Betrachtung über die Einfalt des gottseligen Bruders Franz vom Christkindlein von 1833
Was wir von dem frommen Bruder Franz lernen können, sind seine gründlichen Tugenden der Einfalt, Demut und Geduld, und fortwährende Ausübung der Liebe Gottes und des Mitmenschen.
Die Einfalt
Diese Tugend ist so notwendig für jeden Christen, um Jesus nachfolgen zu können, um Gnade bei Gott zu erlangen, um im geistlichen Leben Fortschritte zu machen, und mehr noch, um es zur Vollkommenheit zu bringen, dass wir ohne diese Tugend entweder nur halbe Christen, oder Auswüchse, unfruchtbare Äste sind am Baum des Lebens, die allen Saft für sich verschlingen, und keine Knospen treiben, und weder Blüten noch Frucht bringen, sondern nur mit üppigem Blätterschmuck sich brüsten, d.h. dass wir unsere Ehre lieben, so gerne hier unter dem Schatten dieses Laubes liegen, oder von Eigennützigkeit beengt, uns auf den Vorteil des Tages ausstrecken und auf sterblichem Gebiet ruhen, überschattet vom süßen Duft irdischer Hoffnung, uns immer angeregt fühlen, die Aussaat der Unsterblichkeit zu vermehren - d.h. dass wir immer nur, sei es auch unter wechselnden Formen, uns suchen, und in uns ruhen, oder gar uns genießen wollen, vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen pflückend, und die Hand ausstreckend nach der verbotenen Frucht - d.h. dass wir über Gott uns erheben und sagen mit der Schlange des Paradieses: Ei! Wie kann das Gott verbieten? Es ist nicht so, wie Gott spricht! Genieße nur! Du wirst glücklich werden im Genuss des Lebens der Unzucht! Dass wir die heilige Scham, die Ehrfurcht, das Andenken, die Furcht des Herrn verlieren, und stolz nur uns glauben, uns lehren oder vielmehr täuschen! Gegen eine solche Verirrung sichert uns der Einfalt schützender Engel. Einfalt! O Du heilige Tugend! Wie bist du jetzt so verkannt, so verbannt, so verachtet und verhöhnt! Du bist zunächst an der Wahrheit Residenz, und wirst so wenig gesucht und geliebt. Einfalt! Du bist vom Himmel geliebt, gesucht! Du bist erhaben vor dem Auge Gottes, das alles durchschaut - wie kann Dich der Mensch verachten? Einfalt! Du erhältst ungeteilt und im vollsten Maße den Brautschmuck des Herrn, als innigste Seherin und Freundin des Herrn. Und Deinen Reichtum, Deinen Adel hält man für Niedrigkeit jetzt, dass man Deinen Namen mit jener der Dummheit verwechselt, und Dich als Einfältig verachten will? Aber Deine Verachtung brachte den Fall des ganzen Menschengeschlechtes. Man denke an Adams Verführung. Kain verwarf Dich, spottete Deiner, aber auch Gottes, und verlor alle innere Ruhe, alle wahre Freude des Lebens. Er irrte unstet umher, weil das Eine er verlor, das in Dir zum Himmel lenkt. Abel wurde glücklich durch Dich. Er opferte Gott, von Dir geleitet, und fand Gnade vor dem Herrn. Noe wurde gerettet, o Einfalt! durch Dich. Er klügelte nicht über das Eine Wort von Oben, das drohend vom Himmel kam, und der Sünde den Untergang ankündigte. Noes Auge war gleichsam nur für Gott gebaut, um nach Oben den Einen nötigen Blick zu tun, der wahrhaft beseligt. Sein Ohr horchte nur auf das Eine, das zwar in tausend Gestalten erscheint, redet und spricht, aber als Eines nur der Einfalt sich kund gibt, als erhaben über das All der Schöpfung, weil vor dem Anfang aller Dinge, ewig und unerschaffen, obwohl alles durchdringend, als Liebe und Gnade allerbarmend der Einfalt sich mitteilt, und Schätze der Gnade bietet, die das sinnende Auge selbstsüchtiger Tücke nimmer erblickt, niemals erspäht, vom heiligen Dunkel umgeben, das jener Schleier bewirkt, den keine menschliche Hand zu heben vermag, Worte des Heils, der Freundschaft und Liebe vom ewigen Vater spricht, die das Herz veredeln, beglücken, beseligen und süße Freuden himmlischen Trostes spenden, so wie sie nimmer kommen aus irdischer Quelle. Noe hörte und sah nur auf Gott, und fand Rettung. Nirgends zeigte sich in grässlicherer Gestalt der Verlust der Einfalt, als in jenen Trümmern von Babylon, wo die Menschen nimmer in Einfalt erkannten, dass Gott die Liebe sei, und nicht verlange, dass man durch Mauerwerke gegen Ihn sich schütze, oder etwa gar gegen ihn sich auftürme, wie Babylons Turm. Man glaube nur einfältig sein Wort, seine Verheißung, und hüte in Einfalt sich durch Erfüllung seiner Gebote vor seiner Drohung. Mitten im Verderben - auf Babylons Fluren, in Chaldäas Ebenen war Abraham, war nur die Eine Stimme der Rettung vom Verderben, die da vom Himmel sprach, und die Einfalt Abrahams, wo sie Gehör fand, und aufgenommen wurde. Auf diesen Acker der Einfalt säte Gott den Samen des Glaubens, dessen Früchte die Sterne des Himmels an Zahl übertreffen, und hierdurch Abraham zum Vater aller Gläubigen machen, seinen Blick freudig auf den Tag der Erlösung, auf den Tag des Herrn wenden, und seinen Namen auf alle Zeiten tragen, weil er damals, von aller Zeit weggewandt, nur das Eine ansah, das ihm erschienen, die Welterrettung ankündigend, und von der Vielheit der Dinge unzerstreut, nur auf die Stimme des Einen, des Ewigen hörte, glaubte, und folgte, von der Einfalt begleitet. War es nicht die Einfalt, die Gott gefiel, als Abraham auf dem Sterbebett lag und von Gott die tröstende Stimme vernahm: "In dir sollen alle Völker gesegnet werden!" So lebten auch Isaak und Jakob, und es war nur die Einfalt, zu der Gott gesprochen, und die seine Stimme angenommen und geglaubt hat. Jakob sah im Schlaf eine Himmelsleiter, an deren Spitze Gott stand, und er sprach in Einfalt: wahrhaftig dieser Ort ist heilig. Tausende von unserer Weisheit hätten vielleicht, betrogen von der vielgestaltigen Schlange eines Doppelsinnes, getäuscht von verkehrender Zweizüngigkeit, und aufgedunsen von dem leeren Stroh ehrsüchtiger Erhebung, hier nur gelacht, gespottet, oder wären wenigstens leichtsinnig vorübergegangen, wo der Heilige in Einfalt anbetete, und zu seiner Seligkeit glaubte! Gottes liebende Flamme entzog sich dem Gewühle der Stadt, suchte die einsame Höhe des Berges Sinai, die Einfalt eines weidenden Hirten und brannte hier gegen Himmel. Hier schaute die Einfalt die göttliche Flamme, deren Licht alle Weisheit der Welt übertrifft. Moses zog seine Schuhe aus und ging gebeugt zum brennenden Dornbusch. Es ist nur der heiligen Einfalt eigen, von allem Eigenen entblößt, dem Ewigen nahen zu dürfen, und in Geheimnisse eingeweiht zu werden, die Millionen verborgen bleiben, und in die zu schauen auch Seraphine gelüstet. Späterhin war es der einfache Hirtenstab des Sohnes Isai, Davids, an dem Gott seine Herrlichkeit und Macht erglänzen ließ. In diesem hocherhabenen Gotteslicht, das in Einfalt in Elias feuriger Seele zum Himmel brannte, und von dorther Feuer herniederrief zur Zerstörung jener Höhe, die sich gegen das Göttliche erhoben hatte, zeigte und offenbarte sich in allen Propheten das Eine Göttliche in Sprache, Blick, Verkündung der Gnade und künftiger Gerichte der Welt. Überall war es die kindliche Einfalt der Seele, der sich das Ewige erschloss, wars die kindliche Einfalt, die in Jeremias wehe, wehe mir!, wie ein Knabe rief, als sich die Fülle der Geheimnisse Gottes ihm nur von weitem und noch in dunkler Ferne zu nahen begann - wars die Einfalt, die in Jesaias großer Seele kindlich um Reinigung der Zunge durch eine glühende Kohle zum Himmel rief, ehe die Worte des göttlichen Reiches, das nur noch von Ferne erst sollte angedeutet werden, ausgesprochen wurden. Immer und allzeit ist die Sprache der Einfalt vernommen und gehört worden, wenn einer Seele von Gott große Dinge angezeigt worden sind. "Wer bin ich, und was ist meines Vaters Haus", so rief selbst der unglückliche Saul aus, als er zum König von Israel erhoben wurde. Und Salomons hochsinnige Seele, übermannt von der Größe und Majestät Gottes und noch voll von göttlicher Einfalt, rief nach Vollendung des Baues im neuen Tempel zu Jerusalem, als Gottes Herrlichkeit in einer Wolke herniederschwebte, voll Staunen aus: "Wie sollte der, den die Himmel aller Himmel nicht fassen können, von diesem Tempel begrenzt werden können?" Dies sprach er nicht im Ton des Unglaubens, sondern im Gefühl begeisterter Anbetung, Liebe, Demut und Einfalt der Seele aus - dankend für die Nähe des Herrn. - Zu dieser Einfalt lenkte Gott das sinnige Gemüt des hochherzigen Gedeons, der mit geringer Anzahl von 300 Mann die Masse eines großen Heeres schlug. Nimmermehr wollte Gott dulden das Vertrauen auf Rosse und Mann, auf Schwert, Menschenhilfe und Freundschaft mit Verachtung der Anrufung seines Namens, mit Zurücksetzung der Erniedrigung unserer Seele vor den Stufen seines ewigen Thrones, mit Unterlassung der Beugung des Knies, das seine ewige Herrschaft anerkennen und darstellen sollte. Es ist keineswegs