosenkranz beten. Die Liebe vieler gläubiger Menschen zum Rosenkranz ist ein Zeugnis dafür, dass das Rosenkranzgebet ein tröstendes und erhebendes Gebet ist. Unser bestes Gebet ist der Rosenkranz, wenn wir einen Sterbenden in seinen letzten Stunden begleiten. Wenn uns angesichts des Todes die Worte verlassen, trägt uns der Rosenkranz hinüber in die Tiefe der Liebe Gottes, die uns durch Jesus Christus offenbar wurde. Als letzte Gaben des Glaubens legen wir in die Hände des Verstorbenen das Kreuz und den Rosenkranz.
Der Rosenkranz leitet uns an zu gläubiger Geduld. Auch die Kinder sollten frühzeitig lernen, sich von der Gottesmutter durch das Geheimnis Christi führen zu lassen. Je älter wir aber werden, desto lieber beten wir das Gebet, das uns auf das Sterben und das ewige Leben vorbereitet.
Bischof Dr. Kurt Krenn
50 Zeilen mit Gott, S. 98,
von "Christianus"
Eigenverlag 2015
verlag@stjosef.at
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6. Rufer in der Wüste
Kapuzinerpater Ingbert Naab
Von P. Dr. Maximilian Neumayr OFM Cap
Gekürzt aus „Klerusblatt“, Organ der Diözesan-Priestervereine Bayerns,
Starnberg, Mühlweg 2, 1. November 1946
Jahrelang war das Leben des Kapuziners P. Ingbert Naab in verhältnismäßig friedlichen Bahnen verlaufen, bis er als Rufer im Streit mit einem Schlag in ganz Deutschland genannt wurde. Er diente seinem Orden an verschiedenen Orten Bayerns als Aushilfspater, Lektor der Theologie, Magister der Kleriker, Seminardirektor, Schriftsteller und Oberer.
Er war der geborene Seelsorger für die männliche Jugend. Wohin er kam, da schloss die Jugend um ihn einen Kreis, im Sprechzimmer und um den Beichtstuhl, im Lehrlingsverein und in der Studentenkongregation, anfänglich mehr die werktätige Jugend, die religiös begeisterte wie die religiös skeptische. P. Ingbert war kaum vier Jahre Priester, da trug seine Schrift „Der Gymnasiast“ seinen Namen schon zu Tausenden von Studenten. Den Idealgesinnten war er ein trefflicher Führer in der Studentenkongregation, deren Gruppen er schließlich im Reichsverband der marianischen Studentenkongregation zusammenschloss. Dem marianischen Gedanken unter den Gebildeten und in der Studentenwelt galten seine Zeitschriften „Der Meeresstern“ und „Das große Zeichen“. Über all dem aber suchte er der nichtbündischen studierenden Jugend zu dienen in den von ihm ins Leben gerufenen Zeitschriften „Der Weg“ und „Die frohe Fahrt“. Wer heute die Jahrgänge dieser Zeitschriften noch einmal zur Hand nimmt, ist erstaunt, in welch weitherziger und doch grundsätzlich unbeirrbarer Weise er die Jugend zu führen wusste.
In den letzten Jahrgängen der Zeitschriften war zu beobachten, wie P. Ingbert sich mehr und mehr den Fragen des öffentlichen Lebens zuwandte, erst den geschichtlichen, dann den Gegenwartsfragen. Überall ging er den Spuren der theoretischen oder der praktischen Leugnung Gottes in den Fragen der öffentlichen Sittlichkeit, der Übertreibung von nationalen und militärischen Bestrebungen, der Inkonsequenz einer nurmehr äußerlichen christlich-katholischen Haltung nach. Es war die Zeit, da die Infektionsstoffe, die im deutschen Volk seit dem ersten Weltkrieg, ja schließlich seit Jahrzehnten und Jahrhunderten in Erscheinung traten, sich in der Bewegung Hitlers sammelten. Das konnte dem wachen Auge P. Ingberts nicht verborgen bleiben. Es brodelte in seinem Geist und in seinem Herzen angesichts des Verhängnisses, das sich hier vorbereitete. Schon 1924 hatte er sich zum ersten Mal in der Öffentlichkeit gegen die Gefährlichkeit des „Völkischen Blockes“ zum Wort gemeldet. Nun aber hielt es ihn nicht mehr zurück. Den ersten Anstoß gab Rosenbergs „Mythos des 20. Jahrhunderts“. Da stieß er von dem stillen Kloster in Eichstätt aus in die Trompete. Nicht lange danach rückte er dem „Löwen“ selbst zu Leibe mit dem Aufsatz im „Weg“, den er auch als Sonderbroschüre hinaus sandte: „Ist Hitler ein Christ?“
Inzwischen hatte Dr. Fritz Gerlich, der ehemalige Chefredakteur der „Münchner Neuesten Nachrichten“, den P. Ingbert zur Konversion vorbereitet hatte und dem er in tiefer Freundschaft verbunden war, zusammen mit dem Fürsten von Waldburg-Zeil die Wochenzeitung „Der Illustrierte Sonntag“ käuflich erworben. Das Blatt wurde inhaltlich umgebaut, und es wurde daraus das sehr draufgängerische, aber grundsätzlich herrliche, unbeirrbare Organ „Der gerade Weg“. Dieses Blatt wurde zur Arena, in der diese beiden großen Kämpfer nun ihren leidenschaftlichen Kampf gegen das drohend aufgehende Unglück Deutschlands führten: Gerlich mit der ingrimmigen Feder des kampfgeübten Journalisten, P. Ingbert mit der klaren Logik des konsequent gläubig denkenden Mannes, der bei aller Unerbittlichkeit des Kampfes doch in allem die Liebe und die Milde des Seelsorgers walten ließ. „Gott schütze Deutschland“, so schrieb er, „vor Männern, die es in den Abgrund stürzen! Die Gebote Gottes missachten heißt aber ein Volk in den Abgrund stürzen ...“ „Wir sagen den christlichen und den unchristlichen Politikern: Die Politik kann ein Volk nicht retten, wenn es treulos geworden ist gegen Gott ... Herrgott, rette unser Volk und vernichte die Pläne derer, die hochmütigen Herzens sind!“
Den Gipfelpunkt seiner journalistischen Leistung erstieg P. Ingbert in dem offenen Brief an Hitler: „Herr Hitler, wer hat Sie gewählt?“ Der Brief löste über Nacht in ganz Deutschland ein ungeheures Echo aus. In das stille Kloster zu Eichstätt hagelte es Briefe voll Todesandrohungen (Shitstorm). Unbeirrt und unbekümmert aber kämpfte der Tapfere seinen Kampf weiter, in Schrift und Wort, in Aufsätzen und in Reden, - schmerzlich getroffen allein durch die zunehmende Aussichtslosigkeit dieses Kampfes. Das Volk rannte dem Verderben entgegen. Es ließ sich nicht warnen.
