Inhalt:

 

1. Luise Hensel

2. Lämmlein Christi

3. Liebe zu den Verstorbenen

4. Lauheit in der Religion

5. Leibliche Werke der Barmherzigkeit

6. Latein in der Kirche

7. Liebe zur Kirche

8. Lärm

9. "Lügenpresse"

10. Lügner von Anbeginn

11. Leben aus dem Glauben

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1. Luise Hensel

1798 – 1876

 

Sie ist geboren am 30. März 1798 in einem Dorf der preußischen Provinz Brandenburg, als Kind eines protestantischen Predigers. Als sie elf Jahre alt war, starb der Vater und dann zog die Mutter mit den Kindern nach Berlin. Da erhielt Luise Gelegenheit, eine höhere Töchterschule zu besuchen; doch war ihr dies nicht lange möglich, denn die ärmlichen Verhältnisse, in denen die Familie lebte, zwangen Luise nach einiger Zeit, die Schule zu verlassen und sich nach einem Verdienst umzusehen. Sie fand einen solchen in Handarbeiten, worin sie schon von jeher ein bedeutendes Geschick an den Tag gelegt hatte.

 

Wie schon erwähnt, war Luise im protestantischen Glauben geboren worden. Sie wurde auch in demselben erzogen und unterrichtet. Schon früh lernte sie aber katholische Anschauungen und Einrichtungen kennen, und sie fing auch an, zwischen diesen und denjenigen der protestantischen Kirche Vergleiche anzustellen. Da ergab es sich aber, dass diese in der Regel nicht zugunsten der letzteren ausfielen, und es stellten sich in dem Geist des jungen Mädchens Zweifel ein an der Richtigkeit des ererbten Glaubens und sie gab denselben ihrer Umgebung gegenüber Ausdruck. So äußerte sie z.B. die Meinung, in der protestantischen Kirche werde die Mutter Gottes zu wenig verehrt und es sei zu bedauern, dass die Ohrenbeichte, sowie die Ehelosigkeit der Geistlichen, abgeschafft worden sei. Sehr tadelte sie an Luther, dass er sich mit einer abgefallenen Nonne verehelicht hatte.

Immer mehr nahm die Abneigung gegen die Lehre Luthers in ihrem Geist zu und Ende 1818 war es in ihrer religiösen Entwicklung so weit gekommen, dass sie einen katholischen Priester bat, den Tag zu bestimmen, an dem sie öffentlich zum katholischen Glauben sich bekennen könnte.

 

Ihr Wunsch ging am 18. Dezember 1818 in Erfüllung. In diese Zeit fällt auch die Entscheidung hinsichtlich ihres Lebensberufes. Eine Reihe angesehener Männer – worunter besonders der hochbegabte Dichter Klemens Brentano genannt sei – hatten sich um ihre Hand beworben. Luise aber lehnte alle Werbungen ab. In einem wunderschönen Gedicht, das aus dem Jahr 1820 stammt, hat sie selbst den Grund hierfür angegeben. „Ich liebe“ – heißt es dort – „einen Königssohn, ich lieb` ihn ganz allein.“

 

1. Ich liebe einen Königsohn,

Ihn lieb` ich ganz allein;

Er trägt die allerschönste Kron`

Von rotem Edelstein.

 

2. Ihn schmückt ein silberweiß Gewand,

Ein Purpurmantel weht;

Er hält zwei Rosen in der Hand,

Sein Fuß auf Rosen steht.`

 

3. Ihm blüht ein Strauß an treuer Brust

Von Rosen, weiß und rot;

Ihn lieben, das ist meine Lust,

Ihn lassen, wäre Tod.

 

4. Ihn anschau`n ist mir Seligkeit,

Ein` and`re kenn` ich nicht;

Ihm dienen ist mir Trost und Freud

Und ganze Lebenspflicht.

 

Mehr Schwierigkeit verursachte die Frage, ob sie in einen Orden treten solle. Schon früh war dieselbe in der Seele des edlen Mädchens aufgetaucht. „Das Kloster war“, so drückt sich ihr Lebensbeschreiber aus, „lange Zeit der aus der Ferne schimmernde Leuchtturm, den ihre Blicke im anstürmenden Weltgewoge unverrückt festhielten und auf den sie ihr schwankendes Lebensschifflein als letzten Zielpunkt zuzusteuern gedachte.“ Aber es sollte ihn nicht erreichen. Im Jahr 1816 kam ihre Schwester aufs Sterbebett und vor ihrem Hinscheiden sprach sie den Wunsch aus, Luise möge an einem kurz vorher geborenen Kind ihre Stelle vertreten. Luise wagte nicht, diesen Wunsch unbeachtet zu lassen, obwohl sie erkannte, dass er sich mit ihren Klosterplänen nicht gut vereinbaren lasse. Sie bemühte sich, sich diese aus dem Kopf zu schlagen. Doch traten diese Pläne immer wieder an sie heran. Da erklärte ihr Schwager eines Tages, er lasse den Jungen im protestantischen Glauben erziehen, wenn Luise in einen Orden eintrete. Das machte dem Schwanken in Luises Geist ein Ende. Sie entschloss sich, ihre Klostergedanken endgültig der übernommenen Pflicht zu opfern und im weltlichen Stand durchs Leben zu gehen.

 

Luise gab sich nun fortan mit allem Eifer dem Beruf einer Erzieherin hin, wozu sie der Schöpfer besonders befähigt hatte. Eine Zeitlang diente sie auch den Kranken als hingebende Pflegerin. „Liebe und Gehorsam“, so sagt ein Darsteller ihres Lebens, „waren hierbei ihre Leitsterne.“ Im späteren Alter zog sie sich in eine kleine Wohnung im Städtchen Wiedenbrück und noch später zu Paderborn zurück, wo sie ihre abnehmenden Kräfte der Kirche und den Armen widmete. In letztgenanntem Ort schloss sie auch ihr gottbegnadetes Leben am 18. Dezember 1876.

 

Wir zählen Luise Hensel zu den Dichterinnen. Nach dem Urteil aller Kenner war sie in Wahrheit eine solche und die Geschichte des deutschen Schriftwesens rechnet sie allgemein zu den Besten.

 

Einige ihrer Gedichte (z.B. „Müde bin ich, geh` zur Ruh`“; - „Immer wieder muss ich lesen“) haben Aufnahme in die Lese- und Gesangbücher der Volksschulen gefunden und sind hierdurch sozusagen zum Gemeingut des deutschen Volkes geworden.

1. Müde bin ich, geh' zur Ruh',

Schließe beide Äuglein zu;

Vater, lass die Augen dein

Über meinem Bette sein!

 

2. Hab' ich Unrecht heut' getan,

Sieh' es, lieber Gott, nicht an!

Deine Gnad' und Jesu Blut

Macht ja allen Schaden gut.

 

3. Fern von mir sei Hass und Neid,

In mir Lieb' und Gütigkeit.

Lass mich Deine Größe schaun,

Nur auf Dich, o Gott, vertraun.

 

4. Alle, die mir sind verwandt,

Gott, lass ruhn in deiner Hand!

Alle Menschen, groß und klein,

Sollen dir befohlen sein.

 

5. Hilf den Armen in der Not,

Sei auch gnädig uns im Tod.

Schenk uns Frieden, bann den Krieg.

Dir gehört der letzte Sieg.

 

6. Kranken Herzen sende Ruh`,

Nasse Augen schließe zu;

Lass den Mond am Himmel stehn

Und die stille Welt besehn!

 

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1. Immer muss ich wieder lesen

In dem alten heil´gen Buch;

Wie der Herr so sanft gewesen,

Ohne Arg und ohne Trug.

 

2. Wie Er hieß die Kindlein kommen,

Wie Er hold auf sie geblickt,

Uns sie in den Arm genommen,

Und sie an die Brust gedrückt.

 

3. Wie Er Hilfe und Erbarmen

Allen Kranken gern bewies,

Und die Blöden, und die Armen

Seine lieben Brüder hieß.

 

4. Wie Er keinem Sünder wehrte,

Der mit Liebe zu ihm kam;

Wie Er freundlich ihn belehrte,

Ihm den Tod vom Herzen nahm.

 

5. Immer muss ich wieder lesen,

Les und weine mich nicht satt,

Wie Er ist so treu gewesen,

Wie Er uns geliebet hat.

 

6. Hat die Herde sanft geleitet,

Die sein Vater ihm verliehn,

Hat die Arme ausgebreitet,

Alle an sein Herz zu ziehn.

 

7. Lass mich knien zu Deinen Füßen.

Herr, die Liebe bricht mein Herz;

Lass in Tränen mich zerfließen,

Untergehn in Wonn´ und Schmerz.

 

Luise bildete sich freilich auf diese Begabung nicht viel ein. Wiederholt erklärte sie, dass sie die Arbeit im Beruf, sowie die Arbeit im Dienst der Jugend und der Kranken höher stelle. Wenn wir ihr auch hierin nicht widersprechen wollen, so muss doch gesagt werden, dass sie auch durch ihre frommen Dichtungen viel, viel des Guten in den Herzen derer, die sie lesen, gewirkt hat und noch immer wirkt.

 

Ach, hätt` ich Engelzungen!

 

(Verfasst im Alter von 16 Jahren)

1. Ach, hätt` ich Engelzungen,

Ich hätt` euch wohl gesungen

Das süße, liebe Lied,

Das mir so still und selig

Im jungen Herzen glüht.

 

2. Ich weiß ja keine Weisen,

Den Herren so zu preisen,

Den Vater, treu und mild,

Wie meine ganze Seele

Ihm singt und jauchzt und spielt.

 

3. Ich muss mein Haupt ihm neigen,

Kann weinen nur und schweigen

In Seligkeit und Schmerz;

Ach, Kind, er weiß dein Lieben,

Er sieht dir ja ins Herz.

 

Guter Rat

 

1. Wenn dich Menschen kränken

Durch Verrat und Trug,

Sollst du fromm gedenken,

Was dein Herr ertrug.

 

2. Kommen trübe Tage,

Sieh` allein auf ihn;

Friedlich ohne Klage

Geh` durch Dornen hin.

 

3. Wird dir`s immer trüber,

Nagt dich inn`rer Schmerz:

Hab` ihn immer lieber,

Drück` ihn fest ans Herz.

 

4. Machen deine Sünden

Dir das Leben schwer:

Suche ihn zu finden;

O, er liebt dich sehr!

 

5. Quält dich heimlich Sehnen,

Unverstand`nes Weh`;

Sprich zu ihm mit Tränen:

Herr, dein Will` gescheh`!

 

Das Heimchen

 

1. Auf meinem kleinen Gartenbeet

Ein wunderliches Heimchen steht,

Das ist heut` wohl noch zart und klein,

Doch morgen wird es größer sein.

Ich weiß nicht, wer es eingelegt

Und wer es so getreulich pflegt.

 

2. Es steh`n der Blumen mancherlei

Und leider Unkraut auch dabei.

Die Blumen, Herr! sind all` von dir;

Das Unkraut sät` ein and`rer mir,

Der sät`es ein um Mitternacht,

Wenn nicht mein guter Engel wacht.

 

3. O Herr, mein Gott! Ich bitte dich,

Um Jesu Christ erhöre mich:

Sieh` an mein Heimchen, wie es steht,

Und hast nicht du es selbst gesät,

So reiß` das liebe Heimchen aus,

Sonst wird ein böses Unkraut draus.

 

Luise Hensel und die Beichte

 

Schon früh regte sich in dem protestantischen Kind das Bedürfnis, seine Fehler und Sünden zu bekennen. Wenn die kleine Luise sich eines Fehlers schuldig glaubte, so legte sie nicht nur bald Reue, sondern auch das Verlangen an den Tag, ihr Herz durchein offenes Bekenntnis zu beruhigen. Es kam auch vor, dass das von tiefem Reuegefühl gequälte Kind sich selbst dadurch eine Buße auferlegte, indem es sich mit einer Rute selbst kräftige Schläge versetzte. Als sie größer geworden, suchte sie einen ihr vom Konfirmationsunterricht her bekannten protestantischen Geistlichen auf und bat ihn dringend, doch das Bekenntnis ihrer Sünden von ihr entgegenzunehmen und da sie dieser mit dem Bedeuten, sie solle sich zufrieden geben, wenn sie ihre Sünden Gott bekannt habe, abwies, beruhigte sie sich damit nicht, sondern sie begab sich zu einer gleichgesinnten Freundin und vertraute dieser in Aufrichtigkeit ihre Verfehlungen an. „Ich wusste noch nicht, was die Beichte sei“, sagte sie einmal später, „aber ich glaubte, durch die Demütigung und Überwindung, die mit dem Bekenntnis verbunden ist, einen Teil meiner Schuld abbüßen zu können und vielleicht einigen Trost zu empfangen. Bekannt sind auch die Worte, mit welchen sie, die noch Protestantin war, dem Dichter Klemens Brentano, der ihr seine Sünden erzählte, zurechtwies. „Sie haben ja das Glück, Katholik zu sein,“ sagte sie; „sagen Sie das doch ihrem Beichtvater!“

 

Clemens Brentano über Luise Hensel – Engel in der Wüste

 

»Ich fühle durch und durch, dass mir religiös nicht zu helfen ist als durch das Anschließen an einen Menschen, dem ich unbedingt vertraue und den ich innigst liebe, und dass ich dann allen eignen Willen aufgebe und ihm gänzlich folge wie ein Knecht. [...] Dieser müsste mich an sich bannen durch die göttliche Atmosphäre der Unschuld und Frömmigkeit und mich leiten wie einen freiwilligen Blinden, denn mir selbst kann ich nicht trauen.«

 

