Inhalt:
1. Memento mori
2. Marienmonat Mai
3. Marien-Dom zu Mailand
4. Müßiggang
5. Mut
6. Messe
7. Mohammedaner
8. Mitleid
9. Maria und Europa
10. Marianisches Reich: Äthiopien
11. Marienbilder
12. Michael
13. Mittagsläuten
14. Mühlen Gottes mahlen
15. Meinung
16. Marienverehrung
17. Marionetten kommt von Maria
18. Marien-Samstag
19. Memorare
20. Muttergottes von Wladimir
21. Mönchtum
22. Maranatha
23. Mönchsleben?
24. Mohammed und die Frauen
25. Mönchsleben
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1. Memento mori
Das Beichtkind des Papstes
Ein Mann von hohem Stand, aber ein großer Sünder, fasste den Entschluss, sich zu bekehren. Er kam daher nach Rom und wollte den Trost haben, beim Papst selbst zu beichten. Der Papst hörte ihn an und wurde erbaut von der Genauigkeit seines Bekenntnisses, von seiner lebendigen Reue und seinen großmütigen Entschlüssen. Als er ihm aber eine Buße auferlegen wollte, wollte der Büßer keine annehmen, keine fand sich nach seinem Geschmack. Fasten! Dazu hatte er die Kräfte nicht. Lesen, beten! Dazu hatte er keine Zeit. Bußwerke verrichten! Das verstand er nicht. Sich in die Einsamkeit zurückziehen, eine Wallfahrt übernehmen! Er hatte Geschäfte. Wachen, auf hartem Boden schlafen! Seine Gesundheit erlaubte ihm das nicht. Und dazu kam noch ein anderer, allgemeiner Grund, den er nicht sagte: er war ein Mann von Stand! Was hatte also ein Mann von Stand zu tun? Der Papst gab ihm einen goldenen Ring, worauf die Worte geschrieben waren: „Memento mori! Gedenke, dass du sterben musst!“ Er legte ihm zur Buße auf, diesen Ring an seinem Finger zu tragen und die zwei Worte, die darauf geschrieben waren, täglich wenigstens einmal zu lesen.
Der Edelmann begab sich sehr zufrieden damit hinweg und wünschte sich zu einer so leichten Buße Glück. Aber diese zog alle übrigen nach sich. Der Gedanke an den Tod drang so stark und so glücklich in sein Inneres, dass er ihm aufs klarste zeigte, wie es mit ihm, einem sterblichen Menschen stehe. Und er sagte zu sich selbst: „Ach, weil ich denn doch sterben muss, was habe ich anderes zu tun auf der Welt, als mich auf einen guten Tod vorzubereiten? Wozu soll ich denn zu sehr meine Gesundheit schonen, die der Tod zerstören muss? Warum soll ich einen Körper so viel schonen, der in der Erde vermodern soll?“ Auf diese Betrachtung hin kam ihm jedes Bußwerk leicht vor. Er übernahm und behielt die Bußgesinnung standhaft bis an seinen Tod, der kostbar vor Gott, erbauend vor den Menschen und voll Trost für ihn war.
Ach, wenn wir doch dies Wort wohl erwägen würden: „Ich muss sterben!“ Wenn wir doch die richtigen und heilsamen Folgerungen ziehen wollten aus dem Wort: „Weil ich sterben muss!“ Wenn wir doch auf die Weisung ernstlich aufmerksam wären, die uns dies Wort: „Muss ich denn nicht sterben?“ an die Hand gibt!
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2. Marienmonat Mai
Die Maiandacht
Wie bei der Betrachtung aller großen Werke Gottes so wird uns auch bei einem Blick auf die Entwicklungsgeschichte der Maiandacht unwillkürlich die Parabel vom Senfkörnlein in Erinnerung gerufen.
Bekanntlich ist das Senfkorn eines der kleinsten Körner im Landbau des Morgenlandes, so klein, dass seine Winzigkeit sprichwörtlich gewesen zu sein scheint. (Lk 17,6) Vertraut man aber dieses verschwindende Wesen dem fruchtbaren Schoß der Erde an, dann keimt es und entwickelt sich. Das junge Pflänzchen treibt unter dem wohltuenden Einfluss der Sonnenstrahlen alsbald Blätter und Blüten, wächst und erstarkt immer mehr und mehr, so dass selbst die größten Kräuter von ihm überragt werden. Schließlich ausgewachsen, gleicht es einem Baum, in dessen Zweigen die Vögel des Himmels ihre Wohnung aufschlagen. (Mt 13,31; Mk 4,30f; Lk 13,18f)
Auch die ersten Anfänge der Maiandacht waren so überaus klein und unscheinbar, dass es dem Geschichtsschreiber fast unmöglich ist, sie aufzuspüren. Aus einem alten Büchlein ersehen wir nur, dass die Andacht im Schoß der christlichen Familie ihre erste Pflege fand. Unter dem mächtigen Einfluss der göttlichen Gnadensonne gedieh aber das junge Pflänzchen in diesem fruchtbaren Erdreich ganz vortrefflich. Seine Wurzeln schlagen immer weiter und weiter. Der zarte Stängel wurde zum Stamm. Der Stamm trieb Äste und die Äste breiteten sich aus in tausendfältige Zweige. So wurde die Maiandacht schon bald in zahlreichen katholischen Erziehungseinrichtungen und marianischen Kongregationen Italiens heimisch. Hier erstarkte die bereits kräftige Pflanze in einer solchen Weise, dass auch die übrigen Kinder der Kirche auf den Wunderbaum aufmerksam wurden und ihn gleich den Vögeln des Himmels aufsuchten, um seinen wohltuenden, erquickenden Schatten sowie seine süßen, erfrischenden Früchte zu genießen.
Ein Baum sprosste alsbald auf neben dem andern. Ein Land nach dem andern gewann die sinnige Andacht lieb. Und so ist die Maiandacht heute eine der großen Kirchenandachten, jener herrlichen Wälder im irdischen Reich Gottes, um die uns viele Außenstehende beneiden.
Ja, wie öde und eintönig wäre nicht unser kirchliches Leben ohne all die vielfältigen Andachten. Darum sind diese auch ausnahmslos von den wahren Kindern der Kirche so geschätzt und gesucht, nicht nur als geistliche Gesundkur, sondern auch als Erholungsheim nach des Lebens Mühen und Beschwerden. Eben deshalb ist es aber auch für ein gesundes, kirchliches Leben von der allergrößten Bedeutung, dass diese Pflanzungen immer weitere Ausdehnung erlangen, da hingegen, wo sie bereits bestehen, die sorgsamste und liebevollste Pflege finden.
Wie bereits vor 300 Jahren die Maiandacht im christlichen Familienheiligtum begangen wurde, erzählt kurz und bündig das älteste bisher bekannte Maibüchlein. Es trägt den Titel: „Marienmonat oder Maimonat, der seligen Jungfrau Maria gewidmet. Verschiedene Tugendblüten für das Haus, für Familienväter, Klöster, Werkstätten usw.“ und wurde um das Jahr 1724 zu Parma in Italien zum ersten Mal gedruckt. Verfasser ist der Jesuitenpater Annibale Donese oder Dionisi, wie er sich bisweilen zu nennen pflegt. – Wie schon aus dem Titel ersichtlich ist, , will das Werkchen vorzüglich zur frommen Feier des Maimonates in der christlichen Familie anleiten. Darauf zielen auch die äußerst praktischen Unterweisungen der Einleitung.
„Im eigenen Haus“, so führt der erfahrene Seelenführer u.a. aus, „und zwar in jenem Zimmer, in dem sich die Familienangehörigen zusammenzufinden pflegen, schmückt man am Vorabend des ersten Mai das Bild der seligsten Jungfrau. Man errichtet ein Altärchen und ziert es nach bestem Vermögen, z.B. mit Kerzen und Blumensträußen. Ein Gleiches dürfte mit Nutzen in jenen Räumlichkeiten geschehen, in welchen man studiert, arbeitet und sich erholt, um auf diese Weise jene Orte zu heiligen und unsere Handlungen, die so gleichsam unter den Augen der seligsten Jungfrau vor sich gehen, immer besser zu verrichten.
Am Abend des letzten April versammle sich die Familie vor dem so hergerichteten Altärchen, zünde die Kerzen an und bete den Rosenkranz, ganz oder zum Teil. Auf keinen Fall lasse man jedoch die lauretanische Litanei ausfallen. Je nachdem es in der Familie Brauch ist oder deren Anliegen dies verlangen, können auch andere Gebete beigefügt werden. Jedoch achte man darauf, deren Zahl nicht allzu sehr zu vermehren, die Andacht hingegen zu vermindern, sei es dadurch, dass die Gebete zu schnell hergesagt werden, sei es, dass die Beter ermüdet werden. Dies gilt besonders von Kindern und schon sehr in Anspruch genommenen Bediensteten.“ Schließlich „lese man die für den folgenden Tag angegebenen 3 Betrachtungspunkte nebst dem darauf folgenden Beispiel ... Dies geschehe an jedem der nun folgenden Tage.“
Zum Schluss gibt der Verfasser noch etliche Winke, um recht großen Nutzen aus der Maiandacht zu ziehen. „Jede Woche oder mindestens alle 14 Tage empfange man mit der größtmöglichen Andacht die hl. Sakramente der Buße und des Altares ... Den ganzen Monat hindurch betrage man sich als ein wahres Kind Mariens und tue nichts, was ihren reinsten Augen missfallen könnte.“
Zwar hat sich, wie gesagt, die Maiandacht seit dieser Zeit zu einer unserer großen kirchlichen Andachten emporgeschwungen, nichtsdestoweniger erfreut sie sich auch jetzt noch als Hausandacht großer Beliebtheit und Wertschätzung, ein untrügliches Zeichen, dass P. Doneses praktische Anweisungen nicht auf unfruchtbares Erdreich gefallen waren.
Besuchen wir im Maimonat nur einmal eine jener alten, katholischen Familien, in denen der Glaube an Christus und die Hochschätzung seiner heiligen Mutter so recht tief eingewurzelt sind. Ohne Zweifel fesselt im Wohnzimmer ein kleines, schönes Marienaltärchen bald unsere Aufmerksamkeit. Hiervor versammeln Eltern, Kinder und andere Familienmitglieder sich in später Abendstunde, um der Königin des Maies den Tribut ihrer Verehrung und Liebe zu zollen. Die einfache Wohnstube wird so zum Heiligtum geweiht. Das schlichte Madonnenbild, vielleicht ein kostbares Erbstück, vor dem schon manche Ahnen gekniet und gebetet haben, stimmt im ruhigen Glanz der wenigen Kerzen und in dem gefälligen Schmuck der frischen Feldblumen nicht weniger andächtig als der künstlerisch gezierte Maialtar im Haus Gottes.
„Unter deinen Schutz und Schirm“ fängt die Mutter des Hauses an und sofort stimmen alle ein: „fliehen wir, heilige Gottesmutter. Verschmähe nicht unser Gebet in unseren Nöten, sondern errette uns jederzeit aus allen Gefahren, o du glorwürdige und gebenedeite Jungfrau, unsere Frau, unsere Mittlerin, unsere Fürsprecherin. Führe uns zu deinem Sohne, empfiehl uns deinem Sohne, stelle uns vor deinem Sohne.“ Hierauf betet man gern einen Teil des Rosenkranzes samt der Lauretanischen Litanei, diesem herrlichen Lobeshymnus auf die reinste Jungfrau. Auch hält man vielfach eine kleine Lesung aus einem der bekannten Maibüchlein oder aus einem anderen frommen Werk. Zum Schluss preist der kleine Hauschor die Maienkönigin mit einem jener innigen Mailieder, um die andere Nationen uns mit Recht beneiden.
So ist es in allen echt katholischen Familien althergebrachte Sitte. So war es auch der große Hermann von Mallinckrodt gewöhnt. „Im Monat Mariä“, so schreibt sein Biograph, „war tägliche Maiandacht Mochte die Familie sein, wo sie wollte, nie wurde diese Sitte unterlassen. War Mallinckrodt zu Hause, so nahm er auch kniend an diesen Übungen teil, während Else (seine Frau) vorbetete.“
In katholischen Gegenden begegnet das Auge nicht selten auch in den Geschäfts- und Arbeitsräumen, sowie an der Häuserfassade Madonnenbildern, die fromme Hände im Maimonat sinnig mit Girlanden und Blumensträußen schmücken. Und oft verklärt der milde Schimmer einer stillscheinenden Laterne das Antlitz der „schönsten aller Frauen“.
Marienverehrung, Maiandacht ist jedoch mehr als das Hersagen gewisser Gebete, die man in diesem Monat zu verrichten pflegt. Sie ist mehr als die Schmückung der Bilder Mariens, worin man sich gegenseitig zu überbieten sucht. Sie ist mehr als die Lobgesänge, die zu Ehren der Hochgebenedeiten erklingen. Sie ist mehr als die andächtige Betrachtung der Vorzüge unserer Herrin. Alle diese religiösen Übungen sind nur der notwendige Ausdruck innerer Verehrung. Und wenn es damit recht ernst gemeint ist, bei dem werden Hochachtung, Vertrauen und Liebe zur Gottesmutter das tätige Verlangen und den ernsten Willen erzeugen, sorgfältig alles das zu meiden, was ihrem Mutterauge missfallen könnte, und großmütig alles das zu tun, was ihr Mutterherz erfreut.
Hauptziel dieser schönen Andacht ist deshalb und in erster Linie die Selbstbesserung und Selbstvervollkommnung nach dem wunderbaren Vorbild, das Gott uns in Maria vor Augen gestellt hat.
Handelt es sich indes um die Ablegung von Fehlern und die Übung solider Tugenden, dann bleibt der Alltagsmensch nur gar zu leicht bei dem allgemeinen Vorsatz stehen. Er geht nicht näher aufs einzelne ein und bestimmt nicht genauer, welche Opfer er bringen soll, welche Mittel er anwenden muss. Dies ist eine alte Erfahrung. Dass auf diese Weise das Samenkorn auch des besten Vorsatzes nie sprießt und Früchte trägt, liegt auf der Hand. Mangeln ihm ja die Hauptbedingungen, um seine Keimkraft in Tätigkeit zu setzen, nämlich ein fruchtbares Erdreich, Licht und Feuchtigkeit.
Um dem vorzubeugen, verband man mit der Maiandacht schon sehr früh die unscheinbare, aber überaus wichtige und segensreiche Praxis der „Marienblüten“. So nennt man nämlich die guten Vorsätze, die auf einen Zettel geschrieben und dann gleich frischen Knospen und Blüten der Maienkönigin geweiht werden. Vielfach schreibt man auch gleich die guten Werke und Opfer, die man bereits verrichtet hat, auf und legt sie zu Mariens Füßen nieder.
So mancher mag es vielleicht als Kleinigkeitskrämerei betrachten, dass gerade die Verfasser der ältesten Maibüchlein mit P. Donese an der Spitze diesem Brauch so viel Bedeutung beimessen und so große Beachtung schenken. Indes diese Männer krankten nicht an der Kurzsichtigkeit und Kritisiersucht unserer Zeit. Sie besaßen in Wahrheit einen weitschauenden Blick und eine große Welterfahrung. Sie waren eben im eigentlichen Sinn des Wortes „Geistesmänner“.
Deshalb dürfen wir die „Marienblüten“ nicht geringschätzen. Sie sind eine ebenso praktische als segensreiche Einrichtung und bereiten dem Herzen der Maienkönigin sicher weit größere Freude als all die herrlichen Blütensträuße und Blumengebinde, die alles entzücken, aber bereits morgen dahinwelken.
Tun wir also alles, was in unseren Kräften steht, um den Monat Mariens auch im Heiligtum der Familie recht feierlich zu begehen. Mariens Mutterauge dringt selbst in das dunkelste Dachkämmerlein, in dem eine müde Mutter ganz unbemerkt ihre Maiandacht hält, und ihr Ohr überhört nicht das stille „Ave“ oder „Gedenke“, das ein armer Arbeiter ihr als letzten Abendgruß aus seinem bescheidenen Heim entgegensendet. Welch schöne Freude aber muss es erst der Himmelskönigin bereiten, wenn sie am Abend alle beisammen sieht: Vater und Mutter, Kinder und Freunde, um Maiandacht zu halten. Wenn sie hört, wie alle ohne Ausnahme sämtliche Arbeiten, Mühen und Leiden ihr und ihrem göttlichen Sohn aufopfern und heilig versprechen, ihr zu Ehren den Monat hindurch ihr Tagewerk ganz besonders gut verrichten. Muss Maria über eine solche Familie nicht mit wahrer Genugtuung segnend und schützend ihren Mantel breiten?
Vor allem heißt es im Maimonat recht treu und sorgsam unsere Pflichten nach Mariens Vorbild erfüllen. In welchen Lebensverhältnissen wir auch sein mögen, in dem Leben der bescheidenen Jungfrau von Nazareth finden wir alles, was uns zu tun ansteht und wessen wir bedürfen. „Nichts sehen die Heiligen lieber, als wenn ihre guten Werke und Tugenden in uns wieder erstehen und so eine Nachfrucht der Freude für sie ansetzen.“
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3. Marien-Dom zu Mailand
Die größte Marienkirche der Welt
ist der Dom zu Mailand, aus schneeweißem Marmor erbaut.
Feenhaft steigt er empor, der ungeheure Bau, in dem ein ganzes Gebirge von Marmor verbaut zu sein scheint. Und doch ist nichts Drückendes an ihm zu sehen. Riesig in seiner Gesamtheit steht er da, duftigleicht in seinen einzelnen Teilen. Überall ist die breite Fläche durchbrochen, überall tritt ein Drang hervor, die schweren Massen zu entlasten und in luftige Höhen zu heben.
Dieser Dom ist, im gotischen Stil erbaut, nach der Peterskirche in Rom und der 1889 zum Teil eingestürzten Kathedrale zu Sevilla die größte Kirche in Europa. Mit Stolz nennen ihn die Mailänder das achte Weltwunder. Wie die Inschrift an der Vorderseite lautet und das vier Meter hohe Standbild aus vergoldetem Kupfer auf der Spitze des Turmes über der Kuppel andeutet, ist er gewiss „Mariae nascenti“ d.h. „zu Ehren Mariä Geburt“. Breite Marmorstufen führen zu den fünf Portalen der Fassade hinauf.
Dem Grundplan nach ist der Dom eine kreuzförmige Basilika mit fünfschiffigem Langhaus und dreischiffigem Querhaus. Der Flächeninhalt im Inneren beträgt – ohne Pfeiler – nicht weniger als 8406 Quadrat-Meter, also 2240 Meter mehr als der Flächeninhalt des Kölner Domes. Das Innere ist 145,5 Meter lang, 56,8 Meter breit. Das Mittelschiff hat eine Höhe von 48 Meter, eine Breite von 16,6 Meter, die inneren Seitenschiffe sind 34 Meter hoch, 10 Meter breit, die äußeren 27 Meter hoch. Die Kuppel ist 68 Meter, der Turm über ihr 108 Meter hoch. – Der Dom fasst 37.000 Menschen.
Von den 52 enggestellten Pfeilern, die die Wölbung tragen, hat jeder einen Umfang von 16 Schritten (Ein Schritt als Maßeinheit ist etwas mehr als 74 cm. Im deutschsprachigen Raum entsprach der Schritt meistens zwischen 71 und 75 Zentimetern). Ein Kranz von Tabernakelnischen mit Statuen vertritt an jedem der Stelle des Kapitäls. Der Fußboden besteht ganz aus Marmor-Mosaik. Das Gewölbe ist so gemalt, als ob es zierlich durchbrochene Steinarbeit wäre.
Eingetreten zwischen zwei kolossalen Säulen-Monolithen aus rotem Granit am inneren Hauptportal schreitet man über ein gelbes Messingband im Fußboden hinweg; dies ist der Meridian (Mittags-Kreis) - 45,5° n.Br. - der hier durch den Dom läuft und im Jahr 1786 im Marmorboden bezeichnet wurde. Dann treten uns stolze Grabdenkmäler entgegen; Statuen und Gemälde drängen sich an jedem Altar.
Berühmt ist der siebenarmige Bronzeleuchter, der aus dem 13, Jahrhundert stammen soll und im Jahr 1562 dem Dom geschenkt wurde. Wie die verschlungenen Äste eines Baumes winden sich die dunklen Arme des Leuchters aus dem mächtigen Stamm, den kämpfende Tiergestalten umklammern.
Unter der Kuppel befindet sich die unterirdische, an Gold und Juwelen reiche Kapelle des heiligen Karl Borromäus. Der Sarg, in dem die Gebeine des Heiligen ruhen, ist von lauterem Gold: ein Geschenk des Königs Philipp IV. von Spanien.
Den Chor schließt ein niedriger Umgang ab. Unter dem Chor ist eine schöne Krypta, aber in unpassendem Renaissance-Stil mit überreicher Stuckarbeit bekleidet.
Erhaben ist das Innere des Mailänder Domes. Aber überwältigend wird der Eindruck, wenn man die Hunderte von Marmorstufen erstiegen hat und auf dem Dach des ungeheuren Bauwerkes steht, in Mitte von 98 gotischen Fialentürmchen aus Marmor. Aber noch höher geht es hinaus – bis zur höchsten Galerie des Turmes über der Kuppel. Märchenhaft wirken hier die Marmorbilder, die tausendfältig die Pfeiler überragen. In weiter Ferne aber steht die unabsehbare blaue Alpenkette auf, aus der die Bergesriesen, der Monte Viso, der Monte-Cenis, der Montblanc, St. Gotthard, das Matterhorn, leuchtend im Sonnenglanz herübergrüßen. Im Süden dagegen erscheinen die Apenninen in blauem Duft.
Die Anzahl der Statuen des Domes beträgt an 6000. Die, die die Außenseite des Domes schmücken, belaufen sich ungefähr auf 2000. Darunter das berühmte Standbild der Eva und drei Meisterwerke Canovas.
Stundenlang kann man auf der breiten Plattform des Daches, in diesem Wald von Marmortürmchen wandeln, und immer bietet sich neues zum Betrachten dar: verschlungene Blumen und Blätterwerk, Drachenhäupter als Wasserspeier. Alles aus blendendem Gestein, alles stumm und doch so beredt!
Der prachtliebende Giovanni Galeazzo Visconti hatte im Jahr 1386 den Bau begonnen, der aber nur langsam emporstieg. Die Uneinigkeit zwischen den italienischen und nordischen (französischen und deutschen) Bauführern und Meistern hemmte das Werk. Die ursprüngliche Anlage war gotisch, wurde aber von den lombardischen Baumeistern verlassen und teils dem Renaissancestil , teils einer überreichen Ornamentik geopfert und jeder der späteren Baumeister baute nicht nach dem ursprünglichen Plan, sondern nach Willkür, so dass leider der künstlerische Wert dieses Baudenkmales viel geringer ist, als die Wirkung des gewaltigen Marmorprachtbaus auf den Laien in der Baukunst. Am Ende des 15. Jahrhunderts leiteten Francesco di Giorgio aus Siena und Giovanni Antonio Omodeo den Bau. Ersterer baute die Kuppel. Im Jahr 1805 ließ Napoleon I. den Dombau wieder aufnehmen und namentlich den Turm über der Kuppel errichten.
In der neueren Zeit hat man die niedrigen schmutzigen Häuser, die bis an die glänzend weißen Wände des Prachtbaus gerückt waren, entfernt, hat für eine würdige Umgebung gesorgt und weithin freien Raum geschaffen, so dass sich jetzt der volle Anblick herrlich darbietet, wie auch in weiter Ferne bis zu den Bergen der Schweiz und Tirols das kunstvolle Marmorgebirge des größten Marientempels der Welt einen wunderbaren Anblick gewährt.
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Der Unzufriedene - von Ludwig Knaus
4. Müßiggang
„Der Mensch ist zur Arbeit geboren, wie der Vogel zum Fliegen.“ „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen.“ An dieses Wort in der Heiligen Schrift erinnern uns besonders die Heiligen, die mit ihren Werkzeugen, als Denkmäler ihres Fleißes und ihrer geschäftigen Hände, dargestellt werden. Leider huldigen in unseren Tagen viele Menschen dem Müßiggang, der ein leiblicher und ein geistiger sein kann.
1. „Der Müßiggang ist aller Laster Anfang“, sagt das Sprichwort mit vollem Recht. Der Mensch will einmal beschäftigt sein. Führt er nichts Gutes aus, so sinnt er auf Böses, wie die Geschichte und Erfahrung in unzähligen Beispielen lehrt. Solange David tätig war, blieb er keusch, als er aber müßig zu Hause verweilte, wurde er ein Wollüstling und Mörder. Solange Samson mit den Philistern kämpfte, war er unbesiegt, aber als er sich müßig im Haus der Dalila aufhielt und der Sinnlichkeit frönte, wurde er gefangen und geblendet. Solange sich Salomo mit dem Tempelbau beschäftigte, führte er ein keusches Leben, als er sich aber dem Müßiggang ergab, fiel er in Gottlosigkeit und Abgötterei. Deshalb verbanden die Väter der Wüste mit ihren Andachtsübungen die Handarbeit, nicht so sehr des Verdienstes wegen, als um den Geist vor gefährlichen Versuchungen zu beschützen. Der heilige Abt Paulus verfertigte täglich eine bestimmte Arbeit aus gesammelten Palmblättern. Wenn er im Verlauf des Jahres seine Höhle mit derartigen Arbeiten angefüllt hatte, und nicht verwerten konnte, dann verbrannte er sie insgesamt, damit ihn nicht der Anblick auf seine vorrätigen Arbeiten zum Müßiggang verleite. Die Gefängnisse sind voll von unseligen Müßiggängern, die die Arbeitsscheu zu Verbrechern gemacht hat.
2. Weit gefährlicher und verderblicher, als der leibliche Müßiggang, ist der geistige Müßiggang. Manche Leute sind sehr geschäftig in ihren irdischen Angelegenheiten, versäumen darüber aber die weit wichtigere Sorge für ihr Seelenheil. Als Martha vor lauter Diensteifer und Sorge für ein gutes Mahl sich nicht Zeit nahm, dem lehrreichen Gespräch Jesu wenigstens einige Zeit zuzuhören, und über ihre zu den Füßen Jesu liegende Schwester Maria sich beklagte, sprach Jesus: „Martha, Martha, du bekümmerst dich um gar viele Dinge; nur eins ist notwendig.“ Wenn nun der Herr der sonst gewiss um ihr Seelenheil bekümmerten Martha wegen ihrer Tätigkeit Vorwürfe macht, was wird er im kommenden Gericht denen sagen, die unbekümmert um ihr ewiges Heil, im Haschen nach irdischen Dingen den Dienst Gottes ganz vernachlässigen? Jesus erzählt von einem reichen Mann, dem sein Feld viele Früchte trug. Er überlegte nun bei sich: „Wie soll ich es machen, da ich nicht Platz genug habe, wo ich meine Früchte unterbringe? Ich will meine Scheunen niederreißen und größere aufbauen; da will ich meine Früchte und mein Gut zusammenbringen und zu meiner Seele sagen: Nun hast du Vorrat auf viele Jahre, ruhe nun, iss und trink und lass dir wohl sein!“ Gott aber sprach: „Du Tor, noch diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern!“ Der heilige Augustinus versichert: „Nie wird derjenige ein Bürger des Himmels werden, der hier ein Freund des Müßiggangs ist.“
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5. Mut
Der christliche Mut
Unbesiegbar war der Mut der Heiligen, besonders der heiligen Märtyrer, unerschrocken war ihre Tapferkeit, die alle ihre Feinde besiegte, aber noch viel höher ist der Sieg zu achten, den die Heiligen über sich selbst davontrugen, denn
Sich selbst bekämpfen, ist der schwerste Krieg,
Sich selbst besiegen, ist der schönste Sieg.
Diesen Sieg können auch wir gewinnen:
1. im Bekenntnis unseres Glaubens,
2. in Überwindung der Versuchung,
3. im standhaften Ertragen der Leiden.