Als 1933 der Umsturz gekommen war, war P. Ingbert seines Lebens nicht mehr sicher. In zahllosen Briefen und persönlichen Anrempelungen auf der Straße war ihm der Tod angedroht worden. Die Regierung vor Hitler hatte sich verpflichtet gefühlt, ihm einen Polizeischutz zur Verfügung zu stellen, worauf er aber verzichtete. Der durch das ganze Land gehenden Verhaftungswelle im Juni 1933 entging er mit knapper Not, indem er ins Ausland floh und zwischen der Tschechoslowakei, der Schweiz und dem Elsass ständig wechselte. Ungebrochen in seinem Arbeitseifer, wurde er überall zu Predigten geholt und arbeitete sich in neue theologische Vorlesungen ein. Seine Gesundheit freilich war gebrochen. Um die Wende 1934/35 verfiel sie zusehends, während seine Schaffenskraft gleichzeitig eher noch zu wachsen schien. Seelisch litt er entsetzlich unter Heimweh, doppelt stark angesichts der betrüblichen Nachrichten aus Deutschland, denen zufolge ein Bollwerk des Glaubens und der Menschlichkeit nach dem andern fiel, während die Harmlosigkeit mancher Kreise immer noch im Steigen war. Dies alles beschleunigte den Todesprozess seines alten Leidens. Am 28. März 1935 hat er seine Lebensbahn zu Königshofen bei Straßburg vollendet. Bis in die letzten Tage ließ er es sich nicht ausreden, er werde seine Heimat noch einmal sehen. Doch als er seine Lebenskraft endgültig zusammenbrechen sah, ermunterte er sich selbst: „Jetzt hilft nur noch beten und büßen!“ Er wollte sein Sterben für die leitenden Persönlichkeiten der Kirche in Deutschland aufopfern. So starb er, äußerlich zerbrochen, innerlich aber klar bewusst, einen guten Kampf gekämpft zu haben.
Letzten Endes war der tiefste Quellgrund seines Kampfgeistes seine persönliche Frömmigkeit gewesen. Dieser machtvolle Kämpfer war Kind, wenn er betete. Bei aller Schärfe seines Verstandes und aller Beweglichkeit seines Geistes fühlte er sich doch zuerst als Freund Jesu. Das hatte er als begeisterter Leser der Heiligen Schrift für sich aus den Evangelien genommen. Sein Leben war das Leben eines Mannes voll des Glaubens gewesen. Er hatte sich von der Welt zurückgezogen und so den rechten Abstand gewonnen, um ihren Irrweg zu überschauen und ihr den rechten Weg zu zeigen.
Gott und den Menschen hatte seine Liebe und sein Leben gehört.
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7. Reliquien des hl. Bonifatius
Nach dem Märtyrertod bei Dokkum wurde der Leichnam des heiligen Bonifatius über Utrecht nach Mainz und von da nach Fulda gebracht. Vor seinem Gang nach Friesland hatte Bonifatius mit eigener Hand die Stelle in der ersten Fuldaer Klosterkirche bezeichnet, wo er nach seinem Tod ruhen wollte. Das Grab wurde eingerichtet vor der Westwand der Basilika inmitten des Baues. Im dortigen Kalkfels wurde eine Anlage von 2,47 Meter ost-westlicher Länge ausgestemmt, in 1,60 Meter Tiefe unter dem Plattenbelag des heutigen Domes. Eingehüllt in das dunkle Ordensgewand der Benediktiner, geschmückt mit dem Abzeichen der bischöflichen Würde und in einen Holzsarg gebettet, wurde die irdische Hülle der Erde übergeben. Diese Ruhestätte wurde im Jahr 778 gestört, als die Sachsen rheinaufwärts bis zur Lahnmündung und von da ostwärts nach der Wetterau vordrangen.
