Wie Konvertiten die Kirche erleben
(von: Elisabeth Luise v. Brandt, 1928)
I. Keimende Saat
Rückkehr zur Mutter
In vielen Menschen lebt von Kindheit an die Sehnsucht nach der mütterlichen wahren Kirche Christi, der römisch-katholischen. Sie äußert sich in einem schmerzhaften Gefühl der Heimatlosigkeit, das immer wiederkehrt, wenn es auch durch beglückende Umstände eine Zeitlang entschwunden scheint.
Dass es Heimweh nach der Kirche ist, wissen auch Erwachsene oft noch lange nicht. Sie würden zunächst jeden auslachen, der es ihnen sagte. Von ihr kennen sie ja gar nichts, denn was sie so beim flüchtigen Hineinblicken erspähen, missverstehen sie meist. Die Kirche Christi ist zu innerlich, um nur von der Außenseite her verstanden werden zu können.
Mit der Muttermilch saugen so manche Andersgläubige Vorurteile gegen den Katholizismus ein, die durch Elternhaus, Schule, tendenziöse Predigten immer größeren Umfang annehmen.
So geschieht es denn, dass Suchende Jahrzehnte, ja fast lebenslang an schwerer seelischer Depression leiden, bis sie eines Tages die Kirche finden. Dann lässt jene verzehrende Sehnsucht, für die sie keinen Namen fanden, nach und mit ihr das trostlose Empfinden des Getrenntseins von Gott, den sie schließlich ganz aus ihrer Sicht verloren hatten.
Auch mir erging es so. Wie einem Menschen, vor dessen Augen ein Schiff immer weiter und weiter entgleitet und sein ganzes Heiligtum, sein unvergängliches Glück fortträgt, so war mir. Selbst die Schönheit der Natur, die meiner Wesensart überaus viel bedeutet, vermochte das Bewusstsein meiner Bettelarmut nicht mehr zu verwischen und machte mich nur noch ruheloser. Wenn ich mich zu ihr flüchtete, wurde mir, als könnte ich in ihr nirgends rasten, sondern müsste wandern, immerfort wandern, um meine Seele wiederzufinden, deren Leben ich nicht mehr spürte. Ich fing an, mich nach einem geweihten Raum zu sehnen, dessen Inneres von jener anderen Schönheit wäre, die beruhigend wirkt, um dort den Frieden einzuatmen, den ich nur noch dem Namen nach kannte.
So betrat ich manchmal die katholische Kirche, deren Tür nie verriegelt war, und weinte in irgendeiner Ecke, in der man mich nicht so leicht bemerken konnte, meine geistliche Not aus. Allmählich wurde ich stiller. Ich gewann in zwingender Weise den Eindruck, als wäre ich nie allein im Gotteshaus, auch wenn außer mir keine Leute anwesend waren.
Eine mir bewusste Beeinflussung durch die Vorstellung des Tabernakels war das aber nicht. Ich kannte ihn gar nicht, wusste nichts vom eucharistischen Heiland, wie ihn die katholische Kirche kennt und hat. Auch einer heiligen Messe wohnte ich nie bei. In die Nähe des Hochaltars wagte ich mich gar nicht hin. Ich kniete immer ganz hinten am Haupteingang, im äußersten Winkel, und verließ die Kirche, sobald sie sich mit Katholiken füllte.
Trotz meines Verlangens nach ihr waren widerstrebende, ja feindselige innere und äußere Lebenseinflüsse so bestimmend, dass ich ihr manchmal lange fernblieb, Jahre hindurch!
In meinem Hang zur Mystik versuchte ich mich im geistigen Okkultismus daheim zu fühlen. Mir war er aber nicht tief, nicht reich genug und konnte meiner Seele keine Heimat werden. Tiefe besitzt nur eine Lehre, die ganz durchdrungen ist vom persönlichen Gott. Alles andere bewegt sich auf einer gewissen Oberfläche, die freilich manchmal in herrlichen Farben schillert, nie aber vollkommen bis ins Unterbewusstsein im Menschen dringt.