1. Der christliche Mut offenbart sich im standhaften Bekenntnis unseres Glaubens. Vielen Menschen ist der wahre Glaube eine Torheit, sie spotten über die erhabensten Wahrheiten der Religion Jesu, und möchten statt des Lichtes die Finsternis des Unglaubens mehr und mehr verbreiten. Wer nun für seinen Glauben mutig einsteht und ihn unerschrocken bekennt, hat die glaubenslose Welt gegen sich und lädt ihren Zorn auf sich. Wie hat von jeher die ungläubige und gottlose Welt gegen die treuen und eifrigen Christen mit Feuer und Schwert, mit Hohn und Verfolgung gewütet! Wenn heute auch nicht mehr die Mordbeile blitzen, wie in den ersten christlichen Jahrhunderten, so hört man doch nicht auf, Gift und Galle über die treuen Bekenner des Christentums auszugießen. In Zeitungen, Radio und Fernsehen liest und hört man boshafte und teuflische Ausfälle gegen den Glauben, in Unterhaltungssendungen, Diskussionsrunden und Zusammenkünften wird das Heiligste verlacht. „Sie spitzen ihre Zungen wie Schlangen, Otterngift ist unter ihren Lippen.“ Was hat man nicht zu verschiedenen Zeiten getan, um die katholische Religion und deren treue Bekenner herabzuwürdigen! Man hat Bischöfe und Priester eingekerkert und des Landes verwiesen, die Ordensleute vertrieben, die freie Religionsausübung eingeschränkt und die Spendung der heiligen Sakramente bestraft. Wahrhaftig, es gehört Heldenmut dazu, unter solchen Verhältnissen die Fahne des Glaubens hoch zu halten.
2. Der christliche Mut zeigt sich in standhafter Überwindung der Versuchungen. Wir haben mit drei mächtigen Feinden zu kämpfen, mit Welt, Fleisch und Hölle. Jeder dieser Feinde ist stark und mächtig. Wie lockt die Welt mit ihren Ehren und Gütern, mit ihren Beispielen und Lobsprüchen! Die ganze Welt ist mit Netzen umspannt, um die Seelen darin zu fangen. „Das Fleisch gelüstet wider den Geist“, und schon Tausende und Tausende sind diesen Lüsten erlegen, nachdem sie einen hohen Grad der Vollkommenheit erreicht hatten. Und „der Teufel geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlingen kann.“ Da bedarf es eines unerschütterlichen Heldenmutes, um im Kampf zu siegen, und das umso mehr, weil dieser Kampf lange dauert. So lange der Mensch lebt, hat er mit Augenlust, Fleischeslust und Hochmut zu kämpfen. Zöge er sich auch in den einsamsten Winkel der Erde zurück, die Versuchung wird ihm folgen. Selbst in den letzten Lebensstunden muss noch der Sturm der heftigsten Anfechtungen zurückgeschlagen werden.
3. Der christliche Mut zeigt sich im standhaften Ertragen der Leiden. In keinem Menschenleben bleiben Leiden und Prüfungen aus. Scheint auch den einen Tag die Sonne der Freude, so ziehen bald die düsteren Wolken der Trübsale auf und ein Tränenregen träufelt aus den Augen des Betroffenen. Wie viel Kummer und Verdruss, Schmerz und Kreuz bringt dieser und jeder Tag! Wie lange dauert oft das Leiden an! Wie viele angstvolle Seufzer und bittere Klagen hört man! Unsere sinnliche Natur sträubt sich gegen Leiden und Elend. Wer begreift da nicht, dass ein wahrer Heldenmut dazu gehört, die Trübsale dieses Lebens mit voller Ergebung zu ertragen?
Wollt ihr einen christlichen Heldenmut üben, so richtet, wie die Heiligen es taten, euren Blick auf die Himmelskrone, die allen treuen Streitern winkt! Schaut darauf hin, so oft ihr den Glauben bekennen, die Versuchung überwinden, das Leiden ertragen sollt! Um euch zum christlichen Heldenmut zu begeistern, bittet um die göttliche Hilfe und schöpft aus der stärkenden Quelle der Gnaden. Dann werdet ihr alle Feinde besiegen und die Krone des Lebens erhalten. Amen.
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6. Messe
Die Heilige Messe
Für viele Priester ist es die größte Freude täglich die Heilige Messe zu feiern. Das ist ja auch die größte Auszeichnung, die Christus seinen Aposteln und deren Nachfolgern, den Bischöfen und Priestern verliehen hat, dass sie das Opfer feiern können, das Christus für die Sünden der Welt am Kreuz dargebracht hat. Zwischen dem Opfer auf Golgotha und der Heiligen Messe besteht ja nur der Unterschied, dass jenes ein blutiges Opfer war, während die Heilige Messe die unblutige Erneuerung des Kreuzestodes Christi ist. Daraus ergibt sich, dass die Heilige Messe das erhabenste und gottgefälligste Opfer ist.
1. Was die Sonne unter den Gestirnen, ist die Heilige Messe unter den göttlichen Gnaden. Kein Geringerer opfert sich auf dem Altar, als der vielgeliebte und eingeborene Sohn des himmlischen Vaters, der bei den Konsekrationsworten des Priesters auf den Altar herabsteigt, in unserer Mitte weilt und sich zur Speise und zum Trank der hungernden und dürstenden Seele des Priesters, sowie dem gläubigen Volk darbietet. „Wahrhaftig, hier ist Gottes Haus und die Pforte des Himmels.“ Jesus Christus ist heute und gestern und immer derselbe. Sein Opfer sollte fortbestehen bis zum Ende der Zeiten. Schon tausend Jahre vor seinem Erscheinen hatte der königliche Prophet von ihm geweissagt: „Du bist ein Priester in Ewigkeit nach der Ordnung Melchisedechs.“ Die Opfer des Alten Bundes galten als Vorbilder für ein Volk und eine kurze Zeit, aber das Opfer des Neuen Bundes, das unbefleckte Gotteslamm, war bestimmt für alle Völker und alle Zeiten, wie der Prophet Micha es verkündigte: „Vom Aufgang der Sonne bis zum Niedergang soll mein Name groß sein unter den Völkern und an allen Orten wird mir ein reines Speiseopfer dargebracht werden.“ Was der Prophet voraussagte, sehen wir Tag um Tag sich erfüllen, denn von Stunde zu Stunde wird die Heilige Messe auf dem weiten Erdenrund dargebracht vom äußersten Osten bis zum fernsten Westen, im rauen Norden wie unter der glühenden Sonne des Äquators, in den Urwäldern Amerikas, wie auf den entlegensten Inseln der Ozeane. Und wo immer die Heilige Messe gefeiert wird, zieht es die Gläubigen gewaltsam zu Jesus Christus hin, der es nicht verschmäht, unter seinen Kindern zu weilen und vor ihren Augen das Geheimnis seiner göttlichen Liebe zu wiederholen. Sieht das leibliche Auge auch nur die Gestalten von Brot und Wein, das Auge des Glaubens sieht den göttlichen Heiland, der uns allen zuruft: „Kommt zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken!“ Von neuem bringt er sich seinem himmlischen Vater als Sühnopfer für dir die Sünden der Menschheit, als Friedopfer und Speiseopfer dar. Und er ruft uns zu: „Tut dies zu meinem Andenken!“ Sooft ihr von diesem Brot esst und aus diesem Kelch trinkt, sollt ihr den Tod des Herrn verkünden, bis er wiederkommt.“
2. Die Heilige Messe ist das gottgefälligste Opfer. Was könnte dem himmlischen Vater lieber sein, als das Opfer seines eingeborenen Sohnes, an dem er sein innigstes Wohlgefallen hat? Was könnte ihm mehr Ehre und Freude bereiten, als jene Großtat, wodurch sein Zorn versöhnt, seine Forderung befriedigt, seiner Gerechtigkeit genug getan wurde? Und was kann den Menschen in den Augen Gottes höher stellen, als wenn er mit gläubiger und dankbarer Gesinnung das hochheilige Opfer mitfeiert und sich versenkt in das Geheimnis der göttlichen Liebe, die auf dem Altar ihr Haus aufgeschlagen hat? O anbetungswürdiges Opfer! O kostbares Geschenk der göttlichen Liebe! Nichts Glücklicheres kann es für den Menschen geben, als den Königs Himmels und der Erde in unmittelbarer Nähe zu haben. Alles andere Glück kann mit seinem Besitz nicht verglichen werden. Das Opferlamm des Neuen Bundes macht uns wieder zu Gotteskindern und Erben des Himmels. Die Opfer des Alten Bundes hatten nur eine sinnbildliche Bedeutung, aber das Opferlamm des Neuen Bundes reinigt und heiligt uns wahrhaft. „Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgestiegen ist. Wer von diesem Brot isst, wird ewig leben.“ „Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht essen und sein Blut nicht trinken werdet, so werdet ihr das Leben nicht in euch haben.“ Das Heil der Welt opfert sich auf dem Altar, um uns selbst zu heiligen und als Versöhner zwischen den himmlischen Vater und die sündige Menschheit zu treten. Wahrhaftig, die Liebe und Barmherzigkeit Gottes wohnt mitten unter uns. So oft darum die Heilige Messe gefeiert wird, stellen wir uns im Geist mit Maria und Johannes auf den Kalvarienberg, und betrachten wir den Opfertod Jesu Christi. Die getrennten Gestalten von Brot und Wein deuten auf die Trennung seines Leibes und Blutes, seiner Seele von dem Körper, den Tod, und jede Zeremonie bei der Heiligen Messe hat ihre Bedeutung und geheimnisvolle Beziehung zum Opfer Christi.
Seid darum niemals gleichgültig gegenüber der Heiligen Messe! Versäumt sie niemals ohne Grund! Feiert immer mit Andacht und Geistessammlung die Heilige Messe mit, damit ihr der Früchte derselben teilhaftig werdet! Von diesen Früchten sagt der heilige Bonaventura: „So viel Tropfen das Meer, so viel Strahlen die Sonne, so viel Sterne der Himmel, so viel Blumen die Erde hat, so viele Geheimnisse fasst die Heilige Messe in sich.“ Machen wir uns die Segnungen des heiligsten und gottgefälligsten Opfers zu eigen! Amen.
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7. Mohammedaner
Aus: Triumph der heiligen Kirche über alle Irrlehren - Eine Geschichte der Häresien und deren Widerlegung vom heiligen Alphons Maria von Liguori
Von der Sekte des Muhamed
1. Geburt des Muhamed; Anhänger seiner falschen Religion.
2. Von seinem Alkoran, der voll Lästerungen und Abgeschmacktheit ist.
1. In diesem siebenten Jahrhundert entstand die gottlose Sekte des Muhamed. Da ich bereits das Geschichtliche darüber in dem Werke: Die Wahrheit des Christentums mitgeteilt, so will ich hier nur einen kurzen Abriss davon geben. Muhamed, der Stifter dieser grausamen Sekte, welche einen großen, wenn nicht den größten Teil der christlichen Welt verheert hat, wurde nach Fleury im Jahr 568 in einer angesehenen arabischen Familie geboren. Nach dem Tode seines Vaters nahm ihn einer seiner Oheime in sein Handelsgeschäft auf. In seinem achtundzwanzigsten Jahr trat er als Geschäftsführer in den Dienst einer reichen und angesehenen Witwe, namens Khadidscha, welche ihn später heiratete. Muhamed war im Heidentum erzogen, bei vorgerücktem Alter kam ihm aber der Gedanke, nicht nur selbst die Religion zu ändern, sondern die Araber, seine Landsleute, welche noch Götzendiener waren, zu dieser Änderung zu bewegen, und zwar, wie er sagt, durch die Wiederherstellung der alten Religion, welcher Adam, Abraham, Noa und die Propheten angehangen, unter denen sich auch Jesus Christus befunden. Er gab längere Zeit vor, dass er in einer Grotte des Berges Hera bei Mecca, wohin er sich oft zurückzog, vertrauliche Unterredungen mit dem Erzengel Gabriel habe. In seinem vierzigsten Jahre (608) erklärte Muhamed zum ersten Mal, er sei ein von Gott begeisterter Prophet, als welchen ihn anfangs nur seine Verwandten und Untergebenen betrachteten. Hierauf begann er aber damit, öffentlich in Mecca wider den Götzendienst zu predigen. Anfangs gab ihm das Volk nur wenig Gehör; um so weniger, da er, als man von ihm verlangte, er sollte zum Zeichen seiner göttlichen Sendung ein Wunder wirken, antwortete, dass Gott ihn nur gesandt habe, die Wahrheit zu predigen, nicht aber Wunder zu wirken. Desungeachtet rühmt sich der Betrüger in seinem Koran mehrerer sehr lächerlicher Wunder; unter anderem erzählt er, dass, als ein Teil des Mondes ihm in den Ärmel gefallen, es ihm gelungen sei, ihn wieder an seine Stelle einzufügen, weshalb später das Reich des Muhamed den Halbmond als Insignie annahm. Anfangs verkündigte Muhamed, Gott habe ihm das Gebot auferlegt, niemanden zur Annahme seiner Religion zu zwingen; desungeachtet erklärte er späterhin, da er zu Mecca verfolgt ward, es sei der Wille Gottes, dass er die Ungläubigen mit Waffengewalt zur Annahme des Glaubens zwinge; worauf er immerfort Krieg führte. Es gelang dem Muhamed die Herrschaft über Mecca zu erkämpfen, wo er den Hauptsitz für seine Sekte aufschlug, da er nichts sehnlicher verlangte, als alle Araber ihm anhängen zu sehen.
2. Muhamed verfasste, wie man behauptet, den Koran (Alkoran heißt soviel als: Die Schrift) unter dem Beistand eines Mönches, namens Sergius. Dieser Koran ist ein Gemisch von jüdischen Gesetzesvorschriften, christlichen Lehren und andern, von Muhamed selbst erfundenen und mit vielen Fabeln und angeblichen Offenbarungen vermischten Vorschriften. Muhamed nahm die Sendung des Moses und unseres Herrn Jesu Christi an, auch ließ er einen großen Teil unsrer heiligen Schriften gelten und behauptete nur, dass sein Gesetz sowohl das jüdische als auch das christliche vervollkommne; da er doch in Wirklichkeit mehrfach von demselben abwich. Obgleich Muhamed den Glauben an einen Gott feststellte, behauptete er dennoch im Koran mehreres, was Gottes durchaus unwürdig war, vermischt mit tausend Widersprüchen, worüber man das Nähere in meinem Buch: Von der Wahrheit des Glaubens nachlesen kann. Er sagte z. B., dass ein Jude oder ein Christ selig werde, wenn er nur sein Gesetz beobachte, sollte er selbst das eine Gesetz verlassen, um das andere anzunehmen; er lehrte auch noch, dass die Ungläubigen für immer zur Hölle verdammt werden, dass aber jene, die an einen Gott glauben, nur eine Zeit lang und nicht länger als tausend Jahre in der Hölle bleiben werden, worauf alle in das Haus des Friedens, das heißt ins Paradies, eingehen. Das Paradies aber, welches Muhamed sich einbildete, war der Art, dass sogar die Tiere sich schämen würden, daselbst zu verweilen, weil dasselbe keine andern als schmutzige und sinnliche Freuden verhieß. Ich übergehe es von andern Abgeschmacktheiten des Koran zu berichten, welche man in meinem bezeichneten Büchlein erzählt findet.
3. Die Muhamedaner scheren sich bekanntermaßen das Haupt, worauf sie nur einen Büschel Haare lassen, weil sie hoffen, dass Muhamed seine Anhänger, falls dieselben in die Hölle gestürzt, daran herausziehen werde. Das Gesetz Muhameds gestattet die Vielweiberei bis auf vier Frauen; es befiehlt aber, dass man wenigstens ein Weib nehme und gestattet, sich zweimal scheiden zu lassen. Es verbietet alles Streiten über den Koran und die heiligen Schriften und dies war ein wirksames, vom Teufel erfundenes Mittel, um durch Unwissenheit so viele arme Seelen zu verderben, indem sie in ihrer Verblendung fortleben müssen. Endlich starb Muhamed im dreiundsechzigsten Lebensjahr (631), nachdem er neun Jahre regiert und beinahe ganz Arabien erobert hatte. Abu Bekr, einer der ersten Schüler des Muhamed, folgte demselben in der Herrschaft und vermehrte die bereits gemachten Eroberungen. Ihm folgten, unter dem Namen Kalifen, andere Sektenhäupter, welche das persische Reich zerstörten, und sowohl Syrien als Ägypten eroberten.
Aus:
Triumph der heiligen Kirche über alle Irrlehren
hl. Alphons Maria von Liguori
Erster Teil - siebentes Kapitel - Häresien des siebenten Jahrhunderts - erster Artikel
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8. Mitleid
Was bewog so viele Heilige der Kirche, gar oft große Opfer zu bringen, manchmal die Heimat zu verlassen und heidnischen Völkern unter großer Gefahr das Evangelium zu verkünden? Was ließ sie an Jammer und Not der Menschen teilnehmen? Was veranlasste sie zu den Ärmsten der Armen zu eilen und den Himmel um Wunder zu bestürmen? Das Mitleid, die innige Teilnahme an dem Leiden der Nächsten. Das Mitleid ist eine schöne und herzerquickende Tugend.
1. Gott hat von seiner unermesslichen Güte und Barmherzigkeit einige Tropfen dem Menschenherzen eingegossen. Von Natur aus trägt jeder Mensch das Mitleid in seiner Seele, und nur eine verkehrte Erziehung und Verwilderung kann es ersticken. Sehr nachdrücklich hat uns der Allgütige das Mitleid befohlen: „Barmherzigkeit will ich und nicht Opfer.“ „Weint mit den Weinenden.“ „Wenn einer deiner Brüder oder Schwestern verarmt, so sollst du dein Herz nicht verhärten und deine Hand nicht verschließen, sondern sie den Armen öffnen.“ Durch das Mitleid wird das Leben schöner. Was wäre das jammervolle Erdendasein ohne Mitleid? Nehmt den Eltern das Mitleid gegenüber den Kindern, den Herrschaften das Mitleid gegenüber den Untergebenen, nehmt den Gesunden das Mitleid gegenüber den Kranken, nehmt den Reichen das Mitleid gegenüber den Armen, ertötet das Mitleid in jedem Herzen! Was habt ihr getan? Ihr habt das Licht in Finsternis verwandelt. Treten wir dagegen in ein düsteres Kämmerlein, wo die Nacht und das Elend haust, sprechen wir menschenfreundlich Worte der Liebe und des Trostes, bringen wir reichliche Unterstützung, wie wird sich das Auge des Leidenden verklären, wie wird sich sein Angesicht erheitern! Geht in die Kranken- und Armenhäuser, die das Mitleid gegründet und erhalten hat! Wie viele Unglückliche finden dort Unterkunft und Verpflegung, so dass sie ohne Sorgen der Zukunft entgegensehen können! Wie gut werden sie verpflegt von barmherzigen Schwestern und Brüdern, wie mütterlich getröstet in ihren Schmerzen, wie sorgsam hingewiesen auf den duldenden Erlöser, der uns allen das schönste Vorbild des Mitleids und Erbarmens, wie der Geduld und Gottergebenheit geworden ist! Wie herrliche Blüten treibt das Mitleid!
2. Das Mitleid ist eine herzerquickende Tugend, sie gewährt Trost und Erquickung der leidenden Menschheit. Wie ein Engel des Himmels kommt das Mitleid und gießt Balsam in die Wunden und lindert den Schmerz. Das Mitleid kommt in die Hütte der Armut und bringt Speise und Trank, es wacht am Lager des Kranken, es spricht den Zagenden Mut ein und verschafft den Bedrängten Hilfe. Da verstummen die Klagen und die Tränen fließen nicht mehr. Wie fühlt sich der Traurige wunderbar getröstet, wenn man ihm seine Teilnahme zeigt und freundlich mit ihm redet. Wie fühlt sich der Verlassene erfreut, wenn man sich seiner annimmt. Wie wohl tut es dem Armen, wenn man ihm seine Not erleichtert. Tränen der Freude und des Dankes vergelten die gute Tat. Mein Freund, versuche es einmal selber, geh in die ärmliche Wohnung einer notleidenden Familie, die kaum den Hunger stillen und kaum die Blöße bedecken kann, teile ihr von deinem Überfluss mit und du wirst Freude aus den Herzen und Augen der Erfreuten locken. Das Mitleid entzückt auch den Himmel. Sagt doch der Herr: „Selig, wer des Armen und Dürftigen gedenkt, am Tag des Unglücks wird ihn der Herr erretten.“ (Ps 40) „Wer dem Armen gibt dem wird nichts mangeln.“ (Spr 27) Am Tag des Gerichtes wird der Allgerechte zu den Mitleidigen sprechen: „Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, besitzt das Reich, das euch seit Grundlegung der Welt bereitet worden ist, denn ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben“ usw. (Mt 26,34-41)
Wie schön, wie edel, wie herzerquickend erscheint doch in den Augen Gottes und der Menschen und Engel die Tugend des Mitleids. Übe diese Tugend! An Gelegenheit fehlt es dir zu keiner Zeit. Tröste und hilf, wo du kannst! Hast du nur wenig, so gib auch das Wenige mit freudigem Herzen! Und hättest du nichts zu schenken, so kannst du doch ein tröstliches Wort zu dem Betrübten sprechen. Jede Gabe des Mitleids fügt einen neuen Edelstein in die Krone. Mitleid und Barmherzigkeit öffnen dir das Himmelstor, wie es der Allwahrhaftige verheißen hat: „Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.“ Amen.
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9. Maria und Europa
Vortrag von Bischof Dr. Rudolf Graber anlässlich des 85. Deutschen Katholikentages in Freiburg / Br. Am 16. September 1978
Einleitung
Die Jahrzehnte, die wir durchleben, werden in die Geschichte eingehen unter der Bezeichnung „Wiederentdeckung Europas“. Unser Erdteil, der einstmals eine Einheit bildete, aber vor allem durch die beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts auseinanderfiel, ist im Begriff, sich wieder zusammenzufinden. Es sind vorwiegend wirtschaftliche und politische Gründe, die auf die Einigung Europas hinarbeiten. Indessen ein solches Traggestühl ist auf die Dauer zu schwach. Die Europa-Idee braucht ein geistiges Fundament. Die Kirche hat nie aufgehört, dies zu betonen. Es war Papst Pius XII., der sich unablässig um die Einigung Europas bemühte. In seiner Rundfunkansprache vom 24. Dezember 1941 fordert er, dass man nach Beendigung des Krieges alles daran setzen müsse, um „ein neues Europa und eine neue Welt aufzubauen“. Schon in seinem ersten Rundschreiben „Summi Pontificatus“ vom 20. Oktober 1939 kommt er auf den Zusammenhang von Europa und dem Heiligen Stuhl zu sprechen und sagt: „Vor Zeiten hat die Lehre Christi Europa den geistigen Zusammenhang gegeben, und Europa, erzogen und veredelt durch das Kreuz, hat einen solchen Aufschwung genommen, dass es Erzieher anderer Völker und anderer Erteile werden konnte“. Im Übrigen hat schon Papst Leo XIII. in seinem Rundschreiben „Praeclara gratulationis“ vom 20. Juni 1894 so tiefgreifend und eindringlich über die Sendung des christlichen Europa gesprochen, dass man diesen Text unbedingt in einem christlichen europäischen Lesebuch verwenden müsste.
Die Baumeister Europas – der hl. Benedikt
Wir können hier leider nicht der Frage nachgehen, wer alles zu den Baumeistern eines christlichen Europas gehört. Wir beschränken uns auf den hl. Benedikt, den Papst Paul VI. am 24. Oktober 1964 zum Patron Europas erklärte, indem er folgendes sagte: „Er, Benedikt, der Bote des Friedens, Schmied der Eintracht, Lehrmeister der Zivilisation, allen anderen voran, Herold der Religion Christi und der Begründer des klösterlichen Lebens im Okzident, möge die Entwicklung der europäischen Geschicke leiten und durch seine Fürsprache einen nicht abreißenden Fortschritt erlangen, er, der einst mit dem Licht der christlichen Kultur die Finsternis zurückgedrängt und die höchste Gabe des Friedens zum Leuchten gebracht hat“. Im gleichen Jahr hat der Papst in einem Gebet für Europa alle Ansätze „zur brüderlichen Einheit und Zusammenarbeit“ ermuntert, zugleich aber gewarnt vor „inneren Zwistigkeiten, vor Prestigedenken und kleinlicher Rivalität“ und in diesem Zusammenhang wieder auf den hl. Benedikt Bezug genommen, der mit seinem „ora et labora“ dieses Europa geschaffen hat.
Maria
Nicht weniger gilt dies von einer Person, die neben Christus den höchsten Rang in der Heilsgeschichte einnimmt, von Maria. Sie, die israelitische Königstochter, ist mit dem Abendland aufs engste verbunden, weil nach einem Historiker gerade „das Abendland von allen Großräumen der Weltgeschichte (bis zur Gegenwart) der einzige Raum ist, in dem die Inkarnation, die Menschwerdung Christi, geschichtsbildend geworden ist“.
Im liturgischen Kalender konnte ich allerdings nur ein einziges örtliches Fest „Maria und Europa“ feststellen, das seit 1876 am 30. Mai in Gibraltar gefeiert wird, vermutlich, weil man dort sozusagen die Grenze unseres Kontinentes der Gottesmutter unterstellen wollte.
Auch viel zu wenig bekannt ist die Europa-Madonna. Vor zwanzig Jahren schon, lange bevor der Europagedanke Menschen und Völker unseres Erdteils erfasste, wurde im Herzen Europas auf dem Berge Serenissima in Norditalien, dort, wo die französische, die deutschsprechende Welt und Italien zusammenstoßen, in 2000 m Höhe die mächtige, 20 m hohe, ganz vergoldete Statue „Nostra Signora d` Europa, Unsere Liebe Frau und Herrin Europas“ errichtet. Dieser neue europäische Wallfahrtsort fand die vollste Zustimmung von Papst Pius XII. Die in den Jahren 1956 bis 1958 errichtete Statue wurde am 12. September 1958 von dem Mailänder Erzbischof Montini, dem verstorbenen Papst Paul VI., feierlich eingeweiht. Der Platz ist hervorragend gewählt. In einer grandiosen Bergwelt, an einer Grenzscheide oder besser Nahtstelle Europas, von der die Wasser in den Rhein, in die Donau und in den Po, in die Nordsee, in das Schwarze Meer und in das Mittelmeer hinunterfließen, will Maria nach allen Seiten Europas hin ihren mütterlichen Gnadensegen ausströmen lassen.
Maria und Europa
Wenn heute nun das Thema „Europa“ in allen Variationen aufgegriffen und mit allen möglichen Dingen in Beziehung gesetzt wird, so ist es angebracht, gerade auf einem Katholikentag auch über das Thema „Maria und Europa“ zu sprechen.
Mythos und Legende
Alles Große kündigt sich irgendwie an, und wenn es auch nur im Mythos ist, denn auch im Mythos liegen Körner der Wahrheit verborgen, und neben dem Prophet steht auch die Sybille. Auf dem Kapitol in Rom, dem Mittelpunkt der antiken Welt, erhebt sich jetzt eine Kirche mit einem eigenartigen Namen „Ara coeli, Altar des Himmels“. Die Legende berichtet, dass Kaiser Augustus bei der Erscheinung einer Jungfrau mit einem Kind die Worte hörte „Haec est ara filii Die“ („hier ist der Altar des Gottessohnes“). Daraufhin hätte er an dieser Stelle einen Altar erbauen lassen. Dieses Wort muss jedoch in einem größeren Zusammenhang gesehen werden. Im Jahr 40 vor Christus, also immerhin nahe der Zeitenwende, verkündete der Dichter Vergil: „Jetzt ist die letzte Zeit nach dem Lied der Sybille gekommen. Und es beginnt von neuem der Zeiten geordnete Folge. Jetzt kehrt wieder die Jungfrau, es kommt das Reich des Saturnus. Jetzt steigt nieder ein neues Geschlecht aus himmlischen Höhen“. Ganz gleich, wie man diese Worte deutet, - manche bringen sie in Verbindung mit der Jungfrauengeburt beim Propheten Isaias (7,14) – ist es nicht merkwürdig, dass man im Mittelpunkt unseres Erdteils, in Rom, sich von einer Jungfrau das Goldene Zeitalter erwartete? Ist es nicht auffallend, dass Kaiser Konstantin der Große in seiner Rede an die Konzilsväter von Nicäa 325 diese Dichterworte von der Jungfrau erwähnt, und der verdienstvolle Forscher der mittelalterlichen Kaisermystik Franz Kampers hat diese Verse Vergils nicht mit Unrecht als „die Geburtsurkunde der abendländischen Kaiseridee“ bezeichnet.