Die Sorge um den Leichnam veranlasste die Mönche, den Sarg zu heben und in der Richtung nach Hammelburg zu bergen. Am ersten Tag gelangte man bis in die Nähe von Bronnzell und am zweiten nach Brückenau. Dort wurde der Sarg unter einem Zelt von den Brüdern bewacht. Am vierten Tag brachten Boten die Nachricht von der Niederlage der Sachsen. Alsbald begann die Rückreise, und der hl. Leichnam wurde wieder in seinem Grab beigesetzt.
Vom Jahr 791 bis 819 wurde über der Sturmiuskirche eine neue größere Basilika erbaut. Infolgedessen wurde das Bonifatiusgrab verlegt. Am 1. November 819 fand die feierliche Übertragung nach dem Altar im Westchor der großen Kirche statt.
Dieser Altar wurde gelegentlich eines Dachbrandes beschädigt und ein Teil der Gebeine in Mitleidenschaft gezogen, indem diese schwach ankohlten. Damals wurde nur ein Schädelstück, das sogenannte Scheitelbein, in einer silbernen Kapsel geborgen und ein Schreiben über die Echtheit der Reliquie beigefügt. Auf dieser Kapsel war in lateinischen Worten eingraviert: Scheitelbein des hl. Bonifatius. Diese Kapsel wurde in der Domsakristei aufbewahrt.
Im Jahr 1855 rüstete man sich auf den elfhundertjährigen Todestag des Märtyrers. Der damalige Dompfarrer Schmitt berichtet darüber in seinem Tagebuch: „Die Kapsel wurde in Gegenwart des Herrn Bischofs Kött und mehrerer Geistlichen durch den Goldschmied Fösser aufgelötet. Es fanden sich das Scheitelbein und die Bestätigung.“
Die Reliquie wurde den Fuldaer Benediktinerinnen übergeben, und diese besorgten die künstlerische Einfassung, die wir in der vergoldeten Bonifatiuspyramide vor Augen haben. An hohen Festtagen, besonders in der Bonifatiuswoche, sind die Reliquien auf dem Altar ausgestellt.
Professor Vonderau in „Bonifatiusbote“,
Fulda am 15. Februar 1948
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8. Reliquien allgemein
„Kostbarer als Gold“
(erschienen am 30. Dezember 2017 in „Die Tagespost - Katholische Wochenzeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur, Würzburg.“)
Der Vatikan hat erneut klare Vorgaben zum rechten Umgang mit Reliquien gemacht – von Ulrich Nersinger)
Die Episode, die ein deutscher Ordensmann vor mehr als fünfundzwanzig Jahren im italienischen Wallfahrtsort Nettuno erlebte, ist ihm bis heute im Gedächtnis geblieben – und macht ihn noch immer sprachlos. Damals hatte er mit einer kleinen Gruppe indischer Postulanten und Novizen die irdische Ruhestätte der heiligen Maria Goretti (1890-1902) aufgesucht. Als man die Rückfahrt in die Ewige Stadt antrat, bemerkte er bei seinen jungen Mitbrüdern eine freudige Erregung, die das übliche Maß religiöser Begeisterung deutlich übertraf. Die Ordensanwärter präsentierten ihm stolz, mit einem Leuchten in den Augen, Reliquien einer ganz besonderen Art: vergilbte Schwarz-Weiß-Fotografien, die sie für die letzte Lira ihres Taschengeldes in einem Andenkenladen bei der Kirche der jugendlichen Märtyrin erworben hatten.
Den frommen Käufern war von dem geschäftstüchtigen Devotionalienhändler versichert worden, die Bilder seien Aufnahmen von der Ermordung der Heiligen, die das Martyrium in dem kleinen Ort am Tyrrhenischen Meer bei den Pontinischen Sümpfen erlitten hatte. Natürlich waren es in Wahrheit Szenenfotos aus dem Film „Cielo sulle pallude“ (Der Himmel über den Sümpfen), der 1949 zu dem dramatischen Geschehen aus Anlass der bevorstehenden Heiligsprechung Maria Gorettis entstand. In ihrer Naivität hatten die jungen Ordensleute begierig zugegriffen und waren glückselig gewesen, in den Besitz einer ganz modernen Form von Reliquien gekommen zu sein, die sie der Märtyrin der Reinheit ganz besonders nahezubringen schien.
Eines der frühesten Zeugnisse für die Heiligenverehrung ist der Bericht vom „Martyrium des Polykarp“ (um 155): „Wir kamen in den Besitz der Gebeine des Märtyrers, die wertvoller sind als Edelsteine und kostbarer als Gold. Wir bestatteten dieselben an geeigneter Stelle, wo wir uns wo möglich in Jubel und Freude versammeln, um mit der Gnade des Herrn den Tag seines Martyriums und seiner Geburt zu feiern.“ Für die Verbreitung eines Heiligenkultes war die Übertragung („translatio“) oder die Erhebung („elevatio“) der Reliquien wichtig. Die weitere Entwicklung führte dazu, dass die Reliquien entweder in einem Altar eingemauert oder in einem Schrein an einer gut sichtbaren Stelle zur Verehrung erhoben wurden.