bigottischer Hass eines fanatischen Schwärmens, wenn der heilige Geist, die Stimme Gottes, aus der hochbegeisterten Prophetenbrust sprach: Verflucht sei, wer auf Menschen vertraut; sondern göttliche Einfalt, die, wenn Gott nahet, nur auf seine Nähe merkt, und ihr den Zoll gebührender Achtung und den Vorzug gibt, den der Schöpfer vor dem Geschöpf notwendig haben muss. Sie, die Einfalt, lässt sich das nimmer nehmen, es ist ihre Natur; wenn sie auf Gott allein schaut, handelt sie naturgemäß, darum ihr auch der Schöpfer so geneigt und gewogen ist. Und als die Weisheit erschienen, auf die alle Völker geschaut und gewartet, stieg sie hernieder in Einfalt des Gottessohnes. Es leuchtete bei der Geburt nur ein Stern über der Krippe des Herrn. Weder in Nazareth noch in Bethlehem, weder in Joseph noch in der Maria Seele, weder in den einfältigen Hirten bei ihrer Anbetung des Jesuskindleins, noch in der Weisen Gemüt erschien etwas anderes, als göttliche Einfalt, die im Kind - Gott-Mensch geworden - glaubte und niederfiel auf die Knie zur Anbetung des göttlichen Kindes. Es ist gewiss mehr Weisheit in der Einfalt, die im Kind Gott glaubte und anbetete, als in der Weisheit der Welt, die, in Hochmut erhoben, sich dieses Glaubens schämt und dem göttlichen Kind keine Kniebeugung mehr erweist. O wie glücklich waren die Apostel, als der Herr sie aus ihren Fischerhütten zu seinem Reich berief, und sie mit dem Tau der übermenschlichen Weisheit sichtbar begoss, und zu einer unvergänglichen Herrlichkeit führte, die beim Rost des Eisens nicht verweilte, sondern in edler Einfalt glaubte, dass Gott erschienen in Christus Jesus, dass Gottes Reich sich naht, und die durch die Einfalt des Gehorsams und der Nachfolge Jesu neue Kreaturen, Gefäße der Auserwählung Gottes wurden, die hienieden aussäten und Garben ernteten, die kein Feuer mehr verzehren kann. Diese Einfalt war es auch, die Jesus an den Aposteln liebte und pries. Sieh, das ist ein wahrer Israelit, in dem kein Falsch ist! Dies war die Stimme Jesu bei Annäherung des Natanaels. Diese Einfalt, die da sprach: Wie kennst du mich?, vernahm die höhere Kenntnis Gottes: "Ich habe dich gesehen, da du noch unter dem Feigenbaum warst." Wenn es nur einfältig heißt: Wir haben den Herrn gefunden. Komm und sieh!, ruft der Herr auch sogar vom Fischernetz die Seele zu sich. Wenn der Herr nur wahrhaft noch von der Seele geliebt wird, wenn der Blick gerade zu Ihm geht, wenn das Gemüt aufrichtig ist, wenn die innerste Absicht des Geistes gerade zu Gott geht, wenn auch nichts so sehr beachtet wird von der Seele, als das Kommen zu Gott, das Gehen zu Ihm, das Trachten nach Ihm, dann ist Aufrichtigkeit da - Einfalt, die Gott liebt, Gott sucht und Gott findet! - Diese Einfalt hat etwas Göttliches, etwas Unnachahmliches, etwas Unerreichbares an sich. Die krummen Gänge der Selbstsucht, die Drohungen innerer Erhebung der Hoffart, mögen sie sich verstellen, wie sie wollen, sie erreichen die hohe Charakterstärke, die die Einfalt auszeichnet, und die Gott segnet, nimmermehr. Wir sehen dies auf vorzügliche Weise dargestellt in der Lebensgeschichte des Bruders Franz vom Jesuskindlein, der im hohen Grad mit dieser Tugend geziert war, und darum von Gott so sehr gesegnet wurde. Die Einfalt, diese so hohe Tugend, die Gott von jeher so sehr ausgezeichnet hat, haben aber auch alle großen Geister, alle ausgezeichneten Männer und Frauen aller Jahrhunderte an sich gehabt. Johannes, der große Apostel des Herrn, der geliebte Freund von Jesus, der alle Geheimnisse wusste, der unter allen Aposteln in Ansehung der Geheimnisse Gottes die tiefste Einsicht hatte, sprach dennoch nicht am liebsten von dunklen Offenbarungen großer unbekannter Dinge, sondern stieg zur Einfalt kindlicher Liebe herab. Die Erinnerung nämlich, dass Jesus ihn geliebt, ihn auf seiner Brust ruhen ließ, rührte ihn mehr, als alles, und bewegte ihn und seine empfindsame Seele bis zu Tränen. Waren nicht die Worte der Einfalt dieses größten Sehers Gottes die ersten Worte seines Briefes? Die Worte nämlich: "Mit unseren Augen haben wir Ihn gesehen, beschaut, mit unseren Händen betastet!" O wie kindlich, o wie rührend ist eine solche Sprache! Und der Fürst der Apostel, oder Petrus feurige Seele - an was erinnerte sie sich, solange er noch ein offenes Auge hatte. Was presste ihm die süßesten und wehmütigsten Tränen aus - Zeit seines Lebens, so dass Tränenbäche über seine Wangen herabflossen? War es nicht die Sprache der himmlischen Einfalt Jesu: "Petrus, liebst du mich?" Uns sein "Herr, ich liebe dich!" oder "Herr, du weißt, dass ich dich liebe." Wie viele tausend Male wird er sich später, da Jesus schon längst von der Erde abgeschieden war, noch an diese Innigkeit göttlicher Einfalt erinnert haben! Wie oft wird, was der Herr so erhaben und doch herablassend zu Petrus gesprochen, später dem Apostel noch auf allen Wegen und zu allen Stunden nachgeklungen haben! Und der heilige Paulus, den Gott so sehr erleuchtete, dass er zum allgemeinen Völkerlehrer, zu einem auserwählten Gefäß der Gnade verwendet wurde, an was dachte dieser größte Menschenkenner am häufigsten? War es die Tiefe der Geheimnisse Gottes, die er in Entzückung im dritten Himmel sah? Oder vielmehr der einfache Gedanke der Wahrheit: Mir als Sünder ist Gottes Barmherzigkeit widerfahren? Er sagt ja selber, dass er im Vortrag, in der Rede nicht auf hohe Worte sehe, sondern auf die Kraft und Stärke der Wahrheit, die in der Einfalt spricht.
War denn der apostolische Ausdruck: "Brüder, bedenkt, dass unsere Erlösung nicht bewerkstelligt wurde durch Vergießung des Blutes der Tiere, sondern Jesu Christi", nicht ein Ausdruck der Einfalt?
Der heilige Martyrer Polykarp, der Bischof von Smyrna, sprach vor seiner Marter, als man ihn aufforderte, Jesus zu lästern: "Achtzig Jahre habe ich ihm gedient und er hat mir nichts zuleide getan - und nun sollte ich ihn verleugnen?" Welche hohe Einfalt! Ignaz, der Martyrer, sprach: "Ich möchte von wilden Tieren zerrissen werden;" - welches Feuer der Liebe und welche Höhe des einen Gedankens und des einen Blickes zu Jesus setzt ein Christ voraus, der so reden kann? Der heilige Augustin, der an Gelehrsamkeit das größte Licht der Kirche genannt wird, der in seinen Schriften über die höchsten Geheimnisse der Religion den besten Aufschluss gab, war doch die lautere Einfalt kindlicher Liebe, wenn er mit seiner lieben Mutter, an das Gesimse des Fensters gelehnt, so innig und kindlich hindurchschaute in Gottes blauen Himmel, und sehnsuchtsvoll vom ewigen Leben sprach. Aber auch die neuere Zeit weist solche Seelen auf. O wie viele tausend Seelen hat das große Licht, der Apostel Bayerns, der unsterbliche Bischof von Sailer, gewonnen, wenn er bei all seiner Weisheit und tiefen Gelehrsamkeit den Jüngling, um ihn für das ewige Leben zu gewinnen, wie ein Vater seinen Sohn, sanft mit seiner Hand hielt, oder, wie ein zweiter Johannes, an seine heilige Brust drückte! Wie viele tausend Worte der Einfalt kamen vom Mund dieses großen Mannes, die jeden trösteten, der ihn näher kannte! O wie schonend waren seine Blicke, seine Worte - wie unnachahmlich seine Behandlung! Er war die Würze des Lebens, wo immer er war. Aß man mit ihm, so sah man nicht auf die Speisen, sondern nur auf ihn. Und warum? Gelehrte und weise Männer haben wir noch in Menge, aber Väter wenige! - Und noch weniger Männer voll der himmlischen kindlichsten Einfalt, die lauter Liebe und Demut sind. Man bemerkte an ihm den Gelehrten nicht, auch nicht den Vorstand oder Bischof. Da war ihm jeder gleich, jeder willkommen, und man konnte nie in seiner Nähe sein, ohne die Stille und Ruhe und Seligkeit des Himmels zu kosten, die aus seinem Auge blickte, aus seinem Munde sprach. Ein anderes ist, wie Johannes reden, ein anderes, ein Johannes sein. Und wer liebte die Einfalt mehr, als der heiligmäßige Bischof Regensburgs - Wittmann? Kinder waren ihm die liebsten. Er blieb immer stehen, wenn die Kleinen kamen, ihm die Hand zu küssen. Warum? Er liebte die einfältigen Kinder, wie jede große Seele. Die Kinder liebten ihn auch. Jetzt noch nach seinem Tod bleiben die Kinder vor der Arbeitsstätte des Künstlers stehen, in der seine Büste steht, schauen so kindlich das Bild des abgeschiedenen Freundes an, und küssen es von Ferne mit winkenden Händchen. Er liebte aber auch die Einfalt dermaßen, dass er sogar im Vortrag Freude fand am armen Ausdruck Christi im Evangelium, und zu sagen pflegte: "Christus hüllte die höchsten Wahrheiten in ein armes Kleid." Das heißt alle irdische Größe verschmähen, sogar auch aus Liebe zur Einfalt auf diese Ehre verzichten. Aber diese hohe Tugend, wird sie noch gesucht von der Mehrheit der Christen?