Trotz alledem führten weder Ringseis noch Sailer seine Bekehrung herbei; maßgeblich war Luise Hensel, protestantische Pfarrerstochter, Brentanos einzige wirklich Liebe neben Sophie Mereau. Brentano und Hensel lernen sich bei einem Gesellschaftsabend des Staatsrates Stägemann kennen, wo Brentano lesen sollte. Er verspätete sich, und man sprach über ihn, nicht immer nur Gutes. »Geistreich ist er, das muss man ihm lassen«, war dennoch die Grundstimmung. »Wenn Brentano nichts weiter ist als geistreich, so kann er dabei doch ein sehr erbärmlicher und unglücklicher Mensch sein«, sprach Hensel, und Brentano trat ein, sah sie düster an, sagte »Guten Abend«. Im Verlauf des Abends las Brentano aus seiner Viktoria und der Gründung Prags und versprach, in der nächsten Woche wiederzukommen. Hensel und Brentano kamen sich näher; sie, damals noch Protestantin, suchte geistlichen Beistand von ihm, dem Katholiken – und tatsächlich war es genau umgekehrt: er bedurfte ihrer Hilfe. Sie wollte ihn zurückweisen, konnte er doch ihr keine Unterstützung geben – nicht einmal einen Katechismus findet er in seiner Bibliothek, den er ihr geben könnte. Er aber sieht in ihrer offenen Gottesbeziehung das, wonach er sich sehnt; er erkennt, dass er ihres geistlichen Beistandes bedarf. Besonders beeinflusst haben ihn ihre geistlichen Lieder, wie er auch seinem Bruder Christian schreibt:

 

»Du musst mir erlauben, den folgenden Liedern, deren Abschrift ich Dir aus inniger Liebe überlasse, einige Worte mit auf den Weg zu geben, indem ich Dir sage dass sie das Liebste und mir das Wohltätigste geworden sind, was mir von menschlichen Händen in meinem Leben zugekommen ist. Als ich verwüstet, geängstigt, im Innern unheilbar krank, erstarrt gegen Gott und geekelt gegen die Welt, wie in einer pfadlosen Traumöde im verderbten Leben stand und verzweifelt an mir selbst, ohne Lust am Bösen und Guten, nichts war als ein toter Mensch: hat der schwer geprüfte, bestandene kindliche Geist, der diese Lieder aus inniger Liebe zum Herrn gesungen, sich meiner, wie der Samariter des unter die Räuber gefallenen, rücksichtslos auf manche Schmach, erbarmt, und ohne Absicht, ohne Vorbewusstsein einer Heilungskraft, mich aufgerichtet, geduldet, gestärkt und zur Heilung geführt. Diese Lieder haben zuerst die Rinde über meinem Herzen gebrochen, durch sie bin ich in Tränen zerflossen, und so sind sie mir in ihrer Wahrheit und Einfalt das Heiligste geworden, was mir noch immer das innerlich Erweckendste und Beweglichste ist, das mich stündlich mahnet und tröstet, mit. Ob es die Macht des unschuldigen drängenden Gefühls ist, aus dem sie entsprungen, ob es der Moment ist, in dem sie mir begegneten, der sie mir so erbauend macht, weiß ich nicht; aber es hat nie ein menschlich Wort so gerührt, und wo ich gehe und stehe, liegt der Vers in meinen Ohren:

 

»Immer wieder muss ich lesen

In dem alten, heil’gen Buch,

Wie der Herr so mild gewesen,

Ohne List und ohne Trug.«

 

Dich hat der barmherzige Gott mit wundervollen Stimmen gerufen; er hat für jedes Herz einen anderen Schlüssel, ich übergebe Dir hier den, mit welchem er zu mir gekommen. Du hast mir auch Deine Wege brüderlich gezeigt, möge in uns ein Vertrauen erwachen, das uns beiden hilft dahin, wo allen Heil ist«.

 

Brentanos Wandel kommt endgültig am 27. Februar 1817: er legt beim Probst Ambrosius Taube seine Generalbeichte ab. Endlich empfindet er wieder die »fromme, freudige Bangigkeit« seiner Jugend. Er empfindet eine tiefe, reine Liebe zu Luise Hensel; bei ihr fühlt er sich geborgen. Später fasst er diese Liebe in ein Gedicht:

 

Ich weiß wohl, was dich bannt in mir,

Die Lebensglut in meiner Brust,

Die süße zauberhafte Zier,

Der bangen tiefgeheimen Lust,

Die aus mir strahlet, ruft zu dir,

Schließ mich in einen Felsen ein,

Ruft doch arm Lind durch Mark und Bein:

»Komm, lebe, liebe, stirb an mir,

Leg’ dir diesen Fels auf deine Brust,

Du musst, musst.«

 

Schließlich will er sie heiraten. Sie lehnt ab. Er tobt:

 

»Vergeblich! muss ich schreien, das entsetzliche Wort, wenn Du in meiner Gegenwart aussprichst: Ich habe bis jetzt auf der Welt nichts genützt, ich will nützlich werden und dies und jenes tun. Fahr hin in Deiner Heiligkeit, Du Törin, Du Wahnsinnige; aber ich sage Dir hier in die Seele, wenn Du vor den Herrn kommst, wird er Dich fragen »Wo hast Du das Herz dessen, den ich Dir übergeben habe?« und ich werde Dir nachschreien mein Vergeblich bis jenseits der Ewigkeit.«

 

Er schreibt eine Reihe von Gedichten, die seine Seelennöte ausdrücken, mit bezeichnenden Titeln wie »Wiegenlied eines jammernden Herzen«, »Einsam will ich untergehn«, »Schweig, Herz!«, doch schließlich fügt er sich in sein Schicksal und verkehrt mit Hensel auf rein freundschaftlicher Basis. In dieser Zeit entstehen einige von Brentanos schönsten Werken, unter anderem die Erzählung vom »Braven Kasperl und dem schönen Annerl« unter dem Motto »Tue Deine Pflicht und gib Gott allein die Ehre«, eine Geschichte über einen Kindermord, den Selbstmord eines Unteroffiziers und nach einem alten Volkslied. Er veröffentlichte einige alte Werke, so zum Beispiel die Chronika, er schreibt theoretische Werke zur Dichtung und ihrem Verhältnis zur Religion, zum Lob von Gebet und Gesang.

 

Aus einem Brief an ihren Schwager

 

Am 6. Juni 1820 machte Luise ihren Schwager, der bis dahin von ihrem Übertritt zur katholischen Kirche nichts erfahren hatte, mit dieser Tatsache und zugleich mit den Gründen hierfür bekannt. Sie tat dies in einem Brief und in folgender Weise: „Ich muss dir nun,“ so schreibt sie, „etwas sagen, woraus du ersehen wirst, dass ich offen und frei über diese so ernste Sache verhandle und dass ich dein Vertrauen mit Vertrauen vergelte, mag es auch mein ganzes Geschick entscheiden.

 

Ich habe Gelegenheit gehabt, die Lehren der katholischen Kirche genauer kennen zu lernen, habe sie lange geprüft, erwogen, habe über sie nachgedacht, und endlich kam der Entschluss zur Reise, zu der … Kirche überzutreten, welche vor allen christlichen Vereinigungen, stets in sich gleich bleibend, den Stürmen der Zeit getrotzt hat und ihrem Bau nach auch ferner trotzen kann …

 

Ich bin katholisch geworden. Ich war es schon in der Zeit, als ich noch im Haus meiner Mutter war, habe es aber aus Schonung verschwiegen … Jetzt muss ich sprechen, sonst könnte man mich der Heuchelei oder Menschenfurcht anklagen und Gott weiß, ich schäme mich nicht, mich zur Kirche zu bekennen und würde dies, wenn es nötig wäre, mit Aufopferung meines Lebens tun. Welche Gründe mich besonders überzeugt haben, wäre zu weitläufig, dir hier zu sagen … Nur eines glaube mir auf mein ehrliches deutsches Wort: dass kein irdischer Vorteil, keine Überredung und auch keine Verblendung durch die größere Feierlichkeit des katholischen Gottesdienstes (die ich freilich ehre und der ich mich freilich freue) mich veranlasst haben, diesen wichtigen Schritt zu tun, sondern nur beste, reinste Überzeugung, der ich auch damals alles, was mir lieb war (außer Gott), und insbesondere meine sehr angenehme Existenz opferte …

 

Nie bereut

 

Der Übertritt zur katholischen Kirche verlangte viele Opfer von Luise; aber sie brachte alle im Hinblick auf das Glück, das Gott ihr hierdurch hatte zuteil werden lassen und nie, weder in Wort und Schrift, ließ sie bei anderen jemals die Vermutung aufkommen, als habe sie ihren Schritt bereut oder als sei sie in ihrer Überzeugung schwankend geworden.

 

Von ihren vielen Versicherungen, dass dies nie der Fall gewesen, sei nur eine erwähnt. Ein volles halbes Jahrhundert nach ihrer Konversion schrieb Luise an einen Protestanten, der ihr „Verleugnung des Herrn“ vorgeworfen hatte: „Nach vielem Beten und Ringen erkannte ich durch die Gnade Gottes diese Kirche für die echte und musste meiner Überzeugung folgen; dass es dem Herrn gefiel, für dies große, unaussprechliche Glück, ein Kind seiner Kirche zu sein und die heiligen Sakramente zu genießen, mein ganzes irdisches Lebensglück zu fordern, das werde ich ihm noch in der Ewigkeit danken.“

 

Der Tag ihres Übertrittes war ihr stets ein geheiligter Tag, und als er zum fünfundzwanzigsten Mal wiederkehrte, veranstaltete sie ein Fest und zwanzig Jahre darauf bezeichnete sie den 8. Dezember als ihren großen Festtag. Und kurz vor ihrem Hinscheiden übergab sie einer Dame den weißen Spitzenschleier, den sie bei der Ablegung des Glaubensbekenntnisses getragen, mit der Bitte, denselben zu kirchlichen Zwecken zu verwenden.

 

Wie Luise sich dem „Königssohn“ verlobte

 

Als Luise noch in den Kinderjahren stand und noch wenig von katholischen Ansichten wusste, zeigte sich bei ihr schon eine gewisse Hinneigung zum jungfräulichen Stand. So warf sie zum Beispiel einmal einem hervorragendem protestantischen Geistlichen (einem Superintendenten) im Gespräch die Bemerkung hin: „Geistliche brauchen keine Frauen zu haben!“ Und Luther nahm sie, wie schon erwähnt wurde, das besonders übel, dass er, der katholische Priester, sich verehelichte, und noch dazu mit einer Klosterfrau.

 

Auch wurde bereits gesagt, dass es Luise, dem anmutigen, geistreichen Fräulein, nicht an Freiern gefehlt habe, und es waren dies Männer, die in irgendeiner Weise über den Durchschnitt hervorragten.

 

Schon genannt wurde Klemens Brentano, der nicht nur ein hochbegabter Dichter war, sondern auch als Sohn eines reichen Kaufmanns über bedeutende Mittel verfügte. Ferner soll erwähnt werden der hervorragende Schriftsteller und Abgeordnete Ludwig von Gerlach und endlich auch ein Prinz aus fürstlichem Hause.

 

Wie aus ihrem Tagebuch und aus Stellen von Briefen hervorgeht, ist ihr das „Nein“ nicht immer leicht geworden; immer gingen ihm innere Kämpfe voran. Allmählich aber reifte in ihr auch der Wunsch, ihrer Neigung zum jungfräulichen Stand auch äußerlich Ausdruck zu geben, das heißt in aller Form das Gelübde der jungfräulichen Keuschheit abzulegen. Sie eröffnete ihren Wunsch dem Beichtvater, der ihn billigte und der ihr, nachdem sie sich mehrere Monate hindurch darauf vorbereitet hatte, hierzu seine Mithilfe angedeihen ließ. Und so legte sie denn am 6. Mai 1820, an einem Samstag – dem der heiligen Jungfrau geweihten Tag – am Fuße des Altares und vor dem Priester das erwähnte Gelöbnis ab. Es hatte folgenden Wortlaut:

 

„Ich, Luise, gelobe vor Gott, Maria, der Königin der Jungfrauen, meinem heiligen Schutzengel und allen lieben Heiligen, dass ich die Reinigkeit des Leibes und der Seele streng bewahren und darum ernstlich alles das fliehen will, was gegen dieselbe ist; auch gelobe ich, den Ehestand zu vermeiden und mein Herz ganz Jesus zu schenken, auf so lange, als es meinem Beichtvater beliebig sein wird. Dazu helfe mir Gott, der Vater und der Sohn und der Heilige Geist. Amen.“

 

Zurückgezogen

 

Als Luise in das sechste Jahrzehnt ihres Lebens getreten, fing sie an, wie sie in einem Brief an eine Freundin schreibt, des „Wechselns müde“ zu werden und nach einem „stillen Nestchen“ sich zu sehnen. Sie fand ein solches in dem Städtchen Wiedenbrück in Westfalen, wo sie sich eine kleine Wohnung mietete und wo sie – mit Ausnahme der allerletzten zwei Jahre vor dem Tod – die zwei letzten Jahrzehnte, die ihr Gott noch schenkte, verlebte.

 

Obwohl ihre Kräfte abgenommen und sie wie sie selbst bemerkte, nahezu „invalide“ geworden, wollte sie doch nicht allein der Pflege ihrer eigenen Persönlichkeit leben, sondern auch, soweit ihr dies immer möglich war, anderen nützlich sein.

 

Eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen war die Besorgung von Gotteshäusern mit Schmucksachen und kirchlichen Gewändern, und an Gelegenheiten dazu war kein Mangel. Bald galt es, wie in ihren Briefen zu lesen ist, ein Messgewand zu vollenden, das sie einer armen Kirche versprochen; dann wieder waren zu Beginn einer bevorstehenden Mission Kanzel und Hochaltar mit Überhängen zu versehen. Ein andermal sollten bis Fronleichnam vier Fahnen fertiggestellt sein und dann wieder sollte einem jungen Mann, der die Priesterweihe erwartete, ein Messgewand beschafft werden. Und kam Weihnachten heran, so musste eine Krippe renoviert werden, „eine,“ wie sie wieder in einem Brief bemerkte, „mir zwar liebe, aber sehr schwere Arbeit“.