Reliquien („reliquiae“) sind, übersetzt man das Wort aus dem Lateinischen ins Deutsche, nach christlicher Deutung „Zurückgelassenes, Überbleibsel“ aus dem irdischen Leben einer heiligmäßigen Person – sei es ihr Leichnam, Teile ihres Körpers oder Dinge, die mit ihr in Berührung getreten sind. Schon den Schriften der Bibel sind Ansätze der Reliquienverehrung zu entnehmen. So nahm Moses beim Auszug aus Ägypten die Gebeine Josephs mit (Exodus 13,19); durch die Berührung der Gebeine Elischas wurde ein Toter wieder lebendig (2 Könige 13,21). Im Neuen Testament heißt es zu den Wundern des heiligen Paulus: „Sogar seine Schweiß- und Taschentücher nahm man ihm vom Körper weg und legte sie den Kranken auf; da wichen die Krankheiten und die bösen Geister fuhren aus“ (Apostelgeschichte 19,12).
Für die katholische Kirche ist der Reliquienkult erlaubt und nützlich. Das Konzil von Trient (1545-1563) betont, dass die Leiber der Heiligen lebendige Glieder Christi und Tempel des Heiligen Geistes waren, dass sie einst wieder auferweckt und verherrlicht werden und dass Gott durch sie den Menschen viele Wohltaten spendet. Und so erfährt sich der Christ durch Reliquien mit der Kirche verbunden, mit der irdischen Gemeinschaft der Gläubigen wie auch mit der im Himmel. Das Zweite Vatikanische Konzil spricht in seiner Dogmatischen Konstitution „Lumen gentium“ von den Heiligen als „Schicksalsgenossen unserer Menschlichkeit“, die schon bei Gott sind, und uns als Wegweiser und Gefährten des Glaubens dienen. Reliquien sind etwas „Handfestes“; sie verbinden uns spirituell und körperlich mit den Heiligen.
Reliquien besaßen und besitzen in der katholischen Kirche eine enorme Bedeutung. Ihr Erwerb sicherte auf besondere Weise die Lebendigkeit des Glaubens in Kirchen und Klöstern. Um in ihren Besitz zu gelangen, ging man bisweilen auch zweifelhafte Wege. Es wurde um sie gestritten und manchmal sogar Kriege geführt. Ihr Erhalt befähigte Menschen, für sie ihr Leben einzusetzen – so die Turiner Feuerwehrleute, als sie bei einem Brand im dortigen Dom das legendäre Grabtuch vor dem Feuer retteten. Die hohe Stellung und gewichtige Bedeutung von Reliquien blieb nicht auf die Kirche beschränkt; sie war Mittel der Diplomatie und konnten für den Ausgang militärischer Auseinandersetzungen entscheidend sein. So glaubten Herrscher, die über die Lanze verfügten, die auf Golgotha die Seite Christi durchstoßen haben soll, dass man sie in Schlachten nicht bezwingen konnte.
Von Anfang an wurde der Reliquienkult auch vom Missbrauch begleitet. Die bereits erwähnte Episode, die sich in Nettuno ereignete, ist nur ein kleiner Mosaikstein im negativen Erscheinungsbild des Reliquienkultes. Einen „immerwährenden Kampf“ nennt ein Mitarbeiter der Kongregation für die Heiligsprechungsverfahren die Abwehr von „Abusi“, die sich in vielfältiger Form zeigen. Das Kirchengesetzbuch von 1983 stellt in seinem Kanon 1190 zum Verkauf von Reliquien kategorisch fest: „Nefas est – Es ist ein Verbrechen.“ Dennoch wechseln auch unter vorgeblich frommen Menschen im Erwerb von Reliquien immer noch Geldscheine ihren Besitzer. Erkundigt man sich in Rom danach, ob die neuesten, verschärften Vorgaben aus dem Vatikan Abhilfe schaffen werden, erhält man zur Antwort das altvertraute: „Vedremo – Wir werden sehen“.
Über die Sinnhaftigkeit von Fantasiereliquien bedarf es keiner echten Diskussion – über die Nabelschnur und das Praeputium des Jesuskindes, die Tränen und die Muttermilch Mariens oder Federn aus den Flügeln des Erzengels Michael. Eine wichtige Frage betrifft auch immer die Echtheit von Reliquien, vor allem altehrwürdiger. Sie lässt sich häufig nur schwer nachweisen. Manchmal verführen die Untersuchungsmethoden auch zu einem Schmunzeln. Ein Diözesanbeauftragter für die Überprüfung der Echtheit von „Katakombenheiligen“, die im 19. Jahrhundert den Weg in viele Pfarrkirchen gefunden hatten, führte als Mittel zur Wahrheitsfindung eine chemische Substanz mit sich, die „Reliquien“ aus Gips vollständig auflöste, echte Knochen aber unangetastet ließ. Schon bald hatte sich der Geistliche in seinem Bistum den Titel „Terminator“ erworben.
Eher zum Schmunzeln war auch der Wettstreit, der vor vielen Jahren in Rom um zwei Häupter eines einzigen Heiligen ausgefochten wurde. Vor einem geistlichen Tribunal stritten ihre Besitzer darum, wer nun den echten Heiligen besäße. Nach dem ergangenen Urteil fragte man die unterlegene Partei, wie sie nun mit ihrem „Heiligen“ umgehen wolle. Die Antwort war von großer Gelassenheit getragen: „Ach, wir werden jetzt kleinere Kerzen vor ihm anzünden.“
https://www.die-tagespost.de/kirche-aktuell/Kostbarer-als-Gold;art312,184608
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9. Alle Religionen sind nicht gleich gut
Entgegnung auf eine irrige Ansicht
In einem Leserbrief heißt es: "Seit Jahren interessiere ich mich für die katholische Religion. Nun komme ich, ehrlich gesagt, nicht zurecht mit dem, was die verschiedenen Religionen von sich behaupten. Zweifellos ist bei allen Religionen und Sekten Gutes zu finden. Aber nach welchen allgemeingültigen Maßstäben kann man sie miteinander vergleichen, um sich eine richtige Vorstellung zu machen? Und was hat die katholische Kirche gegenüber den anderen Religionen voraus?"