Der Protestantismus hat nicht Einfluss auf mich gehabt, trotzdem ich als Protestantin getauft und konfirmiert worden bin. Meine Konfirmation ging seelisch fast spurlos an mir vorüber. Nur äußerlich erlebte ich sie als schönen Festtag.
Zu Luther empfand ich nie eine andere Beziehung als die Gewissheit, dass er die heutige evangelische Konfession nicht erstrebt hat, dass er verzweifelt wäre, wenn er sich diese fast tausendfältigen, einander widersprechenden und verleugnenden religiösen Sekten ansähe, die, ach, so friedenraubend wirken!
Indes sage ich das nicht etwa als Ausdruck der Missachtung, der Verurteilung. Das käme mir Protestanten gegenüber gar nicht zu. Mein Verdienst ist es doch wahrlich nicht, dass meine umherirrende Seele endlich heimgefunden hat! Es ist rätselvolle, erschütternde Gnade, die mich rief, zu kommen. Sie löst trauernde Liebe für Andersgläubige in mir aus, die leidend suchen und noch nicht oder auch nie die Kirche Christi finden.
Geheimnis volles Walten und unwiderstehliches Heimweh zogen mich nun immer stärker und mahnender zum Katholizismus. Stets aufs Neue wurde mir bewusst, wenn ich in der katholischen Kirche still betete, dass Jesus Christus nach fast 2000 Jahren seiner Kreuzigung in ihr lebt. Inniger als sonst wo auf Erden, uns Menschen näher!
So ging ich denn (nach 15jährigen Zögern!) endlich zu einem Pfarrer, den ich bat, an seinem Konvertitenzirkel teilnehmen zu dürfen. In tief beseeltem Unterricht lernte ich die Kirche kennen und wurde Katholikin.
Nun verlor ich auch die anfängliche Scheu im Gotteshaus, die einem anhaftet, so lange man nicht weiß, wie man sich dort zu benehmen hat. Wie leicht kann man Ärgernis erregen!
Außenstehende, die häufig die römisch-katholische Kirche besuchen, weil Heimweh sie dorthin zieht, mögen bedenken, dass Katholiken sehr feinfühlig sind, wenn sie Mangel an Ehrerbietung, besonders während der heiligen Messe, im Gotteshaus zu bemerken glauben und durch Fremde in ihrer Andacht gestört werden. Über das richtige Betragen in der Kirche, das der Gegenwart Christi im Tabernakel angemessen ist, orientiert man sich wohl am besten bei einem Priester. Wenn man der heiligen Messe beiwohnt, ohne über das Wesen der Kirche Aufklärung zu erlangen, erhält man kein richtiges Bild von ihr.
Konvertiten-Zirkel
Es werden Fragen auftauchen, die man sich nicht selbst beantworten kann und über die man vielleicht auch im Katechismus nicht Aufschluss findet, weil man sie falsch formuliert. Darum ist es durchaus ratsam, an einem Konvertiten-Lehrzirkel teilzunehmen.
Niemand braucht Überredung zum Konfessionswechsel zu befürchten. Geistliche pflegen Andersgläubigen gegenüber, die katholisch werden wollen, durchaus zurückhaltend zu sein. Stets geben sie den Rat, diesen wichtigsten Schritt im Leben nur aus unumstößlicher Überzeugung zu tun. Beteiligung am Konvertitenunterricht verpflichtet also keineswegs zum Übertritt.
Man lernt aber in geordneter Folge die katholischen Glaubenswahrheiten kennen und kann sich reiflich prüfen, ob die eigene Seele aufnahmefähig für sie ist. Darf man sich diese Frage bejahen, dann freilich fällt es einem wie Schuppen von den Augen. Immer mehr enthüllt sich einem die unvergleichliche Hoheit, Großartigkeit und Tiefe dieser Kirche und man lernt vollkommen verstehen, dass man sich als ihr Kind begnadet und glücklich zu fühlen vermag.