Die christliche Legende antwortet auf diese heidnischen Mythen, indem sie die Erfüllung deutet. Der Marienwallfahrtsort Loreto an der Adria ist bekannt. Von ihm leitet sich die Lauretanische Litanei her. Die Legende berichtet, dass Engel am 7. September 1295 die Verkündigungskapelle von Nazareth nach Loreto übertragen hätten (genauer gesagt, soll das Heilige Haus zuerst in der Nacht vom 9. Auf den 10. Mai 1291 nach Dalmatien gebracht worden sein). Es ist klar, dass es sich hier um einen typisch mittelalterlichen Wunderbericht handelt, aber vielen Legenden liegt ein geschichtlicher Kern zugrunde. Unsere Frage ist nun die, ob damit nicht dinghaft der Übergang der Verkündigung von Nazareth ins Abendland zum Ausdruck gebracht werden soll. Unserem Erdteil wird die frohe Botschaft, das Evangelium verkündet, und Europa hat wie Maria in Nazareth gläubigen Herzens gesprochen: „Siehe, ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Wort“ (Lk 1,38). Wenn es somit in „Ara coeli“ heißt: „Haec est ara filii Die“, so lesen wir in der Casa santa, im heiligen Haus von Loreto: „Hic verbum caro factum est“, „hier“, d.h. in Loreto, im Abendland „ist das Wort Fleisch geworden“. Die Legende hat das Wort des Herrn gleichsam auf Europa bezogen: „Das Reich Gottes wird von euch genommen und einem Volk gegeben, das seine Früchte bringt“ (Mt 21,43). Das in erster Linie zum Heil berufene Volk hat das Evangelium abgelehnt, und so bringen nun Engel die Botschaft nach Europa. Auf diese Weise findet auch im heilsgeschichtlichen Raum das statt, was man im rein Historischen die „translatio“ nennt, die Übertragung der Weltherrschaft etwa von Byzanz auf das Abendland oder nach der Weissagung Daniels die Abfolge der vier Weltreiche.
Nun kehren wir nochmals nach Rom zurück. Es scheint wiederum symbolhaft, dass in der größten römischen Marienkirche, in Maria Maggiore, die Krippe aufbewahrt wird. Wenn Nazareth nach Loreto gewandert ist, so ist Bethlehem nach Rom gegangen. In Europa ist die Geburt des Herrn erfolgt. Die Sprache der Symbole sagt uns, dass Europa marianisch geprägt ist. An dieser Stelle müssten wir nun alle marianische „Reliquien“ aufzählen, die im Abendland verehrt werden, wie das Kleid der Gottesmutter in Aachen (und an anderen Orten). Dabei sind wir uns bewusst, dass wir bei diesen Überlegungen den Bereich der Geschichte verlassen haben. Aber Geschichte ist nur ein Erkenntnisweg, und manchmal vermittelt uns der Mythos und die Legende tiefere Einsichten. Zu alledem hat die Geschichte Europas in ihrem Verlauf den marianischen Charakter des Abendlandes gleichsam demonstriert, also bewiesen.
I. Die marianische Struktur Europas
Wenn wir von dem vorhin zitierten Wort ausgehen, dass die Menschwerdung Christi gerade in unserem Raum geschichtsbildend geworden ist, dann ist damit auch die Rolle Mariens für uns gekennzeichnet: denn Maria und Inkarnation gehören zusammen. Es war der große Joseph Görres, der in seinem „Athanasius“ zeigte, wie sich die göttliche und menschliche Natur Christi im abendländischen Geschichtsverlauf widerspiegelt, wie das geistig – geistliche Prinzip, verkörpert im Papst, mit dem weltlichen Prinzip im Kaiser jene Dynamik der Geschichte verursachte, die eben nur in Europa geschehen konnte. Hier entwickelte sich eine Zweieinheit, die zwar zu schwersten Belastungen führte, ohne die aber unsere Weltkultur nicht entstanden wäre. Wie sehr man hier Maria einbezog, zeigt ein Gemälde aus dem Jahr 1525 von Hans Holbein dem Jüngeren, genannt das „Gekrönte Marienbild des Bürgermeisters Meyer von Basel“. Die Gottesmutter trägt hier die Krone des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Maria ist imperatrix, Kaiserin des Reiches. Das Reich, das Herzstück Europas, und Maria gehören zusammen. Maria ist also die eigentliche Herrscherin. Darum wird ihr noch ein anderes Herrschaftssymbol beigegeben, der Reichsapfel. Maria trägt somit die Symbole der christlichen abendländischen Weltherrschaft. Diese Beispiele, die noch vermehrt werden können, zeigen uns die enge Verflechtung des Marianischen mit dem Politischen im weitesten Sinn des Wortes. Es ist sicher kein Zufall, dass die Kaiserkrönung Ottos I. 962, mit der wir uns, wie Heinrich Günther sagt, „am Nerv des deutschen Kaiserproblems befinden“, am 2. Februar, am Fest Mariä Lichtmess erfolgte. In diese Linie gehört auch die Tatsache, dass jenes deutsche Nationalheiligtum, in dem 813 bis 1531 nicht weniger als 37 deutsche Kaiser und Könige gekrönt wurden, Unserer Lieben Frau geweiht ist. Karl der Große hatte dieses Marienmünster erbaut, das mit seiner Residenz zusammen den neuen Reichsmittelpunkt bilden sollte und das als Weltwunder der damaligen Zeit das Staunen der Zeitgenossen hervorrief. Nach manchen Autoren hätte Karl sogar den Wunsch geäußert, gerade in diesem Marienheiligtum zum Kaiser gekrönt zu werden, um Krone und Zepter gleichsam aus den Händen Mariens zu empfangen. Der gleiche Gedanke soll die deutschen Kaiser und Könige bestimmt haben, als sie hier im Mariendom gekrönt wurden.
Von der Marienkirche zu Aachen blicken wir auf die Hagia Sophia in der Kaiserstadt des Ostens nach Konstantinopel. Hagia Sophia bedeutet heilige Weisheit. Zweifellos steht diese göttliche Weisheit in engster Verbindung mit derjenigen Person, die wir in der Litanei als Sitz oder Thron der Weisheit grüßen. Vielleicht wird in dieser Zusammenschau deutlich, wie sehr sich das christliche Herrschaftsideal unterscheidet von den weltlichen Macht-Imperien alter und neuer Zeit. Europa war gegründet auf die marianischen Eigenschaften der „pax“ und der „justitia“, des Friedens und der Gerechtigkeit, wie aus den liturgischen Gebeten des Frühmittelalters ersichtlich wird. Auch Sophia, die Weisheit zählt zu diesen Eigenschaften. Ob man von Pax, vom Frieden, zur „Regina pacis“, zur Königin des Friedens fand und von der „justitia“, von der Gerechtigkeit zum „speculum justitiae“, zu Maria, dem Spiegel der Gerechtigkeit oder ob die Linie umgekehrt verlief, von Maria zu diesen Herrschertugenden, ist nicht so wichtig. Jedenfalls wird in der von Papst Paul VI. am 6. Januar 1967 ins Leben gerufene Bewegung “Justitia et pax“ etwas von jenem mittelalterlichen marianischen Ideal wieder lebendig. In diesem Zusammenhang müsste auch gesprochen werden, wie die großen Kaiserinnen und Königinnen, z.B. Mathilde, Adelheid und Kunigunde, aber auch Äbtissinnen, wie vor allem Hildegard von Bingen, die Kirchenlehrerin und Prophetin, die christliche Sybille, aus marianischem Geist wirkten.
II. Die Schützerrolle Mariens
Was wir hier betrachtet haben, hat uns gezeigt, wie Maria am Aufbau und an der Struktur Europas beteiligt war. Nunmehr handelt es sich darum darzutun, wie Maria dieses Abendland behütet und beschützt hat. Als Ausgangspunkt wählen wir wieder ein Thema der Kunst, das uns mehr aussagt als viele wissenschaftliche Abhandlungen. Es ist das Motiv der Schutzmantelmadonna. Man kann sicher nicht behaupten, dass sich dieses Motiv auf den abendländischen Raum allein beschränkt. Es ist allgemein menschlich, sich in die Obhut der Mutter zu flüchten. Wir müssen jedoch sagen, die abendländische Geschichte liefert den Beweis, dass das Schutzmantelmotiv bei uns in Europa eine besondere Note erhält.
Die Schutzmantelmadonna
Im Ritus der Kaiserkrönung begegnen wir einer eindrucksvollen Zeremonie. Der Papst nimmt den Electus, den erwählten Kaiser, unter seinen Mantel und dieser küsst die Brust des Papstes. Dieser Vorgang lässt uns die Schutzmantel-Madonnendarstellung tiefer erfassen. Wenn Maria auf diesen mittelalterlichen Bildern die ganze Christenheit, repräsentiert durch Papst und Kaiser, mit ihrem Mantel umhüllt, dann bedeutet dies nicht nur ganz allgemein ein Schutzverhältnis. Die Mantelumhüllung mit Brustkuss stellt vielmehr eine alte germanische Adoptionsform dar, d.h. somit: Wie bei der Kaiserkrönung die Umhüllung ein mystisches Vater- und Sohnverhältnis zwischen Papst und Kaiser begründet, so entsteht hier zwischen Maria und der durch Papst und Kaiser symbolisierten Christenheit ein geheimnisvolles Mutter- und Kindverhältnis. Maria ist die Mutter Europas. Bei dem Nachweis, wo und wann Maria unseren Kontinent unter ihren Schutzmantel genommen hat, beschränken wir uns auf gewisse kriegerische Ereignisse. Es muss einer eigenen Studie vorbehalten bleiben, auf welch andere Gebiete sich der Einfluss Mariens erstreckte, bzw. in welchem Umfang die Marienverehrung das Werden unseres Erdteils begleitete. Gerade hier wäre noch viel zu tun. Aber immerhin durch die Beschränkung auf „Maria vom Sieg“ ist der Rahmen abgesteckt, der auch die Friedensmission Mariens im europäischen Raum darlegt. Natürlich können wir uns hier unmöglich auf alle jene Ereignisse einlassen, die dem Eingreifen Mariens zugeschrieben wurden; wir versuchen nur das Wesentliche herauszustellen.
Die erstmalige große Einkreisung Europas
Die große Zangenbewegung, die uns heute vom Osten und vom Süden, von Afrika, her bedroht, ist geschichtlich nicht die erste Einkreisung Europas. Hammer und Sichel haben ihr Vorbild im Halbmond des Islams, der im Osten das byzantinische Reich bedrohte und im Westen nach Spanien vorstieß. Damit sind bereits jene beiden Mächte genannt, die die Vorsehung als Schutzschilder Europas vorgesehen hatte. Konstantinopel mit dem oströmischen Reich und Spanien.
Byzanz
Beginnen wir mit dem Osten, mit Byzanz. Jahrhundertelang hatte diese größte Marienstadt der alten Kirche alle feindlichen Angriffe abgewehrt, Perser, Awaren, Bulgaren, Russen und vor allem die Araber. Als dann schließlich 1453 die Türken die Kaiserstadt eroberten, „erzitterte in größter Bestürzung das ganze Abendland. War Byzanz verloren, so konnte auch Wien nicht mehr sicher sein, und mit dem Fall Wiens stand der Erbfeind an den Toren Roms“. Aber immerhin fast ein ganzes Jahrtausend hatte Konstantinopel den Feinden standgehalten und in diesem Jahrtausend konnte Europa sich zu einem eigenständigen Kulturkreis entwickeln. Immer war es die Gottesmutter, der man die Siege zuschrieb; so 626 als gleichzeitig die Awaren und Slaven zu Wasser und zu Land und auf dem asiatischen Ufer die Perser auf Byzanz vorstießen. „Aber“, so schreibt der Chronist, „durch Gottes Hilfe wurden durch die Fürbitte der reinsten Jungfrau und Gottesmutter“ die Feinde besiegt. Damals entstand als bleibendes Denkmal der Dankbarkeit der Akathistos-Hymnus, eine Art byzantinisches Rosenkranzgebet, das stehend gebetet wird. In der Antiphon wird auf die Kriegsgefahr verwiesen: „Ich, deine Stadt, weihe dir, der Heerführerin, die für uns kämpfte, das Siegeslied und als Erlöste aus Furchtbarem, den Dankeshymnus“. Nicht anders war es 673, 717 und 860, als die Russen zu ihrem großen Angriff auf Konstantinopel ansetzten und dank der Hilfe Mariens zurückgeschlagen wurden. Bei der Abwehr aller dieser Feinde spielt eine große Rolle ein Gewandungsstück der Gottesmutter (Omophorium genannt), das das Heer in die Schlacht begleitete.
Spanien
Fast zur gleichen Zeit als im Jahr 717 der Großangriff auf Konstantinopel einsetzte, erfolgte der Ansturm auf die Westflanke Europas, auf Spanien, wo 717 in der Schlacht von Xeres de la Frontera das christliche Heer vernichtet wurde. Trotzdem war der Mut der spanischen Christen nicht gebrochen. Als eine Heerschar von tausend Christen in einer weiten Höhle Zuflucht gesucht hatte und der Verräterbischof Oppa sie zur Übergabe aufforderte, gab der christliche Heerführer Pelayo die herrliche Antwort: „Die Kirche wird in ganz Spanien hergestellt werden, weil wir einen Fürsprecher beim Vater haben, unseren Herrn Jesus Christus, und deshalb verachten wir die ganze Menge der Heiden . . . Denn, wie wir vertrauen, werden wir durch die Fürbitte der glorreichen Jungfrau Maria, der Mutter desselben Christus des Herrn gerettet werden und mit ihrer Hilfe, die die Mutter der Barmherzigkeit ist, wird das Volk der Goten aus den wenigen, die in dieser Höhle sind, sich wieder erheben“. Und so war es auch. Stück für Stück spanischen Bodens wurde zurückerobert, obwohl im Jahr 1212 nochmals alles auf des Messers Schneide stand. Eine halbe Million Araber sollen damals die Meerenge überquert haben, um zum Vernichtungsschlag auszuholen. In der ganzen Christenheit war man sich der Gefahr bewusst; Franzosen und Burgunder zogen zu Hilfe, sogar aus dem fernen Österreich brach Leopold der Glorreiche mit einem Heer auf. Es wird berichtet, dass beim Erscheinen der Marienfahnen sich die Araber zur Flucht wandten, und allgemein wurde der Sieg der Gottesmutter zugeschrieben.
Das Reich und Polen
Während so der Westen Europas, die Pyrenäenhalbinsel in einem achthundertjährigen Kampf zurückerobert wurde, brach die Schutzwehr Europas, das byzantinische Reich im Jahr 1453 zusammen. Nun mussten Österreich und Polen die Grenzen nach Osten und Südosten schützen. In all diesen Kämpfen muss eines Ereignisses gedacht werden, das von neuem unterstreicht, wie sehr Maria und Europa miteinander verbunden sind. Nahezu alle Länder unseres Erdteils haben Maria zu ihrer Herrin und Patronin erkoren. Auch dies müsste eigens einmal besonders herausgearbeitet werden.
Die Weihe des Reichs in Altötting
Es sei hier nur an die Weihe des Reichs erinnert, die der neugekrönte junge Kaiser Leopold I. am 5. September 1658 in der Gnadenkapelle zu Altötting vornahm. Ein Zeitgenosse berichtet von ihm, dass er nach all dem rauschenden Prunk des Krönungsfestes zu Frankfurt „nichts inniger in seinem Herzen und Sinn getragen habe als den Wunsch, vor Übernahme der Regierung die Gottesmutter in Altötting zu verehren“. Und so fand sich denn der junge Herrscher am 5. September 1658 in Altötting ein und kniete mit seinem engsten Gefolge als Vasall und Bittsteller „allerdemütigst vor unserer lieben Frau, um von ihr der himmels-kayserin das new angetrettene kayserthumb zu lehen zu nemmen und sich und seine untergebne land und leut unter den schutz Mariae wider seine feind bestermassen zu befehlen“.
An solch einem Text zeigt sich der Unterschied zwischen einem Profanhistoriker und einem theologisch orientierten Historiker. Der erstere legt diesen Worten keine größere Bedeutung bei, der letztere wertet diese Szene in der Gnadenkapelle von Altötting als ein bedeutsames Geschehen. Das Reich ist Maria geweiht. Das Gewicht dieses Satzes kann nur der ermessen, der weiß, was Weihe bedeutet. Äußerlich gesehen wiegen die Worte nicht schwer, sie lassen sich leichthin aussprechen. Aber von innen, von Gott her gesehen, sind sie die großen Einschnitte und Marksteine der Geschichte, von denen Jahrhunderte abhängen. Das Geschehnis selber wirft selbstverständlich eine Reihe von Fragen auf, die wir nur kurz andeuten können: Welche konkreten Dinge verlangt eine solche Weihe? Besteht diese Weihe heute noch fort? Ist sie durch die Entwicklung Europas, durch Säkularismus und Materialismus praktisch zurückgenommen worden? Welche Folgen ergeben sich daraus? Bedeutet die Weihe Deutschlands an das Unbefleckte Herz Mariens auf dem Katholikentag in Fulda 1954 eine Erneuerung dieser Weihe? Was haben wir nach Fulda seelsorglich getan, um diese Weihe zu leben, oder war sie nur ein schmückendes Beiwerk, der wir keinen verpflichtenden Charakter zuschrieben – lauter Fragen, die Beantwortung verlangen, zumal sie irgendwie den Ablauf der Geschichte positiv oder negativ bestimmen.
Lepanto und Wien
Damals wirkte sich jedenfalls die Weihe positiv aus. Mit der Weihe des Reichs vom Jahr 1658 sind wir jedoch einigen marianischen Siegen vorausgeeilt, die wenigstens kurz erwähnt werden müssen, die Schlacht von Lepanto 1571, in der die Seemacht der Türken zerschlagen wurde, und die Schlacht am Weißen Berg zu Prag 1621, die den Bestand der katholischen Religion im Süden des Reichs sicherte, bzw. wiederherstellte. Lepanto ist ein Sieg des Rosenkranzgebetes. – Wir haben soeben Altötting genannt. Es ist viel zu wenig bekannt, dass vor der großen europäischen Entscheidungsschlacht vor Wien 1683 der Oberbefehlshaber des christlichen Entsatzheeres Herzog Karl von Lothringen vor dem Gnadenaltar in Altötting betete. Dadurch hat Altötting diese welthistorische Stunde mitbestimmt, von der das Schicksal Mitteleuropas abhing. Hat Lepanto die Überlegenheit der Türken auf dem Meer zunichte gemacht, so hat Wien die türkische Vormachtstellung zu Land gebrochen. Das Fest Mariae Namen vom 12. September, das leider der Kalenderreform zum Opfer fiel, erinnerte an diese europäische Entscheidungsstunde, so wie das Rosenkranzfest das Gedenken an Lepanto forterhält. Es erübrigt sich auf all die anderen marianischen Siege näher einzugehen. Aber auf etwas anderes darf hingewiesen werden.
Ingolstadt und das Colloquium Marianum
Neben Altötting muss gerade für Mitteleuropa auch noch Ingolstadt erwähnt werden, das als Universitätsstadt ein Hort der Gegenreformation wurde. Hier wirkte P. Jakob Rem aus Bregenz, der 1574 die erste marianische Kongregation nördlich der Alpen in Dillingen gründete. Er wirkte später in Ingolstadt bis zu seinem Tod 1618. Ihm verdankt das sogenannte Colloquium Marianum seine Entstehung, die am 4. Mai 1595 erfolgte, eine Elitebewegung der Marianischen Kongregation. Zurzeit P. Rems gingen aus Kongregation und Colloquium 14 bedeutende Kirchenfürsten hervor, und Männer wie Kurfürst Maximilian I. von Bayern und Kaiser Ferdinand II. schöpften aus diesem marianischen Jungbrunnen die Kraft zu ihren späteren Einsätzen für die Kirche. Es ist nicht zu viel gesagt, wenn man behauptet, dass der Einfluss dieses Colloquiums sich auf ganz Europa erstreckte, und die Kapelle der Dreimal-Wunderbaren Mutter im Ignatiuskonvikt zu Ingolstadt wurde zu einer europäischen Gnaden- und Wallfahrtsstätte, die Altötting kaum nachstand und die von Kaisern und Königen, Kurfürsten und anderen Fürstlichkeiten besucht wurde.
Barock und Aufklärung
Mit der Erwähnung der Marianischen Kongregation und des Colloquium Marianum berühren wir jenes Gebiet, das wir vorhin nur andeuteten, das aber beweist, wie marianische Frömmigkeit auch kulturfördernd wirkt und dem tiefgesunkenen religiösen Leben eine neue Blüte bescherte; denn das nun beginnende Zeitalter des Barocks war von zwei geistlichen Strömungen beherrscht, von der eucharistischen und marianischen Idee. Hier wäre nun auch der Ort, um einiges zu sagen über die Bedeutung der europäischen Marienwallfahrtsorte, über Mariazell und Einsiedeln, über Kevelaer und Tschenstochau, Chartres und Le Puy, Genazzano südlich von Rom, Walsigham in England und Montserrat in Spanien. In unser Thema gehört freilich auch das Jahr 1793, wo man in der Französischen Revolution auf den Hochaltar der Notre-Dame-Kirche zu Paris ein käufliches Weib setzte und ihr als Göttin der Vernunft huldigte. Mit dieser wüsten blasphemischen Orgie schien das Band zwischen Maria und Europa zerrissen. Und doch nicht. Im Gegenteil.
Das marianische Jahrhundert
Mit dem Jahr 1830, in dem die Gottesmutter der hl. Katharina von Labouré zu Paris erscheint und sie die sogenannte wundertätige Medaille prägen heißt, beginnt das marianische Jahrhundert, das nach La Salette und Lourdes seinen Höhepunkt in Fatima erreicht. Wieder müssen wir fragen: Wo ist ein Erdteil, in dem Maria so oft erschien, wie gerade in Europa? Ist dieser Gedanke nicht auch einmal erwägenswert?
Fatima und Russland – die zweite Einkreisung Europas
Was jedoch Fatima betrifft, so stehe ich nicht an zu behaupten, dass es sich hier um die Schicksalsfrage Europas handelt. Natürlich gilt die Voraussage Mariens bei ihrer dritten Erscheinung, wonach Russland seine Irrtümer in der Welt verbreiten, die Guten verfolgen, dem Heiligen Vater schweres Leid antun, Kriege entfesseln wird und mehrere Nationen vernichten wird, für alle Völker. Aber jedem Einsichtigen ist klar, dass in erster Linie davon Europa betroffen sein wird und die Jahre, die wir durchleben, beweisen es zur Genüge. Nicht umsonst erschien Maria im westlichsten Land Europas, um hier dem mächtigen Koloss im Osten gegenüberzutreten. Mit Fatima erreicht das Marianische seinen politischen Höhepunkt. Fatima macht deutlich, dass die Rettung unseres Erdteils letztlich davon abhängt, ob wir das tun, was Marie dort am 13. Juli 1917 gesagt hat. Das bedeutet keine Abwertung von NATO, EG und Neutronenbombe, sondern will nur, wie man heute sagt, die Prioritäten richtig setzen. Die Priorität aber und die größte Sicherheitsgewähr ist uns in der Botschaft von Fatima gegeben. Fatima ist das größte Angebot, das Gott unserem Kontinent gemacht hat für seine Zukunft und sein Überleben. Wird es in letzter Stunde verstanden werden? Oder lesen wir weiterhin gleichgültig und gedankenlos über die Worte des Einleitungspsalms 94 zum täglichen Offizium hinweg: „Vierzig Jahre (- jetzt 60 Jahre -) war mir zum Überdruss dieses Geschlecht; ich sprach: Sie sind ein Volk mit irrendem Herzen, nicht kennen sie meine Wege. So habe ich geschworen in meinem Zorn: Nimmer sollen sie eingehen in meine Ruhe“. Das aber wäre das Ende Europas.
Was tun?
Mit diesem Höhepunkt Fatima möchten wir abschließen, nicht ohne unseres verstorbenen Heiligen Vaters zu gedenken und zugleich die Frage zu beantworten: Was ergibt sich aus all dem für uns? Man vermisst nämlich bei den meisten Vorträgen und Abhandlungen über das christliche Europa etwas Wesentliches: Was müssen wir nun praktisch tun, damit Europa bleibt, dass es christlich bleibt? Selbstverständlich gibt es darauf manche Antworten und nicht an letzter Stelle steht jene Antwort, die sich bei dem erschreckenden Geburtendefizit für das biologische Wachstum unseres Erdteils einsetzt. Aber unsere Antwort hier muss nun schließlich von unserem Thema aus behandelt werden, und hier hat nun Papst Paul VI. in seinem Rundschreiben „Marialis cultus“ vom 2. Februar 1975 zwei Hinweise gegeben. Er hat uns da zwei marianische Gebetsübungen dringendst ans Herz gelegt, den täglichen „Engel des Herrn“ und das Rosenkranzgebet. Bei näherem Zusehen entsprechen nun diese beiden Frömmigkeitsweisen sowohl dem, was wir im ersten Teil über die marianische Struktur Europas sagten, als auch dem, was im zweiten Teil die Schützerrolle Marias betrifft. Das wird unterstrichen durch zwei historische Bemerkungen.
Der „Engel des Herrn“
In einem vor 20 Jahren erschienenen Predigtzyklus stehen die Worte: „Der Engel des Herrn“ ein europäisches Gebet. In der Tat, Papst Calixtus III. hat am Fest der Apostelfürsten 1456 den „Engel des Herrn“ als Gebetsruf für die gesamte christliche Welt angeordnet in einer Stunde, wo wieder einmal das Geschick Europas auf des Messers Schneide stand und die türkische Heeresmacht nach dem Fall von Konstantinopel sich zum Vormarsch in das Herz Europas anschickte. Dass nun bei Belgrad 1456 das unüberwindlich scheinende Heer der Türken in die Flucht geschlagen wurde, wurde als ein Wunder angesehen und wer die Geschichte übernatürlich betrachtet, wird diesen Sieg dem Gebet des „Engel des Herrn“ zuschreiben müssen. So ist der „Engel des Herrn“ wirklich ein europäisches Gebet. Erinnert uns das erste „Ave Maria“ an die Stunde der Verkündigung von Nazareth, so denken wir daran, dass diese Botschaft auch und besonders an Europa erging und dass dieser Erdteil, wie wir im zweiten Ave beten, sich demütig als die Magd des Herrn erkannt hat, so dass nun wirklich das WORT in Europa Fleisch werden und unter uns sein Zelt aufschlagen konnte bis zum heutigen Tag. Wieder stellen wir die Frage: Wenn der „Engel des Herrn“ vor 500 Jahren vom Papst zu einem europäischen Hilferuf erklärt wurde, gilt das heute nicht mehr, wo ein noch schlimmerer Feind vor unseren Toren steht, ja bis in die Mitte Europas schon vorgedrungen ist?
Das Rosenkranzgebet
So wie der „Engel des Herrn“ seine Kraft und Wirkung glänzend unter Beweis gestellt hat, so erst recht die zweite von Papst Paul VI. genannte Gebetsweise, der Rosenkranz. Gewiss, ihn halten katholische Christen in allen Ländern und Erdteilen in den Händen, aber auch er ist ein europäisches Gebet, weil er Europa verschiedentlich gerettet hat. Wir sprachen von Lepanto 1571. Die Unterschrift unter einem Bild der Schlacht im Dogenpalast zu Venedig besteht zu recht: „Weder Macht und Waffen, noch Führer, sondern Maria vom Rosenkranz hat uns zum Sieg verholfen. Wir sollten auch nicht übersehen, dass der Abzug der Russen aus Österreich 1955 mit gutem Grund den Gebeten des Rosenkranzsühnekreuzzugs zugeschrieben wird. Reinhold Schneider hat in seinem Buch „Macht und Gnade“ ein Kapitel überschrieben:
„Das Gebet in der Geschichte“, und er sagte hier: „Vielleicht sind es diese Kräfte und sie allein“ – und hier meinte er das Gebet – „die eine schwer zerrüttete Welt noch erhalten und ihr eine Hoffnung eingepflanzt haben, die kein Sturm entwurzeln kann“. Damit kehren wir zurück zum Motto unseres Katholikentages: „Ich will euch Zukunft und Hoffnung geben“. Freilich sollten wir auch noch die folgenden Worte des Propheten beachten, die eigentlich erst das enthalten, was wir tun müssen; denn Zukunft und Hoffnung werden uns nicht nachgeworfen: „Dann werdet ihr mich anrufen . . . und werdet zu mir beten und ich werde euch erhören. Ihr werdet mich suchen und finden, wenn ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet“; also beten und Gott mit ganzem Herzen suchen. Das sind die Bedingungen für Zukunft und Hoffnung.