Dieser Brief enthält ein Problem, das oft in der Feststellung Ausdruck findet: "Schließlich sind ja doch alle Religionen gleich gut."
Richtig ist, dass jede Religion irgend etwas Gutes an sich hat. Sonst würden die Menschen sie nicht annehmen.
Von vorneherein aber kann man hier eine Reihe alter Religionen, die schon lange auf der Welt verschwunden sind, sowie die Formen bloßen Aberglaubens bei sogenannten primitiven Völkern von der Betrachtung ausschließen. Unsere Untersuchung beschränkt sich daher auf die Hauptreligionen, die wir heute in der Welt finden: das Christentum, das Judentum, den Islam, den Buddhismus, den Hinduismus, den Konfuzianismus, den Shintoismus und den Taoismus.
Einigen dieser "Weltreligionen" wird häufig der Charakter einer Religion abgesprochen, da es sich bei ihnen gar nicht um die Verehrung Gottes und die Erlösung des Menschen handle. Sie seien vielmehr philosophische und moralische Systeme. Das gilt in erster Linie vom Buddhismus und der Lehre des Konfuzius, vor allem in ihrer ursprünglichen Form.
Aber auch die Zahl der Anhänger ist nicht ohne Bedeutung. Das Christentum besitzt mit mehr als 2,3 Milliarden Gläubigen mehr Anhänger wie jede andere Religion. Ihm am nächsten kommen der Islam mit 1,6 Milliarden Anhängern und Hinduismus und mit etwa 940 Millionen.
Auch das Alter ist ein gewisses Kennzeichen der wahren Religion. Historisch hat das Christentum seine Wurzeln im Judentum. Wenn man daher sein wahres Alter bestimmen will, muss man die ganze jüdisch-christliche Überlieferung zusammen betrachten. Datiert man diese Überlieferung von Mose an, dann ist der Hinduismus immer noch älter; geht man aber bis Abraham zurück, dann ist die jüdisch-christliche Geschichte fast genau so alt wie die ältesten religiösen Überlieferungen Indiens, d.h. älter als jede andere heute noch bestehende Religion.
Die Wahrheit einer Religion zeigt sich auch zeigt sich auch in ihrer Auffassung von ihrem Wirkungsfeld und ihrem Ziel. Nur drei Gruppen scheinen auf Weltumfassung aus zu sein. d.h. sich bewusst zu werden, dass die wahre Religion allen Menschen Wahrheit und Erlösung bringen muss.
Der Islam ist zwar stark expansiv, allein es geht ihm mehr um Anhänger als um Konvertiten. Der Buddhismus ist - neben dem Christentum - die einzige Religion, die sich um diejenigen kümmert, die außerhalb der eigenen Nation, Rasse oder Überlieferung stehen. Einzigartig aber ist das Christentum in seiner praktischen Missionstätigkeit, mit der es sich unablässig bemüht, allen Menschen in der ganzen Welt Heiligung und Erlösung zu bringen.
Das Hauptkennzeichen der wahren Religion aber ist ihre Auffassung von Gott. Hinduismus, Konfuzianismus und Shintoismus waren in ihren Anfängen kaum theistisch. Sie entstanden aus einer Art Naturverehrung. Der Konfuzianismus verehrt noch heute die zahllosen Geister der Natur und der verstorbenen Vorfahren. Und für den Hinduismus ist Brama mehr ein Gegenstand der Betrachtung als der Verehrung. Praktisch huldigen daher alle Religionen der Welt mit Ausnahme des Islams, des Judentums und des Christentums der Vielgötterei.
Auch der Islam besitzt zwar nur einen Gott wie das Christentum (Allah), aber dieser ist weit entfernt und willkürlich. Das Judentum besitzt einen Gott der Gerechtigkeit, aber nach der Überlieferung ist er auch ein Gott der Rache. Das Christentum allein kennt einen Gott der Güte, der Liebe, des Erbarmens und der Vergebung, der bei aller Gerechtigkeit die Erlösung und die ewige Glückseligkeit aller Menschen will.
Als nächstes ist die Auffassung vom Menschen ein Kriterium der wahren Religion. Nur das Christentum betont die Würde des Einzelnen als Kind Gottes. Als solches ist er von Gott zu ewigem Glück bestimmt und von seinem Schöpfer mit unveräußerlichen Rechten und Eigenschaften ausgestattet: Freiheit, Verstand und Unsterblichkeit.
Aber das Bild des Menschen ist nur unvollkommen, wenn man ihn allein betrachtet. Der Mensch ist auch Teil einer Gemeinschaft. Daher ist die Auffassung einer Religion von der menschlichen Gemeinschaft ein weiteres Kennzeichen ihrer Echtheit. Hier rangiert der Hinduismus mit seinen Kasten zuunterst. Und der Islam mit seiner tiefen Einstufung der Frau kann hier ebensowenig in Betracht kommen wie die anderen Religionen. Nun praktizieren die Christen zwar nicht immer das, was das Christentum predigt, aber es betont die Gleichheit aller Menschen, ihre Bruderschaft in Christus und die Gerechtigkeit und Liebe, die die gegenseitigen Beziehungen auszeichnen, und den Frieden, die Ordnung, die Gleichheit und die Sicherheit, die in der Gesellschaft herrschen sollen.