Die Einfalt wird derzeit nicht einmal mehr als Tugend recht erkannt, meistens verachtet, verlästert. Es ist doch der Anfang der Bekehrung - die Aufrichtigkeit - d.h. dass der Mensch redet, wie er denkt, dass er es in Einfalt sagt, wie ihm ums Herz ist, sei es gut oder böse. Das Böse nicht bemänteln, nicht bedecken, nicht leugnen, nicht entschuldigen, nicht verkleinern, nicht auf andere schieben, gehört schon zu den günstigen Umständen der Bekehrung. Seine Schwachheit erkennen, seine Fehler vorbringen, sich anklagen, sich erniedrigen, sich verdammen - das ist schon der größte Vorschub unserer Umänderung. Merken, was andere raten, sagen, denken, meinen, angeben - ist der Anfang; nicht widersprechen, oder recht haben wollen, noch andere verlachen wegen ihrer Meinung, stillschweigen, wenn man uns widerspricht, anklagt, verdammt, ist der Fortgang; Freude bezeugen an Lästerungen um Jesu willen, gerne der Letzte sein unter allen Menschen, Schmerz empfinden bei jeder Erhöhung ist das Ende der Aufrichtigkeit als Tugend, und Bestandteil der himmlischen Einfalt, die Gott mit ewigen Gnaden überhäuft. Die Einfalt im Vater sieht beim Kind zuerst auf dessen ewige Versorgung, auf das Fromm- und Gutwerden hienieden, und auf das Seligwerden im anderen Leben. Die Einfalt der Mutter sieht im Kind zuerst auf die Kenntnis des ewigen Heils, und auf die Gnade und Tugend, diese kostbaren Kleider des Heils. Hier läuft sie, rennt, sorgt und kümmert sich, dass diese Kleider nicht zerreißen, oder zerrissen wieder verbessert werden. Vor allem hassen fromme Mütter der Einfalt die Lüge, Falschheit in den Kindern. Unnachsichtlich wird dieser Wurm getötet. Sie lügt aber auch nie vor ihren Augen. Fromme Mütter der Einfalt hassen den mutwilligen Spott der Kinder als den Ruß an den Kleidern der Unschuld. Denn das Auslachen ist Erhebung, Stolz - d.h. wer einen anderen auslacht, kann dies nicht tun, wenn er sich nicht für geschickter, besser hält, als andere. Wer sich aber erhebt, tötet die Aufrichtigkeit, d.h. er erkennt seine Schwäche nicht, hält sich für keinen Sünder, wird blind im Hochmut, und fällt aus der Einfalt und Gnade. Es ist daher eine große Sünde, wenn Eltern ihre Kinder auf der Gasse ganze Tage herumlaufen lassen, wo sie dann das Schimpfen, Schreien, Lärmen und die Verachtung anderer Menschen lernen. Aber auch im Haus der Eltern werden die Kinder um das Kleinod der Unschuld - die Einfalt - gebracht, wenn sie gelobt werden; wenn sie aus Eitelkeit zum Reden angehalten werden - kurz: wenn sie merken, dass sie alles gelten, dass man sich ihretwegen rühmt. Offenherzigkeit steht in unzertrennbarer Verbindung mit der Aufrichtigkeit und Einfalt. Offen zu sein, steht einem jeden Menschen gut; besonders sollten Kinder diese Tugend schon frühzeitig lieb gewinnen. Eltern mögen daher mit Segen ihre Kinder ermahnen, ihnen alles zu sagen, was sie tun, denken, reden, hören - und dass sie ihnen nichts verschweigen. Kinder müssen eine Leitung, einen Führer, einen Freund haben, dem sie alles aufdecken, was ihnen begegnet, was sie angeht, sei es hernach ihnen schädlich oder nützlich. Und wer mag für Kinder ein besserer Freund sein, als der liebende Vater? Hat doch auch der Beichtvater ein ähnliches Geschäft vom Herrn übertragen, aus welch anderer Absicht, als dass in aller Aufrichtigkeit ihm jede Seelenwunde aufgedeckt, jeder Angriff des Satans auf die Seele, jeder Sündenschmutz unverhohlen angezeigt werde, um mit vereinter Kraft das Unreine wieder zu reinigen, das Zerbrochene wieder zu bessern, das Kranke gesund zu machen, das Wunde zu heilen? Die Offenheit ist ein Engel der Seele. Aber auch im erwachsenen Alter ist Aufrichtigkeit und Offenheit wie ein schützender Freund. Der Mensch hat keinen vernünftigen Grund, der ihn zur Schamhaftigkeit berechtigte, da zu schweigen, wo er reden sollte. Es gibt Fälle, wo das Reden besser als das Schweigen ist. Dies ist der Fall, wenn der Mensch von schweren Versuchungen zu leiden hat, wenn trübe Stunden des Unglaubens, Zweifels ihn quälen, wenn Anfechtung zur Sünde ihn plagt. Da sei er aufrichtig und offen, und übe die edle Einfalt, die spricht, was sie denkt, und in solchen finsteren Stunden fühlt und leidet. Wie viele Verführungen würden durch die Tugend der Einfalt abgewehrt werden! Der Knabe kommt von ungefähr in eine böse Gesellschaft, hört unzüchtige Worte, Lästerungen gegen die heilige Religion. Der Verführung wird vorgebeugt, ja sie wird unschädlich gemacht, wenn der Knabe ein offenes Gemüt hat, und den Eltern alles wieder erzählt, was er gehört oder gesehen hat. Würden die Christen alle so aufrichtig vor dem von Gott gesetzten Seelsorger sein, so würde weder die Welt, noch der Teufel mehr so sehr verführen können, weil in Einfalt die ersten Anfänge der Verführung zur Sünde offen entdeckt, und dadurch der Verführung vorgebeugt werden könnte.
Allein durch Mangel an Einfalt, Aufrichtigkeit und Offenheit werden so viele tausend Menschen zugrunde gerichtet. Ein Geschwister verführt oft das andere, und das verführte schweigt, deckt also die Wunde nicht auf, weder der Mutter, noch dem Vater, noch dem Beichtvater, noch dem Seelensorger. Ältere Söhne verführen jüngere Brüder, ältere Schwestern ihre jüngeren, beide schämen sich und schweigen! Eltern sind meistens selbst schuld daran, wenn sie ihre Kinder nie gelehrt haben, offenherzig zu sein, oder wenn sie sie vielleicht gar zur Falschheit abgerichtet, zum Lügen, zur Verstellung, zum Heucheln angeleitet haben. O was ist es für ein Übel um die Falschheit in einem Haus, wo alle Vertraulichkeit, Offenheit, Kindlichkeit wie verbannt ist! Da kann der Satan im Trüben fischen. Jedes zieht sich zurück, verstellt sich, lügt, leugnet, da kann der Teufel morden. Es gibt drei Stufen dieses Verderbens der Falschheit, die die Aufrichtigkeit tötet und begräbt:
Die 1ste ist: Gegen die Lüge keinen Hass haben, den Kindern dieselbe nachsehen, sie nicht deswegen tadeln, sie nicht bestrafen.
Die 2te Stufe ist: Wenn die Eltern die Unaufrichtigkeit, Falschheit und Lüge durch ihr Beispiel predigen oder verteidigen, rechtgeben, gut heißen.
Die 3te Stufe ist: wenn die Eltern die Aufrichtigkeit sogar hassen, die Offenheit Dummheit nennen, die Kinder wegen der Aufrichtigkeit ausschimpfen, und strafen. Diese Sünde mag nicht wenige Eltern verdammen. Ich kannte einen Vater, der seinen Nachbar darüber öffentlich beschimpfte, ja sogar langwierige Feindschaft darüber trug, dass dieser ihm ein Laster, einen Fehler von seinem Sohn entdeckt hatte. Kinder, die Eltern von der Art haben, können selten in der Welt solche Verführer mehr antreffen, als ihre Eltern sind, die die Aufrichtigkeit hassen, die ihnen die Gefahr freundlich entdeckt.
Solche Eltern unterstützen das Verderben in den Kindern, und diese Blindheit ist zu beweinen, wenn jene Führer, die uns von Gott gegeben sind, uns in den Himmel zu führen, uns in die Hölle liefern. Das tun solche Eltern. Wer ist denn daran schuld, dass der Sohn im Verderben zugrunde geht, als der Vater, oder die Mutter, die aus Hoffart darüber aufgebracht werden, wenn man ihnen von ihren Kindern Böses entdeckt? Es wächst das Verderben, wenn die Eltern sogar zornig werden, wenn ihnen der Beichtvater ihre Pflichten über die Kinderzucht vorhält, oder wenn sie sogar den Priester öffentlich im Wirtshaus beschimpfen, kränken, tadeln, wenn er in der Predigt nur angedeutet, dass es Eltern gibt, die keine Kinderzucht mehr haben. So wie auch jene Eltern ein tiefes Verderben verraten, die ihre Kinder, wenn sie gefehlt haben, weder selbst strafen, noch strafen lassen. Wenn es vielmehr immer heißt: Meine Kinder, sind sie nicht recht, sind sie schlecht? Was geht es dich an? Noch versunkener sind, die Rache üben wollen an denen, die ihre ungezogenen, strafmäßigen Kinder auch nur gelinde getadelt oder gezüchtigt haben. Ich habe einmal einen Vater gekannt, der mit einem Stecken in die Schule kam, den Lehrer zu verprügeln, weil er seinen ungeratenen Sohn in der Kirche herauskommen ließ. Wie muss sich unser einer schämen! sagte der blinde Vater, und die Frau gibt auch keinen Frieden daheim, wenn ich das leide. - Wer trägt die Schuld an der Kinder Verblendung? Ich habe Eltern gekannt, die über den Regierungsbefehl schimpften, der ihren schulpflichtigen Kindern den Besuch der Wirtshäuser und Tanzplätze verbieten ließ. Ich kenne Eltern, die Seelsorger tödlich hassen, die ihren Kindern den Tanzplatz verbieten wollen.
Wer wird nicht versucht zu glauben, der Teufel stehe in Verbindung mit solchen Eltern, dass sie mit vereinter Kraft gegen Jesus und seine Diener auftreten? Und wie tötet erst die übertriebene Kleiderpracht die ländliche Einfalt, und vernichtet alle Demut, allen Gehorsam, alle Liebe und Geduld! Seit die Bauern-Mägde feine und seidene Kleider tragen, ist ihr Sinn und Herz vom Stolz und Hochmut aufgeblasen. Ach, mein Hochwürden! sagte eine brave Bäuerin zu mir, gestern war meine Magd um 12 Uhr Mitternachts noch nicht vom Tanz daheim. Krank bin ich gewesen, und weiß vor Mattigkeit noch nicht zu gehen. Wer füttert mir mein Vieh? Da sagte mein Mann nur ein Wort, dass sie Unrecht tue, dass sie so lange im Wirtshaus bleibe. Augenblicklich trat sie nun aus dem Dienst. Was soll ich tun? Man sagt freilich, auf das Kleid kommt es nicht an, sondern nur auf das Herz und die Gesinnung; nun ist aber eben das Herz und die Gesinnung von dem Gewand beherrscht und verführt, d.h. hoffärtig und eitel gemacht worden. Was ist das für ein hoffärtiger Blick an einem Sonntag beim Gottesdienst, der sich von Kleid zu Kleid wendet, und vom Kreuz wegzieht? Und wenn er nur nicht gar des unreinen Schnitters, der französischen Mode halber zur Unreinheit verleiten möchte! Was ist das für eine Sprache, so voll Trotz, Frechheit, Stolz, Kühnheit, so voll Verwerfung alles Höheren, alles Anstandes, jeder guten Sitte und Ehrbarkeit? Was ist das für ein auffahrendes Wesen, so voll des Zorns und der Rache bei der kleinsten Gegenrede, beim geringsten Widerspruch in der Arbeit, im Geschäft? - Niemand mehr will sich belehren lassen! Jeder will mehr verstehen, will Lehrer sein, den Meister machen, will befehlen, fast niemand mehr den Gehorsam erweisen, der bescheiden und sittsam ohne Murren und Gegenrede den Befehl des Vorgesetzten wie aus Jesu Mund vollbringt. Was ist das für ein hämischer Seitenblick, für ein gehässiges Lauern auf fremde Fehler, für ein niedriges Belauschen jedes fremden Trittes? Was ist das für ein Merken auf fremdes Tun und Lassen, seitdem man allenthalben in feinen und seidenen Kleidern einherstolziert? Wie horcht man auf, um zu vernehmen eine Neuigkeit, die oft nur unsere Eigenliebe befriedigt. Womit sehe ich nun vom Morgen bis zum Abend die Zunge beschäftigt? Lobt sie etwa ihren Schöpfer? Verflucht sie etwa die eigenen Sünden? Bittet sie etwa ab für vorausgegangene, geheime eigene Verbrechen? Bittet sie etwa um Versöhnung durch Christi Blut? Da irrst du dich. Sieh, der hoffärtige Mensch kniet nimmer vor Christi Kreuz als armer Sünder. Er klopft nimmer im Hoffartskleid beim heiligen Opfer auf reuige Brust - dessen schämt er sich. - Im seidenen Gewand scheint es ihm dumm, noch ein niedriges Kreuz zu machen, oder gar einfältig die Hände beim Gebet zu erheben. In dieser Situation ist er ganz anders geworden. Er hat selbst schon mit dem Kleid auch die Weisheit angezogen, und besitzt davon umso mehr, je schöner dasselbe glänzt. Das alte Sprichwort: man muss beten, um nicht in die Sünde zu fallen, kommt ihm überflüssig, abgeschmackt vor; denn er fällt ja nicht; die Ermahnung: Hüte dich vor der Eitelkeit, kommt ihm abgenutzt, wie veraltet, wie eine Sache vor, die unnötig scheint; denn er weiß es ja von selbst schon, weil er mit dem Kleid selbst alle Weisheit inne hat, alles selbst versteht und kennt. Das Sprichwort der Alten: Es ist nicht alles Gold was glänzt, ist besonders einfältig auf ihn angewendet, seit dem neuen Anstrich der grünen Fensterläden und der gefälligen Einfriedung des Gemüsegartens, und seitdem der Schneider die neue Haube verfertigte, und ein besonderes Sacktuch aus der letzten Dult die jetzige Nase putzt. Wer steht, sehe zu, dass er nicht falle - so hieß es oft in den alten Predigten - so darf man ihm nimmer sagen! Es braucht`s ja nicht; außerdem dass er für so schlecht nicht angesehen werden darf, als ob er fallen könnte, weiß er ja schon von selbst, was fallen heißt und stehen, und er bedarf keiner langen Ermahnung mehr. Die Zeiten haben sich geändert. - Die Leute sind dermalen, spricht er, so dumm nicht mehr, wie sonst. Alles ist jetzt pfiffiger geworden! - - Auch ein Geistlicher muss sich wohl hüten, ihm zu sagen, dass das sechste Kapitel im siebenten stehe, weil er jetzt viel verständiger geworden ist, und er einen solchen Aberglauben nimmer dulden würde. Jetzt ist es ganz anders geworden. Der alte Pfarrer im Grab dürfte nicht mehr aufstehen mit seinem Geschwätz nach seinen alten Ansichten vom alten Gewand aus Wolle und Leinwand, und von den hölzernen Häusern. Alles hat sich jetzt geändert, ist schöner d.h. verständiger geworden. Ach! wenn er aufstünde, und käme wieder zu predigen, ging ihm entweder niemand in die Predigt mehr, oder es ging jeder wieder hinaus, wenn er anfing mit seinem alten Gesage: Durch Bekanntschaften haben viele ihre Unschuld verloren. Ha! der alte Narr! Oder mit seinem: Eltern, lasst eure Kinder, Söhne, Töchter nicht auf Tanzböden gehen! Dieser Mann hat doch, oder scheint wenigstens gar keine Bildung der Zeit, gar wenig jetzigen Verstand gehabt zu haben. - Doch wenn er noch lebte, jetzt müsste er schon anders lehren, so hörte ihn ja niemand mehr an! Er könnte doch nicht wider alle Leute reden? Er müsste sich vielmehr nach den Leuten richten! Oder wenn er anfinge mit seiner Demut, Erniedrigung, da wüsste man gar nicht, was er damit wollte.