 

Oft übernahm sie auch den Dienst an den Kranken, dessen Ausübung die selbst Kränkelnde sich nie ganz nehmen ließ. Auch Unterricht hatte sie noch hie und da zu geben und endlich unterhielt sie auch einen ausgedehnten Briefwechsel, durch welchen sie gut auf andere einwirken wollte.

 

Beruhigung nach der Last des Tages und Trost in den Betrübnissen des Lebens, welche auch hier nicht ausblieben, suchte und fand Luise im Verkehr mit dem Herrn im Tabernakel. „Die schwersten Stunden meines Lebens“, bemerkte sie einmal, „bin ich gewohnt, mit Gott allein durchzumachen. Ein Plätzchen in einer Kirche, dem Tabernakel nahe, ist mir das beste Asyl.“

 

„Müde bin ich“

 

Am 30. März 1876 hatte Luise das 78. Jahr ihres Lebens erreicht. Schon gegen Ausgang des vorhergehenden Jahres waren Anzeichen der Wassersucht zutage getreten, die sich ziemlich rasch verstärkten und ihr den Gedanken nahe legten, dass das Ende ihrer Tage nicht mehr fern sei.

 

„Müde bin ich, geh` zur Ruh`“ –

Sang ich den jungen Tagen,

„Schließe beide Augen zu!“

Wird nun bald der Tod mir sagen –

Herr, mein Gott, das walte du!

 

Sie fing nun an, alle Vorbereitungen auf den Tod zu treffen. So schrieb sie an alle Verwandten einen kurzen Brief, worin sie herzlich Abschied nahm, bestimmte aber, dass diese Briefe erst nach ihrem Tod abgeschickt werden sollten. Dann ließ sie eine Anzahl Bildchen, auf einer Seite bedruckt, als Gebetsandenken herstellen und bestimmte die Namen der Personen, an welche sie nach ihrem Tod zu übergeben oder zu versenden seien. Sie setzte ferner die Geldsumme zur Bestreitung der Begräbniskosten fest und gab ihre Wünsche hinsichtlich des Gottesdienstes kund. Sie wünsche, so erklärte sie, möglichst einfach begraben zu werden. Aufwand nütze nichts; man solle das hierdurch Ersparte für die Armen verwenden. Auf eine Bemerkung der sie pflegenden Schwester, dass viele „Engelchen“ (weiß gekleidete Kinder) mit der Leiche gehen werden, bemerkte sie: „Aber nur, wenn es nicht regnet, sonst möchten sich die Kinder erkälten. Auch wünsche ich, dass sie mit Kaffee und Löwentätzchen ordentlich bewirtet werden.“ Und sogar das Zimmer, wo das geschehen sollte, und die Personen, die es tun sollten, bestimmte sie.

 

Aus ihren Äußerungen in den letzten Tagen war zu erkennen, dass sie stets innerlich mit Gott verkehrte. Ferner dankte sie jedem, der ihr etwas Gutes erwies, mit großer Rührung. Oft erhob sie auch in freudiger Erregung beide Hände und sagte unter Tränen: „Ach, bald ist es aus, dann kann ich fliegen! Wie freue ich mich, so manche Freunde und Verwandte, die mir vorangegangen sind, wieder zu sehen!“ Mit Innigkeit sprach sie zu anderen Malen: „Wie schön mag es doch im Himmel sein! Da werde ich für alle beten!“

 

Am Morgen des 19. Dezember 1876 begann der Todeskampf. Neben einigen Schwestern und Freundinnen knieten am Sterbebett der Priester, der ihr den letzten Trost der Kirche spendete. „Ihr Übergang,“ so erzählte der letztere später, „war so sanft, dass der Augenblick des Scheidens nicht bemerkt und das Scheidungsgebet noch fortgesetzt wurde, als der Tod bereits eingetreten war. „Im Sarg lag sie da wie eine friedlich Schlummernde, jungfräulich geschmückt mit Schleier und Myrtenkranz und dem Rosmarin, den sie bei Lebzeiten selbst hierfür gezogen.“

 

In einer Dorfkirche

 

1. Immer muss ich sein gedenken,

Immer seiner Huld mich freu`n,

Immer her die Schritte lenken

Zu dem Kirchlein, arm und klein.

 

2. O, du Wunder aller Gnade,

Das der kleine Schrein umschließt!

Ja, in dieser armen Lade

Wohnt er, dem das All entfließt.

 

3. O des Glückes, das der Glaube

Seiner Gegenwart mich lehrt!

O der Wonne, die im Staube

Meine Seele schon erfährt!

 

4. Seele, und du schaust noch trübe

Auf die Dinge niederwärts?

Gibt`s für dich noch andere Liebe?

Erdenfreude? Erdenschmerz?

 

5. Sieh`, in dieser Silberschale

Ruht dein Gott, dein einzig Gut;

Und du darbst beim reichsten Mahle?

Und du frierst bei höchster Glut?

 

6. Auch der kleinen Ampel Schimmer

Mahnt dich, ganz für ihn zu glüh`n,

Herz, o säumst du denn noch immer,

Ganz in Flammen zu versprüh`n?

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2. Lämmlein Christi

 

 

St. Agnes, das Lämmlein Christi.

 

Freudig begrüßen Rompilger die Ewige Stadt mit dem uralten Lied:

 

Rosen der Märtyrer

Schmücken dich, blutgeweiht;

Jungfrau`n mit Lilienschnee

Weben dein Strahlenkleid!

 

An diesen Gruß erinnert lebhaft die Kirche der heiligen Agnes vor Rom; vereinigt ja Sankt Agnes die Rose des Martyriums mit der Lilie jungfräulicher Reinheit.

 

Im Garten – nahe der Vorhalle des Vaterhauses – stand Agnes, rings von Lilien umblüht. Ihr Gewand schimmerte rein wie diese Lilien; ihre rechte Hand hielt Lilienblüten zum Himmel. Ihr Auge blickte so selig empor, als könnte sie schon den Heiland in seiner Zärtlichkeit schauen. Vertraulich sprach Emerentia, die treue Gefährtin: „Wie glücklich bist du, vom lilienweißen Taufkleid umschimmert! Wann erblüht mir solches Glück?“

 

Agnes blickte noch fröhlicher empor. „Wie glücklich werden wir beide bald im himmlischen Lichtgewand dem Lamm Gottes folgen und mit den seligen Jungfrauen das neue Lied singen!“

 

Erst 13 Jahre zählte sie und entsagte doch großmütig den Ehren und Freuden der Welt, wählte dafür lieber die Nachfolge des armen Heilandes, ja sogar den blutigen Martertod für den Glauben, so recht im Sinne des Liedes:

 

Christus ist mein Leben,

Sterben mein Gewinn;

O, für Seine Liebe

Geb` ich alles hin.

Mag die Welt auch nennen

Töricht, blöd mein Tun,

Nur in meinem Jesus

Will ich stille ruh`n.

Will Sein Kreuz umfangen,

Arm, gekreuzigt sein.

Herr, nur Deine Liebe

Gib mir, die allein!

 

Große Gefahren drohten ihrer Unschuld, aber voll Vertrauen erklärte sie: „Jesus Christus ist meine Schutzwehr, und mein heiliger Schutzengel schläft nicht.“ So konnten die schwersten Versuchungen ihr nichts schaden, den Lilienkranz des reinen Herzens nicht trüben, wie das Feuer des Scheiterhaufens ihren edlen Leib nicht verzehren konnte. Grimmig befahl nun der heidnische Richter, sie mit dem Schwert zu töten. Zitterte wohl die zarte Jungfrau vor dem scharfen Todesstreich? O nein, sie ermuntert sogar den Scharfrichter: „Was zögerst du? Zugrunde gehe dieser Leib, der da geliebt werden kann von Augen, die ich nicht will! Der Tod ist mir fürwahr der Anfang eines neuen Lebens.“ Unschuldig, geduldig gleich dem Opferlämmlein gab sie Blut und Leben hin – am 21. Januar 304. Sogleich flog ihre Seele glückselig empor zum ewigen Leben des Himmels.

 

Auch ihr heiliger Leib fand große Herrlichkeit; darüber steht das trauliche Heiligtum. Freudig besuchen viele Rompilger dieses Heiligtum und treten durch die Reihen der kostbaren Säulen zum Hauptaltar. Da leuchtet das Marmorbild der Heiligen, von kunstreichem Baldachin überwölbt. Lilienblüten schimmern am Altar und prangen mit schneeweißem Glanz; durch die roten Vorhänge der Fenster dringt heller Sonnenschein mit rosenfarbigem Schimmer. Weiß und rot mahnen so sinnig, dass hier unter dem Altar der Leib einer so glorreichen Märtyrerin ruhe neben den Reliquien ihrer treuen Gefährtin Emerentia, die gleichfalls den Martertod erlitten hat.

 

Am 21. Januar prangt dieses Heiligtum in höchster Festzierde, bekränzt mit Blüten und durchglänzt von Lichtern. Und acht Tage darauf wird hier noch eine lichte Erinnerung an Sankt Agnes gefeiert, das Andenken ihrer Erscheinung. So lieblich meldet ja die Legende: Vater und Mutter gingen oft zum Grab der hochbegnadeten Tochter. In einer Nacht nun sahen sie, wie vom Himmel her eine wundersame Prozession kam, eine Reihe von Jungfrauen in blütenweißen Kleidern. Auch Agnes war dabei und sagte tröstlich zu den Eltern: „Weint nicht über meinen Tod, sondern freut euch vielmehr mit mir. Ich habe ja im Himmel einen herrlichen Thron bekommen und bin jetzt bei dem, den ich auf Erden über alles geliebt habe, beim Herrn Jesus Christus.“ Und aufwärts zog wieder die selige Prozession – wohin?

 

Dort zu dem Himmelsgarten,

Zur ewig grünen Au,

Wo heil`ge Engel warten

Der Blumen weiß und blau;

Wo keine Wetter ziehen,

Die Sonne ewig scheint,

Und ew`ge Blumen blühen,

Und nie ein Auge weint.

 

Seit sechzehnhundertfünfzig Jahren verkündet die Kirche das Lob der heiligen Agnes. Die größten Kirchenlehrer feiern ihren Ruhm. Berühmte Päpste haben ihr Leben und Sterben begeistert geschildert. Ihr zu Ehren haben Dichter ohne Zahl ihre Lieder gesungen. Zahllos sind auch die Kirchen, die ihr geweiht sind, und Millionen Frauen und Mädchen trugen zu allen Zeiten und tragen heute noch ihren Namen. Die heilige Agnes gehört zu den ganz Großen im Himmel und auf Erden.

 

Was hat sie denn so groß gemacht?

 

Agnes wurde als Tochter eines vornehmen römischen Hauses im Jahre 291 geboren. Schon als Kind war sie schön wie eine Rosenknospe. Später staunten alle Menschen, die sie sahen, denn so viel Liebenswürdigkeit und Schönheit und Freundlichkeit wie bei ihr findet man selten bei einem einzelnen Menschen.

 

Schön war Agnes von Gestalt, und noch weit herrlicher entfaltete sich die Schönheit ihrer Seele. Rein wie die weiße Wolle eines Lammes war ihr Herz, wie Schnee, über den noch kein Fuß gegangen ist. Und bald auch blühte in ihrem Herzen die Liebe zum schönsten und herrlichsten Bräutigam, den es gibt, zu Christus, dem König der reinen Seelen. Mit diesem unvergleichlichen Bräutigam verband sich Agnes für immer und ewig durch ein Gelübde.

Angelockt durch die Art und die Erscheinung des Mädchens, bat eines Tages ein vornehmer heidnischer junger Mann um die Hand der Heiligen. Sie aber, die an irdische Liebe nie gedacht hatte, gab zur Antwort:

 

„Du kommst zu spät. Ein anderer ist dir zuvorgekommen. Ich bin bereits verlobt. Mein Bräutigam ist der, dessen Schönheit Sonne, Mond und Sterne bewundern und dessen Mutter eine Jungfrau ist. Mit einem Ring hat mich Jesus Christus, der Herr, sich verbunden, und wie eine Braut hat er mich mit einem Kranz geschmückt.“

 

So sprach Agnes. Hohe, heilige Worte waren es, mit denen sie sich offen als Christin bekannte.

 

Es war damals die Zeit der Christenverfolgung, und so ging der enttäuschte Bewerber hin und klagte die Christusbraut, die ihn abgewiesen hatte, bei dem heidnischen Richter an.

Der Richter ließ die Bekennerin aus dem Elternhaus holen und sich vorführen. Mit freundlichen Worten forderte er sie auf, zum Zeichen des Abfalls vom wahren Glauben vor einem Götzenbild Weihrauch zu verbrennen. Schmeichelnd versprach er ihr dafür alles Glück der Welt. Doch Agnes schüttelte ernst, aber bestimmt den Kopf. Irdisches Glück ließ sie kalt, und deshalb weigerte sie sich, Weihrauch zu streuen, um dem himmlischen Bräutigam nicht untreu zu werden.

 

Da stieß der Richter schreckliche Drohungen aus und zeigte ihr die grauenhaften Marterwerkzeuge, wie sie damals gegen die Christen angewandt wurden: klirrende Ketten, eiserne Krallen, blutbespritzte Foltern, die wilden Tiere und die lodernden Flammen des Scheiterhaufens. Doch auch dadurch ließ sich Agnes nicht einschüchtern. Sie stand in Treue fest zu Christus. An dieser Treue änderte sich auch dann nichts, als sie zum Tod durch Enthauptung verurteilt wurde.

 

Wie sie den Martertod erlitt, beschreibt der heilige Bischof Ambrosius von Mailand, der die Geschichte noch von Augenzeugen erfahren hat, so schön, dass es ihm schöner keiner nacherzählen kann.