Die Europa-Madonna
Nunmehr begeben wir uns nochmals auf den Berg der Europa-Madonna. Am 31. Mai 1964, dem damaligen Fest Maria Königin, habe ich dort anlässlich einer Wallfahrt europäischer Politiker das heilige Opfer gefeiert und dabei zu einer Gebetsaktion für die Einheit Europas und den Frieden der Welt aufgerufen. Ich habe eine marianische europäische Internationale gefordert, die auch die Länder hinter dem Eisernen Vorhang einbeziehen müsste, auch jenes Russland, von dem Dostojewski sagte, dass „von den Gebeten der Demütigen und nach Einsamkeit und Stille sich Sehnenden die Rettung Russlands ausgehen wird“. Ein Beter aus dem Osten schrieb mir damals einen erschütternden Brief, mit dem ich schließen möchte, und in dem ich nur ein einziges Wort ändere, wenn ich statt „Deutschland“ „Europa“ sage: „Auch wir wollen nach Kräften dazu beitragen, dass sich das Wunder des heiligen Frühlings in Europa vollziehe. Wir beten und bitten in der Stille, dass das Abendland wieder zu dem werde, was es einstmals war, ein Imperium Marianum. Die dem Zeitgeist Trotzenden sind nur ein kleines Häuflein, das jedes Opfer auf sich nimmt; denn man weiß doch aus der Erfahrung, ohne Kreuz keine Krone, ohne Opfer kein Sieg. Wenn auch hier zu Lande Fahnen eigenartiger Farbe flattern, im Morgen Europas weht die blaue Marienfahne mit St. Michaels Schwert. Unser Dasein ist mit Härten und Bitternissen reich gesegnet und von Dunkelheit umgeben. Aber wir fürchten uns nicht; denn niemals können die untergehen, die im Lichte des Glaubens stehen.“
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10. Marianisches Reich: Äthiopien
Die äthiopische Kirche, die dem koptischen Ritus angehört, trägt einen ganz eigenartigen Charakter. In ihr ist noch vieles von der alttestamentlichen Gesetzlichkeit und dem altjüdischen religiösen Brauchtum erhalten geblieben. Vielleicht liegt es an der besonderen Geschichte dieses Landes, die bis ins 9. Jahrhundert vor Christus zurückgeht. Auch war Äthiopien das einzige Land Afrikas, das nie unter die europäische Kolonialherrschaft gefallen war. Leider folgten auf die 1974 gestürzte Monarchie eine kommunistische Militärdiktatur, Kämpfe zwischen Rebellengruppen und Bürgerkrieg. So bestand, bevor Kommunisten und Verbrecher dieses gesegnete Land auslaugten und zerstörten, bis ins 20. Jahrhundert hinein neben dem Sonntag noch der Sabbat, die Priester bildeten eine halberbliche Kaste, man kannte noch die Beschneidung usw. Wenn der hl. Franziskus, um das religiöse Leben neu zu entfachen, das Ordensideal in die Laienwelt trug, so griff die äthiopische Kirche noch höher und trug das Priestertum selbst ins Volk. Es wurden noch vor wenigen Jahrzehnten sehr zahlreiche Priester und noch mehr Diakone geweiht, oft zu Hunderten, die allerdings ohne jede theologische Bildung blieben. Bildung erhielten die Kirchensänger und Lehrer. Doch war die äthiopische Kirche ab der Mitte des 20. Jahrhunderts bestrebt, einen gebildeten Klerus heranzuziehen. In Gondar, Goggian, Wadle bestanden Diakonatsschulen, die den schönen Namen „Felghe Hiwet“ (Fluss des Lebens) trugen, in denen 1955 47.000 junge Männer sich unter der Anleitung von 900 Lehrern dem Bibelstudium, der Erlernung der Liturgie und des Kirchengesanges widmeten. Das Mönchtum stand in hoher Blüte. Es hat sich nach zwei Seiten hin, nach dem Einsiedlertum und dem Klosterleben, entwickelt. Die Einsiedler lebten abseits der Welt, mit der sie jede Berührung vermieden. „Lehrmönche“ besorgten den religiösen Unterricht. Andere gaben sich, neben ihren Mönchpflichten, mit der Seelenführung ab. Die zweite Richtung pflegte das eigentliche Klosterleben unter der Führung eines Abtes, „Abe-Meniet“, der höchste und unumschränkte Gewalt über die geistlichen und weltlichen Dinge des Klosters und aller Kirchen seines Gebietes ausübte. In Äthiopien gab es nach der italienischen Volkszählung (Während des Zweiten Weltkrieges war Äthiopien etwa 5 Jahre lang von dem damals faschistischen Königreich Italien besetzt.) 4 Millionen Christen des koptischen Ritus. Katholiken gab es 30.000 des koptischen und ebenso viele des lateinischen Ritus, die alle einem Apostolischen Präfekten unterstanden. Die liturgische Sprache der Kopten war das Geez, doch brach dann mehr und mehr die Landessprache durch.
Das eigentliche Merkmal der äthiopischen Kirche war und ist ihre marianische Prägung. Als Marienverehrer stehen die Äthiopier an der Spitze der gesamten Christenheit. Ihr Leben trägt in seiner ganzen Breite und Tiefe einen wunderbaren marianischen Schimmer. Ihr Kirchenjahr zählt über 50 Marienfeste, alles gebotene Feiertage. Alles wird bei diesen Menschen Anlass zu einem tiefsinnigen Marienfest: die Jahreszeiten mit Aussaat und Ernte, denn Maria brachte uns das Brot des Lebens; die Schafschur, denn sie verlieh dem Lamm Gottes die Wolle, d.h. den menschlichen Leib. Das Familienleben und das gesellschaftliche Leben geben Anlass zu Muttergottesfesten. Ja, sogar das Nationalfest wurde, bis das satanische kommunistische Regime kam, als Muttergottesfest begangen. Bei einer Volkszählung ließ der Negus Zar a Jacob (1399-1468) den Gezählten den Namen „Marienkind“ auf den Arm einbrennen, damit man wisse, dass sie Äthiopier seien. Dieser Brauch hatte sich bei den Soldaten bis 1974 und darüber hinaus erhalten, auf dass man sie unter den Gefallenen als Christen erkenne. Um ihre Marienverehrung zu schildern, müsste man von den Pilgerscharen erzählen, die jedes Jahr nach Aksum wanderten, weil die Muttergottes hier einmal ihren Fuß auf die Erde gesetzt haben soll. Aksum liegt zwischen 2000 und 3000 m hoch im nördlichen Äthiopien, ca. 1000 km von Adis Abeba und 62 km von der Grenze zu Eritrea entfernt. Im Marienheiligtum (Kirche der heiligen Maria von Zion) wird nach alter Tradition die Bundeslade aufbewahrt. Im Jahr 1949 besuchte die Madonna von Fatima Afrika. Der freudigste Empfang wurde ihr in Äthiopien bereitet. Da gab es keine Trennung mehr, mit demselben Jubel zog sie als Königin in die Tempel der getrennten Brüder und Schwestern ein.
Die Marienverehrung der Äthiopier ist zwar stark gefühlsbetont, bleibt aber nicht in der Gefühlswelt stecken. Sie zeichnet sich im Gegenteil dadurch aus, dass die organische Stellung Marias in der Heilsgeschichte und im Leben jedes Einzelnen lebendig wird. Nie werden Mutter und Sohn getrennt. Dies kommt auch im Kirchenjahr zum Ausdruck, indem jedes Herrenfest mit einem Muttergottesfest eigeleitet oder beschlossen wird.
Dass aus einer solchen Marienverehrung eine besonders schöne Mariologie hervorgehen musste, ist einleuchtend. Obwohl vom Gedankenfluss der übrigen Welt praktisch abgeschnitten, haben die Äthiopier Erkenntnisse zu Tage gefördert, die bei uns erst heute zum Durchbruch gelangen. Vor allem lassen sie jenen Grundgedanken erstrahlen, um den es bei der Marienverehrung geht, den Weg zu Christus dem Herrn und den Weg seiner Gnade zu uns. Es genügt, auf ein Werk hinzuweisen, das auf Veranlassen des erwähnten Negus Zar a Jacob um das Jahr 1440 von einem Mönch verfasst wurde: die „Äthiopische Marienharfe“. Hier haben theologischer Höhenflug, mystische Glut, kristallene Gedankenschärfe, dichterischer Schwung, Symbolkraft und ungeahnter Bilderreichtum ein Werk geschaffen, das eine Krone aller Mariendichtung darstellt. Mit ihm kann nur der Akathistos-Hymnus der griechischen Kirche in Wettstreit treten.
Es ist kaum zu fassen, dass ein Werk von solcher Genialität und dichterischen Schönheit der westlichen Welt weitestgehend unbekannt bleiben konnte. In diesem Gesang schreitet Maria als Gottesmutter, mit allen Mysterien, die unter diesem Geheimnis verborgen sind, als Königin der Schöpfung, als Fürbitterin und Mittlerin, als Krone der Heiligen durch die Heilsgeschichte der Menschheit und des Menschen. Mit allen ihren Eigenschaften, die in einer grandiosen Bildersprache und mit theologischer Prägnanz uns nahegebracht werden. Sie greift hinein in die Fülle unseres Lebens bis in die intimsten Geschehnisse.
In einer solchen Welt lebte und lebt in kleinen Teilen heute noch das äthiopische Volk, wenn auch verstrickt in moralische und soziale Unzulänglichkeiten und unbewusst des großartigen Gedankens, für den es Zeugnis ablegt.
Wenn irgendwo in der weltweiten Kirche das neue Fest, das Maria zur Königin erhebt, im Herzen des Volkes Widerhall findet, dann im fernen Ophir, dem Goldland, das um die Würde der Kronen weiß.
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11. Marienbilder
Maria in tausend Bildern - Warum so viele verschiedene Bildnisse Unserer Lieben Frau?
Was hat es eigentlich für einen Sinn, dass wir Katholiken so viele verschiedene Bilder Unserer Lieben Frau verehren? Es gibt doch nur eine Liebe Frau, Maria von Nazareth, und sie ist überall dieselbe!
Das ist richtig. Aber warum werden z.B. von der Weltreise der Königin Elisabeth so zahlreiche Fotos und Reportagen veröffentlicht? Warum wurden von Königin Wilhelmine, Königin Juliane oder Königin Astrid so viele Bücher mit einer Unmenge Fotos herausgegeben: von ihrer Jugend, ihrer Verlobung und ihrer Ehe, ihrem ersten Mutterglück, ihrer Anteilnahme bei nationalen Festen und nationalen Katastrophen, ihren Besuchen in Waisenhäusern, Invaliden- und Altersheimen usw.? Und warum hebt ein Kind zahlreiche Fotos seiner Mutter aus allen Lebensabschnitten auf? Ganz einfach: weil man möglichst alle Erinnerungen an die verschiedenen Lebensalter und die wechselnden Äußerungen der stets gleichbleibenden Güte und Fürsorge einer allen teuren Königin und Mutter bewahren will. Echte Liebe und Verehrung hören nie auf, Erinnerungen zu bewahren und so viele Eindrücke wie nur möglich festzuhalten. Ist es also wirklich so abwegig, dass das katholische Volk von seiner glorreichen und unendlich anziehenden Himmelskönigin, seiner über alles geliebten himmlischen Mutter zahlreiche Darstellungen verehrt und bewundert?
Jedes neue Bild und jede neue Darstellung lassen die unerschöpfliche Macht und Erhabenheit, die endlos sorgende Güte, das vorbehaltlose Erbarmen und die überirdische Anziehungskraft Mariens erneut deutlich werden. Man könnte ebenso gut fragen: Warum so viele verschiedene Titel für Maria in der Lauretanischen Litanei? Und warum so viele Marienfeste im liturgischen Kalender, zu denen zusätzlich noch Feste der Diözesen, Orden und Kongregationen kommen? Maria, die für uns Gottes Mutter ist, ist wirklich und vollständig auch unsere Mutter. Daher das so tief katholische mittelalterliche Wort: „De Maria nunquam satis“ (von Maria nie genug). Und daher auch die große Zahl der verehrten Abbildungen Unserer Lieben Frau für den gläubigen Katholiken, die uns Reichtum und Gewinn bedeuten.
Maria hat ihren Kindern im Laufe der Jahrhunderte in vielen Ländern, an vielen Orten und in vielen Nöten und Gefahren Hilfe und Trost, Rat und wunderbare Heilung gewährt, wenn sie vor einem bestimmten Bildnis oder unter einem bestimmten Titel vertrauensvoll angerufen wurde – oft aber auch ungefragt; denn der Anfang so mancher Verehrung ist von ihrer spontanen Initiative und mütterlichen Zuneigung ausgegangen. Immer wieder hat sie sich der seelischen oder körperlichen Not ihrer Kinder erbarmt. Daher die Gnadenbilder der verschiedensten Orte, Gegenden und Länder in tausenderlei äußeren Formen.
Für die Marienerscheinungen vor einem oder wenigen Bevorrechteten gilt das Wort: „Ihr Antlitz erstrahlt einem, ihre Liebe strahlt auf alle.“ Es gilt genauso für die Gunsterweise, die Maria an den Gnadenorten sichtbar zuteilwerden lässt. Sie sind Beweise ihrer Liebe zu all ihren Kindern, auch denen, die nicht sichtbar gesegnet werden oder nicht in der Lage sind, einen Gnadenort zu besuchen. Die Vielzahl der Bilder kann uns die Unbegrenztheit der Liebe und Fürsorge der Mutter nahebringen, welcher der Vater die Sorge für seine Kinder anvertraut hat. Liebevoll passt Maria sich den Bedürfnissen und Umständen an, so dass man gerade von ihr sagen kann, was für jede Mutter gilt: „Sic tota singulis, quam tota omnibus“ (sie ist ebenso für jeden einzelnen wie für alle da).
Von dieser Unermesslichkeit und Unteilbarkeit von Marias Mutterherzen sind die vielen Bilder Unserer Lieben Frau der sprechende Beweis. Und da der Hl. Vater (Papst Pius XII.) in seiner Enzyklika „Fulgens Corona“ vorsieht, dass die Gläubigen in großer Zahl bei den Marienheiligtümern zusammenkommen sollen und die Diözesen zahlreiche Gnadenorte besitzen, ist es klar, dass die Verehrung der verschiedensten Bilder Unserer Lieben Frau echt katholischem Sinn entspricht.
Aber wenn wir die Geschichte der Marienverehrung untersuchen, wie sie im Entstehen der zahllosen Gnadenorte zum Ausdruck kommt, dann steigt die Frage auf: Sind auch wir noch so einfach und kindlich gläubig wie unsere Vorfahren? Und sind unser Glaubensleben und unser Vertrauen noch so groß, dass sie gewissermaßen für Maria die unwiderstehliche Aufforderung bilden, auch uns mit den Zeichen ihrer Mutterliebe zu überhäufen?
J. de Vreese S.J.
aus „De Bode van het heilig Hart“
abgedruckt in „Katholiek Vizier“
Amsterdam 1954
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12. Michael
Der heilige Erzengel Michael
St. Michael in der Kunst
In Vorhallen und Krypten, an Wänden und auf Glasgemälden, auf Altären und Kanzeln, an Pfeilern und auf Leuchtern findet sich fast in jeder Kirche und Kapelle irgendeine, wenn auch oft recht bescheidene Darstellung des Erzengels Michael, wie er meist als Drachenbezwinger, mit Schwert oder Lanze bewehrt, das unter ihm kauernde Ungeheuer vernichten will.
Sind auch die Michaelsbilder jüngeren Datums als die Michaelskirchen, die schon in frühchristlicher Zeit in Nordfrankreich und in Italien dem Erzengel Michael geweiht worden sind, so lässt sich doch mit dem wachsenden Michaelskult auch bald eine künstlerische Wiedergabe des Erzengels feststellen. Die älteste nachweisbare Darstellung stammt aus dem fünften Jahrhundert und befindet sich auf den Mosaiken in der Kirche St. Maria Maggiore in Rom: Josua sieht plötzlich eine Gestalt im Leibschurz eines Kriegers mit gezücktem Schwert, der sich Fürst Jehovas nennt, also Erzengel Michael ist. Zu den frühesten Michaelsbildern ist auch die gemeinsame Darstellung mit dem Erzengel Gabriel zu zählen, die sich in der im Jahr 546 geweihten Kirche San Michele in Afrisco in Ravenna befindet. Wir sehen hier die beiden Engel auf blumiger Wiese neben der jugendlichen Gestalt des Erlösers. Michael trägt einen Kreuzstab, Gabriel jedoch nur einen einfachen Stab. Der Erzengel Michael ist auch hier noch ohne Flügel wiedergegeben.
Vom 6. Jahrhundert an wird das Michaelsbild häufiger und findet auch in der deutschen Kunst Eingang. Die Darstellungsweise entwickelt sich zu einem feststehenden Typus, der in den zwei markanten Gestalten des Seelenführers und des Drachentöters Gestalt und Ausdruck findet.
Den Seelenführer sehen wir zum ersten Mal in der Kirche Santa Prassede in Rom, die im Jahr 820 an Stelle einer älteren aus dem 4. Jahrhundert von Papst Paschalis erbaut und mit wertvollen Mosaiken geschmückt worden ist. Hier sehen wir auf dem Triumphbogen die Heiligen ins himmlische Jerusalem einziehen; vor einem Tor steht der Erzengel Michael, mit einem Kreuzstab in der Hand, zwischen den Apostelfürsten und lädt mit einer auf die Eingangspforte hinweisenden Bewegung die mit Kronen und Palmen heranziehenden Märtyrer ein, einzugehen in das himmlische Reich.
Auch in der deutschen Kunst hat das Motiv des Seelenführers Eingang gefunden, der die Abgeschiedenen gegenüber den Machtansprüchen des Satans verteidigt und sie hinführt zur Seligkeit der Auserwählten. (Nach der germanischen Göttermytologie empfängt der Gott Wotan die Verstorbenen im eigenen Palast.) Darum finden wir ihn als Paradieswächter und als Seelenführer in der Kleidung eines Kriegers auf dem Bild des Jüngsten Gerichts zu Burgfelden. Der Gedanke der Seelenführung zur ewigen Seligkeit kommt auch in der Leuchtersymbolik zum Ausdruck: auf vielen alten Kronleuchtern schwebt der Erzengel über einem oder einer Mehrzahl von Türmchen eines Mauerkranzes, der die Gottesstadt versinnbildlichen soll. Auch wurden Friedhöfe und Friedhofskapellen dem Seelenführer Michael geweiht, so der Elendsfriedhof in Köln und der Michaelsfriedhof zu Straßburg.
Aus germanischer Auffassung heraus ist dann das Motiv des Drachenbezwingers in das Michaelsbild eingedrungen und schließlich vorherrschend geworden. Dem kriegerischen Sinn der Germanen musste insbesondere die Gestalt des Drachentöters zusagen, in der sie Eigenschaften ihrer germanischen Götterwelt verkörpert fanden. Da „Michael“ im Altdeutschen so viel wie „groß“ bedeutet, wurde der Name des Erzengels für sie von großer Anziehungskraft. Dieser Streiter, der, obwohl nun Heerführer eines noch größeren und stärkeren Himmelsherrn, die finsteren Mächte in den Abgrund zu stoßen vermocht hatte, musste ihnen noch mächtiger als ihre eigenen Götter erscheinen, die im letzten Kampf gegen Midgardschlange und Fenriswolf zwar bestehen, aber schließlich untergehen würden, wie ja auch der Drachenbezwinger Siegfried schließlich selbst erlegen ist. So wird es begreiflich, dass die Germanen den himmlischen Drachentöter, in dem sie die beiden hauptsächlichsten germanischen Tugenden der Tapferkeit und der Treue in so vollendeter Weise verkörpert sahen, zu ihrem Bannerträger erhoben. Schon seit der karolingisch-ottonischen Zeit wird der Erzengel Michael als Bezwinger des höllischen Drachens wiedergegeben. Eine der frühesten deutschen Darstellungen des Drachentöters findet sich in dem Evangeliar des hl. Ulrich von Augsburg (890-973). Mehr und mehr wird der Erzengel in ritterlicher Tracht, die aus der byzantinischen Kunst hervorgegangen ist, wiedergegeben, mit Kettenhemd, Panzer, Beinschienen und Schwert.
Dieses Motiv des Drachenbezwingers fand auch in Italien Eingang und findet sich zum ersten Mal in dem berühmten Michaelsheiligtum der Apenninenhalbinsel auf dem Berg Gargano, zu dem auch die deutschen Kaiser nach ihrer Krönung in Rom wallfahrteten. Während 23 Platten des Bronzeportals dieser Michaelskirche die Erscheinungen und Taten des Erzengels versinnbildlichen, ist in der vierundzwanzigsten eine Inschrift eingegraben, die den Eintretenden bittet, bei dem Erzengel Fürbitte für die Seele des Stifters zu tun. Allerdings ist hier Michael noch nicht als Krieger dargestellt, sondern im langen Gewand, mit dem Kreuzstab in der Hand. Diese Darstellungsweise ist dann von der italienischen Kunst übernommen und weiter ausgebildet worden. Im Anfang des 13. Jahrhunderts hat der Florentiner Maler Giovanni Cimabue auf zwei Fresken den Erzengel zum ersten Mal in völliger Ritterausstattung wiedergegeben.
Die Darstellung des Erzengels als Drachentöter ist das typische Michaelsbild bis in unsere Tage geblieben, das wir in jeder Kunstepoche, in jeder alten Kirche, in jedem Museum finden. Auf den vielen Darstellungen der deutschen Kunst finden wir den Erzengel bald im offenen Kampf (so in der Andreaskirche zu Köln), bald in stillem Triumph (so in der Severinkirche zu Erfurt) wiedergegeben. Unter den deutschen Künstlern hat Albrecht Dürer auf einem Bild seiner „Apokalypse“ den Kampf des tapferen Gottesstreiters in einzigartiger Weise einzufangen gewusst: Hoch über einer friedlichen deutschen Dorflandschaft vollzieht sich in den Wolken ein notvolles Ringen mit dem Widersacher, das selbst dem Erzengel Falten der Sorge und der Anstrengung in die Stirn gräbt.
Warum stehen auf den Bergen Michaelskirchen?
In Deutschland, Frankreich und anderen Ländern sind die Kirchen und Kapellen auf Bergen und Hügeln besonders dem hl. Michael geweiht, z. B. der Michaelsberg in Bamberg, der Michaelsberg bei Fulda, der Mont St. Michel an der französischen Küste, das Michaelsheiligtum auf dem Monte Gargano in den Apenninen. Vorherrschend war dafür der Gedanke, dass die steilen Bergspitzen dem Himmel am nächsten erscheinen, und die Beziehung auf die Worte des Propheten Nahum: „Auf den Bergen kommen Füße eines guten Boten“. Der angrenzende Abgrund erinnert an den Sieg des Erzengels über den Teufel, den er in den Abgrund stürzte. Dieser himmlische Held wurde auch deshalb auf die Höhen gestellt, damit seine Verehrung die Christenheit schütze gegen die Angriffe der Mächte der Finsternis, welche die Luft erfüllen, wie der Apostel sagt.
Das so häufige Vorkommen der Michaelskirchen auf den Höhen in Deutschland ist auch dadurch zu erklären, dass vom heiligen Bonifatius und den anderen Glaubensboten die Stätten eines alten heidnischen Kultes oft in christliche Kirchen verwandelt wurden. In der germanischen Mythologie galt der Berg als der einem Gott geweihte Ort, in seinem Innern war nach dem Aberglauben des Volkes ein Schatz verborgen (das Wort „bergen“ stammt ja von Berg!), zu dem eine Wunderblume den Weg bahnte, und auf der Spitze des Berges war gewöhnlich eine der heidnischen Gottheit geweihte Kultstätte. Da nach der christlichen Lehre das Heidentum eine Folge der Sünde und ein Werk des Teufels ist, lag es nahe, dass die christlichen Glaubensboten gerade an den altverehrten heidnischen Opferstätten Kirchen zu Ehren des Erzengels Michael erbauten, der zuerst den Sieg über den Teufel errungen hat.
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13. Mittagsläuten
Über 550 Jahre Mittagsläuten
Ein Gedenken der Bedrohung und der Hilfe
Täglich erklingen die Glocken zur Mittagszeit überall in der ganzen Welt, wo Christen leben und sich Kirchtürme zum Himmel erheben. Täglich rufen die Stimmen der Glocken zum Beten, um der Menschwerdung des Gottessohnes zu gedenken und die allerseligste Jungfrau zu verehren. Zwar folgen Millionen von Menschen mit heiliger Andacht dem Ruf des Mittags-Angelus-Läutens, es sind aber wahrscheinlich nur wenige, die dessen Bedeutung oder historischen Ursprung verstehen.
Allen jenen, die dem Klang der Glocken Gehör leisten und nachdenken, wird eine Zeitepoche vor ca. 550 Jahren vergegenwärtigt, eine Zeit des gottsuchenden Mittelalters, da sich schicksalsentscheidende Kämpfe für das Bestehen des christlichen Abendlandes, für die Herrschaft des Kreuzes gegenüber der des Halbmondes zugetragen haben. Die Frage war: soll das Kreuz oder der Halbmond Europa beherrschen?
In dieser geschichtlichen Stunde hat sich das Volk Ungarns, des „Regnum Marianum“, für die Idee des Kreuzes eingesetzt, Blut und Leben reichlich auf dem Altar des Glaubens und des Vaterlandes dargebracht. Es sah seine Mission darin, gegen die vordringende heidnische Macht des Islam die Vormauer Europas zu sein.
Die Gefahr aber schien viel größer zu sein, als dass die ungarische Nation sie allein abwenden konnte. Darum forderte Papst Kallistus III. schon im Jahr 1455 die ganze christliche Welt zur Hilfeleistung auf und ließ nachher auch seine rufende Stimme im Interesse des gefährdeten Europas hören. Aber seine Legaten stießen meistens auf Gleichgültigkeit oder wenig Verständnis. Bald musste er einsehen, dass von den irdischen Fürsten und Mächten nicht viel zu erwarten war. Denn die damaligen internationalen Besprechungen „auf höchster Ebene“ in Regensburg (im Frühling 1454), in Frankfurt (im Herbst 1454) und in Wienerneustadt (im Frühling 1455) scheiterten wegen der Gleichgültigkeit der europäischen Fürsten, von denen Aeneas Sylvius, der große Schriftsteller dieser Zeit und spätere Pius II., in einem an den hl. Johannes von Capistrano gerichteten Brief folgendes Bild gab: Mit drei Bestien müsse Kapistran den Kampf aufnehmen, die jetzt die ganze Christenheit bedrohten: dem weichlichen Leben, dem Ehrgeiz und der Habsucht der Fürsten. Keiner wolle dem andern sich unterordnen, keiner ein Ungemach auf sich nehmen. Sie würden lieber das Gemeinwesen zugrunde gehen lassen, als bei schlechtem Wetter aus dem Haus gehen. Wenn sie den Untergang des Menschengeschlechtes dadurch verhindern könnten, dass sie nur einen Tag auf ihre Vergnügen verzichteten, sie würden es nicht tun . . . „Die ganze Christenheit könnte gekauft werden, wenn sich ein Käufer fände; alles gehorcht den Türken, wenn sie Geld geben.“
In dieser kritischen Lage nahm der Papst seine Zuflucht zu den überirdischen Gewalten und veröffentlichte am 29. Juni 1456 seine „Bulle der Gebete“, in der er das tägliche Mittagsläuten anordnete (Das Abendläuten zu Ehren der Muttergottes findet sich fast überall bereits im 14. Jahrhundert – 1327 für Rom von Papst Johannes vorgeschrieben. Das Morgenläuten entwickelte sich fast gleichzeitig, in Deutschland im 15. Jahrhundert, doch stand beides noch nicht in unmittelbarem Zusammenhang. Das Mittagsläuten kam am spätesten auf, vor allem aufgrund der im Artikel beschriebenen Ereignisse. Die heutige Form des „Angelus“ wurde, gefördert von den Päpsten, erst zu Beginn des 18. Jahrhunderts allgemein üblich.) Das Ziel der Bulle war, einen Kreuzzug des Gebetes zu organisieren, um anstatt der menschlichen Solidarität die Hilfe des Himmels zu erflehen und zu sichern.