Ihren besonderen Reichtum und die Wahrhaftigkeit ihrer Lehre ahnen, wie ich bereits zu Anfang sagte, auch viele Andersgläubige, aber nicht alle finden den Mut, Folgerungen daraus zu ziehen.
Die „Äußerlichkeit“ der katholischen Kirche
Feinde der Kirche behaupten und verbreiten, sie wirke auf ihre Angehörigen nur durch „äußerliche Aufmachung“, durch „suggestive Macht“, die den Willen beeinflusse, eigentlich sei sie „ein Sinnbild religiöser Veräußerlichung“.
In Wahrheit ist die katholische Kirche das Innerlichste, was man sich als Glaubenslehre denken kann. Alles, was Fremden im Gottesdienst äußerlich erscheint, ist bildhafter und mystischer Ausdruck der Innenseite des religiösen Lebens.
Wenn die größten katholischen Kirchen, die Tausende fassen, an Sonn- und Feiertagen von Andächtigen bis auf den letzten Stehplatz angefüllt sind, wenn beruflich schwer arbeitende Männer und Frauen schon um 6 Uhr früh täglich zur hl. Messe kommen und die hl. Kommunion empfangen, d.h. also vorher nichts genießen dürfen und nachher nicht Zeit haben zu frühstücken, ehe sie zur Arbeitsstätte gehen; wenn mancherlei schwierige Forderungen an Alltagsmenschen gestellt werden, die sie zu erfüllen trachten; wenn die katholische Kirche nach 2000 Jahren ihres Bestehens immer noch die größte ist und fortfährt zu wachsen, so wird es einem doch wohl die Logik sagen können, dass solches nicht um Äußerlichkeiten willen geschieht, sondern weil die Katholiken die tiefe Innerlichkeit ihrer Kirche empfinden, die ihnen die Wurzel ihres Erdenlebens bedeutet.
Die „Enge“ der katholischen Kirche
Hinfällig wie der Vorwurf der zu äußerlichen Wirksamkeit ist auch jener der „Enge“, den man von Andersgläubigen hört.
Bei einer Kirche, die von geradezu unerhörter Genialität in geistig-seelischer Architektonik ist in Aufbau und Linie (wo in der Geschichte gibt es denn etwas Ähnliches?!), die ihre Kinder zu universalem Denken erzieht und zu der sich eine lange Reihe bedeutender Geistesmenschen durch die Jahrhunderte hindurch bekannt haben und bekennen, kann wohl nicht gut von „Enge“ die Rede sein. Was ihre Gegner zu dieser irrtümlichen Auffassung veranlasst, das ist ihr Ausdruck kosmischer Ordnung, ihre Bindung.
Nirgends im Kosmos finden wir Unordnung. Wundersam hat der allmächtige Schöpfer des Himmels und des Weltalls seine ganze Schöpfung unter unverrückbare Gesetze gestellt,
„Gott Heiliger Geist, Ursprung aller Ordnung und Schönheit“, heißt es in dem katholischen Gebet um Wiedervereinigung im Glauben, das die Kirche betet.
Ordnung und Schönheit sind eng miteinander verbundene Begriffe. Wüstes Durcheinander trägt den Stempel der Hässlichkeit. Nur im Gehirn von uns Menschen bildet sich Unordnung, hervorgerufen durch die Sünde, die uns in Wirrsal stürzt. Ordnung gibt Freiheit des Geistes und der Seele. Auch gewährleistet sie materielles Dasein.
Durch Gesetz und Gebot der Ordnung innerhalb der katholischen Kirche fühlen sich nur Leute gestört, die dauernd einen ungeordneten Lebenswandel führen und nicht guten Willens sind, wenigstens allmählich freie Christen zu werden.
Das Gebot der Ordnung, auf den ersten Blick vielleicht hart erscheinend, bedeutet in Wirklichkeit Barmherzigkeit und Rettung.