"Es behaupte jeder seinen Charakter - verteidige seine Sache! - Nachgegeben habe ich nie, und ich habe immer recht gehabt. Ja das war eine finstere Zeit! jetzt dürfte er nimmer so frei reden! Was er sich abgeschrien hat wider die Trunkenheiten, und ich weiß gar nicht warum? Er wollte gar jeden Rausch verbieten? Und mit seiner ängstlichen Rechtschaffenheit hat er wirklich unverständige Verwirrung und Trübsinn verursacht. Er sagte immer: "Jeder unrechte Heller müsse zurückgegeben werden." Da hat er nicht recht gehabt. Denn wie könnte das sein? Man hat oft die Sache nicht mehr. Oder, wenn man sie noch hat, ist sie schon zerbrochen. Man ist selbst arm, und der andere braucht sie nicht mehr. Und sein "im Feuer abbüßen" oder "Leiden dafür" hätte ich nimmer länger anhören können! Er vergällte einem alle Freude. - Ach, du lieber Gott! wenn das so wäre! - so kann es nicht sein! Sind ja die meisten Leute jetzt so. - Also kämen alle? - ich will schweigen. - Am meisten zürnen wider ihn die Knechte, Mägde, kurz die ledigen Personen, die sich liebten, wie man sagt, diese wollten sich von ihm ihre Freude nicht verbittern lassen. Die Liebe ist ja nicht Sünde, ist natürlich. Und lustig, ich muss es schon sagen, lustig bin ich auch gewesen. Und ich habe sein altes Geschwätz von Behutsamkeit, Vermeidung der Gelegenheit, Gedanken, Betastung, Wort und Werk nie recht anhören können. Es haben unser viele, die so recht Verstand gehabt haben, und die Sache besser wussten, meistens unter der Predigt sodenn geschlafen. Die Grobheit aber, uns manchmal aus dem Schlaf aufzuwecken, ginge ihm jetzt nimmer durch. Dort war aber eine andere unverständige, dumme Zeit! Am allermeisten ärgert mich sein Geschwätz von der Ehrabschneidung. Dort war er wirklich grob und übertrieben. Das kann Gott nicht fordern von mir, dass ich mir alles gefallen lasse. Am Ende träten ja die Leute auf einem mit Füßen herum! Und wenn man gar nichts sagen dürfte von anderen Menschen, müsste man ein rechter Maulaffe sein. Ich denke hierin so: Mit mir soll einer nicht anfangen! da käme einer übel durch! und wenn einer mich beleidigte, den überhäufte ich wieder mit tausend Schimpfwörtern, so dass einer ewig an mich denken müsste. Wenn das so wäre, wie dieser sagte, oder wie es stehen sollte, und wäre so zu verstehen, wüsste ich gar nicht mehr, wozu man die Zunge hätte. Meine Meinung ist: Man muss reden und reden lassen. Ja, es lässt sich schon nicht mehr so machen, wie er sagte, man würde brav ausgelacht werden, wen man ihm folgte."
Dies ist die herrschende Sprache im seidenen und persenen Gewand. Aber ach! was ist jetzt aus der Menschheit geworden! Das Kind spricht verständiger, als der Vater; der Unweise und der Tor gelehrter, als der Verständige. Das wäre schon recht, wenn es nur wahr wäre! Es ist vielmehr alles verkehrt, alles erlogen und betrogen. Um die Torheit zu vollenden, sehe ich einen großen Thron erhöht - was! ein Thron? für wen? wozu? ein Thron? Ja, ein Thron ist errichtet. Aber sage mir, mein Lieber, für wen der Thron gehöre? Soviel ich weiß, gehört der Thron nur für Gott, wenn er uns einst richten wird, oder für einen König, der Länder und Leute regiert, und Gericht hält. Für wen gehört denn dieser Thron? Es können doch nicht alle Könige sein? Oder wie sich erdreisten, auf den Thron zu steigen, wie Gott? Schweige mit deinen alten Fragen, die nur von Einfalt zeugen. Auf diesen Thron steigt jetzt jedermann, der ein bisschen Verstand hat, und ein Herz im Leib, um seinen Nebenmenschen zu richten. Aber darf man das? Du ängstlicher Mensch! sei doch kein altes Weib, nicht so einfältig! Man muss eine Unterhaltung haben. Und zudem wird nur gelacht; also ist es so übel nicht gemeint, wenn man von den Fehlern anderer Menschen redet. Ich freue mich schon auf künftigen Sonntag, da kommt Johannes Dambokus Springbrunn; dieser weiß immer unsern alten Schneider so gut nachzumachen, dass er veritabel getroffen ist, und alles lacht. Er macht es weiter jedem so; wohl nicht unters Gesicht, aber doch immer, wenn jemand fortgegangen. Ebenso unterhaltend ist auch unsere alte Hundschra auf der Hühnersteige. Man meint nicht, dass es möglich sei, wie sie alles, gar alles wissen könne. Zuweilen bringt sie freilich viel Gutes vor. Es ist ärgerlich, sagte sie neulich in der Kirche vor der Messe zur Nachbarin, dass die Leute nimmer beten mögen, dass sie sich schämen, den Rosenkranz in die Hände zu nehmen. So böse sei sie nie gewesen. Auch seufzte sie tief auf über die Jungfrau Margaretha, dass sie nun gewiss gehört habe, sie sollte schwanger sein. Man sollte gar nimmer leben, sagte sie vor der Wandlung. Der Diebstahl sei richtig, den der so brav und heilig erscheinende Gregoribauer gemacht hat. Wahrlich, sagte sie, da dürfte Gott immer verzeihen. Nach der Messe hatte sie noch etwas zu sagen der genannten Nachbarin, jedoch unter Verbot, es weiter zu verbreiten, nur bloß um die Leute kennenzulernen. Sie waren bald fertig geworden. Doch verging die Zeit so schnell, dass es in die zwei Stunden gedauert hat, denn sie hat mit der geläufigen Zunge die ganze Gemeinde durchlaufen, und jede Hausnummer besehen, wie sie geschrieben ist. Sie verstand auf dieser Reise alle Geschäfte, Arbeiten, ja sogar die geistlichen - von dem Beichtsitzen angefangen bis zur Begräbnis, und von den Beichtstühlen, wie sie gemacht sein müssen. Überall wusste sie anzugeben, wie es sein soll, aber leider nicht ist. Um aber verständlich zu sein, gab sie, jedoch nur aus Liebe, immer jeden namentlich an, von dem sie meinte, er könnte nicht recht sein, oder dies und das könnte von ihm nicht gut sein. Um aber die Sache gleich auszumachen, und die Liebe zu vollenden, sagte sie immer, wenn sie eine Sache noch nicht recht wusste: Aber doch ist es so! Schlecht ist er genug dazu! So richtete sie, und gewann nach und nach viele Anhänger und Nachfolger, die sie nachahmten, aber bald an Kunst und Geschicklichkeit weit übertrafen. So richtet man und wird gerichtet, ohne zu bedenken die Lehre Jesu: "Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet!" Was aber am meisten hierbei zu bedauern ist, ist der Verlust der seligen Einfalt, denn die Sucht, alles, was man sieht oder hört, zu richten, zu verdammen, zu beschnarchen, über unsern Leist zu ziehen, ertötet in uns die Haupttugend, die Liebe, schwächt die Demut, mindert die Geduld, verletzt die Gerechtigkeit, vereitelt die Sanftmut, und pflanzt den Stolz, die Sucht, zu gefallen, zu schmeicheln, die Härte, den Geist des Hochmuts, den Neid, die Rachsucht, die Falschheit und Untreue, die Verräterei in uns, indem wir dem einen den Judaskuss geben, den wir gerade vorher lieblos getadelt, gerichtet, verleumdet und verdammt haben. Und so muss aber auch die selige Einfalt verloren gehen, indem wir immer und vorerst auf alles merken und sehen, was uns nicht angeht, und in den Strudel der Zerstreuung und Versuchung, der Verstellung und Verwirrung geraten, durch Aufnahme so liebloser Urteile, durch Aussprechen unchristlicher Verdammung, da wir doch selbst nicht wissen, ob wir der Liebe oder des Hasses würdig seien.