In der Bulle schilderte Kallistus III. vor allem die große Gefahr, in der sich das christliche Abendland befand: „Der Tyrann der Türken (Mohammed II.) hat sich entschlossen . . . der christlichen Welt und dem Abendland ein Ende zu machen . . . und den heiligen Namen Christi von der Erde auszurotten.“
Gegen die der ganzen Christenheit drohende Gefahr gebe es kein anderes Mittel, betont der Papst, als sich an Gott zu wenden. Um die Menschen an die gefährdete Lage des Christentums zu erinnern und ihre Aufmerksamkeit auf das Gebet als Hilfsmittel zu lenken, sollten die Glocken jeden Tag um Mittagszeit geläutet und darauf drei Vaterunser und Ave Maria gebetet werden. Außer der Vorschrift des Mittagsläutens finden sich in der Bulle auch andere Anordnungen: Alle Priester, die die heilige Messe zelebrierten, wurden verpflichtet, die Oration gegen die Heiden zu nehmen. An jedem ersten Monatssonntag sollten allgemeine Prozessionen stattfinden, denen der ganze Klerus, die Ordensleute beiderlei Geschlechts und das Volk beizuwohnen hatten. Für alle Teilnehmer am großen Gebetskreuzzug erteilte der Papst reichliche Ablässe.
Die Bulle wurde in Rom am 29. Juni 1456 in feierlicher Weise veröffentlicht. Der Papst selber zelebrierte die heilige Messe in der Basilika des Apostelfürsten, und der Kardinal von Venedig las den Text der Bulle dem Volk vor. An diesem Tag erklang das Mittagsläuten in der Ewigen Stadt zum ersten Mal in der Geschichte. Bald darauf auch in den anderen Städten und Dörfern Italiens. Am ersten Julisonntag 1456 wurden feierliche Prozessionen gehalten. Und noch in demselben Monat (21./22. Juli) folgte der glorreiche Sieg der Ungarn über die Türken bei Nándorfehérvár (Nandoralba, Belgrad). Das Abendland atmete auf. Ungarn und damit ganz Europa war gerettet. An diesen Sieg erinnert uns das tägliche Mittagsläuten.
Obwohl Kallistus III. die Bulle in allen Ländern veröffentlichen ließ, kam die Gewohnheit des Mittagsläutens später wahrscheinlich doch vielerorts außer Übung, so auch in Rom selber. Deswegen erneuerte Alexander VI. den von Kallistus III. eingeführten Brauch des Mittagsläutens und schrieb ihn im Jahr 1500 für die ganze Kirche wieder vor, so wie er „in der Zeit Kallistus` III. angeordnet wurde.“ Der Papst betonte, dass „das Mittagsläuten in der Folge an jedem Tag des Jahres bis zu ewigen Zeiten gehalten werden müsse“.
Seither hat sich die Praxis des Mittagsläutens überall verbreitet. Große Verdienste haben diesbezüglich der heilige Ignatius von Loyola in Spanien, der heilige Petrus Canisius in Böhmen, der heilige Karl Borromäus in Italien. In den deutschen Landen erinnerte an die päpstliche Vorschrift wieder nachdrücklich der Wiener Bischof Friedrich Nausea in seinem Katechismus vom Jahr 1543. Zur Verbreitung des Mittagsläutens trugen auch Kaiser Ferdinand I. und sein Sohn Erzherzog Ferdinand viel bei. Die Reichstage Deutschlands betonen im 16. Jahrhundert (1542, 1556, 1594, 1598) wiederholt das Mittagsläuten im Geist der „Bulla Orationum“.
Gegen Ende des 16. Jahrhunderts sehen wir das Mittagsläuten so sehr verbreitet, dass es als allgemeine Praxis der Kirche betrachtet werden kann. Als die Türken aus Mitteleuropa langsam verdrängt wurden, änderte sich auch das Ziel des Mittagsläutens und damit der Text des Gebetes. Schon 1543 verknüpfte der Kölner Katechismus die zwei Ideen: das Gebet gegen die Türken und die Marienverehrung. Es war also eine natürliche Entwicklung, dass aus dem Glockenläuten gegen die Türken das Angelus-Läuten geworden ist. Diese Behauptung bestätigt auch die Gebetsform des „Angelus Domini“, die unter dem heiligen Papst Pius V. (+ 1572) als vollendet vorkommt und täglich dreimal rezitiert wurde.
Heute, unter gleichen Umständen wie vor ca. 550 Jahren, da die moderne Gottlosigkeit die ganze christliche Welt zu verschütten versucht, fordern von uns Not und Einsicht, zur alten und gut bewährten Idee der „Bulle der Gebete“ zurückzukehren. Es wäre also sehr zu wünschen, dass alle Christgläubigen der ganzen Welt heutzutage auf den Klang der Glocken zur Mittagszeit für ihre versklavten Brüder und Schwestern, die leidende und unterdrückte Kirche und für den Sieg der Christenheit gegen die Feinde Gottes beteten und gleichzeitig die der ganzen christlichen Welt drohende Gefahr ins Auge fassten. In diesem Sinn sollte das Angelusläuten von neuem ein Signal der Gefahr und eine Ermahnung zum Beten und zur Buße sein: „zum Herrn zurückzukehren, damit er sich wieder zu uns wende“.
Dr. Ludwig Vecsey, in „Maria Einsiedeln“ 1956/6
Das Ave Maria der Glocken
Als das Morgen- und Abendläuten immer mehr zu einem hellen, weittönenden Klang zu Ehren der Gottesmutter wurde, weihte man auch immer mehr Glocken auf den Namen Mariens. Der „schönste Kirchturm der Welt“, der Turm des Freiburger Münsters, birgt eine der ältesten Marienglocken, die fast 100 Zentner schwere „Hosanna“. Sie trägt die Inschrift:
+ Im Jahr des Herrn 1258, den 18. Juli ist die Glocke gegossen worden.
+ O König der Herrlichkeit, bringe Frieden.
+ Schallt mein Geläute, so hilf dem Volke, gütige Maria.
Hallgarten im Rheingau hat zwei zwischen 1366 und 1379 gegossene Glocken mit den Inschriften:
„Maria heißen ich – Den Bürgern von Hallgarten bin ich.“
„Maria Glock heiß ich – zu der Ehr Gottes läut ich.“
Eine Glocke von St. Cäcilia zu Köln (1483) trägt die Inschrift:
„Gabriel heiß ich, Marien Lob verkündige ich.“
Vom Jahr 1419 an meldete eine Glocke im Fraumünster zu Zürich:
„O Maria, Mutter, Gottes Zell /
Hab in deiner Hut, was ich überschell.“
Zu Hildesheim bat seit 1503 im Stift zu St. Johann eine Glocke:
„Heilige Maria, rufe das Volk mit deinem melodischen Ton, /
Damit lobst Du Christus, Dich, den Vorläufer und Brautführer.“
In feiner lateinischer Form sagt die große Glocke zu Dortrecht:
„Warum vertraust du nicht, der du mich siehst und von meinem süßen Ton angelockt wirst? Wenn du vertraust in fester Hoffnung, wirst du durch Marias Hilfe glücklich befreit.“
Auf den Zweck ihres Geläutes, besonders auf die tägliche Mahnung, zu Maria zu beten, weist eine Glocke in St. Jakob zu Aachen hin:
„+ Im Jahr des Herrn 1401 am 1. Tage des Monats September bin ich, Jacoba (gegossen). Ich melde die Feste und gebe das Zeichen zum Begräbnis, und täglich (mahne ich), dass man bete zu Maria.“
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14. Mühlen Gottes mahlen
Gottes Mühlen mahlen . . .
von Pater Peter Giacomini SDB, Buenos Aires
in „Rosenkranz“, März 1956
Wenn die menschliche Schlechtigkeit alle Maße überschreitet, lässt der immer barmherzige Gott die Frevler wohl auch seinen gerechten Zorn fühlen. So lehrt uns die Geschichte. So scheint es auch unter uns geschehen zu sein, in einem Buenos Aires, das in der Nacht des 16. Juni 1955 von den düsteren, schwelenden Fackeln der brennenden Tempel und Pfarrhäuser und des auflohenden Kirchenhasses erleuchtet war.
Wir wollen einige Einzelheiten festhalten, die die Bewohner am meisten beeindruckten.
Spötter von Kugeln durchlöchert
Bezahlte Verbrechergruppen drangen unter den Augen der Polizei, die nicht einschreiten durfte, am 16. Juni 1955, nach der beendigten Revolution in die erzbischöfliche Kurie ein, warfen Papstbüsten, Bilder, Möbel und wessen sie habhaft wurden, auf die Straße, sprengten die Eisenschränke und beraubten sie. Dann übergossen sie alles vom Fußboden bis zur Decke mit Benzin und zündeten mit Feuerwerfern das Gebäude an. Im Nu stand die Kurie in hellen Flammen. Maschinen schmolzen, der Verputz sprang von den Mauern, Decken stürzten ein. Eine sehr wertvolle Bibliothek von 60.000 Bänden, unersetzliche Dokumente und Originale aus der Zeit der Kolonie (Virreinato), die Argentinien, Uruguay, Paraguay, Chile, Perú und Bolivien betrafen, ging in Rauch auf und wirbelten in schwarzen Fetzen weit über die Häuser und den Maiplatz hin. Es blieben nur die ausgebrannten Mauern übrig.
Alle persönlichen Einrichtungen und Kleidungsstücke des Kardinals und der Generalvikare wurden ein Raub der Flammen mit einer kleinen Ausnahme. Und hier zeigt sich der Finger Gottes in erschreckender Weise. Einer der verbrecherischen Brandstifter warf sich, ehe das Gebäude in Brand gesteckt wurde, in die Kleider des Generalvikars und stelzte, sakrilegischen Segen spendend, durch das Gebäude, über die Straße und auf den Platz. Im Durcheinander der Feuersbrunst, den Wolkenschwaden und der Dunkelheit nahmen ihn einige seiner Helfershelfer wirklich für Generalvikar Tato, der sich anschickte, in seinen Gewändern zu fliehen, legten auf ihn an und durchlöcherten ihn wie ein Sieb. Er stürzte tot zu Boden und mischte sein Blut ins Violett der bischöflichen Gewänder. Er hatte sich selbst in die strafenden Arme Gottes geworfen.
Erhängter „Pfaff“
Nach den Kirchenbränden fuhr ein Lastwagen mit geraubten Sachen der Tempel und Pfarrhäuser durch die Stadt. Die Besatzung, trunken durch den Triumph, den sie über die „Pfaffen“ davongetragen hatte, wollte den Sieg auf ihre Weise feiern und in die Zukunft weisen: „So wird es allen Pfaffen gehen.“
Man richtete auf dem Lastwagen einen provisorischen Galgen auf, wozu man sich des Krans bediente, womit der Lastwagen ausgerüstet war. Einer der Frevler, mit dem Priestertalar angetan, stellte sich auf eine Kiste und ließ sich eine Schlinge um den Hals legen. Man feierte mit Lachsalven den gehenkten „Pfaffen“.
Plötzlich musste der Lastwagen eine scharfe Kurve fahren, um einen Zusammenstoß mit einem entgegenkommenden Fahrzeug zu vermeiden. Der Lastwagen stieß gegen einen Baum; die Mitfahrer flogen herunter und retteten sich irgendwie. Nur einer nicht. Der Frevler im Priestergewand verfing sich ruckartig in der Schlinge und erhängte sich durch die Hebevorrichtung, da der Kasten unter ihm hinweg geflogen war. Alle Anstrengungen der übrigen Mitfahrer, den Spottgenossen lebend aus der Schlinge zu befreien, waren umsonst. Er war erstickt an seinem Frevel.
„Mit diesen Händen“
Am 23. August 1955 fuhr in Ciudadela, in der Nähe von Buenos Aires, ein vollgepfropfter Personenzug in einen anderen stehenden Personenzug hinein. Verschiedene Wagen wurden gewaltsam ineinander geschoben. 15 Tote und 47 zum Teil sehr schwer Verwundete waren das traurige Resultat. In ein Spital wird ein junger Mann eingeliefert, dessen Hände und Arme zerschmettert sind und der langsam verblutet. Er schreit nach einem Priester, die durch das Regime Peróns vor wenigen Monaten aus den Hospitälern verbannt worden waren. Man erreichte trotzdem einen Priester. Als er ankam, stöhnte der Verwundete: „Ich muss es allen öffentlich bekennen: Ich empfange eine Strafe, die ich verdient habe. Mit diesen selben Händen habe ich gegen die Statuen der Kirche gewütet und habe ihnen Hände und Arme abgeschlagen.“ Nun hatte ihn Gott an derselben Stelle gestraft. Seine Reue wird ihm die Verzeihung Gottes gebracht haben.
Blind, um das Kreuz nicht zu sehen
Es war etliche Monate vor dem Sturz Peróns. Eine der fanatischen Anhängerinnen des gestürzten Regimes liegt in einem Spital von Buenos Aires und wartete auf die Niederkunft. Da die Kirchenverfolgung wütet, glaubt sie, sich hervortun zu müssen. Voll Hass sieht sie das Kruzifix an der Wand des Zimmers an, ruft die Krankenwärterin und bedeutet ihr mit nicht wiederzugebenden Worten, dieses schändliche Symbol zu entfernen. Umsonst bemüht sich die Krankenwärterin, es ihr auszureden, es sei eine uralte Gewohnheit in der Klinik, das Kruzifix in den Zimmern zu haben und dass sie, die Frau, einen Gott nicht zu fürchten brauche, der für uns gestorben sei.
Die Leidenschaft reißt die arme Frau soweit fort, auszurufen: „Ich will nicht, dass mein Kind, wenn es zum ersten Mal die Augen öffnet, das Kruzifix sieht. Schaffen Sie es weg!“
Als die Frau glücklich entbunden hatte, sagte ihr der Arzt langsam und betont: „Haben Sie keine Furcht, dass Ihr Söhnchen das Kruzifix sieht; es wird es nie sehen, denn es ist blind geboren!“
Die Geschichte der 400
Der Ex-Präsident Perón hatte sich eine Leibwache zugelegt, Prätorianer, die zu allen Schandtaten und Morden zugunsten des Regimes bereit waren. Sie ging unter dem Namen „Alianza Libertadora Nacionalista“. Die weitverzweigten, gut organisierten und modern bewaffneten Gangster mit höchstem Patent und zugesicherter Straflosigkeit, welche treue Polizisten und freiheitliche Taxichauffeure umlegten, die die Kirchenbrände inszenierten und durchführten, waren es auch, die am 12. Juni vor die Kathedrale zogen und Mitglieder der Katholischen Aktion provozierten. Am 20. September, gegen Ende der 2. Revolution, waren etwa 400 und mehr „Alianzisten“ in ihrer Zentrale mitten im Zentrum von Buenos Aires versammelt. Sie hatten sich verschanzt und wollten ihre Waffen nicht abliefern. Der Kommandant stellte ihnen ein Ultimatum. Als es abgelaufen war, begannen die Alianzisten sich mit allen Waffen (und sie verfügten über die modernsten) zu verteidigen, mordeten einen Leutnant und warfen ihn tot auf die Straße. Das Heer eröffnete das Feuer, die Shermantanks fuhren auf; es war 20 Uhr, am 20. September. Die ganze Stadt fuhr erschreckt aus dem Schlaf. Bald stand das Haus in Flammen. Als das Feuer an die Munitionslager, die sich im Haus befanden, kam, flog alles in die Luft. Nach drei Stunden war der Kampf zu Ende. Die meisten waren verbrannt oder durch die Explosion in Stücke gerissen. Nur wenige retteten sich und wurden ins Gefängnis eingeliefert. Sie hatten 400 Mitglieder der Katholischen Aktion in der Kathedrale eingesperrt und belagert, sie hatten die Kirchen verbrannt. Nun verbrannten buchstäblich fast 400 derselben Männer in ihrer eigenen belagerten Zentrale.
Möge Gott ihnen ein gnädiger Richter sein!
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15. Meinung
Die gute Meinung
„Diesen Morgen“ – so schrieb Alban Stolz am 2. August 1870 in sein Tagebuch – „wachte ich auf mit dem Gedanken: Denen, die Gott lieben, müssen alle Dinge zum Besten gereichen. Es lag der Gedanke schon vorher in der Seele, und als sie das Auge des Bewusstseins öffnete, sah sie sich von dem Gedanken umstrahlt, wie eine Berghöhe vom Morgenlicht der aufgehenden Sonne. Es war mir dieses Wort gleichsam eine goldene Überschrift am Eingangstor der großen Zeit, welche jetzt für Millionen beginnt. Es liegt für gute Christen ein unendlicher Trost mitten in allen Bedrängnissen darin, und für laue eine Aufforderung, einmal Gott recht zu lieben, dann hätten wir uns vor nichts zu fürchten, was kommen mag.“
Gott lieben, das ist auch das rechte Wort am Beginn eines neuen Jahres; ihn lieben für alles, was wir ihn im verflossenen Jahr beleidigt haben und alles tun zu seiner Ehre, nicht um irdischen Lohn, um Menschengunst und Menschenlob. Zu Menschenehre vollbracht, ist das Größte erbärmlich klein in den Augen Gottes; zu Gottes Ehre getan, ist auch das, was klein und armselig ist vor der Welt, groß und von unendlichem Wert in den Augen Gottes. Gottes Maß ist nicht der Menschen Maß; seine Wege sind nicht unsere Wege: Er sieht nicht auf äußeren Glanz und Prunk, nicht auf Erfolg und Sieg – er sieht allein auf das Herz.
Das geringste, unscheinbarste Werk des Taglöhners, verrichtet zur Ehre Gottes; das kleinste Almosen, dem Notleidenden aus Liebe zu Gott gereicht, ein leichtes Leiden, um Gottes Willen mit Geduld ertragen, sie haben, wenn sie im Stand der heiligmachenden Gnade geschehen, einen unvergänglichen Wert und sind himmlischen Lohnes würdig. Die ruhmvollsten Taten großer Eroberer und Staatsmänner, deren Name in der Weltgeschichte unsterblich geworden ist, deren Andenken Denkmäler aus Stein und Erz bewahren, haben dagegen vor Gottes Richterstuhl keinen Wert und empfangen in der Ewigkeit keinen Lohn, wenn sie nicht aus einer übernatürlichen, gottgefälligen Absicht, sondern aus irdischen Beweggründen entsprungen sind. Die Menschen bleiben immer Kinder, auch wenn sie groß werden und alt; der glänzende Schein zieht sie an, die prunkende Außenseite besticht sie. Gott aber forscht immer nach wahrem Wert und der findet sich bloß da, wo etwas geschieht für Gott, um Gottes willen.
Wir sind ja bloß Gottes wegen auf der Welt. Wer das vergisst, geht irre. Ihn erkennen und lieben, ihm gehorchen und dienen, ist unsere Bestimmung auf Erden und der Weg, der zum Himmel führt, unserem letzten Ziel. All unsere Kräfte und Vermögen müssen wir für Gott gebrauchen. Demnach ist es notwendig, dass wir bei unserm Tun und Lassen, bei Leiden und Mühseligkeiten unsere Absicht auf ihn richten und nichts, es sei groß oder klein, aus bloß natürlicher Absicht verrichten.
„Ihr möget essen oder trinken, oder sonst etwas tun“, sagt der heilige Apostel Paulus, „tut alles zur Ehre Gottes“, d.h. in Hunger und Durst sollen wir von Gott gewollte Bedürfnisse unserer vergänglichen Natur sehen. Wir sollen sie befriedigen, weil Gott will, dass wir täglich durch Aufnahme von Nahrung, von Speise und Trank, uns in Kraft und Gesundheit erhalten und in den Stand setzen, ihm zu dienen. Der Mensch soll im Essen und Trinken nicht bloß eine angenehme Beschäftigung sehen, sondern die von Gott bestimmte Ordnung, welche er zu seiner Ehre erfüllt.
Wie viele Christen gibt es, die bloß mehr Sinn und Verstand für diese Welt haben, bloß darauf bedacht sind, ihre täglichen Arbeiten und Geschäfte zu verrichten, ihr Vermögen zu mehren, Verluste zu vermeiden und sich die „verdienten“ Vergnügungen zu gestatten. Der Gedanke an Gott wird ihnen fremd und dass man alles nur zur Ehre Gottes tun solle, fällt ihnen nicht ein. Irdischer Erfolg ist es, was sie erstreben und was sie befriedigt. Einen höheren Flug kennt ihre Seele nicht mehr. Wie leer werden ihre Hände nicht sein, wenn sie am Erntetag ihre Garben vorweisen sollen? Was nützt das Gold, das sie gesammelt haben, in einem Land, wo man es mit Füßen tritt?
Mein lieber Christ, frage dich, wie sehe ich mein Leben an? Krieche ich wie der Wurm im Staub, während ich mich aufschwingen soll zum Sonnenlicht zu Gottes Ehr und Preis? Du bist zu Höherem geboren. Dein Tun und Schaffen darf sein Ziel nicht sehen in der Zeit und Schöpfung; deine Absicht muss vordringen bis zum Thron Gottes, erst da darf sie stehen bleiben zu seiner Huldigung und Ehre.
Ein nunmehr schon lange im kühlen Erdenschoss ruhender Dichter hat das schöne Wort geschrieben:
Und ob ich wie die Sonne glüh´,
Ob ich ein bleicher Nebelschein,
Ob ich wie Schiras Rose blüh´,
Ob ich ein arm Waldblümelein;
Ob ich als Zeder rag´ empor,
Ob ich mich bück´ als nied´res Rohr;
Und ob ich rausch´ wie Davids Psalm,
Ob leis ich flüst`re, wie ein Halm;
Ob ich ein Strom mit stolzem Strand,
Ob ich mich müh´ durch heißen Sand,
´s ist alles gleich nach Gottes Sinn,
Und nichts ist groß und nichts ist klein,
Wenn ich nur das, was ich soll sein,
Auch recht im Geiste Gottes bin.
Es kommt vor Gott nicht darauf an, was einer ist, sondern wie er es ist, nicht was einer tut, sondern wie und warum er es tut. Dein gewöhnlichstes Tagwerk, lieber Christ, wird gehoben und geadelt durch die gute Meinung. Darum unterlasse es nie, beim Morgengebet nach alter Sitte die gute Meinung zu erwecken und den anbrechenden Tag mit all seinen Gedanken, Worten und Werken, seinen Arbeiten und Mühen, Leiden und Beschwerden Gott darzubringen mit dem rechten Willen, sie im treuen Dienst Gottes zu seiner Ehre und zu seiner Verherrlichung zu verrichten und zu tragen. Sehr gut ist es, öfters in des Tages Hitze die gute Meinung zu erneuern, besonders wenn die Arbeit wächst oder eine Bürde schwerer drückt. Es bedarf dazu nicht vieler Worte: „In Gottes Namen!“ „Alles meinem Gott zu Ehren“ und ähnliche kurze Ausdrücke genügen. Nur das Herz muss dabei sein. So gewinnt jede Sekunde, so rasch sie auch enteilt, einen unendlichen Wert, unser ganzes Leben wächst von selbst hinein in Gott und die Ewigkeit, die Sünde flieht, die Tugend keimt und blüht und treibt ihre Frucht. Jeder unserer Tage füllt seine Seite aus im goldenen Buch des Lebens und wenn einst der Todesengel kommt und uns hinüberruft ins Land der Geister, so harrt unser ein Thron beim Thron Gottes und alles, was wir zu seiner Ehre getan und gelitten haben, wird uns mit millionenfachen Zinsen heimgezahlt werden durch alle Ewigkeit.
Dann los, die gute Meinung ist der Schlüssel, vor dem die ehernen Tore der Himmelsburg sich auftun, greif zu und benütze ihn!
Alles meinem Gott zu Ehren!
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16. Marienverehrung
Jeder wahre Katholik ehrt auch die Mutter des Erlösers. Er betet sie nicht an, wie die Feinde der katholischen Kirche den Leuten vormachen, sondern er erweist ihr nur Ehrenbezeigungen und ruft sie um ihre Fürbitte an. Und verdient sie dies etwa nicht? Wenn Gott selbst Maria dafür auserwählte, dass sie die Mutter der menschlichen Natur in Jesus Christus, dem ewigen Gottessohn werde, dürfte dann der katholische Christ an Maria mit Gleichgültigkeit vorübergehen oder ihr gar verächtlich begegnen? „Von denen, die der Mutter Gottes nicht die Ehre geben, will ich nichts wissen“, pflegte der berühmte Prediger Dr. Johann Emanuel Veith zu sagen. Gottliebende Seelen haben jederzeit auch Maria geliebt, sie besungen und gepriesen.
„Taubenfromme, lilienklare,
Unbefleckte, wunderbare
Jungfrau, die nach ew`ger Wahl
Gott, der Schöpfer aller Wesen,
Sich zur Mutter auserlesen,
Sei gegrüßt vieltausendmal!“
singt ein begeisterter Verehrer Mariens und in seinem lieblichen Büchlein „Am tiefen Weg“ spricht der heimgegangene Heinrich Opitz den Wunsch aus:
„Ich wünscht, ich wär ein Sonnenstrahl,
So golden, zart und fein!
Wohl täglich schlüpft ich tausendmal
Zum Kirchlein hier hinein.
Ich taucht dein Bild in gold`ne Pracht,
In blendende Strahlenzier;
Ich wünschte abends gute Nacht,
Wär morgens wieder bei dir.
Und wär ich tags ein Sonnenstrahl,
Nachts möchte ich sein ein Stern:
Ich schaut auf dich vieltausendmal
Aus dunkler Himmelsfern.
Ich hielte nachts bei dir die Wacht
Mit meinem milden Schein,
Als ewiges Lichtlein schlich ich sacht
Am liebsten mich hier ein.
Hat es dem Sänger die Schönheit Mariens angetan? Ohne Zweifel! Jene Schönheit, von der selbst die Heilige Schrift sagt: „Ganz schön bist du, meine Freundin, und keine Makel ist an dir.“ (Hohelied 4,7) – „Wo die Madonna weilt, da weilt auch die Schönheit!“ ließ sich Th. Fontane angesichts der Werke Fiesoles und Mantegnas vernehmen und E. v. Handel-Mazzetti hat die Worte für die Jungfrau: „So schön als sie ist, kann kein Mensch Maria malen, ob er ein Taferlmaler ist oder der hl. Lukas selber.“
Und wer brauchte im Leben nicht die Fürbitte Mariens in mancher Angelegenheit! Die Bitte:
„Maria, breit den Mantel aus,
Mach uns ein schirmend Dach daraus
Und lass uns all darunter knien,
Bis dass die Wetter vorüberziehn!“
ist gewiss aus notbedrängtem Herzen emporgestiegen. Bleibt doch kein Vertrauen zu Maria unbelohnt und einen guten Teil hat der erwählt, der mit Eichendorff bittet:
„Wenn die Menschen mich verlassen
In der letzten stillen Stund,
Lass mich fest das Kreuz umfassen.
Aus dem dunklen Erdengrund
Leite liebreich mich hinaus,
Mutter, in des Vaters Haus!“
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17. Marionetten kommt von Maria
Marionetten haben das Herz von Königen und Königinnen, von arm und reich, von Weisen und Narren entzückt. Marionettenbühnen gab es an Straßenecken und in Palästen, in Theatern, Kirchen, Städten und Dörfern. Fast scheint es, als ob sie bereits seit Beginn der Welt existieren.