 

„So schreitet keine Braut dem Bräutigam entgegen“, erzählt der heilige Ambrosius, „wie diese Jungfrau fröhlichen Schrittes zur Marterstätte eilt. Alle Leute weinen, einzig ihre Augen bleiben tränenleer. Ringsum staunt man, dass sie ihr Leben so leichten Herzens hingibt ... Ruhig steht sie da, betet und neigt den Nacken. Da konntest du den Henker zittern sehen ..., seine Hand bebt, bleich sind seine Lippen ..., bis Agnes ihm zuruft: Warum zögerst du, Henker?“

 

So berichtet der heilige Ambrosius von dem glorreichen Tod der Christusbraut Agnes, und voll Bewunderung fährt er fort:

 

„Mädchen ihres Alters weinen über einen Nadelstich, als hätten sie sich schwer verletzt, sie aber stand unerschrocken vor dem Henker. Sie hatte kaum eine Ahnung, was Sterben heißt, und schon ist sie bereit, ihr junges Leben unter dem Schwert auszuhauchen. So viele Menschen nun ihren Namen aussprechen, so viele Herolde verkünden den Ruhm dieser jungfräulichen Martyrin.“

 

Bei Ausgrabungen im Jahre 1901 in Rom wurde der silberne Sarkophag wiederentdeckt, den Papst Pius V. für die Hll. Agnes und Emerentiana hatte anfertigen lassen. Der Sarg enthielt den kopflosen Körper eines jungen Mädchens. In allen Überlieferungen zum Martyrium der Heiligen wird die Furchtlosigkeit hervorgehoben, mit der das junge Mädchen ihren Peinigern gegenübertrat.

 

Die heilige Agnes

 

Es war am 21. Januar des Jahres 304 nach Christi Geburt, als die heilige Agnes den Märtyrertod erlitt. Noch so jung, erst im 13. Lebensjahr stehend, war sie schon im Guten vollendet. Ihr heiliger Engel, der im Leben ihr so treu zur Seite gestanden hatte, führte die reine, unschuldige Seele zum Himmel empor. Allem Erdenleid für immer entrückt, wird sie von den Engeln und Heiligen als Teilnehmerin an ihrer Seligkeit begrüßt. Sie schaut – o welche Freude! – nun zum ersten Mal ihren göttlichen Bräutigam, den sie so treu geliebt, nach dem sie so glühend verlangt hat. Nun besitzt sie Ihn und nichts mehr vermag sie von Ihm zu trennen. Liebend schließt Er sie in Seine Arme, krönt sie mit der Doppelkrone der Jungfräulichkeit und des Martyriums und lässt sie für alle Ewigkeit teilnehmen an seiner himmlischen Herrlichkeit.

 

Die Glorie und Freuden, in der sie nun lebt und ewig leben wird, beschreiben zu wollen, wäre eitles Beginnen. Kein Menschenauge ist fähig, den Glanz zu ertragen, keine Menschenbrust kann die Wonne verkosten, keine Engelszunge kann die Herrlichkeit verkünden, die Gott im himmlischen Paradies jenen bereitet hat, die Ihn lieben (1 Kor 2). Und Agnes gehört zu Seinen auserwählten Bräuten, zu jenen bevorzugten Heiligen, die das Kleid der Jungfräulichkeit unbefleckt vor den Thron des Lammes gebracht haben. Strahlend in leuchtendem Gewand, die Siegespalme in der Rechten, ihr Herz erfüllt von unbeschreiblicher Seligkeit, folgt sie, eine der ersten in der Schar der Jungfrauen, dem Lamm, wohin es immer geht, und singt mit ihnen ein Lied, das nur sie zu singen vermögen (Offb 14). Ewig prangt sie mit der Siegeskrone, die der besondere Lohn der Jungfrauen ist für die Siegreichen Kämpfe zur unbefleckten Bewahrung ihrer Keuschheit (Sir 4).

 

Aber auch auf Erden hat der Herr Seine Braut verherrlicht und durch alle christlichen Jahrhunderte ist ihr Andenken glorreich geblieben.

 

Kaum hatte das unschuldige Mädchen sein Leben ausgehaucht, da drängten die Christen sich hinzu, um in den Tüchern das Blut der jugendlichen Märtyrerin aufzufangen, das sie als teures Andenken und wertvolle Reliquie mit sich nach Hause nahmen. Den heiligen Leib ließen ihre Eltern auf einer ihrer Besitzungen in der Nähe der Stadt Rom ehrfurchtsvoll bestatten. Die Christen kamen in großer Zahl zum Grab der Heiligen, um dort zu beten, durch ihr Beispiel sich zu ermutigen und durch ihre Fürbitte Kraft zu erflehen für ihren Glauben. Manche erlitten dort, von den Heiden überfallen, den Märtyrertod. Unter diesen war auch Emerentiana, ein Mädchen, das mit Agnes vom gleichen Alter, jedoch noch nicht getauft war. Als Emerentiana den Heiden mutig entgegentrat und ihnen unerschrocken ihre Ruchlosigkeit vorhielt, wurde sie von der wütenden Menge zu Tode gesteinigt. So empfing sie die Bluttaufe. Im selben Augenblick erfolgte jedoch ein furchtbares Erdbeben, begleitet von Donner und Blitz, wodurch viele getötet wurden, so dass man es fortan nicht mehr wagte, hier die Christen zu belästigen.

 

Am teuersten war die Grabstätte der heiligen Agnes ihren Eltern. Täglich besuchten sie das Grab, um dort zu beten. Sie freuten sich wohl innig über das Glück ihres Kindes, aber es tat ihnen doch weh, es nicht mehr bei sich zu haben. Da erschien ihnen eines Abends, als sie zusammen mit vielen anderen an dem Grab ihrer Tochter beteten, Agnes, von blendendem Licht umstrahlt und begleitet von vielen Jungfrauen, ein glänzend weißes Lämmlein auf ihren Armen tragend. „Seid nicht traurig“, so tröstete sie freundlich ihre Eltern, „dass ihr mich verloren habt, sondern freut euch wegen meines Glücks. Denn seht, ich schaue nun, wonach ich verlangte und besitze, was ich gehofft habe. Ich bin nun vereint im Himmel mit Ihm, den ich auf Erden mit ganzer Inbrunst geliebt habe.“ Hierauf verschwand die Erscheinung; die Eltern aber waren durch diese Worte sehr erfreut.

 

Das Grab der heiligen Agnes blieb in großen Ehren und ihre Verehrung breitete sich immer weiter aus. In allen Kirchen und Sprachen des Erdkreises wurde ihr Andenken geehrt, ihr Lob verkündet und ihr Fest gefeiert. Christliche Jungfrauen wählten sich die jungfräuliche Märtyrerin als Patronin und ehrten sie als Vorbild und Schützerin ihrer Unschuld. Konstantia, die Tochter des Kaisers Konstantin, erbaute über ihrem Grab eine Kirche und daneben ein Haus für fromme Jungfrauen, die dort unter dem Schutz der heiligen Agnes ein gottgeweihtes Leben führten. Diese Kirche zählt jetzt zu den schönsten Kirchen Roms. Sie birgt als kostbaren Schatz unter dem Hochaltar den größten Teil der Reliquien der heiligen Agnes. Die große Anzahl Weihegeschenke, die man in diesem Gotteshaus erblickt, geben Kunde von der Liebe und Verehrung, die der jugendlichen Heiligen gezollt wird und von den vielen Gebetserhörungen, die auf ihre Anrufung stattfanden.

 

Der Tag, an dem die heilige Agnes durch ihren blutigen Tod das ewige Leben fand, in der Sprache der Kirche „Geburtstag“ genannt, wird am 21. Januar gefeiert und sieben Tage darauf das Gedächtnis ihrer Erscheinung. Die priesterlichen Tagzeiten ihres Festes gehören zu den schönsten des Breviers. Ihr Name ist in den Kanon der heiligen Messe aufgenommen und Tag für Tag steigt unzählige Male von den Altären das Gebet um ihre Fürbitte zum Himmel empor. In Rom werden alljährlich an ihrem Grab zwei weiße Lämmlein gesegnet; aus deren Wolle werden die Pallien bereitet, die der Papst den Erzbischöfen verleiht und womit er ihnen Vollmacht gibt zur Ausübung ihrer Rechte.

 

Von vielen Heiligen ist es bekannt, dass sie eifrige Verehrer der heiligen Agnes waren. Dazu zählen unter andern der heilige Martin, dem sie wiederholt erschien, der heilige Thomas von Aquin, die heilige Brigitta, der selige Thomas von Kempen. Christliche Dichter besangen ihr Leben und berühmte Kirchenväter verkündeten ihr Lob. Insbesondere der heilige Ambrosius hat sie mit beredten Worten gefeiert.

 

So ist die heilige Agnes geehrt im Himmel und auf Erden. Sie hat, was der heilige Hieronymus von ihr preist, durch ihre Festigkeit und Ausdauer die Schwäche ihres Alters und die Wut des Tyrannen überwunden: das ist und bleibt ewig ihr Ruhm.

Die heilige Agnes war, was der heilige Augustinus an ihr rühmt, wirklich, was ihr Name andeutet, die Keusche und Reine, ein Lamm an Einfalt und Unschuld und treuer Anhänglichkeit an Jesus, den guten Hirten, von dem sie durch nichts sich trennen ließ: das verdiente ihr die Kronen der Jungfräulichkeit und des Martyriums.

 

Heilige Agnes, lass nicht ab, für uns zu bitten, damit wir in den Gefahren nicht erliegen und den Versuchungen standhaft widerstehen und so vom ewigen Verderben bewahrt, einst mit dir ewig uns in der Glorie des Himmels erfreuen mögen!

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3. Liebe zu den Verstorbenen

       

Das Grab hat für viele Menschen etwas Schauerliches und Erschütterndes. Es fällt ihnen schon schwer, einem teuren Angehörigen das letzte Ehrengeleit zu geben; später besuchen sie das Grab nicht mehr. Und doch hält das Grab an uns eine ernste und heilsame Predigt über die Hinfälligkeit alles Irdischen und mahnt zu himmlischem Sinn und Ringen nach unvergänglichen Gütern. Deshalb wählen viele Christen die Gräber der Heiligen zu ihren Lieblingsaufenthalten. Entzünden auch wir an den Gräbern eine innige Liebe zu den Verstorbenen, indem wir ihrer Leiden im Fegfeuer gedenken und ihnen Hilfe gewähren.

 

1. Am Grab eines teuren Angehörigen entringen sich der Brust schmerzliche Seufzer, heiße Tränen mischen sich in das angstvolle Schluchzen, und das Auge, tränennass, richtet sich von der frischen Gruft gen Himmel, um zitternd die Frage zu stellen: Wo weilt jetzt die Seele des Dahingeschiedenen? Ist sie im Himmel, im Fegfeuer oder in der Hölle? Wir schaudern vor dem Gedanken an die Hölle und trösten uns mit der Hoffnung, dass der Allbarmherzige über den Verstorbenen ein gnädiges Gericht gehalten habe. Hat sich der Himmel schon der abgeschiedenen Seele geöffnet? Aber welcher Erwachsene stirbt so rein und schuldlos, dass er sogleich in den Himmel kommt? Wenn aber die Seele des Gestorbenen weder im Himmel, noch in der Hölle ist, dann muss sie sich im Zustand der Läuterung, im Fegfeuer befinden. Dort leiden die armen Seelen Qualen, weil sie noch nicht bei Gott im Himmel sein können. Der heilige Augustinus versichert: „Jenes Reinigungsfeuer ist schärfer, als alles, was nur immer die Menschen in dieser Welt von Strafen erleiden, ausdenken oder empfinden.“ Und der heilige Thomas von Aquin lehrt: „Die allergeringste Strafe im Fegfeuer ist tausendmal größer, als die größte dieses zeitlichen Lebens.“ Stell dich im Geist an den Rand des Abgrundes und siehe, was die leidenden Seelen in jenem Läuterungsfeuer ausstehen müssen! Horch auf ihr Rufen: „Erbarmt euch meiner, erbarmt euch meiner, wenigstens ihr, meine Freunde!“ Sie selbst können nichts Verdienstliches mehr tun, können keine Stunde von ihren Qualen abkürzen, und müssen vielleicht noch lange büßen, wenn nicht ihre Brüder und Schwestern hier auf der Erde ihnen mit den Verdiensten guter Werke zu Hilfe kommen. Ihr Gefängnis wird sich nicht eher öffnen, bis der letzte Heller abgebüßt ist. Verschließe dein Herz nicht der mitleidigen Liebe, träufle einen erquickenden Tropfen in ihre durstende Seele!

 

2. Du kannst den armen Seelen viel Trost und Linderung gewähren. Jedes fromme Gebet, jedes verdienstliche Werk, jede heilige Messe, die du für sie lesen lässt und hörst, jeder Ablass, den du für sie gewinnst, jeder Verzicht, jedes Fasten und jede Selbstverleugnung kommt den armen Seelen im Fegfeuer zugute. So lehrt es der Glaube. Darum ertönt nach dem Hinscheiden eines Gläubigen die Totenglocke, damit die Glieder der Gemeinde zum Gebet für den Verstorbenen aufgefordert werden. Darum ruft der Priester am Grab: „Herr, gib ihm die ewige Ruhe, und das ewige Licht leuchte ihm.“ Darum bringt der Priester das heilige Opfer für den Verstorbenen dar. Der fromme und tröstliche Glaube, dass Gebete und gute Werke den Verstorbenen nützen, bestand schon im Alten Bund. Judas der Makkabäer sammelte 12000 Drachmen und schickte sie nach Jerusalem, damit ein Opfer für die Sünden der im Kampf Gefallenen dargebracht würde. Dazu bemerkt die Heilige Schrift: „Es ist ein heiliger und heilsamer Gedanke, für die Verstorbenen zu beten, damit sie von ihren Sünden befreit werden.“ Durch solche guten Werke werden die leidenden Seelen im Reinigungsort in ihrer Traurigkeit getröstet; ihre Schmerzen werden gelindert, die Zeit ihrer Gefangenschaft abgekürzt. Könntest du einen Blick tun in jenen grauenvollen Kerker, du würdest mit bewegtem Herzen und mit Tränen der Rührung wahrnehmen, wie dein Gebet, dein Almosen, deine heilige Messe das trauernde Angesicht deines leidenden Mitbruders, deiner in Flammen liegenden Mitschwester erheitert und Balsam in die brennenden Wunden träufelt. Willst du den Ärmsten der Armen deine Liebe, deinen Trost verweigern? Lass keinen Tag vorübergehen, ohne einen Tropfen Trost in die andere Welt zu senden! Die Seelen, die du durch deine frommen Fürbitten und christlichen Liebeswerke aus ihren Flammen befreist, werden am Thron der Gnade für dich bitten, damit du selbst nicht mit jenen schauerlichen Leiden gepeinigt wirst und bald zur seligen Anschauung Gottes gelangst. Amen.