Alle Laster treiben sich in einer Seele herum, die der seligen Einfalt entblößt ist. Die Hoffart macht Worte ohne Absicht und Sinn, die aber doch ein fremdes Herz kränken, weil sie lieblos und beleidigend sind. Da der Mensch das eine verloren, ist er selber aus einem zwei geworden durch den Verlust der Einfalt. Denn bei allem, was er tut, ist er zwei und nicht eins, d.h. wenn er spricht, fehlt es ihm an der Einheit; wenn er denkt, möchte er es nicht sagen, so nicht erscheinen, wie er ist: deshalb ist er zwei und nicht einer, oder eins. Handelt er, so hat oft sein Inneres eine ganz andere Absicht, als die Handlung anzeigt, oder vorstellt. Er kann in diesem Stand äußerlich lachen bei innerem Zorn, mit dem Mund grüßen, mit dem Herzen verraten. Das Auge zwingt er zur Freundlichkeit, die Zunge zum Lob der Schmeichelei, aber im Innern verbirgt er den Hass. Ein solcher Mensch hat die Einheit verloren, d.h. er denkt nicht mehr an den Einen, den Ewigen, wenn er geht oder ruht, wenn er sitzt oder steht. Gott ist nimmer sein Streben, nimmer sein Ziel! - Sogar beim Gebet lügt der Mund, unter den Lippen selbst, wenn er das Wort ausspricht, ändert es seine Bedeutung in ihm. Er denkt an was anders, als der Inhalt ausspricht. Er sucht nicht Gott. Ihn meint er nicht - auch in der Kirche nicht! Er betet für Geld und Gut. Er spricht, um Ehre zu erhaschen; gibt aber Gott vor; spricht von der größeren Ehre Gottes, sogar wenn er sich am Feind rächt, den Nächsten lästert. Was man hört von einem Menschen, sagte einmal eine fromme Person, die es aber nur dem Schein nach war, muss man überall sagen, damit er sich schämt, und sich bessert. So geht aber die Einfalt verloren. Sailer drückte sich über die selige Einfalt sehr schön aus, da er sagte: Etwas, das nur eine Falte hat. Da kann sich also nichts verstecken. Da gibt es keine Geheimnisse, keine Neugierde. Man spricht mit dem einfältigen Bruder Franz als er immer vor dem heiligen Sakrament gesessen: "Ich habe gehört, dass unser Herr Gott darin wäre." Darum sitzt man gleichsam im Geist immer vor dem Einen, der uns allein beseligt, und das letzte und höchste Ziel unseres Lebens ist. Unsere Neuigkeit ist das Christkindlein auf dem Kasten, zu dem wir nach jeder Arbeit und Bemühung wieder kehren, dem wir unsere Not erzählen, dem wir unsere Werke zuschreiben, und das wir in jedem Anliegen anrufen. Das heißt gottselig oder vor Gott mit Abraham wandeln. Dies ist aber nur der Einfalt eigen, die eins mit Gott ist, und die Zweiheit der Sünde überwunden hat.
Der Geiz tötet die heilige Einfalt. Er verkauft Jesus und alle seine Werke, achtet die Gnadengaben des mindesten Preises kaum würdig. Der Geiz lügt, verstellt sich, betrügt, täuscht auf jegliche Weise, um in den Besitz irdischen Gutes zu kommen.
Er schätzt die himmlischen Güter nach irdischem Preis, erhebt aber das Irdische über das Ewige. Das Erstere ist ihm das Ziel, der Zweck, das Letztere nur Mittel. Um sein Hab zu vermehren, bedient er sich auch unerlaubter Mittel, selbst falscher Schwüre, wenn sie nur seine Absicht befördern. Er hasst die Offenheit, verwünscht die Aufrichtigkeit. Da er mit dem Himmel nur spielt, hat er keine Treue und Wahrheit, und verdient also keinen Glauben. Woran seine Seele hängt, kannst du aus dem Streben seines Herzens abnehmen. Er spricht gewöhnlich, unaufhörlich, und oft bis zum Überdruss von Arbeit. Er ist nie zufrieden mit dem, was getan worden, und wird nimmer zufrieden, so lange er lebt. Noch die Tasche mit Geld gefüllt, klagt er über Not und Armut. Seine Freude ist nur stäte Vermehrung seines Vermögens. Dies allein erfreut seine gierige und heißhungrige Seele. Er hat kein Gefühl und Mitleid für fremde Not, und könnte selbst dem Bettelmann die Knöpfe vom Rock ausschneiden. Er ist nie ruhig. Jetzt beunruhigt die künftige Not, Teuerung, Hungersnot, Dinge, die noch ungewiss sind, ihn, jetzt klagt er über Verlust. Immer muss er im Zorn leben, weil er die Sachen der Welt nicht als Mittel zur Ruhe, zum Leben, zum Frieden betrachtet, sondern umgekehrt. Die Sachen, die Mittel, das Geld, die Speisen, Kleider und Besitzungen sind sein Gott. Diese ändern sich aber täglich, stündlich, deshalb ist auch er so veränderlich. Jetzt ist er willig, aber wie lange? jetzt verspricht er dies, morgen reut es ihn wieder. Bald lacht er, bald weint er. Um kleiner Dinge willen lärmt er, erhebt ein großes Geschrei, weil er die Sachen mehr als Gott liebt. Um seinen Götzen zu erhalten, wird er ein Schmeichler, leidet viel von Menschen, mattet seinen Körper bis zum Tod ab. Die Menschenfurcht durchbebt den ganzen Tag seine Seele. O wie oft verkauft er die Wahrheit, unbekümmert, ohne Gewissensbisse, wenn er nur die Sachen - seinen Gott - behält. Er duldet um des Geldes willen sehr viele Schmach, um Gottes willen aber nicht die geringste Rede. Keine Sünde tötet so die Einfalt, als der Geiz. Die Einfalt hat die schönste Gleichförmigkeit des Geistes. Der Geizige verwandelt sein Gemüt, wie der Mond das Licht. Mit einem Geizigen verhandle nicht, denn du bist immer betrogen, wenn du seinen Worten glaubt. Er spricht nur, um dich zu betrügen. Ihm ist nichts heilig, weder Grenzstein, noch anvertrautes Gut. Hast du dich geirrt in der Zählung des Geldes, er lächelt über deine Dummheit, nie gibt er etwas mehr zurück; denn er hat keinen Sinn für Recht, für die eine, ewige Gerechtigkeit. Ihm gilt es gleich, wenn er dich im Kauf auch um die Hälfte des Wertes betrogen - das nennt er kein Unrecht. Traue einem Geizigen nicht. Seine Zunge ist eine vielgestaltige Schlange, die sich dreht und wendet. Er ruft Gott zum Zeugen schon eines Pfennigs wegen an. Er beteuert die Wahrheit - glaube ihm nicht. Es ist ihm nichts heilig, da er seine eigene Seele verraten hat. Am allerwenigsten aber trau seiner Freundschaft; sie ist unsicher und so veränderlich, wie der Tag und die Luft. Nachdem er Gott untreu geworden und der Wahrheit, glaube nicht, dass er dir treu sein werde. Ihn lenkt nur der größere Gewinn; wo der meiste Vorteil für ihn, dort ist er Freund. Arm geworden, spottet er deiner. Rechne nicht auf seine Treue. Betrachte seine Wandelbarkeit. Um ein bisschen Erdengut zu erlangen, macht er viele Worte, Ehrenbezeugungen auf Schein und Trug, tausend Gänge, Krümmungen, und opfert alles auf, Arbeit, Schweiß, selbst den Verdruss. Er bleibt sich nur in dem immer Gleich, dass er nie bei der Wahrheit bleibt. Wie sehr ist er also der Einfalt ungleich, ihr entgegen, die immer das Eine liebt, sucht, denkt und spricht. Beim Geiz kann keine Einfalt sein und bestehen.
Auch die Völlerei, besonders die Trunkenheit, ertötet die Einfalt. Der Trunkenbold kann als Diener des Bauches kein Freund der Einfalt sein, denn als solcher sucht er nur eigene Sinnlichkeit, und entfernt sich immer weiter von dem Einen, Ewigen, das die Einfalt liebt. Zwei Herren kann niemand dienen, also auch er nicht. Der Trunkenbold hat außer dem Fleisch, dem er göttliche Ehre erweist, die Gott nimmermehr von ihm erhält, und auf das er aussät, und von dem er ewigen Untergang erntet, (deren Gott der Bauch, deren Ende aber der ewige Untergang ist) noch das an sich, dass auch er eine Hülle vor seine bösen Werke ziehen muss, um seinen eigenen Untergang nicht erblicken zu müssen. Diese Hülle nun ist das nörgelnde Tadeln jedes Trittes und Schrittes fremder, rechtschaffener Menschen, verbunden mit beständiger Lobpreisung der eigenen Werke, damit das Gewissen nicht erwachen möchte über die eigene Sündhaftigkeit, als nämlich über die schlechte Verwendung der Zeit, über die Verschwendung des eigenen Vermögens. Solche große eigene Brocken werden immer nach Christus am besten verschluckt, wenn man die Mücken säugt, d.h. die geringen Fehler anderer Menschen tadelt, und die Elefanten, d.h. die eigenen großen Sünden verschlingt. Dass nun ein solches Leben der Einfalt entgegen ist, versteht sich von selbst. Hier ist keine geliebte Einsamkeit, noch weniger armes Sündergefühl - hier wird am allerwenigsten das Eine, Ewige - Gott - gesucht, wo der Bauchdienst die einzige Sorge ausmacht. Das Eine ist hier nur die sinnliche Selbstsucht, das beliebte Ich, verehrt unter einem Krug Bier. Allein einen Gott muss der Mensch haben, und hat er keinen, so dichtet er sich einen. Also macht es auch der Trunkenbold. Er dichtet und dichtet, er spricht und schreit über Theologie und Gottesgelehrtheit, als ob er studiert hätte; das Bier erleuchtet auch, und macht die Zunge beredt, und mancher Besoffene wird zum Doktor, allein wohlgemerkt, nur ein "Doctor cerevisiae", ein Bierdoktor. Soll also die Trunkenheit der Einfalt nicht entgegen sein? Der Trunkenbold setzt im Rausch Könige und Regierungen ab, predigt wie ein Pfarrer auf seiner Bank, liest eine zweite Messe, absolviert den größten Sünder im Beichtstuhl, verjagt den Lehrer von der Schule - aber nur immer mit dem Beisatz, womit er wichtig tut: "Brüder! wenn ich Herr wäre, ich wollte regieren!" Ich weiß nicht, was er meint, und nicht, wen er meint; sich kann er nicht meinen, da er immer im alten Laster stecken bleibt. O wie heilig ist die Einfalt dagegen, wenn sie nüchtern bleibt, in Einsamkeit lebt, und etwas anderes sucht, liebt und spricht, als der Schreier und blinde Lärmer, der Säufer!