Es gibt Stunden der Versuchung, der Besinnungslosigkeit im Menschen, aus denen ihn kaum noch etwas anderes herauszureißen vermag als jener Ruf zur Ordnung seiner Seele.
Die Kirche hat bei ihrem großen, heiligen Läuterungsernst auch unendlich viel Güte und Vergebung für jedes ihrer Kinder, so lange nur ein glimmender Funke des Emporwollens zu Gott sichtbar ist.
Darum – fürchten wir uns nicht und lassen wir uns durch nichts und durch niemanden einschüchtern, wenn unbezwingbare Sehnsucht uns zur katholischen Kirche zieht! Freuen wir uns, dass es auf Erden in ihr und durch sie einen Hort der Ordnung gibt, der nicht berstet, ja nicht einmal wankt, wenn die Erde aus den Fugen zu gehen scheint, wie es in der Periode des Weltkrieges der Fall war!
Maria verleiht Mut
Haben wir die Überzeugung gewonnen, dass allein die katholische Kirche uns die Wahrheit zu übermitteln vermag und uns zu ewiger Seligkeit führen kann, dann wird es Gewissenspflicht für uns, die Folgerung aus dieser Erkenntnis zu ziehen.
Und will uns die Seele verzagt werden im Bewusstsein unseres winzigen Einzeldaseins angesichts der Majestät dieser Kirche, dann flüchten wir uns getrost zu Maria! Sie, die heilige Gebärerin des Heilandes, die Seine Liebe zur unerlösten Menschheit teilte und Seine Schmerzen mit Ihm trug, wie kein anderes Herz jemals, ist in unseren bangen Stunden die leuchtende Himmelsbrücke. Und sie ist Mutter aller Heimweh-Seelen.
Wenn wir Maria auch nicht anbeten dürfen (Katholiken beten nur den dreieinigen Gott an!), so können wir doch mit gefalteten Händen zu ihr kommen, betend, wie sich Kinder mit einem Anliegen an ihre leibliche Mutter wenden. Und doch viel zuversichtlicher, denn Maria steht Jesus Christus, Gott, so ganz nahe. Rufen wir sie an: „Bitte für uns!“ Sie wird es tun.
Eines der schönsten kurzen katholischen Gebete, das Memorare, beginnt mit den Worten: „Gedenke, o gütigste Jungfrau Maria, dass es nie erhört worden ist, dass jemand, der zu Dir seine Zuflucht genommen, Deine Hilfe angerufen, um Deine Fürsprache gefleht, von Dir sei verlassen worden!“
Maria von der immerwährenden Hilfe bittet für uns Heimkehrende, dass wir freudig Einzug halten in die Kirche Christi, die unseres Daseins Untergrund werden soll, das Haus der Ewigkeit, in dem unsere Seele fortan wohnt und schafft, leidet und sich freut, von Gott untrennbar im Leben und erst recht im Tode!
II. Reifende Frucht
Das Glück der Heimkehr
Konversion, Aufnahme in die Kirche! Einer der glücklichsten Tage, wenn nicht überhaupt der herrlichste im Leben der Konvertiten.
Die Stunden der Erwartung, die weihevolle Ansprache des Priesters, der einen Stufe für Stufe der Kirche näher gebracht hat, die erste Beichte, die erste heilige Messe, die Erstkommunion sind innere und äußere Vorgänge voll des Erschütternden, an die geheimnisvollsten Saiten der Seele Rührenden. Erfüllte Sehnsucht nach Herz-Jesu-Licht ist es, das einen aus dem Grab auferweckt und einem das verloren gewähnte Ewigkeits-Ich wiederschenkt. Junges Glaubensglück ist der Himmel auf Erden.
Enttäuschungen
Aber hienieden gibt es nun einmal keinen noch so reinen Glanz, über den nicht Schatten zögen. Darum dürften wohl die meisten Konvertiten eine Art Reaktion erleben, die bei den einen stärker, bei den anderen schwächer sein wird. Sie kann bald eintreten oder auch nach längerer Zeit erst.