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4. Lauheit in der Religion

       

Freudig bekannten die Märtyrer ihren Christusglauben, obgleich sie wussten, dass sie für dieses Bekenntnis einen schmerzlichen Martertod erleiden würden. Wir haben für das Bekenntnis und die Ausübung unserer Religion keine Verfolgung, keine Martern zu erwarten. Desungeachtet behandeln viele die Religion als die gleichgültigste Sache und gehen sorglos ihrem Verderben entgegen. Um aus diesem tödlichen Schlaf zu erwachen, betrachten wir die große Gefahr, in die uns die Lauheit in der Religion stürzt. Die Lauheit ist eine tödliche und zumeist unheilbare Krankheit der Seele.

 

1. Der Mensch ist schwach und zu Sünden geneigt von Jugend auf. Wird er nicht von oben gestärkt, so gleicht er dem Blatt eines Baumes, das von jedem Wind hin und her bewegt wird. Welcher Kraftanstrengung bedarf es, über die Regungen des Fleisches, über die lockenden Reize der Welt und über die Arglist Satans zu siegen! Wenn der Apostel Paulus, der in den dritten Himmel verzückt wurde, den Stachel des Fleisches fühlte und sich unaufhörlich kreuzigte, wie wird es den lauen und schwachen Christen ergehen? Wie ist es möglich, ohne ausdauerndes Gebet und heilige Betrachtungen, ohne Kampf und Enthaltsamkeit, ohne das göttliche Wort und das himmlische Manna die Reize der Sünde zu besiegen? Ohne die Kraft und Gnade des Herrn wird der Mensch ein Spielball der Leidenschaften werden. Wird Gott solchen lauen Christen einen außerordentlichen Beistand gewähren? Wird er Wunder wirken, wo man seine Gnade nicht gebrauchen will? Dieses zu glauben, wäre töricht, es zu hoffen, wäre vermessen. Gott drängt seine Gnade dem Menschen nicht auf, sondern teilt sie nur demjenigen in reichem Maße mit, der durch ihren heilsamen Gebrauch sich würdig erweist. Lässt aber der Mensch das Feuer der Liebe auf dem Altar seines Herzens erlöschen, so wird der Herr sich von ihm wenden und ihn verkümmern lassen gleich einer Pflanze, die der Tau des Himmels nicht mehr befeuchtet. Die Folge wird sein, dass der Mensch von der Lauheit zur Sünde, von der Sünde zum Laster, vom Laster zum Verderben fortschreitet. Wenn wir die großen Verbrechen unserer Zeit auf ihren Ursprung prüfen, so finden wir, dass Lauheit in der Religion der Anfang der sittlichen Verwilderung war. Hüten wir uns vor dieser tödlichen Krankheit!

 

2. Die Lauheit in der Religion ist gewöhnlich eine unheilbare Krankheit, weil der Laue seinen beklagenswerten Zustand nicht erkennt. Man verlässt den mühevollen Pfad der christlichen Pflichten, wandelt in dem reizenden Tal der Sinnlichkeit, man sieht die Tage des Herrn nur als Tage des Vergnügens an, man schmeichelt sich noch, ein guter Christ zu sein, während man die Krankheit des Todes in seinem Innern trägt. Wird man wohl die Krankheit in sich heilen wollen, obwohl man sich gesund glaubt? Vielleicht klagt man sich nie vor dem Seelenarzt seiner schwer sündhaften Trägheit in der Religion an und verachtet die Mittel der Besserung. Wie bedauernswürdig ist ein solcher Zustand! Der verrufenste Sünder bekehrt sich eher, als der laue Christ. Der Schächer bedurfte nur eines Gnadenblickes, und er bat voll Reue: „Herr, gedenke meiner, wenn du in dein Reich kommst!“ Aber der laue Christ wird durch die warnende und drohende Stimme Jesu nicht erschüttert, weil er sich für rein hält. Große Sünder werden durch den Stachel ihres Gewissens zur Buße getrieben, der Laue hingegen rechnet sich zu den Auserwählten. Solchen trägen Seelen droht der Herr Tod und Verderben an: „Weil du lau, und weder kalt noch warm bist, will ich dich ausspeien aus meinem Mund.“

 

Gott bewahre uns vor der Lauheit in der Religion! Haben wir bisher im Sündenschlaf gelegen, so möge uns die liebevolle Stimme unseres himmlischen Vaters wecken, damit wir nicht träumend in den verderblichen Abgrund fallen. Erforschen wir möglichst an jedem Tag unser Gewissen, ob wir in der Tugend voran oder rückwärts geschritten sind. Und klagt uns die innere Gottesstimme an, so lasst uns nach dem Rat des heiligen Paulus unseren Geist erneuern und den neuen Menschen anziehen, der nach Gott geschaffen ist in wahrer Heiligkeit und Gerechtigkeit! Amen. 

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5. Leibliche Werke der Barmherzigkeit

       

Die echte christliche Nächstenliebe äußert sich in dem Bestreben, an der Freude und dem Leid der Mitmenschen innigen Anteil zu nehmen und fremde Not möglichst zu lindern. Diese edle Gesinnung will sich auch in der Tat offenbaren, und die Werke, die sie ausübt, nennt man Werke der Barmherzigkeit. Sehen wir uns hier die leiblichen Werke der Barmherzigkeit an, in denen uns die Heiligen nachahmungswürdige Beispiele vor Augen stellen.

 

1. Die Hungrigen speisen, ist das erste Werk der christlichen Barmherzigkeit. Wer könnte sein Herz einem Hungrigen verschließen? Hunger tut weh. Darum mahnt der Herr: „Brich dem Hungrigen dein Brot!“ (Jes 58,7) Wer selbst schon Hunger gelitten hat, wird fühlen, wie es dem Armen oft zu Mute ist, und wird gern seine milde Hand öffnen und den Bedürftigen mit Lebensmitteln unterstützen. Ein solches Liebeswerk übte der fromme Hiob an den Hungernden. Die Witwe von Sarepta speiste den hungernden Propheten Elias und Gott segnete ihren Liebesdienst dadurch, dass das Mehl in ihrem Kasten und das Öl in ihrem Krug nicht abnahm und ihr gestorbener Sohn zum Leben erweckt wurde. Als das Volk hungernd bei Christus aushielt, sprach er: „Ich habe Mitleid mit diesen Menschen.“ Und er speiste viertausend Männer mit ihren Frauen und Kindern wunderbar mit wenigen Broten.

 

2. Die Durstigen tränken. „Hunger tut weh, aber der Durst brennt.“ Der göttliche Heiland duldete am Kreuz unnennbare Schmerzen und er schwieg, als ihn aber brennender Durst quälte, rief er aus: „Mich dürstet.“ Wenn nun unser Mitmensch, er sei krank oder gesund, die Qual des Durstes leidet, so wollen wir ihn nach Kräften erfrischen. Der göttliche Heiland sagt: „Wer einem unter diesen Geringsten nur einen Trunk kalten Wassers reicht, wahrlich, ich sage euch, er wird seinen Lohn nicht verlieren.“ Rebecca reichte dem Eliezer und seinen Kamelen Wasser am Brunnen und erhielt den Isaak zum Mann. Zu solchen Mitleidigen wird der Herr sprechen: „Ich war durstig, und ihr habt mir zu trinken gegeben.“

 

3. Die Nackten bekleiden. „Wenn du einen Nackten siehst, so bekleide ihn!“ mahnt der Herr. (Jes 58,7) Am Gerichtstag wird er zu den Gerechten sprechen: „Ich war nackt und ihr habt mich bekleidet.“ (Mt 25,35) Wie unchristlich und schändlich handeln jene Menschen, die sich selbst mit kostbaren Gewändern und Juwelen schmücken, während ihre Mitmenschen in Lumpen gehüllt, kaum ihre Blöße bedecken können! Ganz anders handelten von jeher fromme und heilige Seelen. Tobias verwandte einen großen Teil seines Vermögens dazu, um den armen Israeliten in Ninive Kleider zu verschaffen. Der fromme Hiob sagte zu seiner Rechtfertigung: „Habe ich einen, der vorüberging, verachtet, weil er kein Kleid hatte, und habe ich ihn ohne Bedeckung gelassen? Segneten mich nicht seine Lenden, wenn er warm wurde von den Fellen meiner Schafe?“ (Hiob 31,19-20) Bei dem entseelten Leichnam der Tabitha zeigten die armen Frauen dem Petrus die Kleider, die die gute Tabitha während ihres Lebens eigenhändig für sie verfertigt hatte. Gerührt warf sich Petrus auf die Knie nieder und erflehte der Mutter der Armen die Rückkehr zum Leben. Der göttliche Heiland mahnt: „Wer zwei Röcke hat, gebe einen dem, der keinen hat!“ Der heilige Augustin sagt: „Bedecke den Armen und Nackten, so werden deine Sünden bedeckt sein!“

 

4. Die Fremden beherbergen. „Die Durstigen und Herberglosen führe in dein Haus!“ (Jes 58,7) Und der Heiland spricht: „Wer ein solches Kind um meinetwillen aufnimmt, der nimmt mich auf.“ (Mt 18,5) Ein schönes Beispiel der Gastfreundschaft gibt uns Abraham, der die Fremden einlud, bei ihm einzukehren, sie reichlich bewirtete und ihnen die Füße wusch. Die Königstochter von Ägypten erbarmte sich des fremden Findelkindes Mose. Martha und Maria nahmen den Heiland in ihr Haus auf. Mit herzlicher Freundlichkeit lud die Purpurhändlerin Lydia den heiligen Paulus und seine Reisegefährten in ihr Haus ein: „Wenn ihr mich je für eine treue Jüngerin des Herrn haltet, so kommt in mein Haus und wohnt da!“ (Apg 16,5)

 

5. Gefangene befreien. Hier sind nur die unschuldig Gefangenen gemeint, die um des Glaubens, der Wahrheit und Gerechtigkeit willen im Gefängnis festgehalten werden. Mit den schuldigen Gefangenen soll man wohl Mitleid haben, soll sie zur Lebensbesserung ermuntern und für sie beten, aber sie aus ihrer Haft widerrechtlich befreien, hieße der Gerechtigkeit Hohn sprechen. Joseph tröstete und bediente mitleidsvoll seine gefangenen Brüder. Daniel verwandte sich nachdrücklich für die unschuldiger Weise eingesperrte Susanna. Die christliche Gemeinde betete für die Befreiung des gefangenen Petrus.

 

6. Kranke besuchen. „Ein kranker Mann ein armer Mann“, sagt das Sprichwort. An das Krankenlager gefesselt zu sein und dazu noch körperliche Schmerzen erdulden, ist gewiss ein beklagenswerter Zustand und fordert unser Mitleid heraus. Am wohltätigsten wirkt der Krankenbesuch, wenn man den Kranken durch erbauliche Gespräche tröstet, ihn zur Ergebung in Gottes Willen ermuntert, zum zeitigen Empfang der heiligen Sakramente bewegt, und seine Gedanken von irdischen Angelegenheiten zu himmlischen Begierden lenkt. In dieser Welt sorgten viele Heilige Frauen und Männer für die leiblichen und geistlichen Bedürfnisse der Kranken als barmherzige Samariter. Durch dieses Werk der christlichen Liebe sammeln sich die barmherzigen Brüder und Schwestern unsterbliche Verdienste um die leidende Menschheit.

 

7. Die Toten begraben. Den Verstorbenen ein anständiges Begräbnis zu gewähren, ihnen die letzte Ehre zu bezeigen, verweigert selbst der Heide nicht. Umso mehr soll der Christ seinem Glaubensgenossen den letzten Liebesdienst erweisen. Tobias verbarg die Leichen der Israeliten in seinem Haus und begrub sie um Mitternacht. Dieser Liebesdienst blieb nicht unbelohnt, denn der Engel Gottes sprach zu ihm: „Als du gebetet hast mit Tränen und die Toten begraben hast, da brachte ich dein Gebet vor Gott.“ Nikodemus und Joseph von Arimathäa begruben den Leichnam Jesu, und die heiligen Frauen und Johannes begleiteten ihn zur Grabesruhe. Sie alle wurden reichlich für diesen Liebesdienst gesegnet. – Gehe hin und tue auch du Werke der Barmherzigkeit! Amen.

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6. Latein in der Kirche

 

Wie weit noch Latein in der Kirche? - Eine englische Stimme.

 

von B. J. Gosling

Zusammenfassung aus „Liturgy“, Oktober 1949

Oscott College, Sutton Coldfield, Birmingham, England

 

Auf den Schlachtfeldern Frankreichs sah ich zum ersten Mal in meinem Leben Männer, die all das, was ich ihnen als Priester geben konnte, dringend notwendig brauchten.