Die wahre Religion muss auch die Wirklichkeit berücksichtigen. Eine der größten Tatsachen des Lebens aber ist das Vorhandensein des Bösen: Leiden, Unwissenheit, Sorgen, Ungerechtigkeit, Verbrechen, Selbstsucht, Hass und Sünde. Der Hinduismus leugnet jedes Übel, auch der Islam ignoriert es weithin, und der Buddhismus behauptet, dass jede Existenz ein Übel sei, so dass man sich ganz vom Leben zurückziehen müsse, um diesem zu entgehen. Allein das Christentum sieht der weitverbreiteten Tatsache des Übels ins Angesicht, bietet eine zufriedenstellende Erklärung dafür und besitzt ein besonderes Programm zu seiner Überwindung.
Viel Licht fällt auf die Weltreligionen auch, wenn man ihre Gründer nach Charakter, Persönlichkeit, Lehre, Beispiel und Leistungen miteinander vergleicht. In diesem Punkt übertrifft das Christentum alle anderen bei weitem. Man vergleiche nur einmal Jesus mit Mohammed oder Buddha, Konfuzius oder sogar Mose - seine einfache und doch erhabene Lehre, sein untadeliges Leben, seine hervorragenden Wunder, seine Güte, Barmherzigkeit und Liebe, seinen Anspruch auf Göttlichkeit und seine Beweise dafür, seine Geduld, seine Kraft und seinen Mut in Leiden und Tod und schließlich seine Auferstehung von den Toten!
Viele Religionen kennen irgendwelche Überlieferungen von einem göttlichen Stifter, aber mit Ausnahme des Christentums datiert die Geschichte vom übernatürlichen Ursprung bei allen erst um Jahrhunderte später. Die meisten dieser Geschichten sind phantastische Erfindungen. Jesus allein wird durch authentische Urkunden seiner Zeit als unmittelbar von Gott kommend ausgewiesen.
Alle Religionen besitzen heilige Schriften, die die einzige göttliche Wahrheit enthalten sollen, wie z.B. der Hinduismus die Veden und der Islam den Koran. Man braucht diese Bücher nur daraufhin nachzuprüfen, was sie von Gott, dem Menschen und vom rechten Leben sagen. Nur die Bibel hat Worte, die klar und verständlich sind, und verzichtet auf alles Geheimnisvolle oder Mysteriöse.
Alle lebenden Religionen der Welt beanspruchen für sich eine Offenbarung von Wahrheiten, die von Gott stammen und die der Mensch durch seinen eigenen Verstand nicht gefunden hätte. Prüft man sie nach, da findet man hier und da zwar einen Schimmer der Wahrheit, aber alle Strahlen der Wahrheit zusammen finden sich nur im Christentum. Und noch eines: Uns fehlt nichts von den wahren Werten der anderen Religionen, aber wir besitzen dazu noch vieles, was keine von ihnen aufzuweisen hat, z.B. die Erkenntnis, dass Gott eine Person ist, dass er unendlich vollkommen ist, dass er unser aller Vater ist, dass Christus der menschgewordene Gott ist, dass wir Gott in Liebe und Gehorsam dienen, unsere Nächsten als unsere Schwestern und Brüder, ja sogar unsere Feinde lieben sollen usw.
Alle Religionen berichten schließlich auch von irgendwelchen Wundern. Solche Berichte gibt es auch von Buddha und von Mohammed. Aber nur im Christentum sind diese Wunder nicht phantastisch, sondern historisch erwiesen.
Und alle Religionen kennen auch gewisse Grundsätze der Moral. Christus allein aber trat stets für den Grundsatz der Gerechtigkeit und der Liebe ein. Er allein lehrte mit Worten und durch sein Beispiel, dass unsere Moral auf der Heiligkeit Gottes beruht und dass wir vollkommen sein sollen wie unserer himmlischer Vater.
Auch haben alle Religionen irgendwie eine Vorstellung von einem Leben im Jenseits. Doch nur das Christentum hat eine klare und bestimmte Lehre vom zukünftigen Leben.
Man mag die verschiedenen Religionen studieren, wie man will, immer wieder findet man, dass das Christentum alles Gute besitzt, das in ihnen vorhanden ist, und dass es darüber hinaus noch viel reicher ist an Werten und Einsichten, Hilfen und Tröstungen, die in keiner anderen Religion zu finden sind.
Ist man aber erst einmal so weit gekommen, dann lasse man die anderen Religionen beiseite und konzentriere sich auf den inneren Beweis, der in den Wahrheiten des Christentums selbst liegt. Man betrachte z.B. die Glaubwürdigkeit der Evangelien oder denke über den praktischen Erfolg des Christentums - die Umformung des Einzelnen und der menschlichen Gesellschaft - nach.
Aber selbst wenn man so zu der Überzeugung gelangt, dass das Christentum die wahre Religion ist, ist die Verwirrung noch nicht zu Ende. Es gibt mehrere Hundert christliche Sekten, die alle den Anspruch erheben, echt zu sein.