Das Verhältnis zum Beichtvater
Die überschäumende Begeisterung wird ruhiger. Der Alltag schiebt sich vor die Feiertäglichkeit der Seele. Mancherlei Erwartungen erfüllen sich nicht. Eine nicht ganz seltene Enttäuschung bereitet die persönliche Beziehung zum Priester. Für Konvertiten ist die warme Anteilnahme des Geistlichen im Beichtstuhl, wie die Beichte überhaupt, etwas so ganz Neues.
Welche Schauermärchen hatte man früher von Andersgläubigen über die katholische Ohrenbeichte gehört! Die Unwissenheit, die derartigen Gerüchten zu Grunde liegt, wird einem schon während der Vorbereitungszeit zum Übertritt bewusst. Dennoch lässt sich ein gewisses Angstgefühl vor dem Aussprechenmüssen der Sünden nicht überwinden, bis man im Beichtstuhl niederkniet. Aber schon nach den ersten unbeholfenen Worten, die man hervorbringt, öffnet sich die Seele. Reines Licht strömt in sie hinein. Güte und Nächstenliebe trösten einen. Nie gekannter Friede erfüllt nach der Absolution jede Pore des inneren Lebens.
Man fühlt, wie man teilbekommen hat am Urewigen. Von Mal zu Mal spricht man unbefangener. Priester kennen jede Art der Menschenschicksale. Darum verstehen sie auch das komplizierteste und ebenso das schlichteste und ungeschickteste Ringen um Gott.
Wohl geht man nicht zur Beichte, um sich auszusprechen, sondern um durch Gottes Stellvertreter im Sakrament der Buße alle Sünden zu Füßen des Heilandes niederzulegen. Aber im Hin und Her von Frage und Antwort empfindet man das herzliche Besorgtsein des Priesters doch als etwas sehr Wohltuendes.
Das Verhältnis des Beichtkindes zum Beichtvater, dieser schöne Vertrauensbund, lässt sich mit der Beziehung Andersgläubiger zu ihrer Geistlichkeit gar nicht vergleichen. Bei Konvertiten löst es aber manchmal die irrige Schlussfolgerung aus, als werde sich der Seelsorger nun auch außerhalb der Kirche freundschaftlich um ihr Einzelschicksal bekümmern.
Dass man einen Priester fände, der sich einem persönlich, von Seele zu Seele, widmen könnte, ist etwas Seltenes. Das kann der Geistliche nur tun, wenn eines seiner „Schäfchen“ in großer Gefahr, welcher Art immer, schwebt, wenn es krank oder seelisch ganz schwach ist; oder auch, wenn in einer ihm anvertrauten Seele ganz besondere Gnade bemerkbar geworden ist, die er betreuen und behüten muss bis zu ihrer klaren Auswirkung. Manchmal jahrelang.
Wir Konvertiten (nicht alle, aber viele) stecken anfangs noch viel zu sehr im Subjektivismus. Wir erlangen zumeist erst allmählich die objektive Anschauung der Unterordnung des kleinen eigenen Ich unter das große Ganze. Darum fällt manchen von uns auch die übernatürliche, überpersönliche Einstellung zum Priester anfänglich nicht leicht. Sie setzt Demut voraus. Ein demütiger Mensch fragt sich: „Wie käme gerade ich dazu, dass mein Seelsorger sich außerhalb der Beichte eingehender um mich kümmerte? Die Gemeinde oder sonstige Standespflichten stellen an den Priester die aufreibendsten Anforderungen an geistige und körperliche Kraft. Sollte ich von einer so kargen Muße auch noch etwas beanspruchen, obgleich er mir ohnehin viel kostbare Hilfe gibt und vermittelt?“
Priester sind Wesen höchster seelischer Berufung. Wir dürfen uns nicht, wir übrigen Christen, in eine Linie mit ihnen stellen wollen, auch wenn sie im täglichen Dasein als Menschen mitten unter uns wohnen.