Im Mittelalter wurden Marionetten nicht zur Unterhaltung, sondern nur bei religiösen Zeremonien verwendet. Wir haben Gründe zu der Annahme, dass sie wie das Theater überhaupt zuerst in Kirchen auftauchten. Der Name Marionetten kommt von kleinen Muttergottesstatuen. Einige der Figuren waren wunderhübsch, und die Leute verglichen sie mit den kleinen Muttergottesfiguren in ihren Häusern. Allmählich wurde dieser Name, der wörtlich ja nichts anderes als „kleine Marien“ bedeutet, auf die Spielpuppen allgemein angewendet.
Doch gab es diese Spielfiguren lange vorher schon. Es ist möglich, dass die ersten in China aufkamen. Wir wissen jedenfalls, dass sie schon im alten Ägypten, in Rom und in Griechenland verwendet wurden. Das Sanskrit-Wort „sutrad hara“ für Theaterunternehmer bedeutet wörtlich „Fadenhalter“.
Puppen sind so alt wie die Menschen. Wahrscheinlich waren die ersten Marionetten Puppen, denen phantasievolle Väter bewegliche Glieder anfügten, um ihre Kinder damit zu belustigen. Puppen aus Terracotta mit beweglichen Armen und Beinen fand man jedenfalls in alten Gräbern überall in der Welt.
Einige Sachverständige nehmen an, die ersten Marionetten seien Götzenbilder gewesen, denn schon vor Tausenden von Jahren verfertigten kluge Mechaniker Figuren, die sich wie durch ein Wunder bewegten. Solche Götterstatuen konnten die Arme heben und senken, den Kopf bewegen und sogar die Augen öffnen und schließen.
Bewegliche Götterbilder in der einen oder anderen Form kannte man in vielen Ländern. Die klugen Chinesen verwendeten Quecksilber, um die Bewegungen damit zu erzielen. Bei anderen Völkern verwendete man zu diesem Zweck eine Waage, ein Uhrwerk, die Ausdehnung von Metall durch Hitze oder auch Fäden und Drähte. Die Konstruktion war oft so gut und die Ausführenden so geschickt, dass man die Bewegungen einem Wunder zuschrieb. Eine Beschreibung, die uns erhalten ist, schildert eine kleine Götterstatue auf einem Altar. Auf diesem Altar, der einen kleinen Wasserbehälter enthielt, wurde Feuer angezündet. Wenn das Wasser heiß genug war, wurde der Dampf durch eine enge Röhre geleitet, die mit einem Gefäß in der Hand des Götzen verbunden war. Die Gewalt des Dampfes hob das Gefäß und bewirkte so ein „wunderbares“ Brandopfer.
Ursprünglich waren die Puppen also nach Götzenbildern angefertigt, aber bald wurden sie für weltliche Spiele verwendet, die außerordentlich beliebt waren. Zunächst spielte man Legenden. Als sich aber das Spiel mehr und mehr verbesserte und größere Beliebtheit erlangte, parodierte man Tagesereignisse und lebende Personen, gewöhnlich den König und die Königin, die verhassten Steuereinnehmer u.a., mit ihnen.
So rasch wie die Puppenspiele sich die Städte eroberten, wurden sie zur Lieblingsunterhaltung aller Stände. Sie wurden ein Ausdruck der Stimme des Volkes, indem sie Missbräuche geißelten und Nachrichten verbreiteten.
Aber die Puppenspieler gaben sich nicht damit zufrieden, an einem Platz zu bleiben. Man kennt Anfänge des Wanderpuppenspiels in Java, Birma, Frankreich, Spanien, Deutschland, England, in der Türkei, in Japan, Persien und Indien. Die Sprache war kein Hindernis. Das Spiel wirkte durch seine Bewegungen und seinen Inhalt so vertraut, dass schon die bloßen Gesten verstanden wurden.
Wie die Marionetten in Tempeln entstanden, so wurden sie auch in Kirchen wiedergeboren. Heinrich Maundrell, ein mittelalterlicher Pilger, der das heilige Grab in Jerusalem besuchte, erzählt von einer Sammlung mechanischer Figuren, mit denen man die Leidensgeschichte Unseres Herrn von der Verurteilung bis zur Kreuzesabnahme darstellte. So erstaunlich es erscheinen mag, Maundrell erzählt, dass selbst so schwierige Einzelheiten wie die Annagelung ans Kreuz von Puppen ausgeführt wurden.
Die Marionettenspieler mussten beim Zeigen ihrer Wunderwerke vorsichtig sein, da sie leicht Gefahr liefen, angeklagt zu werden, mit dem Teufel im Bunde zu stehen. Einige wurden tatsächlich wegen Zauberei und Geisterbeschwörung verbrannt. Allmählich aber wurden die Verbote und Einschränkungen gemildert, und die Marionettenspiele wurden mehr und mehr zu einem Unterhaltungsmittel für das Volk.
In einer Zeit, in der es noch keine Zeitungen, kein Radio oder Fernsehen zur Übermittlung von Neuigkeiten gab, erwiesen sie sich als ideales Mittel der Nachrichtenverbreitung. Wo lebende Schauspieler nicht wagten, sich über die Großen der Welt lustig zu machen, konnten die Puppen es ohne Furcht tun. Wer wollte schon eine Holzfigur ernstnehmen? So wagte man nicht, diese beliebte Volksunterhaltung zu verbieten. Nur während der französischen Revolution mussten die Puppentheater schließen. Die wenigen tapferen Unternehmer, die es trotzdem wagten, weiterzuspielen und zu kritisieren, wurden eingesperrt oder gezwungen, nur zugelassene Stücke zu spielen.
Inzwischen hatte in England das Kasperle, hier Punch genannt, immer größere Beliebtheit errungen. Ursprünglich war es der Polichinelle, die französische Kasperlfigur, die wahrscheinlich mit Wilhelm dem Eroberer nach England kam. Mit der Zeit aber nahm sie rein englischen Charakter an.
Die orientalischen Länder waren ihren eigenen Weg in der Entwicklung dieser Kunst gegangen. Sie verfertigten ihre Figuren aus seltenen Hölzern, poliertem Elfenbein und Edelsteinen. Ihre größten Dichter schrieben die Texte.
Die Puppenkisten des Orients enthalten viele merkwürdige Überraschungen. Der Hauptunterschied gegenüber unseren Marionetten aber besteht im Temperament und der allgemeinen Auffassung des Spiels. Die orientalischen Puppen sind sanft, scheu, liebenswürdig und stellen selten Streiche an. Im Westen dagegen haben die Puppen eine Neigung dazu, grotesk, satirisch, realistisch zu sein und schlimme Streiche zu spielen.
Alle Marionetten und Puppen sind zweifellos verwandt. Sie unterscheiden sich nur in den nationalen Charakterzügen. Was die Zahl und Verschiedenheit anbelangt, so steht Italien an der Spitze. Man findet in jeder Provinz Puppen von anderer Form und Größe, genau so verschieden wie die Dialekte. Von der Puppenspielkunst Italiens zu der Frankreichs, Deutschlands, Spaniens und Englands ist nur ein kleiner Schritt. Die Marionetten, die anfangs nur religiöse Spiele aufführten, entwickelten sich bald zu Figuren in weltlichen Spielen, wie sie auch an Theatern gespielt wurden. Führende Dramatiker schrieben für die Puppenbühne und waren teils sogar selbst Puppenspieler.
Aber dieser Fortschritt hatte keinen Bestand. Die „Guignols“ oder Kasperle, wie die Handpuppen genannt wurden, sind zwar noch in Frankreich bekannt, werden aber nicht mehr von Künstlern hergestellt, und die Vorstellungen sind im Allgemeinen geradezu ärmlich. In anderen europäischen Ländern spielt man seit Jahrhunderten dieselben Stücke.
Mit dem europäischen Einwanderungsstrom kamen die Marionetten auch nach Amerika. Wahrscheinlich bestanden sie aber in der Neuen Welt bereits vor Ankunft des Weißen Mannes. Indianische Puppen, die ihre Glieder bewegen konnten, wurden bei religiösen Zeremonien und Stammestänzen verwendet. Das Kasperle und seine Kameraden waren die ersten Puppen, die aus der Alten Welt kamen. In Amerika erlaubte man aber nicht, wie in England an Straßenecken zu spielen. Die einwandernden deutschen Puppenspieler zeigten Geschicklichkeitstricks und Verzauberungsszenen, um Anklang beim Publikum zu finden. Aber das Volk wollte lieber rührende Volkssagen und Geschichten gespielt sehen.
Die italienischen Puppenspieler gingen anders zu Werk. Sie schlugen ihre Puppenbühnen unter ihren Landsleuten auf und spielten dort den berühmten „Rasenden Roland“, den man schon seit Jahrhunderten kannte, ohne auch nur eine Zeile zu ändern. Die Zuhörer erwarteten nichts anderes und hätten auch gegen jede Änderung protestiert. Und was am wichtigsten war, es gab keinerlei Sprachschwierigkeiten zu überwinden. Die Spiele waren in New York oder Chicago genau die gleichen wie in Palermo. Es fehlte nichts, weder die Bänke noch die leuchtenden Reklameschilder, noch der Klavierspieler.
Das ging so lange gut, bis das Kino als gefährliche Konkurrenz aufkam. Aber das Puppenspiel starb nicht aus. Es wartete seine Zeit ab, und heute strömt man überall wieder in seine Hallen. In Amerika gehen die Puppenspiele heute dank dem Fernsehen und den unermüdlichen Anstrengungen einiger weniger treuer Anhänger ununterbrochen weiter, und die Marionetten gehören zu den beliebtesten Kinderbelustigungen. Vielleicht wird sich auch noch eine Art Nationaltyp entwickeln, der sich würdig neben dem deutschen Kasperle, dem französischen Guignol, dem englischen Punch, dem italienischen Larifari und dem türkischen Karagöz sehen lassen kann.
(Aus „Remo Bufano´s Book of Poppetry“ – Remo Bufanos Buch über Puppenspiele, Verlag McMillan Co. New York 1950)
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18. Marien-Samstag
Warum der Samstag Maria geweiht ist
Seit den ersten Jahrhunderten schon wurde der Samstag Maria geweiht.
1. Weil die heilige Jungfrau am ersten Tag nach dem Tod Jesu (Samstag) allein, standhaft und starkmütig geblieben ist, indes der Glaube der Jünger wankte oder gänzlich fiel.
2. Um die Bitterkeit ihrer Schmerzen an eben diesem Samstag durch die Freude der Verehrung und Andacht zu vergelten.
3. Um zu zeigen, dass Maria ähnlich, wie der Samstag den Freitag zum Sonntag vermittelt, den Tag der Schmerzen zum Tag des Sieges, für uns die Mittlerin ist zwischen Erde und Himmel, zwischen Leid und Freud. Außerdem soll Maria an einem Samstag (8. September zwanzig Jahre vor der christlichen Zeitrechnung) geboren sein.
In mehreren Kirchen betet man alle Samstage die Tagzeiten der allerseligsten Jungfrau. In Polen, in Krakau feiert das Volk den Nachmittag jedes Samstags, um den Prozessionen beizuwohnen, die zur Ehre der allerseligsten Jungfrau gehalten werden. Johann des Près, Bischof von Tournay bewilligte durch einen Hirtenbrief vom 12. Oktober 1343 einen Ablass von vierzig Tagen allen denjenigen, die der Salve-Regina-Prozession beiwohnen würden, die alle Samstage in der Kirche zu Tournay abgehalten wird.
Es hat mehrere Heilige gegeben, die es als eine besondere Gnade sich erbaten, an einem Samstag zu sterben, und sie verdoppelten an diesem Tag ihre Almosen und ihre Abtötungen.
Der heilige Ludwig, König von Frankreich, hatte die rührende Sitte eingeführt, dass er den Armen am Samstag die Füße wusch und sie selbst beim Mittagsmahl bediente. Er stiftete ewige Messen für alle Samstage des Jahres in der Kirche Unserer Lieben Frau von Chartres, indem er wünschte, sie möchten, so weit die Rubriken es erlaubten, immer zu Ehren Marias zelebriert werden. Der heilige Karl Borromäus fastete samstags bei Wasser und Brot. Der heilige Alphons Maria Liguori hatte die heilsame Gewohnheit, an diesem Tag zu beichten.
Philippine von Geldern, Gemahlin des Herzogs René von Lothringen, der sich auch König von Aragon und Sizilien nannte, hatte stets eine kindliche Verehrung zur seligsten Jungfrau Maria. Nach dem Hinscheiden ihres Gemahls zog sie sich in ein Kloster der Klarissinnen zurück, wo sie ein Alter von einhundertfünfzig Jahren erreicht haben soll. Während ihres Aufenthaltes im Kloster nahm ihre Andacht zur göttlichen Mutter Maria mit jedem Jahr nur um so mehr zu, welch kindliche Anhänglichkeit ihr die heilige Jungfrau aber auch durch mannigfache Gnaden, besonders auf dem Sterbebett, zu belohnen wusste. Sie lag gefährlich krank darnieder. Es war an einem Freitag, wo man sie dem Tod nahe glaubte, und schon flüsterten die Frauen, die bei ihrem Lager wachten, einander diese Meinung zu. Da aber öffnete sie die Augen und sprach lächelnd: „Ihr irrt euch; für diesmal müssen wir der heiligen Jungfrau und dem Tag, der ihr geweiht ist, das Vorrecht lassen. An einem Samstag wurde ich vermählt und gleichfalls an einem Samstag mit Jubel in Lothringen begrüßt; wiederum an einem Samstag habe ich der Welt abgesagt und an einem gleichen Tag, also morgen, werde ich sie ganz verlassen und zu meinem Heiland gelangen.“
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19. Das Memorare
Das Memorare des heiligen Bernhard
Unter der Regierung Ludwigs XIII. hatte ein Mann durch die Gnade Gottes das Glück, von einem sündhaften Leben sich loszureißen, und dem Zeitlichen zu entsagen, um sich Gott und seinen Mitmenschen zu weihen.
Er gehörte einer vornehmen Familie an, und hatte Glanz und Wohlleben verlassen, um in Dürftigkeit zu leben. Auf seinem neuen Weg war er einen Augenblick von großen Versuchungen heimgesucht worden: er stellte sich unter den Schutz der allerseligsten Jungfrau und die Versuchung wich. Später wurde er Priester. Eine Erbschaft von vierhunderttausend Francs, die ihm zufiel, machte ihm große Freude, denn nun konnte er viel Elend lindern. Er beschränkte seine Liebe nicht bloß auf die freien Armen, er ging in die Gefängnisse, und brachte den Verbrechern Trost. Er blieb bei ihnen bis zur schrecklichen Stunde der Hinrichtung. Der heilige Priester, den wir meinen, schloss sich vorzugsweise an diese Unglücklichen an. Er hieß Bernhard, aber er war in Paris unter dem Namen „der arme Priester“ besser bekannt.
Voll Vertrauen und Liebe zur heiligen Jungfrau verlangte er von ihr alle Bekehrungen, die er wirkte. Sein Lieblingsgebet war das Memorare. Er hatte es auf kleine Papierblätter drucken lassen, trug immer Exemplare bei sich, und hatte während seiner Lebenszeit deren mehr als zweihunderttausend ausgeteilt. Sicherlich hat dies fruchtbare Gebet tausendmal mehr Gnaden vom Himmel herabgefleht, als es Buchstaben enthält.
Das Memorare war bei Verhärteten Verbrechern beinahe immer sein unfehlbares Hilfsmittel. Eines Morgens zeigte man ihm an, dass man einen verurteilten Mann im Stadtgefängnis habe, der demnächst gerädert werden sollte und der, im Laster verhärtet, nicht von Gott reden hören wollte. Bernhard eilte hin, und trat in die Zelle des Unglücklichen. Er grüßte, tröstete, umarmte ihn. Er suchte auf alle mögliche Weise diesem Granitherzen beizukommen, um es zu erweichen. All seine Liebe war vergeblich, all sein Eifer unnütz. Der finstere Gefangene schlug nicht einmal die Augen auf, gab kein Zeichen von sich, und blieb unbeweglich in seinen Ketten niedergekauert.
„Wenigstens betet mit mir ein kurzes Gebet zur heiligen Jungfrau, mein Bruder,“ sagte Bernhard, „damit ihr doch eine Stütze habt bei Gott, vor dem ihr bald erscheinen müsst.“
Der Verbrecher verharrte wie ein Felsen im teilnahmslosen Schweigen.
„So will ich es denn allein beten“, fuhr der arme Priester fort, indem er neben dem Gefangenen niederkniete. „Vereinigt euch mit mir im Herzen, mein Bruder, und wenn das Sprechen euch weh tut, so werdet ihr Anteil haben an meinem Gebet, wenn ihr am Schluss Amen sprecht.“
Er zog ein kleines Papierblatt aus seinem Brevier hervor, es war das Memorare. Er betete es inbrünstig, und da es zu Ende war, und er erwartete, dass das verirrte Schäflein sich ihm mit einem einzigen Wort nähern würde, machte der Verbrecher eine grobe Bewegung, brummte leise, und wendete den Kopf weg.
Ergriffen vom Schmerz hörte nun Bernhard nur noch seinen Eifer. Er erhob seine zitternde Hand, drückte das heilige Gebet dem Verbrecher an die Lippen, und bemühte sich, es ihm in den Mund zu stecken, indem er ausrief: „Da du es nicht beten willst, so sollst du es verschlingen!“
Weil der Gefangene wegen der Ketten an Händen und Füßen sich nicht wehren konnte, so bewilligte er endlich der Zudringlichkeit, was er der flehenden Bitte abgeschlagen hatte. Er machte die Zähne auf, die er in trotziger Verzweiflung aufeinandergebissen hatte, und versprach das Gebet zu sprechen, das er soeben gehört und das vielleicht schon seine Lippen gereinigt hatte.
Und wie der Verbrecher die heiligen lieblichen Worte nachspricht, ändert er sich sozusagen mit jeder Silbe. Er wird gerührt, weint, schluchzt, bricht in Tränen aus, und als das Gebet zu Ende ist, ist auch sein unbeugsames Herz gebrochen. Eine heftige Reue gibt sich kund: er ist nicht mehr der abscheuliche Bandit, er ist ein Verurteilter, der sich mit Ergebung der verdienten Strafe unterwirft. Unter Tränen, die seine Stimme ersticken, beichtet er mit der pünktlichsten Genauigkeit die Sünden seines verbrecherischen Lebens. Er nimmt die Sühne an, der er sich durch seinen Tod auf dem Schafott unterziehen soll, er segnet sie, findet sie aber unzureichend, und die Zerknirschung, die die Befleckungen seiner Seele hinwegwäscht und auslöscht, wird so stark, dass er erliegt. Die Hinrichtung wird dem von Maria geretteten Sünder erspart. Er starb aus Reueschmerz, indem er betete, niedergestreckt unter der Hand des armen Priesters, der Barmherzigkeit und Vergebung auf sein Haupt herabrief.
Vertrauen des heiligen Franziskus von Sales zum Memorare
Nachdem der heilige Franziskus von Sales das Glück gehabt hatte, seine Seelenruhe dadurch wieder zu gewinnen, dass er das Memorare vor einem Bildnis der allerseligsten Jungfrau betete, setzte er auf dieses Gebet ein unbegrenztes Vertrauen. Er betete es in allen schwierigen Lagen, in denen er sich befand, und empfahl es allen, deren Seelenführer er war.
„Ich erinnere mich,“ sagt Le Camus, Bischof von Belley, „dass ich dieses Gebet aus seinem eigenen Mund habe. Ich schrieb es vorne in mein Brevier, um es meinem Gedächtnis einzuprägen und um mich dessen in meinen Nöten zu bedienen. Ich weiß auch, dass er es den Nonnen von der Heimsuchung dringend empfohlen hat, und dass sie einen frommen Gebrauch davon machen.
Er riet es besonders in großen Versuchungen an, weil die Mutter Gottes dem Feind so fürchterlich ist, als ein in Schlachtordnung aufgestelltes Heer, denn die gesegnete Frucht ihres Leibes hat der höllischen Schlange den Kopf zertreten.“
Das belohnte Vertrauen
Eines Tages kam eine arme Witwe mit mehreren Kindern in die Bibliothek der heiligen Familie, einer frommen Vereinigung unter der Leitung der Gesellschaft des heiligen Vincenz von Paul, und begann die Unterredung mit folgenden Worten: „Mein Herr, ich kann meinen Hausherrn nicht bezahlen. In drei Tagen werde ich aus meiner Wohnung vertrieben, und bin dann ohne Obdach, ohne Hausgeräte und ohne Brot.“ – „Wieviel seid ihr schuldig, liebe Frau?“ – „Einhundertfünfunddreißig Franken.“ – Einhundertfünfunddreißig Franken?“ rief der Vorsteher aus, indem er vom Sessel aufsprang, „wo soll ich diese Summe hernehmen, und schon in drei Tagen? Im Dienst der heiligen Familie häuft man keine Schätze auf, man spendet gleich wieder aus, was eingeht. Wahrhaftig ich kann nicht.“ – „Dann bin ich verloren, und meine armen Kinder werden verhungern, und erfrieren!“ Bei diesem Aufschrei der Mutter blutete dem Vorsteher das Herz. „Wartet,“ sagte er, „es fällt mir eben etwas ein, vielleicht ist es eine Eingebung des Himmels. Morgen Mittag, wenn man den Angelus läutet, betet mit euren Kindern, wo immer ihr euch befinden möget, das Ave Maria und das Memorare, ich will es auch tun, und dann wollen wir sehen.“ Tags darauf gegen die Mittagszeit begegnete der Vorsteher in der Umgebung der Kirche, wohin er ging, um den Angelus und zum Schluss das Memorare zu beten, einem alten Herzensfreund. „Wo gehst du hin?“ – „Ich gehe zur Mutter Gottes, um einhundertfünfunddreißig Franken von ihr zu erbitten.“ – „Wozu denn?“ – „Für meine Frau und meine Kinder.“ – „Aber du hast ja weder Frau noch Kinder.“ – „Das hindert nicht, dass, wenn ich nicht heute einhundertfünfunddreißig Franken bekomme, meine Frau und meine Kinder aus ihrer Wohnung vertrieben werden. Sie sind dann ohne Hausgerät, ohne Obdach und ohne Brot, und müssen verhungern und erfrieren. Lebe wohl, die heilige Jungfrau wartet auf mich.“ – „Ja, danke ihr nur, und komm heute Abend zu mir, ich will dir die einhundertfünfunddreißig Franken für deine Frau und Kinder zustellen.“ All das trug sich zwischen dem ersten und letzten Glockenschlag zwölf, an der Tür der berühmten Kapelle der Kirche des heiligen Sulpicius in Paris zu.
Darum vertraut, vertraut auf Maria! . . .
“Memorare, o piissima Virgo Maria, non esse auditum a saeculo, quemquam ad tua currentem praesidia, tua implorantem auxilia, tua petentem suffragia, esse derelictum. Ego tali animatus confidentia, ad te, Virgo Virginum, Mater, curro; ad te venio; coram te gemens peccator assisto. Noli, Mater Verbi, verba mea despicere, sed audi propitia et exaudi. Amen.”
„Gedenke, gütigste Jungfrau Maria, man hat es noch niemals gehört, dass jemand, der zu Dir seine Zuflucht nahm, deine Hilfe anrief, um deine Fürsprache flehte, von dir verlassen worden sei. Von solchem Vertrauen beseelt, nehme ich meine Zuflucht zu dir, Mutter, Jungfrau der Jungfrauen; zu Dir komme ich; vor Dir stehe ich seufzend als Sünder. Mutter des Wortes, verschmähe nicht meine Worte, sondern höre mich gnädig an und erhöre mich. Amen.“
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20. Die Muttergottes von Wladimir
(Bilder der Muttergottes von Wladimir trifft man heute überall in der Welt an. Viele Millionen Katholiken beten bereits vor diesem russischen Muttergottesbild. Und wenn wir bedenken, dass es die bevorzugte marianische Darstellung von 127 Millionen orthodoxer Christen ist, wird man sich des Bandes der Einheit und der Liebe bewusst, das wir damit besitzen. Kardinal Cushing, ein Förderer der Verehrung dieses Marienbildes, wandte sich an unsere getrennten Brüder und Schwestern mit den Worten: "Eure Mutter wird auch unsere Mutter sein und einen Ehrenplatz in unseren Wohnungen erhalten!")
In Russland besaß jedes Haus wie jede Kirche und Kathedrale seine eigene Ikone, der ein Ehrenplatz eingeräumt war, vor der Tag und Nacht ein Lämpchen brannte und die der Besucher ehrerbietig grüßte. Für den Orientalen stellt die Ikone die verehrte Person wirklich dar und bewirkt mit ihrem Vorbild eine Art übernatürlicher, geheimnisvoller Beziehung - nach dem Zeugnis des hl. Johannes von Damaskus, der schrieb: "Für den byzantinischen Christen war die Ikone und ist sie noch im wesentlichen ein Geheimnis; er betrachtet sie als ein Sakrament, das göttliche Kraft und Gnade birgt."
Diese Erklärung lässt uns Menschen des Westens besser begreifen, dass die russischen Christen eine so große Verehrung für ihre Ikonen besitzen. Und wir dürfen wohl mit Recht vermuten, dass selbst heute noch in Russland sehr viele Ikonen, besonders der Gottesmutter, aufbewahrt und verehrt werden.
Zu allen Zeiten hat die Gottesmutter von Wladimir sowohl unter den einfachen orthodoxen Gläubigen wie unter den Repräsentanten des religiösen und politischen Lebens, den Patriarchen und den Zaren, eine besondere Beliebtheit und Verbreitung genossen. Ihre Verehrung war so groß, dass es Brauch wurde, vor ihrem Bild die Zaren zu krönen.
Aller Wahrscheinlichkeit nach ist die Muttergottes von Wladimir ihrem Ursprung nach griechisch. Sie dürfte aus der Zeit der mazedonischen Renaissance im 12. Jahrhundert (um 1140) stammen. Aus der Geschichte wissen wir, dass der entscheidende Tag für die Anfänge des Christentums in Russland der 15. Juli 989 war, an dem Fürst Wladimir von Kiew das ganze Volk in den Wassern des Dnjepr taufen ließ. Die Stadt Wladimir, die an Bedeutung sogar Kiew übertraf, wurde im 12. Jahrhundert zur Hauptstadt Russlands erklärt. Und damals, im Jahr 1155, wurde die schöne Ikone der Gottesmutter vom Patriarchen von Konstantinopel dem König Bogoljusky, dem Gründer Moskaus, überreicht. Dieser ließ sie auf dem Ehrenplatz der Kathedrale von Wladimir, der neuen Hauptstadt, aufstellen. Seitdem wurde sie "Wladimirskaja", d.h. die Muttergottes von Wladimir, genannt.
Für 250 Jahre allerdings musste die Ikone ihre Stadt wegen des Angriffs der Mongolen, die das neugegründete Moskau zerstören wollten, verlassen. Großfürst Basilius I., von einem unerschütterlichen Vertrauen in die Macht der Muttergottes beseelt, ließ die Ikone in die bedrohte Stadt bringen. Kaum hatte die Ikone Aufstellung in der Uspenski-Kathedrale gefunden (die 1326 von den Einwohnern zu Ehren von Maria-Himmelfahrt errichtet worden war), da ließ Tamerlan, der Großkhan der Mongolen, seine Horden anhalten und verzichtete auf sein Vorhaben. Die Stadt war gerettet. Von da an blieb die Ikone eng verbunden mit der Geschichte und den Geschicken Moskaus und dann der Zaren, der Patriarchen und des ganzen russischen Volkes überhaupt.
In den folgenden Jahrhunderten verließ die Ikone Moskau nur ein einziges Mal. Als Napoleon sich der Stadt bemächtigte, wurde das Bild in Sicherheit gebracht. Unmittelbar nach dem Rückzug der Franzosen jedoch kehrte es wieder an seinen Platz zurück. Die Abwesenheit hatte nur 6 Wochen gedauert.