 

Bei dem Größten aber, das ich ihnen geben konnte, der hl. Messe und den Sakramenten, war zwischen uns der Vorhang einer unbekannten Sprache. Nur in der Beichte waren sie richtig zu Hause und konnten ihre Fehler in ihrer eigenen Sprache bekennen und Trost und Ratschlag in Worten erhalten, die sie verstanden. Da der Besuch der hl. Messe für einen guten Katholiken Pflicht ist, gingen sie zur hl. Messe, knieten nieder und beteten, aber die meisten von ihnen nahmen keinen aktiven Anteil an der hl. Messe, weil sie die lateinische Sprache nicht kannten. Die hl. Kommunion und die Letzte Ölung trösteten und stärkten sie, weil sie wussten, dass es zu ihrem Besten war. Aber es war mehr ein Ritus, der an ihnen vorgenommen wurde. Sie waren nur die passiven Empfänger der Gnade und sie verhielten sich dabei, wie wenn sie auf dem Operationstisch unter der Hand des Chirurgen lagen.

Der Krieg ging zu Ende, und ich kehrte zu meiner eigenen kleinen Pfarrei in die Heimat zurück. Da hatte ich es mit demselben Problem zu tun. Meine Pfarrkinder, brave, anständige Menschen, waren vollständig unwissend in der Liturgie. Sie nahmen sie mit erhabenem Glauben hin, ohne sie zu verstehen, und waren zufrieden, dass es so sein sollte, weil sie irgendwie das Gefühl hatten, dies sei der Preis, den sie dafür zu zahlen hätten, dass sie einer Weltkirche angehörten. Ich aber begann, mich zu fragen, ob dieser Preis nicht zu hoch sei für etwas, was für sie und alle Völker der ganzen Welt keinen Nutzen hat.

 

Wenn alle Leute in einem Kloster leben würden oder es hier nur um Privatandachten ginge, so dass man sich um die übrige Welt nicht zu kümmern brauchte, so würde ich das Latein gerne und begeistert beibehalten. Aber ich bin ein Landpfarrer, und nicht ein einziges meiner Pfarrkinder ist imstande, ein Messgebet zu übersetzen.

 

Wir Katholiken leben nach der Heiligen Schrift und der Überlieferung, geleitet durch die Autorität des Heiligen Stuhles. Wir sind daher von Natur konservativ eingestellt. Es ist für uns nicht leicht, einen Brauch, der uns überliefert worden ist, anzuzweifeln. Unser katholisches Gewissen ist misstrauisch gegen neue Wege und neue Begriffe, und die Erfahrung hat uns auch gelehrt, dass Vorsicht durchaus am Platz ist. Aber das Alter allein rechtfertigt noch nicht alle Handlungen und Bräuche, wenn es auch von uns Respekt für sie fordert. Selbst Papst Pius XII. warnt uns, gerade in dem Erlass, in dem er überstürzte Neuerungen im Gottesdienst verwirft, vor den Gefahren des übermäßigen Hängens am Alten.

 

Wir haben kräftige Ausdrücke für Personen, die Wörter gebrauchen, die sie nicht verstehen. Nur in der Liturgie erlaubt man, Wörter zu gebrauchen, die unverständlich sind, ja man verteidigt und befürwortet diesen Gebrauch sogar.

 

Man sagt, dass es geziemend sei, die Geheimnisse der Religion auch in eine geheimnisvolle Sprache zu kleiden. Aber diese Erklärung unterscheidet nicht zwischen Geheimnis und Geheimnistuerei. Dies letztere Wort bezeichnet das Okkulte, Geheimnisvolle, Dunkle. Die Geheimnisse unserer Religion sind aber nicht geheimnisvoll in diesem Sinn. Wer behauptet, dass sie das seien, der schlägt damit den ersten falschen Schritt zum Magischen und zum Aberglauben ein. Der Geist der katholischen Kirche aber hat immer die entgegengesetzte Richtung gezeigt, und ihr Gebet ging immer nach mehr Licht und Klarheit.

 

Nun verteidigt man den Gebrauch des Lateinischen auch für die, die es nicht verstehen, mit anderen, mehr verstandesmäßigen Gründen. Die Verteidiger des Lateins geben zu, dass eine nicht verstandene Sprache beim Gottesdienst nachteilig und bis zu einem gewissen Grad sogar unlogisch ist. Sie behaupten aber, dass das Wesen des Gebetes darin bestehe, Herz und Sinn in Lobpreis und Anbetung zu erheben. Dafür aber sei ein genaues und verstandesmäßiges Wissen der verwendeten Worte gar nicht nötig.

 

Die Antwort auf diese Verteidigung besteht darin, dass ein großer Teil der gottesdienstlichen Liturgie den Zweck hat, uns über Gott zu belehren. Durch den Gebrauch unserer Muttersprache aber würden wir eine tiefere Erkenntnis von Gott und eine verständnisvollere Teilnahme an den heiligen Geheimnissen erreichen. Ich habe nichts gegen die lateinische Sprache als solche. Ich fordere nur eine Änderung der Sprache für die, die kein Latein verstehen, und zwar nur bei jenen Zeremonien und gottesdienstlichen Handlungen, an denen das Volk selbst teilnehmen soll. Würde man diese Zeremonien und gottesdienstlichen Handlungen der Kirche und die Spendung der Sakramente in der Muttersprache ausführen, so würde dies das religiöse Leben der Teilnehmer ungeheuer stärken.

 

Einen Einwand jedoch gibt es gegen die Verwendung der Muttersprache bei der Liturgie, auf den ich keine Antwort weiß: die Kirchenmusik. Soll das alles verschwinden? Ich bin kein Musiker, aber ich konnte nie einsehen, warum man nicht auch kirchliche Hymnen und Psalmen in englischer oder deutscher Sprache nach den Melodien des gregorianischen Chorals sollte singen können. Wenn wir die heilige Messe unangetastet lassen, wie viele Mitglieder liturgischer Vereinigungen es fordern, dann würde es sich einzig und allein um die kirchlichen Hymnen und Psalmen drehen. Aber Anhänger des gregorianischen Gesanges, einige, nicht alle, sagen mir, ich würde unvernünftig reden, wenn ich wirklich den Vorschlag machen wollte, einen englischen oder deutschen Text auf gregorianische Melodien zu singen. Sollte das stimmen, dann muss ich mich auf meine zweite Verteidigungslinie zurückziehen. Sicherlich wird mir doch auch der begeisterte Gregorianer zugeben, dass man nicht annehmen kann, dass die Fähigkeit, Kirchenmusik zu komponieren, mit dem 15. Jahrhundert aufhörte. Die englische Hochkirche scheint würdige und passende Kirchenmusik für englische Texte hervorgebracht zu haben. Das hervorragendste Kennzeichen des gregorianischen Chorals ist, dass er aus den lateinischen Worten herausgewachsen ist. Ist es wirklich unmöglich, eine Musik zu schaffen, die aus englischen oder deutschen Worten entsteht?

 

Der Vorschlag, die Muttersprache bei der Liturgie zu verwenden, bekommt immer mehr Anhänger. Alles deutet in diese Richtung. Ein Kirchenhistoriker sagte mir, dass die Bewegung für die Volkssprache das unmissverständliche Kennzeichen trage, das jede erfolgreiche kirchliche Reform in der Geschichte gekennzeichnet hat: nämlich dass das Verlangen danach sich plötzlich, gleichzeitig und ohne Vorbereitung oder Übereinkommen überall in der katholischen Welt einstellt. Sicherlich zeigt die gegenwärtige Bewegung dieses Kennzeichen. In Belgien, Frankreich, Deutschland und Österreich war dieser Ruf nach einer Reform so stark, dass er in einigen Fällen dazu führte, dass man die Grenzen der Klugheit überschritt und dass zu hitzige Vertreter zurückgewiesen werden mussten. Aus Südafrika und Indien hörte man solche Stimmen, und die geistlichen Oberhirten Australiens unterstützten die Bewegung. In den Vereinigten Staaten hat sich eine Gesellschaft für den Gebrauch der Muttersprache gebildet, und was noch wichtiger ist, die Bewegungen im katholischen Volk finden auch Sympathie und Ermutigung von oben. Der Heilige Stuhl erteilte der Diözese Lüttich die Erlaubnis, bei der Spendung der Taufe, der Ehe und der Sterbesakramente Französisch oder Flämisch zu gebrauchen. Und die heilige Ritenkongregation hat für Deutschland ein neues Ritual gebilligt, in dem alle Gebete mit Ausnahme der lateinischen sakramentalen Formeln in Deutsch enthalten sind.

 

Diese Entwicklung findet ihren Antrieb in den Worten Pius` X.: „Der aktive Anteil an den heiligsten Geheimnissen und am öffentlichen und feierlichen Gebet der Kirche ist die erste und unerlässliche Quelle wahren christlichen Geistes.“ Und sie finden ihre Rechtfertigung in den Worten unseres jetzigen Heiligen Vaters: „Der Gebrauch der lateinischen Sprache, wie er in einem beträchtlichen Teil der Kirche herkömmlich ist, ist eine Kundgebung und ein schönes Zeichen der Einheit und zu gleicher Zeit ein wirksames Gegenmittel gegen jede Verderbnis der wahren Lehre. Trotzdem kann der Gebrauch der Muttersprache in Verbindung mit verschiedenen Riten von großem Vorteil für das Volk sein.“

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7. Liebe zur Kirche

 

Liebst du die Kirche?

 

Das Verhältnis der Menschen zur Kirche bewegt sich innerhalb der Gegenpole Hass und Liebe, zwischen denen die Stufen Gleichgültigkeit, Achtung und Bewunderung liegen. Jeder einzelne Mensch kann im Laufe seines Lebens diese Gefühlsstufen durchschreiten, aufwärts und leider auch abwärts steigend. Wie ist dein Verhältnis zur Kirche? Liebst du die Kirche?

 

Wenn es dich drängt zu wissen, wie es der Kirche ergeht, nicht nur in deinem eigenen Land, sondern an allen Ecken und Enden der Welt – dann liebst du die Kirche.

 

Wenn die Erfolge der Kirche dein Herz mit Freude erfüllen und in deinen Alltag hineinstrahlen wie die Fortschritte in deinem eigenen Schaffen – dann liebst du die Kirche.

 

Wenn du, wo dir das geistliche Gewand der Kirche an einem Priester, an einem Mönch, einer Klosterfrau auf der Straße begegnet, dich freust über diese Begegnung mit der Kirche und unwillkürlich ihr den Gruß der Freundschaft entbietest – dann liebst du die Kirche.

 

Wenn du der lehrenden Kirche nicht nur dem Buchstaben nach gehorchst, sondern, dem Gebot zuvorkommend, der besorgten Mutter die Wünsche an den Augen abliest – dann liebst du die Kirche.

 

Wenn die Sorgen der Kirche auch dir auf den Nägeln brennen und du die ihr zugefügten Beleidigungen wie einen Faustschlag ins eigene Gesicht empfindest – dann liebst du die Kirche. 

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8. Lärm

Fulko Groner

Gekürzt aus „Der Fährmann“,

Christophorus-Verlag, Freiburg/Br.,

Haus Herder, Oktober 1946

 

Mit den Worten „Stille . . . stille . . .“ verabschiedete sich die heilige Elisabeth von Thüringen am 17. November 1231 vom Lärm dieser Welt, um in die beseligende Stille der Ewigkeit einzugehen.

 

Die Geschichtsschreiber geben den Jahrhunderten ihre Namen: „Zeitalter der Reformation“, Zeitalter der Aufklärung“, - das unsere könnte man „Zeitalter des Lärms“ nennen. Welch ein Radau auf dieser Erde! Tausende von Motoren heulen auf und bringen ihre Maschinen in Bewegung, und jede von ihnen hat ihr eigenes Geräusch: da hackt die Nähmaschine, dort summt der Staubsauger, zischend fährt beim Schreiner das gezackte Blatt der Kreissäge ins Brett, dahinter brummt in unbändiger Kraft die Hobelmaschine, aufgellt die Fräse, heulend stößt der elektrische Bohrer ins Holz. Geh zum Schuster, zum Drechsler, zum Metzger: überall schwirrt und rasselt, zischt und pfeift es.

 

Und wenn wir erst an die „Industrie“ denken! Man hält sich die Ohren zu und schreit aus Leibeskräften, um einander zu verstehen. Schau auf die Straße! Welch ein Lärm! Schwätzende, lachende, schreiende Menschen, regellos durcheinanderlaufend . . . ssst, sst, huschen die Limousinen vorbei, Lastwagen rattern hinterdrein, Straßenbahnen rumpeln, Hupen, Schellen, Läuten . . . alles zehnfach, hundertfach, tausendfach, eine brodelnde Sinfonie des Lärms. Sollen wir noch an den Krieg erinnern, dieses Schrecklichste aller Weltgetöse?

 

Allein, wir meinen nicht bloß den Lärm, der von den Geräuschen kommt und das Trommelfell erschüttert. Der nimmt dem Menschen nur die äußere Stille. Schlimmer ist die Unruhe, die von innen herauskommt, von der Gier der unsteten Sinne.

 

Die moderne Zeit mobilisiert wahrlich alle Künste, um dem Menschen „etwas zu bieten“. Aus allen Winkeln, Schaufenstern, Reklamesäulen winkt und lockt es: Schau her! Hör zu! Komm herein! Nimm auch davon!

 

O dieses gehetzte, ruhelose, nervenzuckende Menschheitswild!

 

So sind die heutigen Menschen: vibrierende Wesen im Lärm ihrer Zivilisation und in der Unrast ihrer sinnlichen Habsucht. Kein Wunder, dass wir „so weit“ gekommen sind.

 

Wo sind die Leistungen des Geistes, hervorgegangen aus einer Seelen- und Leibesruhe sondergleichen, deren sich das „Volk der Denker und Dichter“ jahrhundertelang rühmen durfte? Wo sollen wir die stillen Stuben suchen, darin die Staffeleien und Schnitzbänke, die Zeichentische und Notenpulte der Künstler stehen, die mit der Genialität eines Erwin von Steinbach, eines Dürer, eines Riemenschneider und Mozart Werke unvergänglicher Kunst schaffen? Wie selten sieht man Gesichter, aus denen der Ausdruck einer Seele schaut! Und wo sind erst die Heiligen?