Das Gefühl der Enttäuschung verschließt aber vorerst Konvertiten manchmal die Klarheit der Beziehung zum Seelsorger. Kommt es in jener Zeit schwankender Empfindungen vor, dass sie in der Beichte vielleicht einmal etwas schärfer angefasst werden, so fürchten sie, nicht mehr verstanden zu sein, und gehen versuchsweise zu einem anderen Geistlichen. Die Kirche gibt vollkommene Freiheit in der Wahl des Beichtvaters. Ratsam aber erscheint ein solches Wechseln ohne ganz triftigen Grund, Krankheit, lange Abwesenheit usw., nicht. Der Priester muss in das Seelenleben seines Beichtkindes hineinsehen wie der Leser in ein Buch. Ohne dass Seiten überschlagen werden. Nur dann wird er ernstlich helfen können.
Wenn wir Konvertiten so häufig als irgend möglich Gebrauch von den heiligen Sakramenten machen, täglich oder doch mehrmals in der Woche die heilige Kommunion empfangen, weil wir besonders zu sühnen, besonders zu danken haben, dann dürfte uns wohl bald der Gedanke kommen, die heilige Kommunion regelmäßig an einem bestimmten Tag des Monats (oder noch öfter) für die Priester aufzuopfern. So dürfen auch wir ihnen helfen.
Das katholische Volk ehrt seine Priester von Herzen. Es weiß, dass sie aus Liebe zu Gott ihr ganzes Erdenleben mit allem Blühen der Jugend, mit allem irdischen Glück in die Waagschale des Gerichts legen, um die Kinder Gottes für ewige Seligkeit zu retten. Aber Andersgläubigen bilden sie häufig genug das Freiwild für Schmähungen und Beschimpfungen, die einer vom andern übernimmt, ohne Priester zu kennen. Auch unter Verallgemeinerung haben sie zu leiden, wenn unter Tausenden Starkmütiger einmal ein Schwacher ist, dann wird er und sein Unglück nicht nur sofort an den Pranger gestellt (zumeist von gewissenlosen Genießern des Sinnenlebens!), sondern die ganze katholische Geistlichkeit wird mit lügnerischen Verleumdungen überschüttet.
Darum wollen wir Konvertiten für sie in besonderer Weise die Liebe Gottes herabflehen, dankbar daran denkend, dass jedem und jeder von uns ein Priester das Tor zur Kirche öffnete.
„Schlechte“ Katholiken
Es kommen auch wirkliche Enttäuschungen an Konvertiten heran. Es kann geschehen, dass aus den Reihen der neuen Glaubensgenossen Feindschaft ihr Gift heimlich und öffentlich auf den Weg speit, dass sich Klatsch und Verleumdung an die Fersen heften, dass man in der Masse Katholiken findet, deren Charaktereigenschaften einen geradezu erschreckenden Tiefstand verraten, der einen voll Bestürzung zu der stummen Frage veranlasst: Wie ist es nur möglich, dass sich im Innenleben regelmäßiger Besucher einer solchen Kirche derartiger Unrat bilden kann? Er wäre sicherlich noch ärger, wenn sie außerhalb der katholischen Kirche ständen. Die reichen Gnadenmittel der Kirche durchdringen sie nicht oder vielleicht noch nicht genügend. Wahrscheinlich ist ihr übernatürliches Leben nur ganz schwach. Wir wissen, dass es nicht in allen Menschen voll gleichmäßiger Stärke vorhanden ist. Das Warum bleibt verborgen vor uns. In einer Seele schafft es Wunder an Leuchtkraft, in der anderen glimmt es nur. Je nach dem Grad seines Vorhandenseins verfügen wir über die Möglichkeit, der uns allen innewohnenden Niedrigkeit zu widerstehen. Darum sagen wir nie, wenn sich ein Abgrund vor uns auftut: „Das ist ein schlechter Mensch!“, sondern denken wir in Trauer und Mitleid: „Lieber Armer!“
Um Verurteilungen ist es eine eigene Sache. Vielleicht, während wir gerade selbstherrlich über einen anderen den Stab zu brechen suchen, naht unser Verhängnis, das uns fallen lässt. Umhüllen wir demütig die Seele dieser Ärmsten mit Liebe! Sie wird sich helfend auswirken. Auf Erden oder im Himmel! Es gibt keine verlorene Liebe. Das gilt auch für Feindschaft. Gleiches mit Gleichem zu vergelten, würde in solchen Fällen viel Böses schaffen.