Daher müssen auch auf die verschiedenen Formen des Christentums die gleichen Vergleichsmaßstäbe angewandt werden, wie wir sie an die verschiedenen Religionen anlegten. Nach Größe, Weltweite und Alter wird dann wieder die katholische Kirche herausragen. In ihrer klaren Auffassung vom göttlichen Stifter und Erlöser wird sie sich von vielen christlichen Gemeinschaften abheben, die die Göttlichkeit Christi antasten. Auch von ihr gilt, dass nichts von den positiven Wahrheiten und Werten fehlt, die man in anderen christlichen Gemeinschaften findet; dass sie aber vieles besitzt, was es in keiner anderen gibt, wie z.B. die Vereinigung mit Christus im hl. Messopfer und die Gnade der Sakramente.
Aus "Catholic Digest", St. Paul, Minnesota
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10. Des Christen Rache
Nichts fällt der menschlichen Natur schwerer als jene zu lieben, die uns in irgend einer Weise Böses zugefügt haben. Bei dem bloßen Gedanken, einem Feind zu verzeihen, ihn zu lieben wie sich selbst, empört sich unser ganzes Innere: es widersetzt sich der gekränkte Stolz, es bäumt sich der Wille, das Herz trotzt und will auf seinem Recht bestehen. Wie! Ich soll dem noch gut sein, der in jener Gesellschaft mich so schmählich verleumdet hat; ich soll den lieben, der meinen guten Ruf gefährdet; Glück wünschen soll ich dem Taugenichts, der mich betrogen hat? Wo bliebe da meine Ehre? Nein! Nie und nimmer werde ich mich beugen; rächen will ich mich! Aug um Aug! Zahn um Zahn!
Das ist nicht gut, mein Freund, du nennst dich Christ und führst die Sprache eines Heiden! Du willst deinen Hass fortsetzen, ihn noch steigern? Und doch heißt es beim heiligen Matthäus: "Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde; tut Gutes denen, die euch hassen; betet für jene, die euch verleumden und verfolgen, damit ihr Kinder eures Vaters im Himmel seid!" Des Christen Rache ist Liebe und Gebet.
Ist dir diese Rede zu hart, dann bist du ein unwürdiger Sohn dessen, der für dich sein kostbares Blut vergießend, mit seinem letzten Atemzug noch Verzeihung gepredigt hat: "Vater, rechne es ihnen nicht zur Sünde an; vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!" So höre denn von der heldenmütigen Feindesliebe, die ein deutscher Sklave unter Afrikas heißem Himmel geübt hat.
Ihm war der deutsche Boden nicht fruchtbar genug, er sagt der Heimat Ade, um im fernen Westen mit seiner jungen Frau einen eigenen Herd zu gründen. Das Schiff wurde von Seeräubern überfallen, geplündert, und die Insassen als Sklaven verlost. Das deutsche Ehepaar kam unter das Joch eines reichen, aber elenden und herzlosen Piraten, der neben schändlichen Lastern einen unversöhnlichen Christenhass in seinem Innern nährte. Herzlos sage ich; und wie konnte es auch anders sein? Das Kreuz war ein Gegenstand seines Spottes geworden; das Evangelium, der einzige Friedensvertrag zwischen hoch und nieder, war ihm unbekannt. Das Los der jungen Christenfamilie war schrecklich; mitunter wollte es sogar unerträglich scheinen.
Eines Abends tönen herzzerreißende Klagen aus ihrer ärmlichen Bambushütte am Ende des herrschaftlichen Parks. Im Hintergrund sitzt die Frau mit aufgelöstem Haar und mit tränenbenetztem Gesicht auf einer Binsenmatte zusammengekauert. Auf der Schwelle der Hütte steht der Mann mit blassem Antlitz und verschränkten Armen und blickt mit dem Ausdruck einer düsteren Mutlosigkeit auf ein totes Kind, das über den Knien seiner Gattin ausgestreckt liegt.
Hier muss eine schreckliche Tat vorliegen. Auf des Kindes Lippen haben sich Blutstropfen festgesetzt; das Blut hat auf seinen Schläfen die blonden Lockenhaare angeklebt, und seine zersplitterte Hirnschale hat auf dem Boden eine Blutlache zurückgelassen.
Am Morgen noch hatte der Kleine, eine schwache aber liebliche Blume der Sklaverei, auf den Knien der Mutter gespielt, die in ihrer mütterlichen Freude die Härte der Knechtschaft, die Ängste des Tages, sogar die ferne Heimat vergaß. Diese Mutter, deren Herz bei der Erinnerung an ihr Vaterland mit Bitterkeit und Schmerz erfüllt wurde, fand es in der Liebe ihres Kindes wieder. Wenn sie niedergebeugt durch die ihr auferlegten Arbeiten am Abend unter ihr Blätterdach zurückkehrte und die liebliche Stimme ihres Kindes den süßen Namen "Mutter" lallte, so war dies genug, um sie all ihre Leiden vergessen zu lassen, um auf ihr verwelktes Antlitz den Ausdruck des Glückes zurückzuführen. Dieses Kind war der Hoffnungsstern, der in die Schatten ihres Lebens leuchtete; es war der anmutsvolle Engel, der ihren Mut aufrecht erhielt, der ihr Herz in den Prüfungen stärkte. Und nun ist alles hin!