Das russische Volk brachte diesem kostbaren Besitztum, dem es die Rettung in schweren Lagen zuschrieb, eine glühende Verehrung entgegen. Doch das war nur bis 1919 möglich. In diesem Jahr wurde die Uspenski-Kathedrale mitsamt der Ikone feierlich zum "Besitz des Volkes" erklärt, was bedeutete, dass die "Wladimirskaja", nun säkularisiert, zum Museumsstück degradiert wurde. Man stellte sie in der Tretjakow-Galerie in Moskau auf. Mit diesem radikalen Vorgehen war das volkstümlichste Bild der Gottesmutter in Russland nach 800 Jahren der bisherigen öffentlichen Verehrung entzogen. Den Bolschewisten aber ist es nicht geglückt, es aus den Herzen der russischen Christen zu reißen.
Die Ikone, deren tausendjähriger Kult sie zu einem russischen Heiligtum machte, war im katholischen Westen fast unbekannt. Seit Anfang 1959 hat sie nun eine ganz besondere, weltweite Bedeutung erlangt, als Papst Johannes XXIII. seinen Wunsch, ein Ökumenisches Konzil einzuberufen, bekanntgab. Der Hl. Vater ist tief davon überzeugt, dass die Gottesmutter einen tiefen Einfluss auf die Rückkehr der Ostkirche ausüben wird. Sein Wort ist bekannt: "Die größte Hoffnung auf eine Versöhnung zwischen Orthodoxen und Katholiken ist unsere gemeinsame Liebe zur Muttergottes."
Der Vorschlag, die Muttergottes von Wladimir zum Symbol der Versöhnung zu wählen, ging von der amerikanischen Marianischen Kongregation aus, die im September 1959 in Boston einen Kongress für das Laienapostolat abhielt. Die Teilnehmer nahmen eine Resolution an, die Muttergottes von Wladimir in der Welt bekanntzumachen, in der Hoffnung, dass überall zahlreiche Menschen sich dieser Idee anschließen würden. Die Wahl gerade dieser Ikone und der Wunsch, sie in allen katholischen Häusern verehrt zu sehen, hat verschiedene Gründe: Sie ist eines der meistverehrten religiösen Symbole des russischen Volkes. In den Wohnungen angebracht, wird sie uns mit einer besonders stark geprägten Form christlicher Kunst bekanntmachen. Außerdem ist dieses Marienbild von besonderer theologischer Bedeutung. So kann es in unseren katholischen Heimen Gespräche über die Muttergottes und über die ökumenische Bewegung anregen.
Der Erfolg dieses Apostolates fand seinen Ausdruck in der Verbreitung von Hunderttausenden von Darstellungen dieser Ikone in allen Ländern. Von ihrem Geist beseelt, fand in Boston ein "Welttag der Solidarität" statt, bei dem Kardinal Cushing erklärte: "Russland kann noch auf den Kommunismus verzichten und die Welt zu einer geistigen Erneuerung führen. 10 Millionen Katholiken, die verschiedenen orientalischen Riten angehören, sind bereits mit uns im Glauben und in der Liebe vereint. Es ist bezeichnend, dass auch wir das kostbare Bild der Muttergottes von Wladimir verehren, zur ihr beten und sie um den Frieden anflehen, wie so viele Generationen russischer Christen es taten."
Aus "Jovenes", Barcelona, 1962
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Franziskus von Assisi
21. Mönchtum
Von Tanneguy de Quenetain, in "Réalités", New York 1960
Hat das klösterliche Leben heute noch Sinn?
Ein Mönch ist ein Mensch, der zu uns anderen Nein gesagt hat. Hartnäckig verwirft er unser übertriebenes Erfolgsstreben. Unserer Bevorzugung der Taten stellt er die Bevorzugung der Betrachtung gegenüber. Und auf unsere Jagd nach dem Glück durch materiellen Besitz antwortet es mit freiwilliger Armut, Fasten und Abtötung.
Unserer Anbetung der Rechte des Einzelnen setzt er das Gelübde des absoluten Gehorsams seinem Ordensoberen gegenüber entgegen. Auf unsere Verteidigung des Rechtes auf Eigentum, das wir als eine grundlegende Garantie für unsere menschliche Freiheit betrachten, antwortete er mit einer Lebensführung, die eine nichtmarxistische Art reinen Kommunismus` darstellt.
So erscheint der Mönch auf den ersten Blick die personifizierte Verneinung unserer westlichen Zivilisation zu sein.
Der Friede des Klosters bildet den völligen Gegensatz zum Lärm und Getöse unseres täglichen Lebens. In unserer Welt wird ständig eingerissen und wieder neu aufgebaut. Das mönchische Leben dagegen ist gleichbleibend. Jeder seiner Teile ist in der Ordensregel niedergelegt.
Was uns zunächst und vor allem beeindruckt, ist die geordnete Schönheit des mönchischen Lebens. Es erscheint uns wie ein lebendiges Fresko, dessen zentrales Thema die von den Tagzeiten umrahmte Messfeier ist.
Selbst die Mahlzeiten sind wichtige Bestandteile des mönchischen Lebens. Sie sind eingehüllt von absolutem Schweigen, das lediglich von der Stimme des Vorlesers und dem gemessenen Rhythmus des Servierens unterbrochen wird. Der Abt sitzt am Ende des Saales unter dem Kreuz. Die Gäste befinden sich ihm gegenüber in der Mitte. Die Brüder sitzen ebenfalls in der Mitte, jedoch im rückwärtigen Teil des Raumes und entlang den Seitenwänden, die ältesten dem Abt am nächsten.
Der besonders bei den Benediktinern ausgeprägte Sinn für Schönheit (einer von ihnen sagte einmal: "Hässlichkeit ist der Schatten der Sünde") ist nur einer der Gründe, weshalb das Mönchtum uns so faszinierend erscheint. Zuweilen aber denken wir alle, dass, wie ein französischer Schriftsteller es ausdrückte, "das große Abenteuer in uns selbst liegt". Die meisten von uns sind zum einen oder anderen Zeitpunkt versucht, die horizontale Ebene unseres weltlichen Lebens aufzugeben und den Anlauf zu einem nach oben gerichteten geistlichen Leben zu nehmen.
Das mönchische Leben kommt uns vor wie der greifbare Ausdruck dieses Wechsels der Richtung. Schließlich flieht der Mönch ja die Welt, um nach dem Absoluten zu streben, der Vereinigung mit Gott.
Das mönchische Leben kommt auch unserem Sehnen, über uns selbst hinauszuwachsen, entgegen. Es appelliert an die heroischen Neigungen der menschlichen Natur.
Dies sind die herkömmlichen Elemente des Mönchtums. In unserer Zeit aber sind noch weitere dazugekommen. Und es ist sehr bezeichnend, dass das Mönchtum heute im Verhältnis zur Zahl der katholischen Bevölkerung in dem Land am stärksten im Aufschwung begriffen ist, in dem man das irdische Glück am hartnäckigsten verfolgt: Amerika. Es gibt heute (1960) in den USA etwa 15 Benediktiner- und ein rundes Dutzend Zisterzienserklöster. Von letzteren folgen viele der strengen Regel der Trappisten mit lebenslangem Schweigen, Gottesdiensten mitten in der Nacht und hartem Leben. Die meisten dieser Zisterzienserklöster wurden erst nach dem zweiten Weltkrieg gegründet. Neun entstanden allein in der Zeit zwischen 1946 und 1956, zum Teil unter dem Einfluss der Bücher Thomas Mertons.
Gleichzeitig lebten auch innerhalb der evangelischen Kirche Ordensgemeinschaften mit Mönchscharakter auf, wie z.B. in Taizé in Frankreich, auf der Insel Iona vor Schottland und in Skandinavien. Dies ist um so bemerkenswerter, als der Protestantismus seiner ganzen Tradition nach stark individualistisch und ein Gegner des Zölibats ist.
Der Grund für diese Erscheinung ist wahrscheinlich der, dass die westliche Welt des 20. Jahrhunderts immer weniger der Welt gleicht, die wir von der Renaissance übernommen haben. Zunächst wird der Individualismus immer fragwürdiger. Wir sehen uns Aufgaben gegenüber, die ein einzelner nicht mehr erkennen noch bewältigen kann. Forschungsgruppen von Mathematikern oder Kernphysikern arbeiten und leben sogar oft zusammen. So ist die Gruppenarbeit der Benediktiner sozusagen im heutigen weltlichen Leben selbstverständlich geworden.
In zweiter Linie ermöglicht es uns der Fortschritt der Technik, den Akzent unseres Lebens von der Arbeit auf die Freizeit zu verlegen. So wird ein Leben, das die Betonung mehr auf das innere Erleben als auf die äußere Tätigkeit legt, der modernen Gesellschaft in wachsendem Maße verständlich.
Ein dritter Grund mag der folgende sein: Wenn die Einheit unseres Planeten auch nach wie vor nur ein Traum ist, erfolgt doch ein immer stärkerer Austausch der kulturellen Werte. Während der seiner Überlieferung nach mehr auf das Geistige eingestellte Osten daran geht, die Materie zu erobern, interessiert sich der Westen mehr und mehr für asiatische Kunst, Philosophie und Aszetik.
Sobald man jedoch die Gründe erwägt, die für ein mönchisches Leben sprechen, kommen auch schon die Einwendungen. Dass man einen Teil seines Lebens der Sorge um das Ewige widmet, erscheint annehmbar; doch ist es menschlich überhaupt möglich, ein ganzes Leben ohne Unterbrechung diesem Ziel zu widmen?
Manche Mönche (keineswegs die Mehrzahl) widmen sich überhaupt keinen weltlichen Aufgaben und sind in ihren Klöstern vor dem Elend der Welt gesichert. Weder missionieren sie, noch betreuen sie ihre Mitmenschen. Sind diese Mönche einfach wohlmeinende Schädlinge, die der Welt aus Angst den Rücken kehren, um in selbstsüchtiger Weise ihr eigenes Heil zu suchen? Es gibt sogar Katholiken mit einem starken Verantwortungsgefühl für die menschliche Gesellschaft, die verächtlich auf die Mönche mit ihrem Frieden in den Klöstern blicken. Ist das richtig?
Tatsache ist, dass die Kirche die beiden Wege empfiehlt. Der der aktiven Tätigkeit entspricht den Bedürfnissen der westlichen Dynamik sowie dem Bestreben derer, die eines der charakteristischsten Merkmale der Kirche darstellen: der Missionare. Doch die Quelle der geistlichen Stärke ist Gott. Durch das Gebet versucht der Mönch, diese Stärke für sich und alle Gläubigen zu gewinnen. Innerhalb des mystischen Leibes Christi können die Gaben und Verdienste Gottes ausgetauscht und übertragen werden. Daraus erklärt sich, wieso ein Mönch allein durch das Gebet Missionsarbeit verrichten kann.
Ein Mensch von so ausschließlich betrachtender Veranlagung wie die heilige Theresia von Lisieux widmete trotzdem sein Leben den Missionen. In paradoxer Weise schrieb sie: "Ich möchte die Seelen erleuchten wie die Propheten und Lehrer. Ich möchte ein Missionar sein; aber nicht nur für ein paar Jahre, sondern ich möchte es gewesen sein seit Erschaffung der Erde und fortdauernd bis zum Ende der Zeiten."
Der Mönch nimmt den Platz derer ein, die nicht beten. Er unternimmt es, das Gleichgewicht der Erlösung aufrechtzuerhalten, indem er mit seinem Gebet gleichsam das Versagen der Menschen in der Welt draußen kompensiert.
Die Benediktiner versuchen mit Hilfe einer wunderbaren Liturgie die Schönheit eines Lebens darzustellen, das dem Lobpreis Gottes gewidmet ist. "Die Kirche muss die Vision dessen vor Augen haben, was im Himmel sein wird", sagte ein Benediktiner einmal.
Der heilige Benedikt, dessen Ordensregel zum Muster für alle Mönchsorden im Westen wurde, hatte jedoch seine Zweifel, ob die Menschen des Westens ein Leben strenger Einsamkeit und Betrachtung führen könnten. Es gelang ihm, das Gemeinschaftsleben mit der Einsamkeit zu verbinden, indem er ein Schweigegebot einführte, und das tätige Leben mit dem betrachtenden, indem er seinen Mönchen das Arbeitsgebot auferlegte. Arbeit ist eine Pflicht für den Mönch. Etwa 5-6 Stunden am Tag, also etwas weniger als für Gebet und Betrachtung, widmete er der Arbeit.
Die Benediktiner verrichten in der Hauptsache Geistes-, die Zisterzienser Handarbeit. Die Arbeit ist gleichzeitig eine Buße und eine nützliche Ablenkung nach den Stunden des Gottesdienstes und des Gebetes. In großen Dosen kann auch das Gebet selbst zur Buße werden. Gottesdienst ist nicht unbedingt immer Freude und Entzücken. Manche Gebete und Gottesdienste können einem endlos vorkommen.
Man kann sagen, dass jedes Element des mönchischen Lebens einen Teil Abtötung und einen Teil Trost enthält. Das Schweigen z.B., das bei den Zisterziensern dauernd und bei den Benediktinern zeitweise beobachtet wird, stellt eine strenge Abtötung dar. Auf der anderen Seite jedoch schenkt es einem auch ein ganz privates Eigenleben.
Nun ist es kaum möglich, 6 Stunden am Tag ohne Unaufmerksamkeit zu beten. Kein Mönch wird behaupten, allen Gottesdiensten in seinem ganzen Leben mit gleicher Andacht beigewohnt zu haben. Aber wenn Vollkommenheit auch unerreichbar sein mag, so kann man ihr doch nahe kommen. Alle betrachtenden Mönche erklären, dass die Freude am Gebet mit der Übung wachse.
Aber wie vollkommen eine Ordensregel auch sein mag, kann sie doch den Fortschritt in Richtung auf die Heiligkeit nicht garantieren. "Die Regel bewahrt uns nicht, sondern wir bewahren die Regel", sagen die Karmeliter.
In jüngster Zeit beschloss eine Handvoll französischer Mönche, das Klosterleben und das direkte Apostolat miteinander zu verbinden, indem sie in einer der Industrievorstädte von Paris ein Pfarreikloster gründeten. Das Experiment wurde im Jahr 1946 von Jean de Féligonde in L`Hay-les-Roses gestartet. Es ist ein erstaunliches Beispiel dafür, wie man die benediktinische Überlieferung auf neue Verhältnisse anwenden kann. Zusammen mit zahlreichen ähnlichen Erscheinungen an anderen Orten ist es ein lebendiger Beweis dafür, dass und wie sehr sich das Mönchtum auch in unserer Zeit bewährt.
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22. Maranatha
Komm, Herr, komm! Die Zeit ist da!
Komm geschwind! Maranatha!
Der Mensch scheint sich im Kreis zu drehen.
Was um ihn ist, will er nicht sehen.
Er hält die Hände vors Gesicht:
"Was ich nicht seh, das stört mich nicht!"
Humor und Freude fehlt der Welt.
Luxus macht müde, trüb das Geld.
Man hat den Medien sich ergeben
Und lässt sich dort sein Leben leben.
Für Frieden wird viel konferiert,
Von Tausenden laut demonstriert.
Und wird ein Volk dann massakriert,
Man nicht den kleinsten Finger rührt.
Komm, Herr, komm! Die Zeit ist da!
Komm geschwind! Maranatha!
Voll sind die Kirchen - von Kritik;
Man glaubt nichts mehr, zieht sich zurück.
Der eine gähnt, der andre träumt.
Das Heiligtum ist abgeräumt.
Musik erklingt wie in der Bar.
Es tanzen Frauen vorm Altar
Und singen fromm beim Ringelreih`n:
"O lass uns auch bald Pfarrer sein!"
Ein Volksbegehren wird gemacht.
Du unterschreibst - der Teufel lacht:
"Das gabs schon mal gleich zu Beginn,
Da schrie das Volk: "Heil, kreuz`ge ihn!"
Komm, Herr, komm! Die Zeit ist da!
Komm geschwind! Maranatha!
Den Teufel - ha, den gibt es nicht.
Der Papst - das ist der Bösewicht.
Verlangt der doch von dieser Welt,
Dass sie die zehn Gebote hält.
Die Beichte hat man abgeschafft,
Weil Gottes Arm scheint ohne Kraft.
Die Sünde gilt als ganz modern;
Und alles rennt zum Tisch des Herrn.
Zur Weihnacht dann zur Mitternacht,
Wenn süß das holde Kindlein lacht,
Nicht ohne Tränen jene bleiben,
Die morgen werden eins abtreiben.
Komm, Herr, komm! Die Zeit ist da!
Komm geschwind! Maranatha!
Der Frauenbund - emanzipiert.
BDKJ - linksorientiert:
DPSG stets rebelliert.
Die KPE eliminiert.
Wer falsches lehrt, der ist der Held,
Und seine Bücher bringen`s Geld.
Das Fernsehn zeigt ihn immerzu
Beim Anti-Kirchen-Interview.
Mit Technik, Pop und Wissenschaft,
Geld, Luxus, Politik und Macht
Vollenden wir in Bälde schon
Den neuen Turm zu Babylon.
Komm, Herr, komm! Die Zeit ist da!
Komm geschwind! Maranatha!
Gebet und Opfer gilt nichts mehr.
Das Wort vom Kreuz klingt allen leer.
Die Selbstentfaltung die ist in,
Mit 50fachem Lustgewinn.
Dies neue Leben leicht und süß,
Im Multi-Media-Paradies;
Fast jeder dieses voll bejaht -
Und merkt nicht, dass die Sündflut naht.
Die Welt scheint sich verkehrt zu drehen.
Wir wolln`s nicht glauben, wolln`s nicht sehen.
Wenn wir jetzt bald nicht in uns gehen,
Dann sagt Gott: "Halt - Welt, bleib mal stehen!"
Komm, Herr, komm! Die Zeit ist da!
Komm geschwind! Maranatha!
Die Menschen toben und verwüsten,
Weil sie den Teufel gern begrüßten,
Anstatt den Herrn jetzt einzulassen,
Ist Feiern angesagt und Prassen.
Das Kreuz soll uns die Liebe zeigen,
Aber selbst der Klerus will es verschweigen,
Wills nicht gern zeigen, will es verbergen,
Aus Rücksichtnahme vor vielen Schergen.
In Europa kommt jeder Irrtum mit Getöse,
Nur das Katholische ist wirklich böse:
Neue Götter braucht unsere Erde,
Damit ihr Selbstbestimmung werde.
Komm, Herr, komm! Die Zeit ist da!
Komm geschwind! Maranatha!
Der Klimaschutz ist Kandidat,
Das Seelenheil ist falscher Rat.
Auch Volksgesundheit wird gepriesen,
Selbst wenn sich Kirchentüren schließen,
Vor Ungeimpften, Armen, Alten,
Wird keine Messe mehr gehalten.
Es reicht wenn saubere Eliten walten
Und Bischöfe das Fähnchen halten,
In den Wind, den Herrscher machen,
Damit nur noch korrekte Sachen
Die Klerisei dem Staat bereiten.
Wer wird noch gegen Kirche streiten?
Komm, Herr, komm! Die Zeit ist da!
Komm geschwind! Maranatha!
Auch Gendern kann man am Ambo gut,
Zum Worte Gottes fehlt der Mut.
Warum hatte Jesus den Vater so gern?
Die vielen Geschlechter sind wie ein Stern!
Sei frech, rücksichtslos und modern!
Was glaubten die Alten an einen Gott in der Fern?
Der im Himmel als Vater dargestellt,
Nur so den Gestrigen in der Kirche gefällt.
Wir machen erst einmal alles kaputt,
Finden dann nur mehr noch Müll und Schutt.
Der Herr aber wird kommen zur fremden Stunde,
Wohl denen, die führen sein Lob im Munde.
Komm, Herr, komm! Die Zeit ist da!
Komm geschwind! Maranatha!
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ein Hospitalbruder des Heiligen Johannes von Gott
ein Mönch der Abtei Cluny (Cluniianer)
ein Armenischer Mönch
ein Dominikanermönch
ein Benediktinermönch
ein Kartäusermönch
ein Zisterziensermönch
ein Kapuzinermönch
23. Mönchsleben?
Das Mönchs- oder Ordensleben war und ist ein christliches Leben, ein Leben nach den Vorschriften Christi, angepasst besonderen Umständen und Bedürfnissen, wie sie einigen Geistern in allen Jahrhunderten und auf jeder möglichen Stufe der Zivilisation eigen sind. Des Weiteren erhielt sich im Ordensleben der Eifer und die Innigkeit der ersten Jahrhunderte, wie z.B. die Gütergemeinschaft der ersten Christen, die sicher kein für alle kommenden Zeiten gültiges Gesetz war, in den religiösen Kommunitäten aber fortbestand, ohne zu nachteiligen Resultaten zu führen. Es war ein Leben der Armut oder der Entsagung persönlichen Besitzes. "Das Ordensleben", so die Schriftsteller des Mittelalters, "war in Wahrheit ein apostolisches Leben." So gibt Richard, der Erzbischof von Canterbury zur Zeit Heinrichs II., den Zisterziensern folgendes Zeugnis: "Alle Menschen stimmen darin überein, dass die Mitglieder des Zisterzienserordens ein apostolisches Leben führen in ihrer bescheidenen Nahrung und Kleidung, in Beichten, Disziplin, Psalmengesang, Demut, Gastfreundschaft, Gehorsam und allen anderen Tugenden, welche die Liebe erzeugt." Selbst die bittersten Feinde gestehen zu, dass "innerhalb der Klostermauern im 12. Jahrhundert die Strenge und ungeheuchelte Frömmigkeit der anfänglichen Kirche gefunden werden könne." Was die äußeren Unterscheidungsmerkmale der Mönche betrifft, ihre Kleidung, ihre Zeiteinteilung und die übrige Lebensweise, so sind das nicht etwa bloße Erfindungen der Laune, sondern Überreste alter Sitten, die sich durch Jahrhunderte erhalten haben, während die übrige Welt sich außerordentlich verändert hat. Das Ordenskleid selbst war heilig durch das Gebet der Kirche und die Heiligkeit derer, die es trugen. Denn die Bekehrung des Herzens zu Gott war die erste, das besondere Bedürfnis einiger Geister die zweite Ursache der Existenz aller religiösen Orden. "Unser Orden" - sagt der heilige Bernhard - "ist Schweigen, Fasten, Beten, Arbeiten, und vor allem, den erhabenen Weg gehen, der da ist die Liebe." Der heilige Anselm gibt eine noch kürzere Definition: "Der Gegenstand der Klosterzucht ist Reinheit des Herzens und das Ende ewiges Leben." Es ist wahr, "ein vollkommener Mensch macht die Welt zum Kloster, und ein profaner Ordensmann das Kloster zur Welt." Trotzdem gab es Gründe für die Existenz der Klöster.
Obwohl es in der Kirche von Anfang an Menschen gab, die die evangelischen Räte zu leben versuchten, doch begann das Mönchsleben in seiner bestimmten Form erst aus der Zeit der diokletianischen Verfolgung, da viele Christen in die Berge und Wälder flohen, und den Frieden, den sie dort fanden, so lieb gewannen, dass sie ihren neuen Aufenthaltsort nicht mehr verlassen wollten, selbst nachdem die Verfolgung ein Ende genommen hatte.
"Da niemand etwas tut," sagt Salvian von Marseille, Kirchenvater und Schriftsteller aus dem 5. Jahrhundert, "außer um der Sicherheit oder um des Vorteils Willen, so wählen wir das Ordensleben, weil wir es für ein geeignetes halten, wenn man bedenkt, wie schnell die Dinge dieser Welt vergehen, wie dauernd aber die Dinge des künftigen Lebens, wie geringfügig erstere, wie groß letztere sind, und dass das Gericht ein höchst schreckliches, ein höchst seliges aber das Leben mit Gott und seinen Heiligen sein wird." "Wir betrachten," sagt ein anderer, "wie eng die Pforte ist und wie groß die Menge derer, die zugrunde gehen; wir betrachten die Gefahren der Welt, ihre eitlen Unterhaltungen und ihre vielen Prüfungen, und wie viel sicherer es ist, für Christus alles hinzugeben." Der heilige Bonaventura sagt, "dass der, der mit zeitlichen Dingen beladen ist, Christus nicht leicht folgen kann." So entsagten sie also dem, was sie früher geliebt haben, und suchten im Kloster Frieden und Freiheit von aller Begierlichkeit. Daher heißt es am Anfang der Regel von Fontevrauld, "man solle der weltlichen Geschäfte sich entschlagen, und nichts der Liebe Christi vorziehen". "Die erste besondere Ursache, warum man ins Kloster geht," sagt ein Schriftsteller des 5. Jahrhunderts, "ist das Verlangen, die Gelegenheiten zur Sünde zu meiden, der verkehrten Welt den Frieden zu künden, und ihren gefährlichen Schlingen zu entkommen."
Hören wir, was Johann Adam Möhler vom asketischen Leben in seinem Werk "Athanasius der Große und die Kirche seiner Zeit" sagt, als er vom Leben des heiligen Antonius spricht: "Liebe zur Keuschheit und Erhabenheit des Geistes über den irdischen Besitz und die vergänglichen Güter, die er gewährt, überhaupt die Freiheit des Geistes von den Banden der endlichen Welt, oder doch die Sehnsucht nach dieser Freiheit, sind die ersten Elemente des Mönchswesens gewesen. Es gibt eine geistige von Gott verliehene Eigentümlichkeit einzelner Menschen, in welchen der Zug zum Göttlichen, Heiligen und Ewigen so lebendig ist, dass die Verbindung mit allem Endlichen und Zeitlichen nur durch einen ganz schwachen Faden erhalten wird. Die eigentlich geistige, gottverwandte Natur im Menschen tritt so stark hervor, dass die entgegengesetzte beinahe erstirbt schon in diesem Leben. Ihr Leben ist mit Christus verborgen in Gott. Sie fassen eigentlich nicht den bewussten Vorsatz, sich der Verbindung mit dem Endlichen so ganz zu entschlagen, um desto freier mit dem Ewigen sich beschäftigen zu können; sich nicht zu verehelichen, das Mindeste nur zu genießen an Speise und Trank, von irdischen Vergnügen sich fern zu halten, ist ihnen nicht so fast ein Mittel zu etwas Höherem: vielmehr stehen sie schon in diesem Höheren, und weil dieses ihre ganze Seele erfüllt, alle ihre Sehnsucht befriedigt, enthalten sie sich von selbst des genannten Irdischen; es entfällt ihnen unwillkürlich: ihre äußere Lebensweise ist eine Folge ihrer geistigen Eigentümlichkeit, nicht ein Mittel zu derselben . . . . Solche heilige Männer zeichneten sich nicht nur durch tiefe Kenntnis der göttlichen Dinge, durch große Frömmigkeit, häufig, vermöge der Klarheit und Bestimmtheit ihres Geistes und ihre Erhabenheit überströmende äußere Einflüsse, durch richtige Schätzung der Dinge, einen Geist des Rates, sondern auch hie und da durch eine eigentliche Wundergabe, die übernatürliche Kraft, Kranke zu heilen, Dämonen zu vertreiben, die Zukunft zu schauen, aus. Der Mensch aber hat eine natürliche Achtung vor dem Heiligen, Großen und Erhabenen; solche Männer wurden darum als vorzügliche Freunde Gottes betrachtet, und oft aus fernen Ländern strömten ihnen die Menschen zu." Die Schilderung, die Johann Adam Möhler hier von den ersten Mönchen und den Einsiedlern der Wüste gibt, findet seine Anwendung auch noch auf zahlreiche Erscheinungen im Ordensleben des Mittelalters.
Vor wem oder was der Mönch flieht? Richard von St. Victor schreibt: "Da ist die Welt, die Gott geschaffen, und da ist die Welt, die Gott erlöst hat, und da ist die Welt, deren Fürst der Teufel ist, und von der es heißt: Wollet die Welt nicht lieben." Nur dieser letzteren entsagte der Mönch. Sie ist ihm das Babylon, vor dem er flieht, um seine Seele zu retten. Allerdings verlangte das Ordensleben auch Abgeschiedenheit von jener Welt, in der noch viele Auserwählte sich befanden. Aber für viele Seelen war das notwendig, und man soll fromme Christen nicht tadeln und verachten, weil sie ein Verlangen hegen nach dem Klosterleben und dort den Frieden suchen, den andere in ihrem Zuhause oder im Garten fanden und finden.