Ich kenne nur ein einziges fruchtbares Mittel gegen Feindschaft: Gebet. Aus ihm erwächst die Möglichkeit der Vergeltung durch Gutes. Am besten so verborgen getan, dass nur Gott davon weiß.
Hin und wieder Aufopferung der hl. Kommunion zugunsten des feindselig gestimmten Herzens, intensives Hinsenden freundlicher, ausgleichender Gedanken. Das sind unsichtbare, treue Helfer. Wenn wir äußerlich schon nicht immer Aussöhnendes zu tun vermögen, weil besondere Umstände uns daran hindern können, so sind wir um so ernster verpflichtet, in unserer Gesinnung Feindschaft in Caritas zu wandeln.
Vollbringen wir das nicht, so trifft uns die Mitschuld, dass sich böse Empfindungen in einer anderen Seele festsetzen und ihr Schaden zufügen.
Wir werden weniger unter Enttäuschungen leiden, wenn wir uns tiefschürfend mit der Erforschung unseres eigenen Gewissens beschäftigen.
Schwer pflegt sich für Konvertiten, meist sofort nach der Konversion, das Verhältnis zu den andersgläubigen Verwandten und Freunden zu gestalten. Manche, die mit ihnen eng verbunden waren, ziehen sich von den „Überläufern“ zurück. Auch wirtschaftliche Schwierigkeiten treten auf.
Glaubenszweifel
Aber das alles erscheint geringfügig gegen die qualvollen Stunden der Glaubensversuchungen, die sich gerade der Konvertiten zu bemächtigen suchen.
In den Intellektuellen unter uns erwacht in Zweifelsstunden dann wohl das Verlangen nach Forschung. Es ist Katholiken nicht verboten, zu forschen, doch kommt es auf die Art und Weise an, in der man es tun will.
Der große Thomas von Kempen sagt in seinem berühmten heiligen Werk „Nachfolge Christi“, im 18. Kapitel des 4. Buches „Vom Sakrament des Altars“: „So schädlich übrigens die Grübelei der Neugierde dem Menschen ist, so kann man doch deshalb die fromme und demütige Untersuchung der Wahrheit, die sich gern will belehren lassen und willig ist, auf der Bahn der gesunden Lehre der Väter zu wandeln, nicht verwerfen.“ Aber Thomas von Kempen sagt weiter: „Selig die Einfalt des Herzens, der es gegeben ist, die raue Bahn der rastlosen Fragen und der Streitsucht zu verlassen und auf dem ebenen, festen Weg der Gebote Gottes mutig fortzuschreiten!“
Der Glaube ist und bleibt nun einmal ein Gnadengeschenk Gottes. Wir werden ihn auch durch die ausgiebigste und erfolgreichste Forschung allein nie und nimmer erlangen. Eine Frage gebiert die andere bis ins Endlose. Es könnte geschehen, dass wir, uns auf eigene Kraft verlassend, dem Glauben erfolglos nachjagten.
Neben und über jedem historischen, wissenschaftlichen Suchen gibt es ein schlichtes und doch so wunderbares Mittel, fest und glücklich in Glaubenszuversicht zu werden. Was könnte es wohl anderes sein als das Gebet?!
„Durch Gebet kann man alles erreichen“ („alles“ im geistigen Sinn).