Vater und Mutter waren am frühen Morgen an die Arbeit gegangen und ließen den Sohn vor der Hütte in der großen Allee spielend zurück. Desselben Weges kam auch der Pirat mit seinem Verwalter. Er hatte sich eben zu einem Raubzug gerüstet und war im Begriff, seinen Begleiter die letzten Instruktionen für die Verwaltung des Hauses zu geben. Als sie in die Nähe der Hütte unserer Deutschen gekommen waren, standen sie still. "Führe eine strenge Aufsicht über diese beiden Europäer", hieß es. "Diese Christenhunde geben sich abergläubischen Übungen hin, die ein Diener Allahs nicht dulden darf. Neulich erst ließ ich sie peitschen, weil ich in ihrer Hütte ein Stück Holz in Kreuzesform fand. Beim Propheten, ich will diese Brut mürbe machen!" -
Kaum hatte er diesen schrecklichen Fluch getan, als er das Kind wahrnahm. Das holde, anmutige Lächeln des Knäbleins verwirrte den Wüterich; und als er an seinem Hals eine Medaille der allerseligsten Jungfrau erblickte, stieß er einen fürchterlichen Fluch aus. Vor Wut schnaubend, schrie er: "Warte, elender Sohn eines Sklaven!" und mit einem Pistolenschuss zerschmetterte er ihm die Hirnschale.
Als einige Augenblicke später die Mutter sich nach dem Kind in der Allee umsehen wollte, stieß sie plötzlich einen gellenden Schrei aus und fiel ohnmächtig auf die kleine Leiche. Erst nach mehreren Stunden erwachte sie wieder, um in Wehklagen ihrem Schmerz freien Lauf zu lassen. "Mein Gott", schluchzte sie, "warum hast du mich so hart gestraft?" Ein tiefer Seufzer entrang sich der Brust des unglücklichen Vaters. "Der Herr hat ihn uns gegeben; er hat ihn uns genommen; sein Name sei gebenedeit! Erhebe deinen Blick zum Himmel, teure Frau; dort ist eine Mutter, die deinen Schmerz versteht, denn unter dem Kreuz ihres Sohnes hat sie alles gelitten, was je ein Mutterherz zerfleischen konnte!" - Mehr wusste der von Kummer gebeugte Mann nicht zu sagen; und wozu auch? Denn der Schmerz hatte sein Opfer gefasst, um es nie wieder loszugeben. Nach einigen Tagen schon hauchte seine Gattin, den Namen ihres Kindes auf den Lippen, den letzten Seufzer aus. Trostlos war nun die Lage des armen Mannes. Wie hart musste ihm seine Einsamkeit vorkommen, wenn er nach mühevollem Tagewerk in seine elende Hütte einkehrte und nur tiefes Schweigen vorfand. Seine Leiden waren weniger bitter gewesen, als er sie mit seiner Frau teilen konnte. Die Ketten der Sklaverei hatten ihn weniger geschmerzt, als des Sohnes Stimme ihm den Namen "Vater" entgegenrief. Nun stand er allein, ohne ein liebendes Herz an seiner Seite, fern dem deutschen Himmel; o wahrhaftig, hier musste die Religion eine feste Stütze sein!
Nach etwa zwei Monaten geschah es, dass des Piraten einzige Tochter im Garten umherlief. Sie war die Freude und der Stolz ihres Vaters, sein teuerster Schatz, sein Abgott. Fast fünfzehnmal hatten die Rosen seit dem Tag ihrer Geburt geblüht, und jedes Jahr hatte sie mit neuen Reizen geschmückt. An einer kleinen Quelle angelangt, setzt sie sich in den Schatten eines dichten Rosenbusches, um sich dem Schlaf zu überlassen. Doch plötzlich erwacht sie mit einem lauten Schmerzensschrei. Zwei Sklaven, unter ihnen der Deutsche, eilen sogleich herzu.
"Beim Propheten", schrie der eine, indem er seinem Gefährten eine in der Nähe fliehende gefährliche Schlange zeigte, "die Dame ist verloren!" -
"Nein", war die ruhige Antwort des Christen, indem er zu dem blass und unbeweglich auf dem Boden liegenden Mädchen niederkniete. "Es gibt noch ein Mittel." Und seine Lippen der Wunde nähernd, schickte er sich an, das Blut aufzusaugen.
Der Mohammedaner hielt ihn zurück. "Wie! Du suchst ihretwegen den Tod? Du vergisst, dass ihr Vater durch den Mord deines Kindes auch deine Frau getötet hat?"
Diese Erinnerung erfüllte ihn mit Abscheu gegen seinen Tyrannen; heute konnte er sich an ihm rächen! Doch nein! Ein Christ muss, und sollte es sein Leben kosten, die Rache verachten und Böses mit Gutem vergelten. "Mein Gott", sprach er, "du hast auch deinen Mördern verziehen"; und sogleich sog er die Wunde aus.
Der herbeigeeilte Pirat hatte alles mit angesehen. "Du bist es, der sie gerettet hat? All meine Schätze sind dein", rief er dem Sklaven zu. Dieser schüttelte traurig den Kopf und sprach: "Sie erhalten mein Leben nicht; aber ich sterbe zufrieden, da mein Tod dein Glück begründet. Du hast mein Kind und meine Frau ermordet, - ich gebe dir dafür deine Tochter zurück!" -
"Ist es möglich", stotterte der von Staunen und Bewunderung betroffene Seeräuber, "du konntest dich rächen und hast es nicht getan?" -
"Der Christ rächt sich durch Verzeihen; das ist der Wille seines Heilandes!"
Diese erhabenen Worte entflohen mit dem letzten Seufzer des Sterbenden.
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