Ebenso ertötet die Unkeuschheit die Einfalt. Sowie die Einfalt sich als höchste Lauterkeit der Absicht und Wirkung darstellt, so kann die Unkeuschheit als Unlauterkeit in Gesinnung und Tat ihr nur feindlich entgegen treten. Der Unlautere wird so gern ein Spötter der Andacht und frommer Personen, eine Sache, die wohl einigen Grund in der Natur dieser Sünde selbst haben mag. Die Unzucht hat unter andern Folgen der Sünde auch die Gottesvergessenheit. Diese zieht nach sich allgemeine Unbesonnenheit selbst über ewige Dinge, große Gleichgültigkeit, sowie Geringschätzung aller ewigen Wahrheiten, besonders des Gerichtes und der ewigen Strafe. Würde der Unlautere oft an diese Wahrheit denken, so könnte er keine Ruhe haben in seiner Sünde. Im Taumel der Wollust tritt also hohe Gottesvergessenheit ein, und seines Reiches, dann, immer tiefer im Schlamm der Wollust versunken, verliert der Mensch alles Schamgefühl, den edlen Anstand, und am Ende drängt sich die Überzeugung auf, er könne nicht mehr anders sein und leben, als unzüchtig. Um die Stimme des Gewissens zu unterdrücken, schwätzt er sich trügend und täuschend immer vor, die Unzucht sei nur eine unbedeutende Sache, und keineswegs so Sünde, als sie gepredigt wird. In dieser Lüge wird der Mensch unterstützt von der Menge böser Beispiele und von den Einflüsterungen des Satans. Alles überredet ihn, dass die Sünde keine Sünde sei. Natürlich glaubt er leicht in einem Fall, wo er selbst schon Versuche gemacht hat zur falschen Theorie, um über die verübten bösen Taten das unruhige Gewissen zu beschwichtigen. Die Welt stellt nun einen Tempel der Lust nach dem andern an in Musik und Tanz, um den Sklaven der Sünde gegen Gottes warnende und rufende Stimme der Erbarmung im Sündenschlaf zu erhalten. Zeigen nun fromme Beispiele sittlicher, religiöser Menschen noch den Weg der Unschuld, Keuschheit, so wissen sich die Sklaven der Sünde nicht mehr anders gegen ihr aufwachsendes, anklagendes Gewissen, strafendes, richtendes und verdammendes Bewusstsein zu helfen, als durch Spott und Auslachen solcher Menschen, die durch ihr frommes, reines Leben die Unzüchtigen unruhig gemacht haben. Aber in diesem Widersagen und Widerstreben gegen Gottes Gnade und in diesem Kampf gegen die guten Eindrücke der frommen Beispiele müssen die Unkeuschen stets zu den krummen Gängen der Hoffart, zu den falschen Drehungen des Hochmutes, der Schlange, ihre Zuflucht nehmen, sie müssen sich erheben, , und wieder erheben durch Gelächter und Spott, um immer tiefer fallen, immer mehr von Gott und der Reinheit verlassen werden zu können. Dies ist aber alles so unnatürlich, so heimtückisch, so verworren, so widersprechend, so eitel, so unwahr, so trügerisch, dass hierdurch die Lauterkeit der Einfalt in ihren Grundelementen der Offenheit, Aufrichtigkeit, Wahrheit und Einheit tiefst angegriffen wird. Also die Unzucht befeindet auf alle Weise die Einfalt. Sie verschreit sie als Narrheit; so sehr ist sie vom Wahnsinn befangen! Sie gab ihr zuerst den Namen Dummheit. Ist aber an allem Geschrei kein wahres Wort. O ihr Unzüchtigen! Was wollt ihr? Lässt sich die einfache Richtung des Gemütes zu Gott, das, vom Trug des Lasters abgewandt, unverweilt der Wahrheit sich zuwendet, Dummheit nennen? Ihr seid wahrlich, euren eigenen Lüsten überlassen, Feinde Gottes geworden, da ihr jene lästert, verachtet, und verspottet, die Gott suchen, Ihm allein dienen und seine heiligen Freunde geworden sind. Von euch steht geschrieben: Ihr selbst geht nicht hinein in den Himmel, und wollt auch jene, die da wollen, nicht hineingehen lassen. Ihr lästert, was ihr nicht versteht. Der Reine muss in seiner schweigenden und leidenden Einfalt euch stets zur Zielscheibe des Spottes dienen. Aber wartet nur eine kurze Zeit! - Bald wird sich das Blatt wenden, und dann wird es sich zeigen, auf welcher Seite die Dummheit gewesen ist, ob auf Seite der Frommen, oder der Unkeuschen. Oder meint ihr vielleicht, an euch wird Gottes Wort nicht wahr werden, euer Lachen wird nicht in ewiges Weinen verwandelt werden? Lacht nur über die fromme Einfalt, und haltet sie für Dummheit, bald wird sich die Sache wenden, und ihr könnt weder dem Tod, noch dem Tag des Gerichts entfliehen. Ihr verspottet euch ja nur immer selbst. Euch selbst lacht aus als ewige Narren.
Aber auch der Neid befeindet, verwirrt und betrübt die edle Einfalt. Durch den Neid des Teufels kam die erste Unaufrichtigkeit, Falschheit und Lüge in die Welt. Die Einfalt, die sich an Gott erfreut und an der sich Gott erfreut, gönnt auch allen anderen diese Freude und alles Gute von Gott. Die Einfalt trauert beim Unglück des Mitmenschen, und weiß nichts von dem heimtückischen Lächeln über fremdes Unglück. Im Neid erreicht die Falschheit eine hohe Stufe. In Verbindung mit der Hoffart untergräbt er alle Demut in sich, und bringt sich um die Vertraulichkeit Gottes. Wir sind des Lebens nicht würdig, auch nicht eines einzigen Atemzuges. Wir sind unwürdig nicht nur aller Gnade und Gunstbezeigung des Himmels, sondern auch jedes freundlichen Anblicks unserer Mitbrüder. Wir sollten froh sein nach begangener Sünde, dass wir nicht ewig verdammt wurden, sollen zufrieden sein, wenn Missgeschicke, Widerwärtigkeiten, Trübsale, Leiden, Verdruss, Schmach, Sorgen und Kummer, Kälte und Frost oder Hitze und Ermüdung, Hunger und Durst, Schlaflosigkeit und Krankheiten, kurz alle Verachtung der Menschen uns quälen, in Erwägung, dass wir noch gut daran sind mit vergänglichen, leichten Leiden, da uns ewige, schwere Leiden hätten treffen sollen und können. So denkt die Einfalt und schweigt, weil Demut sie mit der Wahrheit eint, und an die Barmherzigkeit erinnert. Allein der Neid zerstört diese Einheit. Er macht, dass wir das Ewige vergessen, d.h. jene Strafe nicht erwägen, die wir verdient hätten, und die ewig wäre. Und sodann bringt er uns in Ungeduld und zur Schmähsucht, auch zur Lästerung. Wir klagen über Gottes Barmherzigkeit und Gnade, dass er so gütig ist bei anderen, und durch Milde sie zum Leben führt. Wir sind böse darüber, dass er so gütig ist, können es nicht mehr ertragen, wenn andere erleuchtet, getröstet, erfreut, beglückt und beseligt werden. Und der Wurm des Argwohns, die Blindheit des schiefen Urteils, die Lieblosigkeit der Zunge, vom Satan gewetzt, will Gottes Güte an anderen wieder wegschneiden, und kann es nicht leiden, wenn auch in des Nachbars Garten Bäume blühen, muss darüber zürnen, kann nicht offen und kindlich hinblicken auf die Stätte fremden Segens, fremden Glücks, kann nicht segnend, nicht freudig hören, dass sich des Bruders Herz erfreut, dass er Gott dankt. - Der Neid möchte gern auf alle Weise alles missgönnen, allen Segen anderswo vertilgen, und versucht, um dies zu bewirken, alle Schleichwege des Hasses, alle widerlich gut blickenden Halbmienen seines blassen Gesichts, alle zweideutigen Aussprüche seines Mundes, alle Seitengänge der Zerstörung. Da das Laster ein geistiges ist, ist die Verzweigung seiner Bosheit unendlich. Immerwährend behält der Neidische seinen verborgenen Hass, der in tausend Formen so oder anders immer wieder erscheint, und an der Lieblosigkeit erkannt wird. Da ist keine Einfalt, sondern wenn auch nur ein Funken da wäre, müsste er zerstört werden. Der Neid verbietet sogar anderen mit dem Vater oder Bruder zu reden. Da darf kein freundlicher Blick mehr an die Person geschehen, die wir nicht leiden können. Und wie jämmerlich er den Menschen quält! Er lässt ihn nicht essen, nicht trinken, nicht ruhen, noch schlafen, raubt sogar die Gesundheit, und desungeachtet wird er nicht abgelegt, sondern behalten, geliebt. Und welche unnütze Qual! Was habe ich davon, dass ein anderer auch nichts hat? Was gewinne ich, wenn ich andere in Leiden gebracht habe? Ich selbst trage in mir stets den bösen Wurm der Unruhe und Qual, und möchte gern alles in gleiche Unruhe versetzen. Ist noch ein anderes Laster, das so wie dieses ähnlichen Sinn der Hölle verrät? Denn der Teufel beneidet uns Adamskinder aus der verwerflichen Absicht, seine Unruhe der Hölle auch in uns zu verpflanzen. So macht es auch der Neidische. Immer fängt er Händel, Zank und Unfrieden an, und kann den Frieden nicht lieben, nicht leiden; ist also nicht etwas Teuflisches an ihm? Und in diesem höllischen, krummen, falschen Sinn hasst und zerstört er jede Wahrheit so gut er kann, ohne dass eine Lüge, ein Trug, eine List ihm hierzu zu niedrig wäre. Daher urteilt, richtet, spricht und verdammt er immer. O wer kann seine Verdrehungen zählen, die er sich erlaubt im Reden, wenn er jemanden nicht liebt, sondern hasst! Da nennt er selbst das Weiße schwarz, das Große klein, das Gute stets böse, die Buße Scheinheiligkeit, das Gebet Frömmelei, die Wahrheit Lüge, die Liebe Hass, die Aufrichtigkeit Trug, die glimpflichste Begegnung Schimpf, und kann oft noch nicht ruhen, wenn der Gegenstand seines Hasses schon im Grab ruht. Noch im Tod schärft er seine lieblose Zunge gegen ihn. Und er verdirbt auch die Kinder zu gleicher Finsternis. Selbst die Freunde müssen so reden, wie er, falls sie ihm gefallen wollen. Alles muss dabei helfen zur Herabsetzung des ehrlichen Namens. Nicht nur er steht auf der Gasse, und breitet sein Maul weit auf, um seinen inneren Groll und Hass der Lieblosigkeit rauszulassen, sondern er muntert auch andere auf, gleich ihm auf der Gasse das Maul aufzureißen, und zu schreien. O wie weit ist das entfernt von jener Einfalt, die in der stillen Hütte in Nazareth wohnte, schwieg und die Sünde vergab, ja vielmehr litt, um sie vergeben zu können, und Verzeihung - Freude, Speise und Ruhe nannte!
Der Neid kann keine Ruhe leiden, keine Stille dulden, sondern will Unstetigkeit, Flüchtigkeit ins Auge pflanzen, Glattheit auf die Zungen, Falschheit im Herzen ausbreiten, und wirkt darum zerstörend für die Einfalt.