Dieses Wort, das mir am Tag meiner Konversion der Priester mit ins Leben gab, möchte ich aus der Tiefe meines Herzens allen Grübelnden weitergeben, die eine Zeitlang durch Dunkelheit wandern müssen und von Angst gequält werden, Weg und Ziel zu verlieren.
Hartes Opfer
Es können für Konvertiten (selbstverständlich sehr häufig auch für Katholiken von Geburt, doch handelt es sich hier nicht um sie) auch Herzensstürme kommen, in denen sie in Konflikt geraten mit Gebot und Gesetz der Kirche. Es ist bitter schwer, einem Glück zu entsagen, das voll Lebenssüße scheint. Aber die Erfüllung dieses Glücks wäre weder Segen noch Harmonie, wenn die Kirche einen solchen Liebesbund nicht segnen, nicht anerkennen darf. Ihm würde fehlen, was von Gott kommt, was Er über das Natürliche hinaus zweien Liebenden geben will. Er könnte es nicht, denn ein ungeordnetes Einswerden zweier Menschen geschähe außerhalb Seiner Ordnung, die unverrückbar in alle Ewigkeit ist.
Wen große Güte und Gnade in die Kirche berief, der muss mit Leib und Seele Katholik sein, sonst geht er an seiner Halbheit zugrunde, an jenem unheimlichsten Gift der Seele.
Die katholische Kirche ist ein so geschlossenes Gefüge von Lehre und Handeln, dass es wider Sinn und Verstand ginge, zu ihr mit Vorbehalten zu kommen. Sie ist die genialste Psychologin aller Zeiten, die beste und liebevollste Erzieherin der Menschen. Sie kann aber jedem einzelnen von uns nur helfen, wenn wir ihr treuen Gehorsam leisten wie ein Kind seiner barmherzigen Mutter.
Wo in der Welt gäbe es eine andere Kirche, zu der wir Erdenwanderer so berechtigt sprechen dürften: „Meine Mutter! Bin ich unglücklich, Du tröstest mich. Bin ich auf Irrpfaden, Du holst mich zurück. Bin ich voll Schuld und Reue, Du sprichst mich los. Bin ich hungrig und durstig, Du speisest mich. Bin ich verlassen, Du öffnest mir Deine heilige Stille.“ In ihr spüre ich das Walten Gottes, die Fürbitte Mariä, die Nähe aller Heiligen.
Wahrlich, was zu einer solchen Kirche gehören darf, kann überwinden, wenn es auch Herzblut kostet.
Wir sind doch Katholiken geworden, um nach katholischer Weltanschauung zu leben.
Die Freudigkeit des Opferns freilich wird nur wenigen Auserwählten bei der Geburt geschenkt. Sie muss errungen werden. Wir finden sie durch Gebet auf dem Weg des Leids.
Leid ist nichts Grauenvolles. Es ist etwas so Ehrfürchtiges, uns auf das innigste mit Gott Verbindendes. Darum wird es auch von den christlichen Mystikern und Kirchenlehrern immer in erhebender Weise begrüßt. In Worten und Liedern wird es als Vorbote himmlischer Glückseligkeit gefeiert, als etwas, das das Gepräge des Überweltlichen trägt.
Stärkende Prüfungen
Die schwersten Kämpfe kommen für viele Konvertiten erst nach dem Übertritt. Das sind Prüfungen. Unser Staatsexamen der Seele vor Gott ist das. In Zuversicht und Treue wollen wir an uns arbeiten, um es zu bestehen. Wir haben die mächtige Hilfe des Heiligen Geistes dazu. Wir strebten zu Ihm und wurden durch die Firmung zu Trägern seines Odems.
Erst wenn es unserer Seele ergeht wie dem Acker, der, wenn er ausgerissen ward, grünende Saat trägt und reifende Frucht, werden wir im wahren Sinne des Wortes Katholiken, starkmütige, gütige, glückselige Kinder der Kirche Christi.