 

Sie sind nicht da, weil der Welt die Tiefe des Schweigens fehlt. Alles Große aber kommt aus der Tiefe.

 

Die wunderbarsten und gewaltigsten Dinge wachsen aus der lautlosen Stille. Das Samenkorn fällt in die Erde, und siehe, es beginnt ein Zersetzen und Zusammenfügen, Zellen reihen sich an Zellen, zueinanderstrebend nach dem geheimnisvollen Plan der Pflanzenseele. Wie die Säfte steigen, die Kraft sich sammelt, der Frühling kommt, stößt sieghaft der Keim durch die harte Kruste des Bodens, noch ein paar Tage, und es lacht ein leuchtender Blumenkelch der Sonne entgegen. Hast du etwas von all dem Wunderbaren gehört, ein Geräusch, einen Ton, irgendetwas Aufsehenerregendes?

 

Denk an das Kind unter dem Herzen der Mutter. Es tut keinen Schrei, keinen Klang und keine Silbe vernimmst du: auf einmal ist es da, das herzige Ding und – schreit, aber neun Monate hat es zuvor geschwiegen in der stillen Wiege des mütterlichen Schoßes.

 

Das gewaltigste Ereignis, das es gibt auf dieser Welt, vollzieht sich in ebensolcher Stille: die Konsekration in der heiligen Messe. Brot und Wein verlieren auf den Anruf des Priesters hin ihre Wesenheit, und gegenwärtig wird Christus, der Herr, der König des Weltalls. – Und wiederum horchst du vergebens: kein zusammenstürzen, kein himmelerschütterndes Herunterbrausen, kein Gesang der Cherubim.

 

Und auch bevor die Hämmer in den Werkstätten lärmten, die Motoren heulten und die Flieger brausten, war irgendwo ein Stiller im Land, im Laboratorium, am Schreibtisch, in der Tiefe lautlosen Nachdenkens, dem die Idee erst kommen, dem der Gedankenblitz erst im Hirn aufflammen musste, und er brauchte keinen Krach und keinen Donner, nur die erleuchtete, schöpferische Stimme.

 

Alles Große kommt aus dem Land des Schweigens. Du fragst vielleicht: „Was geht mich das an? Ich bin ein Kleiner!“ – Ach nein, du hast etwas ganz Großes in dir, deine Seele, und die kann nur gedeihen und wachsen, wenn´s ein wenig still ist ringsum!

 

Willst du´s nicht glauben? Dann schau auf den Herrn und Meister, dem wir doch alles abschauen wollen! In der „stillen, heiligen Nacht“ kam er zur Welt, dreißig Jahre lang verweilte er in der namenlosen Verborgenheit von Nazareth. O diese Stille! Es klingt so süß wie das Spiel einer Windharfe: das Idyll von Nazareth und das spielende Knäblein Jesus. Nichts beschämt mich immer so und müsste die prahlerische Welt so beschämen, nicht einmal Jesu Predigt und Liebestaten, wie dieses dreißigjährige Schweigen, das keiner der vier Evangelisten zu brechen wagt. In diesem Schweigen steht ein wichtiges Wort: Vorbereitung! Dreißig Jahre Vorbereitung ist nicht zu viel, um die Jahrtausende hinter und vor sich gutzumachen und die verbildete und entseelte Zeit wieder an die Ewigkeit zu gewöhnen. Dreißig Jahre Schweigen ist nicht zu lange, um dann so zu reden, dass jedes Wort feststeht und bleibt.

 

Und hier, Bruder Mensch, schäme dich mit mir über unsere Maulseligkeit! Wir reden zu früh und schweigen zu spät. Das Heilige und Heiligende einer schweigsamen Vorbereitung kennen wir nicht mehr.

 

Geh nach Nazareth und lerne da, dass selbst der Größte erst ein still und langsam wachsendes Blümlein zu Nazareth war, ehe er die große Erlösungsfrucht reichte.

 

Und bevor er endlich öffentlich auftrat, tauchte er für sechs Wochen hinein in eine viel lautlosere Stille: vierzig Tage in der Wüste, stumme Steine zu seinen Füßen, die steile Wand des wolkenlosen Himmels über ihm, atemloses Schweigen ringsum, keines Vogels Pfiff, nicht das Rascheln des fallenden Blatts, Stille, Stille, nur Er allein, ganz allein – mit dem Vater. – Dann aber schreitet er in die Welt, tut seinen Mund auf, setzt Taten auf diese Erde, dass sie in Aufruhr gerät bis auf den heutigen Tag. Aber immer wieder treibt es ihn zurück aus dem Getümmel des Kampfes und der Arbeit in die Ruhe der Einsamkeit. Mit Bedacht wählt er sich dazu ganz bestimmte Orte und Zeiten aus, sei es, dass er sich „beim ersten Morgengrauen“ an einen „einsamen Ort“ begab, oder „ganz allein“ fortging „auf einen Berg“; sei es, dass er „nach seiner Gewohnheit“ unter den schweigenden, uralten Bäumen des Ölgartens kniete oder die dunkle Nacht sich erwählte: dort, in der stillen Einsamkeit, gewinnt er die Kraft seiner Seele und findet er Gott, seinen Vater.

 

Sie machten es ihm nach, alle Eiferer des Geistes und die Besorgten um die arme Seele. „Flucht aus dem Sinnenbabel der Welt!“, hieß die Parole altchristlicher Jahrhunderte, und sie zogen in die Wüste hinaus und nannten sich „Einsiedler“, „Anachoreten“ (die Zurückgezogenen), „Mönche“ (solche, die allein sind). Aus ihren Reihen stammt ein heiliger Antonius, ein heiliger Johannes Chrysostomus, berühmtester Prediger des Altertums und nachmaliger Erzbischof von Konstantinopel, ein heiliger Hieronymus, weltberühmter Sprachgelehrter und Bibelübersetzer.

 

Der heilige Benedikt zog eine Mauer um das Haus seiner Getreuen, eine Mauer, an der die Flut des irdischen Lärms zerschellen sollte, und nannte sein Haus „claustrum“ oder „Kloster“, das „Umschlossene“. Darinnen stellte er „das heilige Gesetz des Schweigens“ auf. Stille, Wandelhallen, Kreuzgänge genannt, umzogen es innen im Geviert, so dass ein „Quadrum“ entstand, ein Blumengarten, als Symbol des Paradieses. Jeder seiner Brüder bewohnte eine Zelle zum Alleinsein. Die Kleidung ist stets dieselbe, keiner Mode und keinem „Schnitt“ unterworfen. – So machte es Benedikt von Nursia, der Retter des Abendlandes vor der Barbarei der Völkerwanderung, und so ähnlich alle anderen Ordensgründer und –gründerinnen. Welche Leistungen der Kultur sind aus ihren geistlichen Festungen hervorgegangen und wie viele Heilige!

 

Wir müssen irgendwie die Atmosphäre der Stille um uns schaffen, sonst wird nichts aus der armen Seele und auch nichts aus dem Leib. Sieh, du hast ein Zimmer zu Hause, da ist manchmal gar niemand drinnen, und wenn´s bloß ein Winkel ist, von dem du sagen kannst: der gehört mir, - dann geh bisweilen hinein in diesen Winkel, in dein Zimmer, jeden Tag einmal, eine Viertelstunde, eine Stunde, wie es eben möglich ist. Was tun? Still sein, allein sein! Das übrige kommt schon von selbst! –

 

Nimm ein Buch! Einmal keinen nervenzerreißenden Roman, vielleicht etwas von Stifter oder Heinrich Federer oder gar eins zum Studieren. Lies langsam und lass in Gemütsruhe die Bilder und Gestalten in dich hinein! Und wenn plötzlich ein Auto vor dem Haus stoppt oder ein Spatz sich aufs Fensterbrett setzt oder Musik des nachbarlichen Radios durch die Wände dringt, - dann lies unbeweglich weiter, lass alles hupen und tönen! So wirst du deinen Leib „schalldicht“ machen gegen die störenden Geräusche und deine Ruhe bewahren.

 

Auf diese Art kann man auch Bilder anschauen von großen Meistern, und welch wundersame Gedanken können einem da kommen bei diesem stillen Betrachten!

 

Soll ich noch andere Möglichkeiten aufzählen, wo man Ruhe und innere Tiefe gewinnen kann: etwa ein Spaziergang, ein ernstes Gespräch, die Hingabe an den edlen Klang klassischer Musik. –

 

Und erst der Mund, das leichtbewegliche Instrument unserer Seele! Höre dazu das Wort eines Lehrers der Beredsamkeit: Nur wer schweigen kann, kann reden. Nur wer schweigen kann, fühlt den Wert des Wortes und wägt ihn und ehrt ihn. Nur wer schweigen kann, wird lernen, die Worte schwer zu machen wie Goldstücke, die sich gewichtig hinzählen. Dem Schwätzer sind sie Spielpfennige und müssen zu Haufen durcheinanderklirren, um ein Ansehen zu bekommen.

 

Warum schweigen die Menschen in der Kirche und reden manche schon kaum auf dem Weg dorthin?

 

Warum bedecken die Leute ihre Augen nach der heiligen Kommunion, schließen sozusagen alle Fenster zu, die nach außen führen?

 

Warum gehen manche Menschen ins Gotteshaus so ganz allein, wenn niemand drinnen ist?

 

Warum sehen die innig Betenden so ganz in etwas anderes hinein versenkt, so von sich selber abwesend aus?

 

Ach siehe, wo Gott ist, da muss es still sein, und nur in der Stille kommt Gott zu dir, spricht mit deiner Seele und schenkt dir das Zeichen seiner Liebe! –

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9. "Lügenpresse"

       

Sind die Menschen ehrlich?

 

Wir misstrauen unseren Mitmenschen: Wir haben Schlüssel für unser Auto, das wir jedes Mal nach dem Aussteigen sorgfältig abschließen. Wir haben Schlüssel für die Garage, für den Keller und den Dachboden, für das Haus oder die Wohnung, für den Geräteschuppen, den Likörschrank, den Tresor, für den Spind im Sportverein und auf der Arbeit und was weiß ich, was noch an Schlüsseln für alle möglichen Schränke, Schubfächer und Behälter, in denen wir irgendwelche Wertsachen aufbewahren. Über die digitalen Schlüssel, unsere vielen geheimen und nur schwer zu knackenden Passwörter, möchte ich gar nichts sagen.

 

Dazu sind wir immer auf der Hut, dass uns niemand hereinlegt. Wir unterzeichnen nichts, was wir nicht gelesen haben, verlangen Quittungen, misstrauen den Beweggründen der Leute, passen auf, dass niemand eine Gelegenheit bekommt, uns ein Messer zwischen die Rippen zu stoßen, und heuern manchmal sogar einen Detektiv zur Überwachung unseres Lebenspartners an.

 

Und wie ist es mit uns wenn wir reisen? Die Statistiken der Hotels berichten, wieviel Handtücher und andere Gegenstände wie Wäsche und Silberbestecke von Gästen gestohlen wurden. Die ausbezahlten Gelder der Versicherungen gegen Betrug belaufen sich auf viele Millionen Euro.

 

Die großen Kaufhäuser und Einkaufszentren können ein besonderes Lied von der Moral des Publikums singen. Dies ist auch der Grund dafür, dass die Ausgangsdrehkreuze mancher Bahnen sich nur in einer Richtung drehen, dass die Bibliotheken vom Benützer die Bürgschaftserklärung auf der Benutzerkarte verlangen, dass die Geschäfte an der Kasse ein Schild mit der Aufschrift „Jeder Diebstahl wird umgehend angezeigt“ oder „Keine nachträgliche Reklamationen“ aufstellen.

 

Die Psychologen ersinnen immer neue Methoden, um die Ehrlichkeit der Leute zu prüfen. Ihre Ergebnisse sind nicht gerade ermutigend. Bei einer solchen Untersuchung wurden in einer öffentlichen Schule in einer Reihe von Klassen Geographieprüfungen vorgenommen. Die Fragen standen auf der einen Hälfte der Schultafel, die Antworten verdeckt durch eine Landkarte, auf der anderen Hälfte. Als die Zeit für die Lösung fast vorbei war, verließ der Lehrer den Klassenraum. Einen Augenblick später fiel, anscheinend zufällig, die Landkarte herunter, so dass die Antworten sichtbar wurden. Durch das für diesen Zweck eigens vorbereitete Schulaufgabenpapier ergab sich, dass annähernd drei Fünftel der Schüler die Gelegenheit benutzt hatten, um die falschen Antworten auszuradieren und dafür die richtigen zu schreiben. Andere Untersuchungen, z.B. die, bei denen in einem Supermarkt absichtlich zu viel Geld beim Wechseln herausgegeben wurde, um festzustellen, wie viele Kunden das Geld zurückgeben würden, zeigten ein noch schlechteres Ergebnis.

 

Natürlich gibt es auch viele ehrliche Leute, aber sogar von diesen haben viele in moralischer Hinsicht keine ganz weiße Weste. So ist es beinahe allgemeine Ansicht, dass man den Staat, die Bahn, den Gas- und Stromanbieter ruhig betrügen dürfe, da diese ja doch genug Geld hätten. Manche Mutter, die nicht einmal eine Nadel stehlen würde, findet nichts dabei, ihr Kind so anzuziehen, dass es jünger aussieht, um beim Fahr- oder Eintrittspreis zu sparen. Angesehene Geschäftsleute verheimlichen Geschäftsbeteiligungen, um das Finanzamt zu hintergehen. Hochbezahlte gebildete Leute haben oft ein weites Gewissen, wenn es sich um Mithilfe bei einem Juwelenschmuggel handelt. Nicht einmal Kleriker sind davor geschützt, wie bekannt ist, Geld oder Gut, das eigentlich als Spende für einen bestimmten Zweck gegeben wurde, in die eigene Tasche verschwinden zu lassen. Von der Versicherungsbranche möchte ich gar nicht sprechen, da die Beispiele von Unehrlichkeit in diesem Bereich fast jedem bekannt sind.