Am meisten aber zerstört der Zorn die Einfalt. Er ist in seinen Äußerungen der Zerstörung verschieden, je nachdem es die Quelle ist, aus der er zu entspringen pflegt. Vor allem stört er die Einfalt des Auges. Von Rache entflammt verliert es die vorige Sanftheit, wird wild und feurig, und da es vorerst liebte und sanft blickte, will es jetzt entzünden und abbrennen, was aber nicht geschehen kann, ohne jene Einfachheit des Blickes zu zerstören, der man, weil einfach, nicht ungünstig sein konnte. Er ändert und verkehrt auch die Gesichtszüge. Es liegt auf dem Menschen-Antlitz, solange ihm noch die Unschuld innewohnt, so etwas Anmutiges und Edles, so dass die größten Kenner der Menschheit oft von Bewunderung hingerissen wurden, wenn sie alle Züge ins Auge fassten, und dann den richtigen Schluss machten, im Gesicht des Menschen, der ein reines Herz hat, spiegle sich der Geist, die Unschuld, der Himmel, oder seine höhere Abkunft ab. Was gibt aber diesen Zügen Einheit, Schmuck und Zierde, und erhöht und adelt sie? Ist es nicht die Einfalt, die wie wunderbarer Schmelz der Farben das himmlische Gebild veredelt. Aber alle diese Schönheit, all dieser Adel geht verloren durch des Zornes Wut. Was sanft war, wird feurig, rot und wild. Das Schlichte wird gerade, verschroben, verstellt, verkehrt, und es offenbart sich das Dasein eines unedlen Gastes. Das Einfache ändert sich in Vielgestaltiges, und aller Anmut Reize der Einfalt schwinden. Eben so erhebt sich die Zunge im sanften reinen Menschen im angenehmen Laut, so wie denn die Stimme des Menschen überhaupt etwas Wunderbares, göttlich Bezauberndes an sich hat. Kommt aber des Hasses Grimm in die Seele, dann stottert, zittert, bebt, schreit, lärmt sie, und die friedliche Zunge wird wie giftige Schlange. Vorher war sie so edel, so kindlich, nun aber, wenn das Natterngift auf den Lippen liegt, da wird sie wild, mordsüchtig, und verliert die Ruhe, den Adel der Stille, die Einfalt. Da die Quelle des Zorns so verschieden ist, ist auch die Äußerung seiner Zerstörung vielfach. So viele Krümmungen unkenntlichen Ursprungs nimmt nicht leicht eine Vernichtung der Einfalt an als eine gehässige Zunge. Sehen wir auf die äußere Darstellungsart, so werden da nur heilige Arten gewählt, die schönsten Aushängeschilde gemacht, die prächtigsten Lappen neuen Tuches vor das gesprengte Loch des alten, zerrissenen Rockes gehängt, im Innern vermoderte Dinge werden von außen mit Firnis überzogen und geglättet, dass das, was in sich und an sich schlecht ist, doch eine schöne Außenseite darbiete, und gut in die Augen falle. Morsche Wände gebrechlicher Häuser erhalten von Außen einen Anwurf, eine Tünche und Weiße, dass man sie für neue, gute, haltbare und gemauerte halten sollte. Alte Kleider werden neu gefärbt. Auf den inneren Wert wird nicht viel gehalten; wenn nur etwas Schein verbreitet, ist man vergnügt. Das schadet aber der Einfalt ungemein, wenn alles seiner natürlichen, ursprünglichen Stellung entrückt wird. So viel nun dergleichen Lappen neuen Tuches auf ein altes Loch gelegt werden, so viel nun auch der Aufschichtungen des falschen Lobes sind, so verschieden und mannigfaltig sind auch die Wunden, die durch solchen nichtigen Schein der Wahrheit und Aufrichtigkeit geschlagen werden. Die innere Leerheit, Hohlheit muss durch schöne äußere Lappen bedeckt werden, und es wird von ihrem Besitzer alle mögliche Sorge getragen, nur nicht entdeckt zu werden in dieser Leerheit vom Kenner der Leerheit, vom Seher der Wahrheit. Wird nun pflichtgemäß oder aus Zufall die innere Schändlichkeit, oder das verborgene Schlechte oder Verdorbene entdeckt, da entbrennt der Besitzer der neuen äußeren Lappen, der Besitzer des Scheins, der Liebhaber des Lobes und seiner selbst in Hass gegen den Prediger der Wahrheit, und weiß sich nicht mehr anders zu rächen, als durch einen Blick in die Sonne, ob sie nicht auch Flecken habe, und hat sie keine, so dichtet er einige, und vernichtet so arglistig die Einfalt. Dies ist der Stolz der Pharisäer, die mit Gebetlein vor den Menschen prunken, öffentlich nach eigener Willkür gerne Lehrer anderer sein möchten, jedoch ohne Beruf und Befugnis, um die innere Armseligkeit und Leerheit an Tugend mit diesem äußeren Lappen zu decken. Dieser entdeckte Stolz geht nun in unverzeihlichen Hass, in scheele Tadelsucht und in unverständige Beurteilung aller Worte, aller Handlungen eines anderen über, der uns entdeckt hat. So waren die stolzen Pharisäer in ihrem Hass gegen Jesus beschaffen, und sie konnten es nicht mehr vergessen, behielten beständig den unversöhnlichen Hass gegen ihn, ohne ihm, der ihre innere Schande aufgedeckt, mehr vergeben zu können. Dadurch wurde nun aber die edle Einfalt zerstört. Ebenso müssen auch viele tausend Äußerungen des Tadels, des Richtens, des Verdammens, Kritisierens der neuen Pharisäer gegen die Prediger der Wahrheit, die ihre Lappen, womit sie die innere Schande bedeckten, verrieten, erklärt werden. Und so viele Äußerungen des Tadels und der Bitterkeit ans Tageslicht kommen, so oft wird die Einfalt verletzt. Die Wahrheit gebiert Hass. Und da jeder schön sein will, und etwas schön nennen muss, nennt er das Krumme gerade, das Dicke dünn, und das Finstere licht und hell, das Schwarze weiß. Denn so schickt es sich gut zu seiner inneren Schwärze des Verderbens, um auch sie nicht mit zu großer Gewissenspein weißzufärben. Er würde aber in dieser Schmucklerbeschäftigung oder Einschwärzung immer beunruhigt werden, wenn er nicht stets schwärzte, d.h. dass er überall das Schlechte unter der Decke des guten Scheins lobte, und das echt Gute unter dem Mantel des Bösen erniedrigte. Der Pharisäer kann nicht echt Gutes loben seiner Natur nach, weil er in seiner Hoffart allen Blick auf die Wahrheit verloren hat, oder vielmehr mit Fleiß sein Auge zudrückt vor dem Anblick der Wahrheit, und sein Ohr absichtlich, freiwillig der Wahrheit schließt. Da nun niemand ohne Wahrheit sein kann und will, sucht er nur den Schein auf, hasst die Wahrheit Christi, und klebt scheinheilig nur am Buchstaben. Er mag jedermann nach Fähigkeit seines Geistes sich im Unwesentlichen eine äußere Form wählen, die ihn erbaut, allein der diabolische Trieb, der die Schale über den Kern setzt, oder den Kern zertritt, und die Schale ohne Kern sich lobt, kann nicht gut sein, nicht gut genannt werden. Diese Verblendungsmaxime übt jeder, der neben dem Gebet ein Laster wiederholt, und dann, um Ruhe zu finden, die Wahrheit zerbrechen möchte, weil er aber dies nicht kann, in unversöhnlichen Hass ausbricht gegen den Verkünder der Wahrheit.
Ebenso vernichtet aber auch die Trägheit die Würde und den Vorzug der edlen Einfalt, und sie muss es zum Teil. Denn da sie in der Kirche schläft, und schlafen will, kann sie die gerade Richtung des Gemütes zu Gott nicht mehr recht geben, ohne sich selbst zu verdammen. Da sie für sich alles opfert, Ruhe sucht, Genuss verlangt, Erholung wünscht, Sättigung begehrt, die Arbeit nur mit Ekel betrachtet, kurz alles Mühevolle, Beschwerliche wegschiebt oder wegschieben will, kann sie an Christi Einfalt keinen Geschmack finden. Die Trägheit verlangt für den Leib einen guten Trunk, und erlaubt sich auch Überfüllung. Die Einfalt liebt Nüchternheit und Durst um des ewigen Durstes Qual nicht erfahren zu müssen. Die Trägheit liebt Geschwätzigkeit, besonders Selbstlob, Selbstanpreisung, um die innere Sündhaftigkeit oder Schlechtigkeit zu befriedigen. Die Einfalt aber redet wenig, oder schweigt still. Die Trägheit liebt den Schlaf, das Sitzen, sich an die Wand lehnen, das Liegen, kurz sie scheut alle Anstrengungen. Die Einfalt liebt dagegen die Wachsamkeit Christi, die Tätigkeit des Geistes, Anstrengung, Arbeiten, das Ringen, Steben, Trachten, Bemühen nach dem Reich Gottes. Diese zwei treffen nie zusammen, wo sie auch zusammen kommen, z.B. in der Kirche, im Gottesdienst. Die Trägheit möchte sitzen, die Einfalt knien, die erstere will schlafen, die letztere wachen. Die erstere will hier Unterhaltung oder Kürze, die letztere will Abtötung oder Länge. Die erstere will Tadel, Richten, die letztere verdammt nur sich, und glaubt an der Stätte der Buße nicht Vergnügen, Ergötzung suchen zu dürfen, denn es schaudert ihr, an einem solchen Platz, wo der ewige Sohn Gottes sich selbst verleugnet, abgetötet, seinen Willen verleugnet, unverleugnet, unabgetötet nur eigene Lust des eigenen verdorbenen Willens zu suchen. Suche da keinen Tanzboden, wo die Nägel Christi sind. Auf der Stätte des verleugneten Willens Christi such kein Vergnügen oder Erfüllung deines Willens. Die Einfalt betet an, weint und schweigt hier, wo die Trägheit klagt, murrt, tadelt, schläft. Welche Ungleichheit! Der Trägheit ist der Gottesdienst, die Predigt zu lang, die Einfalt kann nie satt werden in Anhörung des ewigen Wortes. Weil nun die Trägheit so abgespannt, so klag- und tadelsüchtig ist, so darf, wenn sie äußerlich doch schön sein will bei innerer Schlechtigkeit, nichts anderes erwartet werden, als dass auch sie zu den krummen Gängen der Hoffart ihre Zuflucht nehmen muss mit der Bitte, ihr die Scheinheiligkeit und einige Lappen neuen Tuches, nebst der Verstellung und dem Tadel der Aufrichtigkeit und der Einfalt der Wahrheit zu schicken, um, was inwendig verdorben ist, zu bedecken, und was von außen an der Wahrheit unsere innere Schlechtigkeit antasten wollte, damit zu schlagen. Der Wahrheit schlägt man den Bogen ins Gesicht, damit ihr das Geigen vergehen möge.
So wie aber die Falschheit und Lüge und Unredlichkeit den Hochmut, die Erhebung, Selbstgefälligkeit, Hoffart und Stolz, der eigenliebig andere tadelt, richtet und verdammt, im Gefolge hat, so hat die Einfalt und Lauterkeit des Sinnes Demut, Geduld und Liebe bei sich, um durch sie erhalten, unterstützt und veredelt zu werden. Geht z.B. der Einfältige nach dem Geist Jesu in die Kirche, so begleitet ihn die Demut. Wie jener Publikan getraut er sich nicht aufzublicken, sondern klopft reumütig auf seine sündhafte Brust. Den Pharisäer aber begleitet Stolz, die Erhebung bis zu den Stufen des Altars. Der Sünder bleibt hinten an einer Ecke des Tempels im Winkel stehen, wogegen sich der Stolze an den vordersten Platz drängt. Der Pharisäer sieht im Tempel auf andere Menschen, richtet und verdammt sie, wobei er sich erhebt, rechtfertigt und selig spricht. Diesen blinden Pharisäer-Stolz, der noch so viele Menschen in die Kirche begleitet, verdammte Christus als Heuchelei. Der Einfältige, den die Demut begleitet, hat in der Kirche gleichsam kein Auge, um auf andere zu sehen. Und eröffnete auch sein Auge sich, so hätte er schon keinen Sinn, keinen Gedanken, um etwas anderes in der Kirche zu merken oder zu beachten, als das Eine, Ewige, das ihn durchdringt, beherrscht, zerknirscht, verdammt, aber doch wieder erlöst, tröstet, begnadigt und beseligt. Wahrlich dieser ging gerechtfertigt hinweg. Der Pharisäer aber geht nicht in die Kirche, um sich zu erniedrigen vor Christus, um heiliger zu werden, um von einem anderen eine höhere Wahrheit anzuhören, er prüft nur stolz, ob der Priester auch es gerade so sagt, wie er denkt, meint, spricht. Tut er dies, dann gut; tut er dies nicht, verdammt jener vielleicht eine Manier oder äußere Gebetsübung von diesem oder ein inneres Laster, das die Dämonen in ihm künstlich und trügerisch durch Blendung nähren, dann wehe dem Priester auf der Kanzel, oder dem Diener Gottes auch am Altar. Dann schärft er die giftigen Pfeile seiner Zunge, die Waffen der Hölle, und schießt mit seiner ganzen Galle auf den Gesandten des Herrn los. Der Einfältige schaut auf niemand in der Kirche, er verdammt niemand, richtet niemand, als sich. Gott sei mir armen Sünder gnädig! Das ist seine Sprache. So leitet die Demut die Einfalt. Der heilige Franz von Sales sagt: wer wahrhaft betet, merkt auf nichts anderes, ja er denkt und weiß nicht einmal, dass er betet. So ist er versenkt in die Tiefe göttlicher Erbarmung. Er will hier im Haus Gottes keine Erhebung, kein Lob, kein Vergnügen, wie der hoffärtige Pharisäer, der sich mit diesen Blendwerken täuscht. Er sieht und hört gleichsam nichts anderes, als: "Das Blut des Herrn hat mich erlöst. Gott ist heilig. Ich bin ein Sünder, der Verdammung würdig, dem Gericht anheimgefallen. O mein Gott! O mein Gott! Verwirf mich nicht von Deinem Angesicht, verstoße mich nur nicht auf ewig von Dir! Da liege ich armer Wurm, ich Staub! O mein Gott! Wer bin ich, dass Du Dich meiner erinnerst, dass Du meiner gedenkst? Ich bin nicht wert, da zu sein in diesem Tempel, da ich auch unwürdig bin, dass die Erde mich trägt. Ich bin unwürdiger, sündhafter, als alle. Und Du, Barmherziger, Du lässt mich leben, lässt mich Deine Barmherzigkeit in der Predigt noch vernehmen. Deine Gerichte sollen blitzen, und der Donner der ewigen Verdammung soll mich erschlagen - und o wie gut bist Du! Stattdessen spricht noch in Deinem Namen Dein Priester zu mir! Ich bin es nicht würdig, dass Dein Priester für mich die Messe liest, mir noch predigt, so sündhaft bin ich!"