So war also das Mönchsleben ein Leben verborgen in Christus. Das Stillschweigen in den Klöstern, diese innige und ruhige Hingabe an ein Leben der Abtötung und Gefühllosigkeit gegenüber Lob oder Tadel, nur nicht gegen die Liebe, war ein Leben, so ganz dem der Welt entgegengesetzt, dass man es in Wahrheit mit der Ruhe und Stille des Grabes vergleichen konnte. Aber es war doch ein wahres Leben. "In der Zelle und im Himmel wohnen," sagt der heilige Bernhard, "sind verwandte Dinge, denn was im Himmel geschieht, geschieht auch in der Zelle. Und das ist? Gott dienen, Gott genießen." Man kann noch hinweisen auf den Zölibat, der mit dem Ordensleben wesentlich verbunden war, ohne deswegen eine Erfindung der Mönche zu sein. Diese haben ihn nur zur Würde einer Tugend erhoben. So gingen innerhalb der Klöster die Tage hin in der Betrachtung der erhabensten Wahrheiten der Religion und einer idealen Größe. Verbunden mit diesem Leben waren ein Verkehr mit den Herrlichkeiten und der Pracht der Natur, Gedanken, wie sie Weisen und Helden ziemen, ein lebhaftes Bewusstsein eines tätigen Lebens, denn Arbeit war Pflicht, verbunden mit hellleuchtender Heiterkeit und ununterbrochenem Frieden.
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24. Mohammed und die Frauen
Da Mohammed in engem Anschluss an das Judentum und das Christentum stand und ihnen die Grundlagen seiner Religion verdankte, so liegt die Frage nahe, wer diese Männer waren, die ihm seine Kenntnisse vermittelten, wie sie sich zu Mohammed stellten, ob wir einen von ihnen in seiner späteren Gemeinde wiederfinden. Leider sind die diesbezüglichen Angaben der mohammedanischen Autoren fast durchweg legendarisch oder sonst wie verdächtig. Wir kennen nur das Faktum einer Beeinflussung seitens fremder Religionen, aber wir wissen nichts Zuverlässiges über die Form und die Persönlichkeiten, durch die sie erfolgte. Auch über die sogenannten „Sucher“ sind wir mangelhaft unterrichtet und wissen nicht, ob sich in ihnen die Kämpfe ähnlich wie in Mohammed abspielten. Unter den Männern, die ihm halfen, seine Ideen zu verwirklichen, finden wir weder einen Christen noch einen Juden, es sind lauter arabische Heiden.
Wir haben es hier nur mit denen zu tun, die vom Propheten empfingen, nicht mit denen, von denen oder mit denen gemeinsam er empfing. Ihre Zahl ist sehr groß. Der Koran nennt zwar keine Namen von Zeitgenossen Mohammeds, aber die mohammedanischen Geschichtsschreiber ließen es sich angelegen sein, zahlreiche Charakterzüge aus ihrem Leben zu sammeln, besonders soweit sich ihr Lebensweg mit dem des Propheten kreuzte. Von manchen wird das Äußere genau geschildert. Die Zahl der Namen von Leuten, die den Propheten überhaupt persönlich kannten, geht in die Tausende.
Nun dürfen wir aber auch die weiblichen Gefährten Mohammeds nicht vergessen, seine Gattinnen. Denn wenn ihnen auch an der Ausbreitung des Islams und, mit einer Ausnahme, an den großen politischen Begebenheiten kein Anteil zukommt, so haben sie doch für das Leben Mohammeds ihre Bedeutung.
Die strenge Abschließung der mohammedanischen Frau geht auf Anordnungen Mohammeds zurück, wiewohl die Verschleierung der Frau schon vormohammedanisch war. Allah macht dem Mann zwar gute Behandlung der Frau zur Pflicht, hat ihm aber Vorzüge und Vorrechte vor der Frau verliehen. Der Mann hat z.B. das Recht, die Frau, die ihm widersetzlich begegnet, zu züchtigen. Bei Erbteilungen erhalten die Töchter nur die Hälfte dessen, was die Söhne erhalten. Bei der Ehescheidung kommt es nur auf den Willen des Mannes an, jedoch erhält die Frau die Hälfte des Brautschatzes zurück. Allah gestattet dem Gläubigen bis zu vier Frauen gleichzeitig, doch soll er Rücksichten auf seine Vermögensverhältnisse nehmen. Die Gläubigen dürfen zwar Sklavinnen in beliebiger Zahl als „Kebsweiber“ (Nebenfrauen, die für die Ausübung des Geschlechtsverkehrs ausgewählt wurden) hinzunehmen, besser aber ist es, sie tun es nicht. Solche Sklavinnen dürfen sich nicht als Dirnen betrachten, sondern haben ihrem Besitzer Treue zu wahren, wie sie denn auch eine Morgengabe von ihm erhalten. Für seine Person statuierte der Prophet bezüglich der Zahl der Frauen durch eine Offenbarung eine Ausnahme, und so finden wir denn bei seinem Tod außer den Kebsweibern neun legitime Frauen in seinem Harem.
Eine unschätzbare Gefährtin besaß Mohammed an seiner Frau Chadidscha, deren dritter Mann er war. Sie war eine tüchtige Frau, die das nicht unbedeutende Geschäft ihres zweiten Mannes nach dessen Tod weiterführte. Man rühmte von ihr, sie habe ihr Personal gut behandelt. Es war eine reine Neigungsheirat, die die nahezu 40jährige, aber viel umworbene Witwe mit dem um 15 Jahre jüngeren Mohammed trotz des lebhaften Widerspruches ihrer Familie einging. Sie bewahrte ihm ihre Liebe bis an ihr Ende, auch in den trübsten Tagen. Obwohl sie, als Mohammeds Prophetentum begann, schon in den Fünfzigern stand, machte sie die große Wendung seines Seelenlebens mit und wurde die erste Gläubige. Eine mohammedanische Quelle sagt von ihr: „Sie glaubte an die Wahrheit dessen, was ihm von Allah eingegeben wurde, und so schuf Allah hierdurch seinem Boten Erleichterung. Er hörte nichts, was ihm unangenehm war und ihn daher mit Betrübnis erfüllte, und dass man ihm widersprach und ihn für einen Lügner erklärte, ohne dass Allah durch sie seinen Kummer verscheuchte, wenn er zu ihr hinkam. Sie richtete ihn auf und schaffte ihm Erleichterung, glaubte an die Wahrheit seiner Sendung und stellte ihm die Sache der anderen Leute verächtlich hin. Allah erbarmt sich ihrer!“ Dabei war sie sonst, z.B. in Geldsachen, eine nüchtern denkende Frau. Nach ihrer Verehelichung mit Mohammed ließ sie sich nicht auf Gütergemeinschaft ein, sondern behielt ihr Vermögen fest in der Hand und verabfolgte Mohammed nur eine Art Taschengeld. Aber Mohammed fühlte sich wohl und geborgen bei ihr und hatte in der schweren Zeit seiner Gewissenskämpfe und körperlichen Leiden eine liebevolle Gefährtin an ihr. Er hat ihr das nie vergessen. Zwar verheiratete er sich schon zwei Monate nachdem sie die Augen geschlossen hatte wiederum, aber auch nach ihrem Tod verblasste ihr Bild vor keiner der späteren Frauen seines Harems. Er hielt ihnen Chadidscha als Ideal einer wackeren Frau vor, worüber sie sich nicht wenig ärgerten, und seine spätere Lieblingsfrau Aischa soll auf keine ihrer lebenden Mitfrauen so eifersüchtig gewesen sein wie auf diese tote Chadidscha. Die Hedschra und den späteren Triumph ihres Mannes erlebte sie nicht mehr.
Was sich später im Harem des Propheten zusammenfand, war eine bunte Gesellschaft von Frauen, junge und alte, lustige und stille, vornehme und geringe, Mohammedanerinnen, Jüdinnen und Christinnen, Witwen und geschiedene Frauen. Mit einer einzigen Ausnahme waren sogar alle seine Frauen vorher schon einmal verheiratet gewesen.
Diese Ausnahme war Aischa. Mohammed und sie bildeten insofern ein ungleiches Paar, als Mohammed bei der Eheschließung 53, Aischa 9 Jahre alt war, und dabei waren sie schon drei Jahre verlobt gewesen. Weit vom Ernst der viel älteren Chadidscha entfernt, war sie doch in ihrer Weise dem Propheten eine Stütze. Sie war lustig, putzsüchtig, kokett, ja ihre eheliche Treue ist nicht über allen Zweifel erhaben. Aber der Prophet war in sie verliebt und weilte am liebsten bei ihr, wo er Erholung suchte und fand, denn dieser hingebungsvolle Regent, der mit Ernst und Strenge seinem Beruf nachging, wurde, wenn er sich bei seinen Frauen einfand, ein tändelnder Liebhaber. In Aischas Häuschen (die Frauen Mohammeds bewohnten gesonderte Häuschen) stand sein Sterbelager, und dort wurde er begraben. Nach seinem Tod entwickelte sie sich zu einer Intrigantin, die in die Bürgerkriege in verhängnisvollerweise eingriff. Bei seinen Lebzeiten ist von Einfluss auf die Politik nicht viel zu bemerken, wie überhaupt Mohammed, so sehr er den Freuden des Harems ergeben war, doch nicht unter den Einfluss seiner Frauen geriet. Immerhin war sie die bedeutendste unter Mohammeds Frauen in Medina, interessierte sich für religiöse Dinge und wusste nach seinem Tod über eine Menge von Fragen Auskunft zu geben, bei denen es darauf ankam, genaue Nachrichten über das Verhalten des Propheten zu besitzen, z.B. juristische Entscheidungen, religiöse Ansichten. So wurde sie eine Hauptquelle für die Mohammedbiographie und mohammedanische Theologie.
Durch mehrere seiner Frauen war Mohammed mit seinen nächsten Freunden verschwägert, wie denn Aischa eine Tochter seines treuen Abu Bekr war. Es lohnt sich nicht, alle seine Frauen namhaft zu machen. Aber da war z.B. eine Tochter Omars. Als sie ihren ersten Mann verloren hatte, hätte es Omar gerne gesehen, wenn einer seiner beiden Freunde Abu Bekr und Othman sie geheiratet hätte, allein sie lehnten dankend ab. Schließlich tat Mohammed dem Omar den Gefallen und heiratete sie. Sie muss eine unerfreuliche Person gewesen sein. Mohammed wäre sie später gern wieder losgeworden, und nur die Rücksicht auf Omar hielt ihn von der Scheidung ab. Bei einer anderen Witwe, einer ausnehmend schönen Frau, lag die Sache umgekehrt. Sie ihrerseits wollte den Propheten nicht heiraten und erklärte ihm, als er um ihre Hand anhielt, er besitze schon so viele Frauen in seinem Harem, und sie habe die schlechte Eigenschaft, eifersüchtig zu sein. Der Prophet beruhigte sie über diesen Punkt: Er werde zu Gott beten, dass er sie von ihrer Eifersucht heile. Auch verpflichtete er sich, für ihre Kinder aus erster Ehe gut zu sorgen, und so wurden sie denn ein Paar. Ob Allah das Gebet Mohammeds erhört hat, ist nicht festzustellen.
Die zwei Jüdinnen, die sich in seinem Harem befanden, waren die Witwen zweier jener Juden, die er nach der Kapitulation hatte abschlachten lassen, und entschlossen sich begreiflicherweise nur schwer, ihm die Hand zu reichen. Er muss sehr verliebt in die beiden Schönheiten gewesen sein, wenn er sich entschloss, so gefährliche Frauen in seinen Harem aufzunehmen. Sie haben ihm aber nichts zu Leide getan. Es hätte auch keinen Zweck gehabt, Judith zu werden. Ihre Glaubensgenossen wären durch ganz Arabien hin sofort massakriert worden.
Überhaupt waren die Erkorenen Mohammeds, so groß auch die Ehre war, Gemahlin des Propheten oder, wie sich die Mohammedaner ausdrücken, „Mutter der Gläubigen“ zu werden, doch keineswegs immer von der ihnen zugedachten Auszeichnung entzückt. Mohammed war doch allmählich gealtert und in seiner Frauenschar herrschte nicht immer Eintracht. Es waren launische und zänkische Frauen darunter, die ihren Mitschwestern das Leben sauer machten.
Endlich noch ein Wort über Mohammeds Kinder. Seine erste Gattin Chadidscha hatte aus ihren beiden früheren Ehen Kinder. Es scheint aber, dass diese den Mohammed nicht als Propheten anerkannten. Unter seinen eigenen Kindern waren die Söhne ohne Bedeutung und starben sämtlich vor ihm. Von seinen Töchtern hatte sich die älteste noch vor seiner Erleuchtung verheiratet, zog aber ihren Mann nicht zum Islam herüber und musste, als die Hedschra erfolgte, bei ihrem Mann bleiben. In der Schlacht bei Bedr und später noch einmal wurde ihr Mann von den Mohammedanern gefangen genommen und beide Male freigegeben, musste aber seine Frau zu ihrem Vater entlassen. Später nahm er den Islam an. Es schmerzte Mohammed tief, dass diese Tochter aus der Ehe mit Chadidscha und ihr Mann die Hedschra nicht machten. Als der Schwiegersohn bei Bedr den Mohammedanern in die Hände gefallen war, sandte Mohammeds Tochter als Lösegeld feinsinnig ein Muschelhalsband, das ihr die verstorbene Mutter einst als Brautgeschenk gegeben hatte. Mohammed war in der Tat ergriffen, ließ es ihr wieder zustellen und gab den Schwiegersohn ohne Lösegeld frei.
(Quelle: „Mohammed und die Seinen, H. Reckendorf, Reihe Wissenschaft und Bildung, 1907)
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25. Was bedeutet das Mönchsleben?
Was war das Ordensleben im Allgemeinen? Es war einfach ein christliches Leben, ein Leben nach den Vorschriften und Räten Christi, angepasst besonderen Umständen und Bedürfnissen, wie sie einigen Geistern in allen Jahrhunderten und auf jeder möglichen Stufe der Zivilisation eigen sind. Ferner erhielt sich im Ordensleben der Eifer und die Innigkeit der ersten Jahrhunderte, wie z.B. jene Gütergemeinschaft der ersten Christen, die gewiss kein für alle kommenden Zeiten gültiges Gesetz war, in den religiösen Kommunitäten aber fortbestand, ohne zu nachteiligen Resultaten zu führen. Es war ein Leben der Armut oder der Entsagung persönlichen Besitzes, und wahrlich, die Ordensstifter hatten der Gründe genug, besonders diese Armut zu empfehlen. „Wenige Reiche sterben,“ bemerkt Peter von Blois, „die bei ihrem Austritt aus diesem Leben nicht wünschen, in der größten Armut gelebt zu haben.“ Dem französischen Geschichtsschreiber aber scheint die Liebe zur Armut bei den Franziskanern „ein Versuch gewesen zu sein, lebend noch den Bedingungen dieses Lebens, den Sklavenketten der Materie sich zu entwinden, hier auf Erden bereits die Unabhängigkeit eines reinen Geistes zu erringen und zu antizipieren.“ Und Alanus de Insulis schreibt: „Willst du Gott dienen, so musst du entweder arm sein, oder wie ein Armer leben.“
Um wieder auf das eigentliche Thema zurückzukommen, so zeigen die Schriftsteller des Mittelalters, „dass das Ordensleben in Wahrheit ein apostolisches Leben war.“ So gibt Richard, Erzbischof von Canterbury zur Zeit Heinrich II., den Zisterziensern folgendes Zeugnis: „Alle Menschen stimmen darin überein, dass die Mitglieder des Zisterzienserordens ein apostolisches Leben führen in ihrer bescheidenen Nahrung und Kleidung, in Beichten, Disziplin, Psalmengesang, Demut, Gastfreundschaft, Gehorsam und allen anderen Tugenden, welche die Liebe erzeugt.“ Selbst die bittersten Feinde gestehen zu, dass „innerhalb der Klostermauern im 12. Jahrhundert die Strenge und ungeheuchelte Frömmigkeit der anfänglichen Kirche gefunden werden könne.“ Was die äußeren Unterscheidungsmerkmale der Mönche betrifft, ihre Kleidung, ihre Zeiteinteilung und die übrige Lebensweise, so sind das, wie Fleury beweist, nicht etwa bloße Erfindungen der Laune, sondern Überreste alter Sitten, die sich durch Jahrhunderte erhalten haben, während die übrige Welt sich außerordentlich verändert hat. Das Ordenskleid selbst war heilig durch das Gebet der Kirche und die Heiligkeit derer, die dasselbe trugen. Denn die Bekehrung des Herzens zu Gott war die erste, das besondere Bedürfnis einiger Geister die zweite Ursache der Existenz aller religiösen Orden. „Unser Orden“ – sagt der heilige Bernhard – „ist Schweigen, Fasten, Beten, Arbeiten, und vor allem, den erhabenen Weg wandeln, der da ist die Liebe.“ Der heilige Anselm gibt eine noch kürzere Definition: „Der Gegenstand der Klosterzucht ist Reinheit des Herzens und das Ende ewiges Leben.“ Es ist wahr, „ein vollkommener Mensch macht die Welt zum Kloster, und ein profaner Ordensmann das Kloster zur Welt.“ Gleichwohl gab es Gründe für die Existenz der Klöster, wie wir noch sehen werden.
In der Tat gab es in der Kirche von Anfang an Personen, welche die evangelischen Räte zu beobachten suchten, und obwohl in der Welt lebend sich durch ein strengeres und geregelteres Leben von anderen Christen unterschieden; doch datiert das Mönchsleben in seiner bestimmten Form erst aus der Zeit der diokletianischen Verfolgung, da viele Christen in die Berge und Wälder flohen, und den Frieden, den sie dort fanden, so lieb gewannen, dass sie ihren neuen Aufenthaltsort nicht mehr verlassen wollten, selbst nachdem die Verfolgung ein Ende genommen hat. Es tut dem Institut des Mönchtums keinen Eintrag, wenn schon die Weisen des Altertums manche Ideen, worauf es gegründet war, als richtig erkannt haben. Wie sich von selbst versteht, ist die Kluft, welche alle heidnische von christlicher Philosophie trennt, immer dieselbe. Dennoch stellte erstere oft Prinzipien auf, welche nur des Grundes der letzteren bedurften, um identisch zu sein mit den Ansichten der Mönche. Pythagoras und seine Schüler zu Crotona führten ein gemeinschaftliches Leben, und man nannte sie infolge dessen Cönobiten. Die Pythagoräer verlangten auch Gütergemeinschaft, ein Noviziat, Frömmigkeit, Wissenschaft, Stillschweigen, Keuschheit und Enthaltung von Fleisch. (Was namentlich das Stillschweigen in den Klöstern betrifft, so sagt der Biograph und Schüler des heiligen Odo von Clugny sehr schön: „Das Leben eines Mönches ist nur in so weit etwas, als er sich des Stillschweigens befleißt. Hört das auf, so ist alles nichts.“ Dieses Stillschweigen, sagt Petrus Cellensis, verlangt „die Ruhe, die Regel, die Aufrechterhaltung des Friedens, die Bezähmung der Begierden und Leidenschaften, das Forschen im Gesetz Gottes und die Pflicht, ein beschauliches Leben zu führen.“) Doch lassen wir dergleichen, und hören wir, wie christliche Schriftsteller sich aussprechen über die Anschauungen und Beweggründe derer, welche entweder Ordensstifter geworden, oder in einen Orden getreten sind.
„Da niemand etwas tut,“ sagt Salvian, „außer um der Sicherheit oder um des Vorteils willen, so wählen wir das Ordensleben, weil wir es für ein geeignetes halten, wenn man bedenkt, wie schnell die Dinge dieser Welt vergehen, wie dauernd aber die Dinge des künftigen Lebens, wie geringfügig erstere, wie groß letztere sind, und dass das Gericht ein höchst schreckliches, ein höchst seliges aber das Leben mit Gott und seinen Heiligen sein wird.“ – „Wir betrachten,“ sagt ein anderer, „wie eng die Pforte ist und wie groß die Menge derer, die zugrunde gehen; wir betrachten die Gefahren der Welt, ihre eitlen Unterhaltungen und ihre vielen Prüfungen, und wie viel sicherer es ist, für Christus alles hinzugeben.“ Der heilige Bonaventura sagt, „dass der, der mit zeitlichen Dingen beladen ist, Christus nicht leicht folgen kann.“ Nun aber, dem nachzufolgen, der die Quelle aller Seligkeit ist, erachtete man als das wichtigste aller Geschäfte, und Dante spricht wohl die Überzeugung des ganzen Mittelalters aus, wenn er sagt:
„Ben è che senza termine si doglia
Chi, per amor di cosa che non dure
Eternalmente, quell‘ amor si spoglia.“
(Wohl ist es recht, dass wehklagt unaufhörlich,
Wer sich aus Liebe zu hinfäll`gen Dingen
Von jener Liebe ewiglich entkleidet.)
Sie entsagten also dem, was sie früher geliebt, und suchten im Kloster Frieden und Freiheit von aller Begierlichkeit. Daher heißt es am Anfang der Regel von Fontevrauld, man solle der weltlichen Geschäfte sich entschlagen, und nichts der Liebe Christi vorziehen. „Die erste besondere Ursache, warum man ins Kloster geht,“ sagt ein Schriftsteller des 5. Jahrhunderts, „ist das Verlangen, die Gelegenheiten zur Sünde zu meiden, der verkehrten Welt den Frieden zu künden, und ihren gefährlichen Schlingen zu entkommen.“
Hören wir, was Möhler von dem asketischen Leben sagt, wo er von dem Leben des heiligen Antonius, einem Werk des heiligen Athanasius, spricht. „Liebe zur Keuschheit und Erhabenheit des Geistes über den irdischen Besitz und die vergänglichen Güter, die er gewährt, überhaupt die Freiheit des Geistes von den Banden der endlichen Welt, oder doch die Sehnsucht nach dieser Freiheit, sind die ersten Elemente des Mönchswesens gewesen. Es gibt eine geistige von Gott verliehene Eigentümlichkeit einzelner Menschen, in welchen der Zug zum Göttlichen, Heiligen und Ewigen so lebendig ist, dass die Verbindung mit allem Endlichen und Zeitlichen nur durch einen ganz schwachen Faden erhalten wird. Die eigentlich geistige, gottverwandte Natur im Menschen tritt so stark hervor, dass die entgegengesetzte beinahe erstirbt schon in diesem Leben. Ihr Leben ist mit Christus verborgen in Gott. Sie fassen eigentlich nicht den bewussten Vorsatz, sich der Verbindung mit dem Endlichen so ganz zu entschlagen, um desto freier mit dem Ewigen sich beschäftigen zu können; sich nicht zu verehelichen, das Mindeste nur zu genießen an Speise und Trank, von irdischen Vergnügen sich fern zu halten, ist ihnen nicht so fast ein Mittel zu etwas Höherem: vielmehr stehen sie schon in diesem Höheren, und weil dies ihre ganze Seele erfüllt, alle ihre Sehnsucht befriedigt, enthalten sie sich von selbst des genannten Irdischen; es entfällt ihnen unwillkürlich: ihre äußere Lebensweise ist eine Folge ihrer geistigen Eigentümlichkeit, nicht ein Mittel zu derselben . . . Solche heilige Männer zeichneten sich nicht nur durch tiefe Kenntnis der göttlichen Dinge, durch große Frömmigkeit, häufig, vermöge der Klarheit und Bestimmtheit ihres Geistes und ihre Erhabenheit überströmende äußere Einflüsse, durch richtige Schätzung der Dinge, einen Geist des Rates, sondern auch hie und da durch eine eigentliche Wundergabe, die übernatürliche Kraft, Kranke zu heilen, Dämonen zu vertreiben, die Zukunft zu schauen, aus. Der Mensch aber hat eine natürliche Achtung vor dem Heiligen, Großen und Erhabenen; solche Männer wurden darum als vorzügliche Freunde Gottes betrachtet, und oft aus fernen Ländern strömten ihnen die Menschen zu.“ Die Schilderung, welche Möhler hier von den ersten Mönchen und den Einsiedlern der Wüste gibt, findet seine Anwendung auch noch auf zahllose Erscheinungen im Ordensleben des Mittelalters.
„Ein Philosoph sein“, sagt Cowley, „heißt nichts anderes, als sich von der Welt zurückziehen, oder vielmehr, sich zurückziehen von einer Welt, die des Menschen ist, in eine Welt, die Gottes ist.“ Und anderswo sagt derselbe Schriftsteller: „Wenn ein weiser Mann noch so behutsam den breiten Weg des menschlichen Lebens wandelt, wird er doch fort und fort so vielen Veranlassungen und Gelegenheiten zu Kummer, Schande, Zorn, Hass, Unwillen und allen Leidenschaften begegnen, dass er besser täte, einen besonderen Weg einzuschlagen, ja, wenn möglich, sich von der breiten Straße so fern zu halten, ut nec facta audiat Pelopidarum, - dass er nicht einmal von den Taten der Pelopiden hörte.“ Nun, die Schriftsteller des Mönchtums sagen auch nichts anderes. Hugo von St. Victor führt die Worte der Schrift an: „Dieses Volk wird besonders wohnen und unter die Völker nicht gerechnet werden“ (4. Mose 23,9), und fügt dann hinzu: „Ein großes Lob, meine Brüder, wenn das Volk allein wohnt, und nicht unter die Nationen (unter die Heiden) gerechnet wird, die alle den Lüsten des Fleisches und weltlicher Ehre folgen.“ Richard von St. Victor schreibt: „Da ist die Welt, die Gott geschaffen, und da ist die Welt, die Gott erlöst hat, und da ist die Welt, deren Fürst der Teufel ist, und von der es heißt: Wollet die Welt nicht lieben.“ Nur dieser letzteren entsagte der Mönch; sie ist ihm jenes Babylon, das er flieht, um seine Seele zu retten. Allerdings verlangte das Ordensleben auch Abgeschiedenheit von jener Welt, in der noch viele Auserwählte sich befanden; allein für viele Seelen war das notwendig, und man tadle und verachte fromme Christen nicht, weil sie ein Verlangen hegen, das man im Munde eines Cowley bewundert, oder in Klöstern den Frieden suchen, den Virgil auf seinem Landgut fand. Wenn Cowper zwar ein zurückgezogenes Leben lobt, aber dann hinzufügt:
„Not that I mean, or would enforce
A superstitious and monastic course,“
( - Nicht als wollte ich damit ein abergläubisches und klösterliches Leben billigen oder aufdringen. - )
so fällt einmal keinem Katholiken ein, ein solches Leben zu erzwingen, und dann glaube ich, wäre Cowper wohl in Verlegenheit gekommen, hätte er sagen müssen, warum denn gerade klösterliche Abgeschiedenheit eine Ausnahme machen sollte.
So war also das Mönchsleben ein Leben verborgen in Christus. Das Stillschweigen in den Klöstern, diese innige und ruhige Hingabe an ein Leben der Abtötung und Gefühllosigkeit Lob oder Tadel gegenüber, nur nicht gegenüber der Liebe, war ein Leben so ganz dem der Welt entgegengesetzt, dass man es in Wahrheit mit der Ruhe und Stille des Grabes vergleichen konnte. Aber es war doch ein wahres Leben. „In der Zelle und im Himmel wohnen,“ sagt der heilige Bernhard, „sind verwandte Dinge; denn was im Himmel geschieht, geschieht auch in der Zelle. Und das ist? Gott dienen, Gott genießen.“ Wir könnten noch hinweisen auf den Zölibat, der mit dem Ordensleben wesentlich verbunden war, ohne deswegen eine Erfindung der Mönche zu sein; diese haben ihn nur zur Würde einer Tugend erhoben. So gingen innerhalb der Klöster die Tage hin in der Betrachtung der erhabensten Wahrheiten der Religion und einer idealen Größe. Verbunden mit diesem Leben waren ein Verkehr mit den Herrlichkeiten und der Pracht der Natur, Gedanken, wie sie Weisen und Helden ziemen, ein lebhaftes Bewusstsein eines tätigen Lebens, denn, wie wir sehen, war Arbeit Pflicht, und zugleich, was kaum anderswo damit verbunden werden konnte, unumwölkte Heiterkeit des Geistes und ununterbrochener Friede.
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