 

Es ist wirklich der Gipfel der Ironie, wenn sich bei uns Betriebe weigern, einen entlassenen Strafgefangenen einzustellen, sie selbst aber täglich Geschäftsmethoden anwenden, die im Grunde genommen, auch wenn sie gesetzlich zulässig sein sollten, so unehrlich wie irgendetwas sind, dessentwegen der entlassene Strafgefangene in das Gefängnis kam. Denken Sie nur zum Beispiel an einen Pharmakonzern, der ein Medikament herstellt. Da das Arzneimittelgesetz falsche oder irreführende Angaben auf der Verpackung verbietet, werden auf den Fläschchen keinerlei Angaben angebracht, dafür aber preist man in anderen Formen der Werbung, die nicht unter dieses Gesetz fallen, das Medikament mit den glühendsten Formulierungen und Garantieerklärungen an.

 

Jeder, der die Augen offen hat, weiß, dass ein großer Prozentsatz der Werbung, die er hört und liest, nur Lüge ist. Weniger bekannt dagegen ist, dass beinahe alle Konzerne Werbesachverständige einstellen, die die Warenverpackungen unter Anwendung optischer Täuschungen und Tricks so bedrucken, dass die Kunden in den Glauben versetzt werden, mehr für ihr Geld zu erhalten, als dies wirklich der Fall ist. Lebensmittelgesellschaften z.B. verwenden für ihre Getreideprodukte, wie Haferflocken usw., nur teilweise gefüllte Schachteln mit schreienden Mustern, die lediglich einen größeren Inhalt vortäuschen sollen. Die Zahnpastafabriken aber versuchen, möglichst dünne und lange Tuben zu entwickeln, ohne dass diese gerade spindeldürr aussehen. Die Tuben enthalten so weniger, machen aber den Eindruck, mehr zu enthalten.

 

Dabei sind das aber alles noch mehr oder weniger höfliche Formen, wodurch die Hersteller das Publikum jährlich um Millionen prellen. Andere verbreitete Formen sind betrügerische Machenschaften hinsichtlich der Güte der Waren, Verfälschungen, Verdünnungen usw.

 

Und nun noch die Presse, die Medien überhaupt. Sind die etwa nicht ehrlich? Oder sind bei unseren Medien nur nie lügende, nie etwas verschweigende, nie die Wahrheit verdrehende Mitbürger beschäftigt? Wenn man die Zeitungen liest, muss man ohne weiteres zu dem Schluss kommen, dass die Bevölkerung sich in der Mehrheit aus Leuten zusammensetzt, die meinen, ihre Nachbarn seien auch nicht besser als sie selbst, und die ihnen deswegen misstrauen. Außer natürlich die Medienleute selbst. Sie finden immer wieder geniale Erklärungen für die abartigen Vorwürfe, die die Bürger ihnen machen. Ein Blick in die Nachrichten zeigt uns das tagtäglich.

 

Ein Schokoladengeschäft, das beim Auslegen der Waren viele Schokoladentafeln durch Diebstahl oder Sonnenstrahlen eingebüßt hat, legt künftig nur noch Umhüllungen aus, in denen ein Stück Holz steckt. So ähnlich ist es mit den Informationen durch unsere Medien. Es fehlt der wahre Inhalt, es ist oft schlicht die Unwahrheit oder freches Verschweigen der Wahrheit, was den Konsumenten unserer Medien angeboten wird.

 

Wundert man sich da noch, wenn ein Strafgefangener lacht? Was ihn erheitert, ist natürlich nicht die Unehrlichkeit der Leute, sondern ihre Scheinheiligkeit. Und wenn sein Lachen bitter klingt, so deshalb, weil er der Sündenbock ist. Ihn hat man erwischt und öffentlich gebrandmarkt.

 

Ist die Bezeichnung „Lügenpresse“ nun treffend oder absurd? Zu „DDR“-Zeiten hatte ich mich, wie ich mich erinnern kann, so sehr an die Lügen der Presse gewöhnt, so dass ich sie kaum oder gar nicht beachtet hatte. Sie kam in meinem „DDR“-Leben nicht vor. Vielleicht ist das ein möglicher Weg, mit unserer Presse heute umzugehen?

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10. Lügner von Anbeginn

       

Ein Kampf regt sich im Land. Nicht etwa ein Kampf mit der Faust oder der Waffe, nicht Mensch gegen Mensch wie im Krieg, sondern als ein drohendes Ungeheuer wütet der Gegner in allen Kreisen der Gesellschaft und sein vergifteter Atem betäubt, lähmt und zerstört. Gegen den katholischen Glauben geht es. Diesen Glauben herabzusetzen und zu verhöhnen, das ist die Absicht jener unbesonnenen Menschen, die sich abgewendet haben von der katholischen Weltanschauung, die die Frömmigkeit bekämpfen, die Heiligtümer des christlichen Glaubens belächeln und verleugnen. Die Gottesleugner, die von einer Evolution reden, aus der alles zufällig und aus sich selbst entstanden ist, die selbst noch kein Gräslein erschaffen haben, die im großen Weltall den Schöpfer nicht erkennen und seine ewigen Gesetze, die keinem Gebilde ein Fünkchen Leben einhauchen können, die haben den traurigen Mut, die Gegenwart Gottes in Abrede zu stellen, weil das Gewissen in ihnen erstorben ist und es so bequem ist, eine Strafe Gottes für bloße Einbildung zu halten.

 

Und wenn wir überlegen, welche Mittel der Unglaube anwendet, um sein Ziel zu erreichen, erkennen wir: er vergiftet die Herzen langsam und allmählich durch seine erbärmlichen, verlogenen, Herz und Seele vergiftenden Medien. Christen sollten diesen Feind des Glaubens aus ihren Wohnungen werfen, diesen „Lügner von Anbeginn“ (Johannes 8,44), der in papiernes oder digitales Gewand gehüllt in Zeichen zu euch spricht. Wie der Rost zehrt diese Presse am eigentlich eisernen Herzen, langsam, verderbenbringend, aber sicher.

 

Dem Dieb, der eurem Haus ein Stückchen leicht entbehrlichen Gutes wegstehlen könnte, dem verschließt ihr die Tür, verriegelt und verrammelt die Wohnung, aber diesem erbärmlichen Einschleichern, die eure Seele rauben wollen, haltet ihr den Eingang offen. Ja, ihr opfert Geld, ihr unterstützt die verräterischen Medien, die euch gefangen nehmen mit hellleuchtenden Erzählungen, mit Sinneskitzel und euch dorthin führen, wo die Verlogenheit und Niedertracht sich an Christi heilige Kirche wagt.

 

Haltet um Gotteswillen die Tür zu vor solchen Gästen, die da rühren an eurem größten Heiligtum, an eurem herrlichsten Besitz, an dem Glauben an Gott und seine heilige Kirche.

 

Die Medien, die alles wirklich Christliche hassen, sind die Hauptwaffe dieses meist stillen Kampfes.

 

Und die Abwehr ist nicht dadurch erreicht, dass die gläubigen Katholiken die Hände in den Schoß legen und dulden und aushalten und tragen.

 

Mit gleichen Waffen müssen die Christen ihren Gegnern entgegentreten. Wenn aber diese Waffen möglichst kräftig benützt werden sollen, dann sollten die glaubenstreuen Christen die eigene Presse und die eigenen Medien kräftig unterstützen. Die antichristlichen Parteien und Vereine und Verbände geben mit vollen Händen, um ihre Medien unüberwindlich zu gestalten (vom unverschämten Zwangsbeitrag für die öffentlich/rechtlichen Medien einmal ganz abgesehen), und versuchen alles zu verdächtigen und zu verkleinern, was ihnen entgegen ist.

 

Während den Gegnern kein Geldopfer zu groß ist, ihre Medien, die wertvollste Waffe im Kampf, auszustatten, leben die guten katholischen Medien nur von Brosamen. Diese sollten wir also unterstützen, denn die katholische Religion, der Glaube und das Gewissen sind die fast einzige Gewährleister für Ruhe und Ordnung und gutes Verhalten in der Gesellschaft, also die wahren Stützen für die Regierenden.

 

Wer an keinen Gott glaubt, glaubt auch sonst an keine Autorität. Er stellt sich egoistisch über das Gesetz und das Ziel, zu dem er gelangen will, ist die Anarchie, die Revolution und die Erschütterung der allgemeinen Ordnung.

 

Dieser Kampf, liebe Christen, ist deshalb zugleich auch ein Kampf um die eigene Existenz. Katholiken sollten sich zusammenschließen und zusammenhalten, sie sollten mutige Bekenner sein, treue Kämpfer dem Heiligen Vater, dem Nachfolger Petri, damit wir Sieger werden im Kampf zum Heil und zur Rettung unserer Seele und zur Ehre Gottes.

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11. Leben aus dem Glauben

       

1. Ein bitteres Urteil.

 

Der indische Weltweise Rabindranath Tagore, ein Nichtchrist, kam aus Indien nach Europa, um das Abendland kennen zu lernen. Über seine religiösen Eindrücke schreibt er: „Ich fand in Europa ein Sonntagsschristentum und ein Werktagsheidentum. Es besteht dort kein Zusammenhang mehr zwischen Religion und Leben. . . Die Religion ist keine Zentralkraft mehr, die das ganze Leben durchdringt und trägt. Diesen Menschen ist das Widerspruchsvollste möglich: Gottesdienst und Mammonsdienst.“

 

2. Einer, der mit seinem Glauben Ernst machte.

 

Hesselbach erzählt in seinem Buch „Lebensfahrten“ von einem einfachen Arbeiter. „Bruder Andreas“. Arbeiter, die vom Christenglauben nicht viel wissen wollten, sagten von ihm: „Ja, wenn sie alle so wären – dann wäre es anders. Dann wäre ich auch ein Christ! Aber solche wie Andreas gibt es in der ganzen Welt nicht mehr!“ Hesselbach fragte ihn einmal: „Wie kommt es, dass Sie einen so großen Einfluss auf die Menschen haben?“ Da blieb der Arbeiter stehen und schaute ihn verwundert an: „Ich soll einen besonderen Einfluss auf die Menschen haben? Davon weiß ich nichts – gar nichts.“ Als er weiter fragte, was ihn dazu treibe, so viele Leute zu besuchen, sagte er wieder ganz einfach: „Warum soll ich nicht? Ich habe keine Frau und keine Kinder, und der Herr hat befohlen, dass die Seinen die Armen speisen und die Nackten kleiden und die Unglücklichen trösten und die Gefangenen besuchen sollen. Das tue ich. Ich will meinem Herrn doch nicht ungehorsam sein. Herr Pfarrer, das ist nichts Besonderes. Ich weiß nicht, was Sie an mir finden wollen? Ich bin ein Jünger Jesu – weiter nichts.“

 

3. Das entscheidende Heilandswort.

 

Die Fürstin Amalie von Gallitzin nahm zu Münster bei dem edlen Priester Overberg Unterricht in der katholischen Religion. Längst war sie genügend unterrichtet, aber sie fand noch immer Bedenken. Da riet ihr Overberg, sie möchte einige Zeit nach katholischer Weise leben. Er wies sie auf das Heilandswort (Joh 7,16) hin: „Meine Lehre stammt nicht von mir, sondern von dem, der mich gesandt hat. Wenn jemand seinen Willen tut, wird er innewerden, ob meine Lehre von Gott kommt oder ob ich aus mir selbst rede.“ Das Wort machte Eindruck auf die bisher so wissensstolze „Philosophin“. Mit der ihr eigenen Willenskraft machte sie sich daran, alle Forderungen Christi zu beobachten. Und siehe da – schon nach kurzer Zeit kam die Fürstin und sagte freudestrahlend: „Jetzt bin ich katholisch!“

 

4. Eine glaubensstarke Familie.

 

Während der großen japanischen Christenverfolgung ließ ein Statthalter des Landes eine christliche Mutter vor sich kommen und forderte sie auf, sie solle auf ihren Sohn einwirken, dass er dem Befehl des Kaisers gemäß seinem Glauben entsage. Die Antwort zeigte die Mutter auf der Höhe echt katholischen Glaubensgeistes. Sie sprach: „Wenn es sich nur um irdische Dinge handelte, so könnte man keinem besseren Rat folgen als dem deinen. So aber muss ich dir gestehen, dass ich meinen Sohn beneide, wegen seines Glücks, für Christus sterben zu dürfen. Ich würde mich als die glücklichste Mutter betrachten, wenn es mir vergönnt wäre, mit ihm zu sterben.“ Als dem Sohn die Nachricht von seinem bevorstehenden Tod gebracht wurde, sprach er voll Freude: „Das ist die schönste Nachricht, die mir werden konnte.“ Er dankte seinem Heiland für die ihm gewordene Gnade, kleidete sich dann festlich an und nahm Abschied von den Seinen. Als diese in Tränen ausbrachen, sagte er: „Wie? Heißt das Teilnahme an meinem Glück? Wo ist euer Glaube, eure Hoffnung, euer christlicher Mut?“ So ging er in den Tod, Nach der Enthauptung küsste seine Mutter das abgeschlagene Haupt mit Andacht und sprach: „Du teures, vielgeliebtes Haupt, das nun mit ewiger Herrlichkeit gekrönt ist! Mein Kind, welche Ehre wurde dir zuteil, dass du dein Leben für den hingeben durftest, der für dich sein Leben hingegeben hat!“ Nach ihr kam auch die Gemahlin des Märtyrers namens Agnes, küsste mit Ehrfurcht das Haupt ihres Gatten und sprach unter Tränen: „Nun bin ich wahrhaft glücklich zu nennen, habe ich doch einen Märtyrer zum Gemahl, der jetzt bei Christus im Himmel ist. Glorreicher Märtyrer, du lebst und herrschst nun mit Gott, denke an deine arme Gattin auf Erden und rufe mich bald in den Himmel, damit ich mit dir die Herrlichkeit meines Gottes schauen und loben darf in Ewigkeit!“  

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