So spricht die Einfalt, von der Demut begleitet, so denkt sie in der Kirche. Wie abstechend, wie ganz anders ist das Betragen des selbstsüchtigen, feindseligen, hochtrabenden, scheinheiligen Pharisäers dagegen. Er meint Gott, dem Priester, der Kirche, den Menschen eine Gefälligkeit damit zu erweisen, dass er auch in die Kirche geht. Er geht aber nur hinein, um sich zu brüsten, zu prahlen und andere zu richten, zu tadeln und zu verdammen. Dies ist die ganze Frucht seines Tempelbesuches. In der Kirche gefällt er sich allein, sein Gebet ist vortrefflich, seine guten Werke treten da hervor, all das Seine tröstet ihn, wie ein stolzes Polster das sinkende Haupt eines Schlafenden. Damit aber das Seine recht in die Höhe kommt, muss die Andacht anderer oder ihre Fehler recht herunter gesetzt werden. Er tadelt aber nicht nur Seinesgleichen, sondern selbst seine geistlichen Vorgesetzten. Er versteht das Messelesen besser, als der Geistliche. Bald liest er ihm zu langsam, bald zu geschwinde, bald hält er den Kopf nicht recht, bald streckt er die Arme zu wenig aus, bald fehlt es dem Priester am Kreuzmachen. In der Predigt gefällt ihm nichts. Bald ist es ihm zu streng, bald zu leicht, bald zu lange, bald zu kurz. Am meisten hasst er Jesu Wort von Abtötung, Selbsthass, Selbstverdammung, besonders den Spruch: Wer sich erhöht, wird erniedrigt werden. Diesen kann er durchaus nicht leiden. Was macht doch der Stolz aus einem Menschen, wenn er ihn zur Kirche begleiten darf! Wo ist hier noch die Einfalt? Er sitzt in der Kirche auf seinem Stuhl nicht als Sünder, sondern nur als Richter da, der statt auf seine Brust zu klopfen und das Blut des Herrn von dem Priester zu empfangen, es zu erwarten scheint, der Priester müsse zu ihm hingehen, vor ihm sich verneigen, ihn preisen, loben, erhöhen. Er sitzt nicht da, als arm, nicht als Sünder, der auch ein Gericht zu fürchten habe, und nun flehentlich bittet, und reuig fleht um Erbarmung, sondern als stolzer Klotz, der, gleich dem Götzen, nur von eigener Anbetung träumt. O wie weit ist eine solche Seele von Jesu Gesinnung! Er sitzt nicht da in seinem Stuble, um aufzumerken auf die göttliche Lehre. Er scheint die Lehre zu verachten, da er sie im Sinne hasst, im Herzen verabscheut, und nachhin von Wort zu Wort tadelt, richtet, verdammt und verwirft, und so hat er sich selbst sein eigenes Gericht, seinen eigenen Tod bereitet. So gehen aber dermalen viele tausend Menschen in die Kirche. Dies lässt sich abnehmen aus dem vermessenen Urteil, das nach der Predigt über sie gefällt wird. Und das ist nach dem heiligen Chrysostomus der schauerliche Abgrund des Sünders, wenn er in die Kirche nur, wie in eine Komödie geht, gleichsam Gewohnheit halber, oder um ergötzt zu werden. Die Predigt ist aber keine Komödie, denn sonst wäre ja der Tod Jesu, der da gepredigt wird, das künftige Gericht, das da verkündigt wird, nur den Brocken Brotes gleichgehalten, den ein mutwilliger Hund nimmt, und hin und her wirft, weil er ihn nicht will, und mit dem er seine Frechheit treibt. Eine solche Frechheit treiben viele Christen. Sie lachen und spotten, statt zu zittern und zu weinen, glauben also nicht mehr, dass eine ganze Ewigkeit daran hängt, an dem Tod Jesu, der hier verkündigt wird, glauben nicht mehr, dass man sich hier an dem Blut des Herrn den Tod und das Gericht hinein essen kann. Nichts ist schauerlicher, als ein solcher Sünder, der auch mit dem Blut Jesu scherzt, und mit Dingen seinen Mutwillen treibt, wo Christus ewiges Heulen und Zähneklappern gedroht hat. Dies macht der Stolz, der den Menschen sogar bis zum Heiligtum begleitet. Ganz anders aber ist die Einfalt. Sie fällt nieder auf die Knie, betet an, hält sich jedes Anblickes unwürdig, klopft reuig auf die eigene Brust, richtet niemanden, am aller wenigsten den von Gott gesetzten Richter. Sie spricht: Ich bin nicht sein Richter, sondern er ist der meinige. Der Pharisäer aber sagt: Er ist nicht mein Richter, sondern ich richte ihn, und geht darum, ja muss ewig zugrunde gehen, weil er im Priester, als Stellvertreter Gottes, Gott selbst, und in der Predigt Gottes Wort selbst verworfen hat.
Außer der Demut begleitet auch noch die Geduld die Einfalt auf dem Weg des Lebens. Die Einfalt sagt, von der Geduld begleitet: Ach was ist unser Leiden gegen das Leiden Christi! Die Einfalt sagt: Wenn ich an die Hölle denke, die ich verdient hätte, kommt mich das Fasten, Beichten, Feiertagheiligen, Bußetun, Predigtanhören, Wachen, kurz keine Religionsübung hart mehr an. Sie sagt dagegen nichts, und schweigt stille, und murrt nicht, wie ein Verdammter nicht nur nicht murren würde, sondern noch Gott Dank sagen und den Priester umarmen würde, der ihm anzeigte, dass er noch selig werden könnte, wenn er tausend Jahre auf lauter Nadelspitzen da knien müsste. Das ist noch nichts gegen meine jetzige Pein. Der Verdammte würde Freude bezeigen, wenn ihm die Erlösung angekündigt würde unter der Bedingung: so lange noch vorher zu weinen und Blut zu vergießen, bis die Tropfen bis zum Firmament reichten. Welch eine Geduld! Allein der Pharisäer hat nur Ungeduld. Das Fasten kann er nicht, weil es ihm zu beschwerlich ist. Das Wachen ist ihm zu hart. Stillschweigen, Einsamsein, sich selbst Abtöten, seinen Willen verleugnen, einen Widerspruch ertragen ist ihm zu viel gefordert. Er verwirft also diese Forderung und glaubt noch selig zu werden. Welche Blindheit! Welche Verworfenheit! Der Gottesdienst ist ihm zu lang, die Predigt zu streng. Also den Himmel mag er nicht, wenn er ihm unter solchen Bedingungen angeboten würde. Er will von seiner Laune, von seiner Kurzweile, von seiner Lust, von seinem verkehrten Treiben nicht ablassen. Der Himmel soll ihn nichts kosten. Für die Befriedigung seiner Lust ist ihm kein Opfer zu hart. Da läuft er, und rennt, arbeitet und mattet sich ab, da lacht er und ist munter, da läuft und wacht, schwitzt und denkt er, wo es auf leichtsinnige, vergängliche Dinge ankommt. - Und für den Himmel nur einen Fuß zu heben, eine Hand zu bewegen, ist ihm zu hart, er weiß nicht Worte genug zu finden, seine Ungeduld auszudrücken. Fürs Zeitliche da kann alles sein, da zweifelt er nicht, weil er will und Lust und Freude hat, aber der Unwille findet im Ewigen auch das Leichte schwer, wo nicht gar unmöglich.
Was zeigt nun dies alles an? Was anders, als den Mangel an Liebe Gottes? Weil der Mensch keine Liebe hat, redet er so wenig von Gott und göttlichen Dingen. Darum ist ihm die Predigt zu lange, darum der Gottesdienst beschwerlich, darum das Gebet so hart. Weil er nur Mutwillen hat, spottet er, weil er Abneigung, Widerwillen im Innern gegen das Göttliche nährt, hasst er Priester und Predigt. Und er will recht daran sein, will noch selig werden! Bei dieser Falschheit, wo alle seine Worte, Blicke, Gedanken, Handlungen nur die Richtung zu Sinnengenuss, zum Verderben haben, aber nicht mehr zu Gott, dem Einen, was ewig beseligt, will er der ewigen Wahrheit gefallen! Doch so ist die Gestalt der Verblendung nach dem Verlust der Einfalt - ohne Demut, ohne Geduld und ohne Liebe - umgestaltet aber in die abgestumpfte Dummheit des verhärteten Pharisäer-Gemütes, das noch von einem Himmel träumt, da es doch alles Göttliche durch Wort und Tat verlacht und hasst. Ganz anders aber der edlen Einfalt Tun und Lassen. Sowie der Einfalt stetes Sehnen und Trachten nur die unverwandte, eine Richtung zu Gott hat, und nur von der einen Rede von Gott und göttlichen Dingen sich angezogen und getröstet fühlt, wie die Einfalt alle Wege Gottes, alle Opfer für Gott und das Göttliche leicht nennt, und ihre Speise und Freude, drückt sie eben dadurch außer ihrer Einheit mit Gott, auch zugleich ihre Liebe zu Gott aus. Da sie aber Gott wahrhaft liebt, und das Göttliche überall erkennt und liebt, bewährt sie in ihrer Einheit mit Gott, und in ihrer Liebe zu Gott auch zugleich ihre Liebe zum Nächsten, und sie fällt demütig nieder, wie Bruder Franz vor jedermann, der sich über sie beklagt und spricht: Ach, mein Bruder! Verzeiht mir, dass ich so ungeschickt gewesen bin, dass ich euch beleidigt habe. O Gott! Verleihe uns diese heilige Tugend, die Du so sehr liebst, und in Bruder Franz ausgezeichnet hast! Heilige auch mich dadurch! Amen.
Gottseliger Bruder Franz vom Christkindlein
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